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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: 11 UF 3187/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 4
Die Betriebsrente bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden ist derzeit sowohl im Leistungs- als auch im Anwartschaftsteil statisch.
11 UF 3187/03

Nürnberg, den 19.12.2003

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 11. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der beteiligten Zusatzversicherungskasse der bayerischen Gemeinden wird das Endurteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Tirschenreuth vom 2. September 2003 in Nr. 2 abgeändert.

Vom Versicherungskonto Nr. der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte werden auf das Versicherungskonto Nr. des Antragsgegners bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz Rentenanwartschaften von monatlich 0,87 EUR bezogen auf den 28. 02. 2003 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen.

Vom Versicherungskonto Nr. der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte werden auf das Versicherungskonto Nr. des Antragsgegners bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz Rentenanwartschaften von monatlich 20,65 EUR bezogen auf den 28.02.2003 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden werden auf dem Versicherungskonto Nr. des Antragsgegners bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz Rentenanwartschaften von monatlich 4,97 Euro bezogen auf den 28.02.2003 begründet. Der Monatsbetrag der der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Wert der Beschwerde wird auf 500,00 EUR festgesetzt

Gründe:

1. Mit Endurteil vom 2. September 2003 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tirschenreuth die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Gegen das Endurteil hat die am Versorgungsausgleich beteiligte Zusatzversorgungkasse der bayerischen Gemeinden Beschwerde eingelegt, weil in der angefochtenen Entscheidung eine Anwartschaft der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin als im Leistungteil dynamisch bewertet wurde. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Leistungsteil nicht dynamisch sei, weil die Leistungen jährlich nur um 1% steigen.

Die anderen Beteiligten haben sich zur Beschwerde nicht geäußert und keine Einwände gegen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren erhoben.

2. Die Beschwerde der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs im Endurteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Tirschenreuth vom 2. September 2003 ist zulässig (§ 621e Abs. 1 und 3 ZPO) und begründet.

Die Antragstellerin hat bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden eine Anwartschaft auf Betriebsrente (Zusatzrente) erworben, die für die Zeit der Ehe monatlich 121,74 EUR beträgt. Die Berechnung des Betrages berücksichtigt die derzeit geltende Rechtslage. Die Anwartschaften aus der Zeit vor dem 1. Januar 2002 sind als Startgutschrift einbezogen. Der Wert der so errechneten Anwartschaft steigt nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Der Ehezeitanteil der Versorgung ist daher gem. § 1587a Abs. 3 und 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen (vgl. OLG Celle 13.6.2002, 619 F 1257/01, OLG Nürnberg, FamRZ 2003, S. 314, Glockner FamRZ 2002 S. 287 und Deisenhofer FamRZ 2002, S. 288).

Die Leistungen, die der Versicherte der Zusatzversorgung der bayerischen Gemeinden zu erwarten hat, sind im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) geregelt. Nach § 11 Abs. 1 ATV steigen die Renten der Zusatzversorgung zum 1. Juli eines jeden Jahres um 1,0 v.H.

Ob eine Versorgung statisch oder nur teildynamisch ist, bestimmt sich zunächst an Hand einer rückschauenden Betrachtung auf die 10jährige Entwicklung der Referenzsysteme.

Allerdings ist auch eine Prognose auf die zukünftige Entwicklung anzustellen (BGH FamRZ 1985, 119)

Die 10jährige Rückschau ergibt folgendes Bild:

 Versorgung fiktivBeamtVges. Rente
1993 Erhöhung in % 1,002,904,36
1994 Erhöhung in % 1,001,903,39
1995 Erhöhung in % 1,003,100,50
1996 Erhöhung in % 1,000,000,95
1997 Erhöhung in % 1,001,301,65
1998 Erhöhung in % 1,001,500,44
1999 Erhöhung in % 1,002,801,34
2000 Erhöhung in % 1,000,000,60
2001 Erhöhung in % 1,001,701,91
2002 Erhöhung in % 1,002,102,16
Gesamterhöhung in %: 10,4618,6518,62
linearer Durchschnitt in % 1,001,731,73

(Quelle: Gutdeutsch, Familienrechtliche Berechnungen, Edition 2/2003)

Mit einer durchschnittlichen Erhöhung, von 1,73 % liegt die Steigerung der Referenzsysteme deutlich über der ein prozentigen Dynamik der Zusatzversorgungkasse.

Bei der Beurteilung der Dynamik für die Zukunft können die Daten der Vergangenheit nicht einfach fortgeschrieben werden. Es sind auch die absehbaren zukünftigen Entwicklungen zu beachten. Dabei ist nicht die absolute Gewißheit zu fordern, dass die Anpassungen der volldynamischen Versorgungen sich den 1 % igen Erhöhungen der Zusatzversorgungskasse annähern. Eine Prognose, die alle bedeutsamen Umstände berücksichtigt, muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die Steigerungsrate des Wertes der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung der Steigerungsrate der Anwartschaft bei der Zusatzversorgungskasse von 1 % gleicht oder nahezu gleicht (vgl. BGH FamRZ 1985, 194).

