Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 15.06.2001
Aktenzeichen: 13 W 1754/01
Rechtsgebiete: BRAGO, BGB


Vorschriften:

BRAGO § 6
BGB § 421
Dem Rechtsanwalt steht auch nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft bei der Vertretung einer Rechtsanwaltskanzlei auf der Passivseite der Mehrvertretungszuschlag nach § 6 BRAGO jedenfalls dann zu, wenn nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die mit ihrem Privatvermögen haftenden Gesellschafter gesamtschuldnerisch verklagt werden.
13 W 1754/01

Nürnberg, den 15.6.2001

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4.4.2001 abgeändert.

II. Die von der Klägerin an die Beklagten als Gesamtgläubiger nach dem rechtswirksamen Vergleich des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4.11.1998 zu erstattenden Kosten werden auf DM 6.029,15 DM und 4 % Zinsen hieraus seit 5.12.1998 festgesetzt.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 573,55 DM festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

I.

Mit Beschluß vom 4.4.2001 hat das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 5.455,40 DM festgesetzt. Es hat dabei die von den Beklagten beantragte Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO abgesetzt, weil Auftraggeber eine Anwaltssozietät, mithin eine BGB-Gesellschaft war. Daher seien nicht die einzelnen Mitglieder der Sozietät Auftraggeber, sondern die BGB-Gesellschaft als teilrechtsfähiges Gebilde (OLG Nürnberg MDR 1997, S. 689 f).

II.

Der Senat wertet die Erinnerung der Beklagten als sofortige Beschwerde. Diese ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 577 ZPO zulässig.

III.

Die Beschwerde ist auch begründet, denn den Beklagten steht die geltend gemachte Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu.

1. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß den sich selbst vertretenden Rechtsanwälten gemäß § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Kosten zu erstatten sind, die sie als bevollmächtigte Rechtsanwälte erstattet verlangen könnten.

2. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 erhöht sich die Prozeßgebühr, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist, durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10.

Die Frage, ob mehrere in einer BGB-Gesellschaft verbundene Rechtsanwälte mehrere Auftraggeber im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO sind, wird in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor nicht einheitlich beantwortet.

Zum Teil wird vertreten, daß die Anwaltssozietät kostenrechtlich nur als eine Person zu behandeln sei (Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl. 2000, § 6 Rnr. 13 m.w.N.). Die wohl überwiegende, im einzelnen jedoch noch differenzierende Meinung sieht in der Anwaltssozietät eine BGB-Gesellschaft und bejaht zumindest im Passivprozeß eine Personenmehrheit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAG0, 14. Aufl. 1999, § 6 Anm. 14; OLG Düsseldorf, OLG-Report 2000, 333 m.w.N.).

Diese Rechtsprechung bedarf, soweit die BGB-Gesellschaft als solche verklagt wird, in Zukunft einer grundsätzlichen Überprüfung im Hinblick darauf, daß der BGH zwischenzeitlich die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft als solche anerkannt hat (BGH NJW 2001, 1056 ff). Es spricht vieles dafür, im Falle der Prozeßbeteiligung einer BGB-Gesellschaft eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO dann zu versagen, wenn die BGB-Gesellschaft allein verklagt wird.

Die Frage braucht hier jedoch nicht beantwortet zu werden, da in der konkreten Fallgestaltung jedenfalls die Erhöhungsgebühr erstattungsfähig ist.

Denn vorliegend ist nicht die BGB-Gesellschaft als solche verklagt worden, sondern ausweislich des Klageantrages Rechtsanwalt K und Rechtsanwältin J gesamtschuldnerisch. Aufgrund der im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehenden Rechtsprechung wäre eine Klage gegen die BGB-Gesellschaft als solche auch unzulässig gewesen. Es ist daher davon auszugehen, daß eine solche auch nicht gewollt war.

Auch nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ist jedoch in analoger Anwendung des § 121 Abs. 2 HGB sehr wohl zwischen einer Klage gegen die Gesellschaft als solcher und einer Klage gegen die einzelnen Gesellschafter mit dem Ziel der Vollstreckung in deren Privatvermögen zu unterscheiden. Der BGH hält es sogar für ratsam, die BGB-Gesellschaft als solche und daneben die Gesellschafter persönlich zu verklagen (vgl. BGH a.a.O., Seite 1060).

Wird jedoch nicht die BGB-Gesellschaft als solche verklagt, sondern werden gesamtschuldnerisch die Gesellschafter in Anspruch genommen, verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Der Senat schließt sich insoweit der überwiegenden Ansicht an, daß zumindest im Passivprozeß die Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 erstattungsfähig ist. Denn vorliegend ging es nicht nur um das Vermögen der Gesamthand, sondern auch um das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter. Soweit sie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurden, hätte jeder haftende Gesellschafter die in seiner Person begründeten Einwendungen gegen die Schadensersatzforderung gesondert geltend machen können (§ 425 BGB i.V.m. § 129 Abs. 1 HGB). Je nach Sachlage hätte dies zur Folge haben können, daß der Prozeß gegen die einzelnen Mitglieder der BGB-Gesellschaft mit einem unterschiedlichen Ergebnis endete. Es ging vorliegend nicht nur um das gesamthänderisch gebundene Vermögen der BGB-Gesellschaft, sondern auch um das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter selbst.

Vor diesem haftungsrechtlichen Hintergrund ist es nach Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO gerechtfertigt und geboten, den mit der Abwehr einer Gesamtschuldhaftung beauftragten Rechtsanwalt einen Mehrvertretungszuschlag zuzubilligen. Dies ist nicht zuletzt dadurch gerechtfertigt, daß sich durch die Vertretung einer Mehrzahl von Personen nicht nur die Arbeitsbelastung des Rechtsanwalts erhöhen kann, sondern auch sein Haftungsrisiko (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg, 4. Zivilsenat, Beschluß vom 23.1.2001, AZ: 2 W 4159/00).

3. Der Streitwert beträgt vorliegend 95.744,13 DM. Die Prozeßgebühr gemäß §§ 11, 31 Abs. 1 BRAGO beläuft sich auf 2.125,- DM. 3/10 Erhöhungsgebühr hieraus sind 637,50 DM. Die Mehrwertsteuer ist nicht anzusetzen, da die Erklärung gemäß § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht abgegeben wurde.

Die Klägerin trägt somit 9/10 aus 637,50 DM, was DM 573,75 entspricht. Um diesen Betrag war der festgesetzte Erstattungsbetrag zu erhöhen.

III.

Kosten: § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück