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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 10 WF 313/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 655
BGB § 1612 b Abs. 5
Wird eine Jugendamtsurkunde gemäß § 655 ZPO der Neuregelung des § 1612 b Abs. 5 BGB angepasst, wird ein neuer Titel über den gesamten nun geschuldeten Unterhalt (und nicht nur über die Veränderung in Folge der Neufassung des § 1612 b Abs. 5 BGB) geschaffen.
10 WF 313/05

Nürnberg, den 5.4.2005

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Stadt ... - Amt für soziale Sicherung - vom 07.02.2005 werden der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 31.01.2005 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluß vom 08.03.2005 aufgehoben.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 663,08 EUR.

Gründe:

I.

Unter dem Datum des 10.06.1999 hat der Antragsgegner vor dem Kreisjugendamt die Vaterschaft und die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung hinsichtlich des Kindes Denise Michaela ..., geb. ... bei hälftiger Anrechnung des staatlichen Kindergeldes anerkannt.

Auf Antrag des Beistands des Kindes auf Anpassung dieser Urkunde ab 01.01.2001 an die veränderte Kindergeldanrechnung gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB hat das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg vom 14.03.2001 folgenden Beschluß erlassen:

Die Urkunde des Jugendamtes ..., Urkundsregister Nr. ..., vom 10.06.1999 mit einem monatlich zu zahlenden Unterhalt als: Unterhalt gemäß den Altersstufen der Regelbetrags- Verordnung in Höhe von 100.0 % des Regelbetrages (§ 1 Regelbetrags-Verordnung) wird dahingehend abgeändert, dass auf den Unterhalt Kindergeld für ein 1. Kind ab 01.01.2001 in der Höhe nicht angerechnet wird, in welcher der titulierte Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrages unterschreitet (§ 2 Unterhaltsanpassungsgesetz in Verbindung mit § 655 Zivilprozessordnung).

Die Kindergeldanrechnung ändert sich hiernach wie folgt:

Angerechnet wird ein Kindergeldanteil in Höhe von:

10.00 DM (5.11 EURO) vom 01.01.2001 bis 30.06.2001

Der derzeit zu zahlende Kindesunterhalt beträgt somit monatlich 345.00 DM (176.40 EURO).

Das Amt für soziale Sicherung der Stadt hat in der Folgezeit für das Kind Sozialhilfeleistungen erbracht und die Unterhaltsansprüche in dieser Höhe auf sich übergeleitet.

Mit Schreiben vom 15.10.2004 hat die Stadt eine Umschreibung des Unterhaltsbeschlusses vom 14.03.2001 auf sich im Hinblick auf erbrachte Sozialhilfeleistungen in Höhe von 943,08 EUR beantragt.

Mit Beschluß vom 31.01.2005.hat das Amtsgericht - nach vorhergehendem Hinweis auf seine Rechtsauffassung - dem Antrag nur insoweit stattgegeben, als in dem Beschluß vom 14.03.2001 eine Erhöhung des geschuldeten Kindesunterhalts tituliert wurde. Eine weitergehende Umschreibung wurde abgelehnt, da insoweit der Grundlagenbescheid vom 10.06.1999 fortgelte. Ferner wurde durch Verfügung vom gleichen Tag eine Vollstreckungsklausel nur über eine Betrag von 280,00 EUR erteilt.

Gegen den Beschluß vom 31.01.2005 wendet sich die Stadt mit dem Rechtsmittel der Erinnerung. Die Anpassung der Jugendamtsurkunde gemäß § 655 ZPO habe zu einem neuen Kindesunterhaltstitel geführt. Auch bei einer Abänderung eines Titels gemäß § 323 ZPO trete das neue Urteil an die Stelle des abgeänderten. Eine Aufspaltung in zwei Titel führe zu erheblichen Mehrbelastungen im Vollstreckungsverfahren.

Mit Beschluß vom 08.03.2005 hat der Familienrichter beim Amtsgericht Regensburg der Beschwerde der Stadt ... nicht abgeholfen. Er vertrat die Ansicht, dass der Beschluß vom 14.03.2001 nicht die Jugendamtsurkunde vom 10.6.1999 in vollem Umfang ersetze. Für eine Vollstreckung hinsichtlich des gesamten Kindesunterhalts seien daher vollstreckbare Ausfertigungen beider Titel erforderlich.

Das Familiengericht hat die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 11 Abs. 2 RpflG vorgelegt.

II.

Auf die zulässige sofortige Beschwerde war des Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 31.01.2005 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluß vom 08.03.2005 aufzuheben. Die Vollstreckungsklausel wird alsdann in der beantragten Höhe durch das Amtsgericht zu erteilen sein.

Das zulässige Rechtsmittel der Stadt hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar ist dem Amtsgericht im Ansatz dahin zuzustimmen, dass das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren gemäß § 655 ZPO nicht zu einer materiellen Überprüfung der Grundlagen der Jugendamtsurkunde vom 10.06.1999 geführt hat, sondern hierin nur die geltend gemachten Abänderungsgründe geprüft wurden. Dennoch wurde durch den nun im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren ergangenen Unterhaltstitel ein gerichtlicher Titel über den geschuldeten Gesamtunterhalt geschaffen. Eine andere Auslegung würde Sinn und Zweck des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens gemäß § 655 ZPO und dem möglichst einfachen Vollstreckungsbedürfnis des Unterhaltsgläubigers widersprechen. Die erstmalige Unterhaltsfestsetzung in einem gerichtlichen - wenn auch vereinfachten - Verfahren gemäß § 655 ZPO ist nicht vergleichbar mit einem Titel "über anerkannte Zahlungspflichten hinaus", der zweifelsfrei nur einen Vollstreckungstitel in Höhe des Spitzenbetrages schafft. Ein Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO führt dazu, dass der abzuändernde Titel in Gänze ersetzt wird. Ähnlich verhält es sich bei dem Ersetzen einer Jugendamtsurkunde durch einen Beschluß im vereinfachten Verfahren gemäß § 655 ZPO. An dieser Beurteilung ändert sich deshalb nichts, weil die abändernde Festsetzung gemäß § 655 ZPO nicht den vollen Streitwert, sondern nur den Streitwert der Abänderung haben mag. Hinzu kommt, dass der Beschluß gemäß § 655 ZPO den nun zu vollstreckenden Unterhalt mit 100 % des Regelbetrages nochmals wiederholt und den zu zahlenden monatlichen Unterhalt betragsmäßig ausgewiesen hat. Auch daraus wird deutlich, dass der neue Titel Vollstreckungsgrundlage für den Gesamtbetrag sein soll.

Kosten des Beschwerdeverfahrens: § 21 GKG.

Ende der Entscheidung

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