In welche Richtung das System der gesetzlichen Rentenversicherung weiter entwickelt wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

Die Zusatzversorgung ist auch im Anwartschaftsteil statisch.

Die monatliche Betriebsrente der Zusatzversorgung errechnet sich aus der Summe der bis zum Leistungsbeginn erworbenen Versorgungspunkte, mulipliziert mit dem Messbetrag von vier Euro (§ 7 ATV). Die Versorgungspunkte für ein Kalenderjahr ihrerseits ergeben sich aus dem Verhältnis eines Zwölftels des Jahresentgelts zum Referenzentgelt von 1.000,00 EUR, multipliziert mit dem Altersfaktor, der einer Tabelle entnommen wird.

Am Ende eines Kalenderjahres bzw. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden die für dieses Kalenderjahr erworbenen Versorgungspunkte festgestellt (§ 8 ATV).

Für den Versorgungsausgleich bedeutet das, dass die in jedem Jahr der Ehezeit erworbenen Versorgungspunkte addiert und mit dem Messbetrag von vier Euro mulitpliziert werden. Das ergibt den Wert der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaft. Eine Wertsteigerung dieser Anwartschaft bis zum Beginn der Versorgung erfolgt nicht. Es ändert sich weder die Anzahl der Versorgungspunkte noch deren Wert.

Der Ehezeitanteil der Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden ist deshalb in eine dynamische Rentenanwartschaft umzurechnen. Dafür ist zuerst nach der BarwVO der Barwert zu berechnen. Es sind die Werte der Tabelle 1 der BarwVO zu verwenden, weil die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist.

Aus der Monatsrente ist die Jahresrente zu berechnen: 121,74 * 12 = 1.460,88 EUR

Es handelt sich um den Ehezeitanteil der Versorgung.

Die Altersgrenze ist 65.

Das Alter der Antragstellerin am Ende der Ehezeit beträgt 28 Jahre; daraus ergibt sich ein Barwertfaktor von 1,5.

Der Barwert der Anwartschaft beträgt somit 2.191,32 EUR. Aus dem Barwert wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, daß der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.

Umrechnungsfaktor für Beiträge in Entgeltpunkte: 0,0001754432

Daraus errechnen sich Entgeltpunkte in Höhe von: 0,3845

Mulitpliziert mit dem aktuellen Rentenwert in Höhe von: 25,86 EUR

Ergibt eine dynmische Rente von 9,94 EUR

Es ergibt sich damit folgende Berechnung für den Versorgungsausgleich unter den Parteien:

Anwartschaften der Antragstellerin:

Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 328,84 EUR angleichungsdynamische Rente 1,73 EUR Bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden 9,94 EUR insgesamt: 338,78 EUR

Anwartschaften des Antragsgegners:

Bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz 287,55 EUR

Bei der Anwartschaft bei der Bayer. Milchindustrie e. G. handelt es sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung.

Das ehezeitliches Deckungskapital beträgt 0,17 EUR

Aus dem Deckungskapital wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, daß der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.

Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte: 0,0001754432

Entgeltpunkte: 0

Das ergibt folgende Übersicht:

Insgesamt 287,55 EUR

Die Antragstellerin hat die höheren Anrechte und ist deshalb ausgleichspflichtig:

Die Bilanz der angleichungsdynamischen Anrechte ergibt: 1,73 - 0 = 1,73 EUR Die Bilanz der anderen Versorgungen ergibt: 338,78 - 287,55 = 51,23 EUR Versorgungsausgleich durch Rentensplitting (Ost): 1,73 / 2 = 0,87 EUR Versorgungsausgleich durch Rentensplitting: (328,84 - 287,55) / 2 = 20,65 EUR Versorgungsausgleich durch analoges Quasisplitting: 9,94 / 2 = 4,97 EUR

Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 7 Abs. 1 ZPO und § 13a FGG. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde nach § 17a GKG berechnet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Frage, ob die Anwartschaften der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes als statisch oder dynamisch zu bewerten sind, von grundsätzlicher Bedeutung ist (§§ 629a Abs. 1, 621e Abs. 2 und 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes wurden durch eine Änderung des § 18 BetrAVG und dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) zum 1. Januar 2002 strukturell verändert. Sie haben damit ihren früheren Charakter erheblich verändert. Da sie eine weit verbreitete Form der betrieblichen Altersvorsorge sind, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen die Frage nach ihrer Bewertung als statisch oder dynamisch.

Ende der Entscheidung

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