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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.08.2005
Aktenzeichen: 10 UF 392/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 b Abs. 4
Bei der Durchführung des Versorgungsausgleiches ist es unzulässig, bei einem ausgleichspflichtigen Beamten, der neben seiner Anwartschaft auf Beamtenversorgung auch solche aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, aus Gründen der Zweckmäßigkeit den Ausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinaus zu vollziehen.
10 UF 392/05

Nürnberg, den 23.8.2005

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 09.03.2005 - Ziffer 2 des Urteilstenors - wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

V. Der Streitwertbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 09.03.2005 wird dahingehend berichtigt, dass der Streitwert des Versorgungsausgleichs anstelle von 2.690,00 EUR richtig 2.000,00 EUR beträgt.

Gründe:

I.

Mit Endurteil vom 09.03.2005 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg die Ehe der Parteien geschieden und in Ziffer 2 des Urteilstenors den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Beamtenversorgung auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte monatliche Rentenanwartschaften von 199,82 EUR begründet (Urteilstenor Ziffer 2, 1. Absatz) und zusätzlich in gleicher Weise weitere Rentenanwartschaften von monatlich 24,37 EUR (Urteilstenor Ziffer 2, 2. Absatz).

Dieser Entscheidung liegt zugrunde, dass der Antragsteller als Arzt in der Ehezeit einen Anspruch bei der Beamtenversorgung in Höhe von monatlich 566,76 EUR, einen weiteren volldynamischen Anspruch bei der Bayerischen Ärzteversorgung in Höhe von monatlich 48,74 EUR, sowie Rentenanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von monatlich 2,11 EUR erwarb. Die gesamte Anwartschaft in der Rentenversicherung, die unter anderem auf 15 Monaten Beitragszeiten beruht, beträgt 31,13 EUR. Dem stehen Versorgungsanwartschaften der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von monatlich 169,23 EUR gegenüber.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 03.05.2005, mit der beantragt, sie dahingehend abzuändern, dass für die Antragsgegnerin Rentenanwartschaften vorrangig aus der Versorgungsanwartschaft bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründet werden.

Zur Begründung führt der Antragsteller aus, die Anwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 2,11 EUR seien für ihn wertlos, weil er daraus als Beamter niemals eine Rente erhalten werde. Die gesetzliche Regelung sei unvollkommen. Das Erstgericht hätte jedoch den Rechtsgedanken der Unwirtschaftlichkeit auf Geberseite heranziehen müssen (§ 1587 b Abs. 4 BGB), um dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht zu werden. Das Gericht sei verpflichtet, verfassungswidrige Ergebnisse, die bei schematischer Durchführung des Versorgungsausgleiches eintreten können, zu vermeiden. Nachdem diese Rechtsfrage ungeklärt sei und in einer Vielzahl von Fällen vorkomme, werde die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof beantragt.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

Es trifft zu, dass der Antragsteller mit 617,61 EUR ./. 169,23 EUR = 448,38 EUR : 2 = 224,19 EUR ausgleichspflichtig ist. Nach § 1587 b Abs. 2 BGB hat der Versorgungsausgleich durch Quasisplitting zu erfolgen in Höhe von (566,76 EUR + 2,11 EUR ./. 169,23 EUR) : 2 = 199,82 EUR. Der weitere Ausgleich erfolgt durch analoges Quasisplitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG in Höhe von 4 8,74 EUR : 2 = 24,3 7 EUR. Der Höchstbetrag in Höhe von 349,01 EUR wird dabei nicht überschritten.

Der Beschwerdeführer macht geltend, bei dieser Entscheidung bleibe unberücksichtigt, dass er seitens der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Beamter wohl niemals eine Rente erhalten werde, dass diese Anwartschaften also "geschont" würden und er demgegenüber einen Verlust an der Altersversorgung erleide, die ihm tatsächlich zugute käme.

Dieses Ergebnis ist allerdings de lege lata nicht zu vermeiden und von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten hinzunehmen, und zwar aus folgenden Gründen:

§ 1587 b BGB schreibt vor, in welcher Reihenfolge der Versorgungsausgleich durchzuführen ist. Die zwischen den verschiedenen Absätzen dieses Paragraphen bestehende Rangfolge ist zwingend (vgl. Palandt, BGB, 64. Aufl., Rn. 7 zu § 1587 BGB m.w.N.). Das Erstgericht hat sich an die Reihenfolge gehalten.

Ein Abweichen von dieser Reihenfolge ist nur dann nach § 1587 b Abs. 4 BGB möglich, wenn sich die Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich nicht zugunsten des Berechtigten auswirken würde oder wenn der Versorgungsausgleich in der vorgegebenen Form nach den Umständen des Falles unwirtschaftlich wäre. Nachdem sich im vorliegenden Fall der Versorgungsausgleich durchaus zugunsten der Antragsgegnerin auswirkt und damit wirtschaftlich ist, kommt nur die zweite Alternative in Betracht. Danach müssen bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit, an die ein strenger Maßstab zu legen ist, die beiderseitigen Interessen berücksichtigt werden, nicht nur die des ausgleichsberechtigten Ehegatten (vgl. Palandt, a.a.O., Rn. 43 zu § 1587 b; BGH in FamRZ 1980, 36; in FamRZ 81, 1058; Schwab/Hahne, Handbuch des Scheidungsrechtes, 4. Aufl., Rn. 163 ff zu Ziffer VI). Gründe der Wirtschaftlichkeit würden hier dafür sprechen, in den Ausgleich vorrangig die dem Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit nutzlosen Versorgungsanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einzubeziehen. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise, allerdings bei einer anderen Fallgestaltung, ausgeführt, dass ein solches Vorgehen zur Vermeidung verfassungswidriger Auswirkungen im Einzelfall erfolgen muß (BGH in FamRZ 81, 1058).

Im vorliegenden Fall ist dies allerdings kraft Gesetzes ausgeschlossen. § 1587 b Abs. 4 BGB verweist ausdrücklich darauf, dass § 1587 o Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend gilt. Diese Paragraphen-Kette hat also zur Folge, dass auch bei vorliegender ünwirtschaftlichkeit auf Seiten des Ausgleichspflichtigen Anwartschaftsrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht über den durch § 1587 b Abs. 1 BGB festgelegten Umfang hinaus übertragen werden können (vgl. BGH in FamRZ 1981, 1051; 1986, 251; 90, 386). Der BGH (in FamRZ 1981, 1051, 1060) führt das Verbot in § 1581 o Abs. 1 S. 2 BGB darauf zurück, dass der Empfänger der Versorgungsanwartschaft einerseits vor Übervorteilung geschützt werden solle, andererseits aber der Rentenversicherungsträger vor Manipulationen zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft. Es treffe nicht zu, dass die Auswirkungen für den Rentenversicherungsträger bei einer Begründung von Rentenanwartschaften und bei einer stattdessen vorgenommenen entsprechenden höheren Übertragung von Rentenanwartschaften die gleichen seien. Das Verbot des § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB gilt gemäß § 3 VAHRG entsprechend im vorliegenden Fall des Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG (vgl. Schwab a.a.O., VI Rnr. 291). Nach der Rechtsauffassung des Senates ist es deswegen unzulässig, bei einem ausgleichspflichtigen Beamten, der neben seiner Anwartschaft auf Beamtenversorgung auch solche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, hat, aus Gründen der Zweckmäßigkeit den Ausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinaus zu vollziehen.

Der Senat läßt wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Geschäftswert: § 49 GKG.

Die Entscheidung des Erstgerichts zum Geschäftswert ist dementsprechend richtig zu stellen.

Ende der Entscheidung

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