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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 2 W 267/06
Rechtsgebiete: InsO, JVEG


Vorschriften:

InsO § 4
InsO § 21
JVEG § 9 Abs. 1 S. 3
JVEG § 9 Abs. 2
1. Ein Sachverständiger hat nach § 4 InsO i.V.m. §§ 402 ff. ZPO auch in einem Insolvenzverfahren lediglich die "schwache" Position eines Helfers des Gerichts. Die Konstruktion eines "starken" Gutachters, der berechtigt wäre, Außenstände einzuziehen und Massengegenstände zu verwerten, widerspricht auch der in § 21 InsO vorgesehenen Aufgabenzuweisung.

2. Jedenfalls für die gebührenrechtliche Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Tätigkeit einem Rechtsanwalt, der förmlich als Gutachter bestellt worden ist, tatsächlich übertragen worden ist. Sind einem Rechtsanwalt, der als Sachverständiger bestellt worden ist, nach der gerichtlichen Anordnung sachlich zusätzlich Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters übertragen worden, so ist auf dessen Vergütung als Sachverständiger § 9 Abs. 2 JVEG anzuwenden.

3. Der Gebührenanspruch eines Sachverständigen, dem zusätzlich die Stellung eines "schwachen" vorläufigen, Insolvenzverwalters übertragen worden ist, bestimmt sich nach § 9 Abs. 2 JVEG.

4. Das Honorar eines isolierten Sachverständigen im Insolvenzverfahren ist nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG zu beurteilen. Da vergleichbare außergerichtlich vereinbarte Stundensätze nicht vorliegen, ist in einem typischen Fall das Honorar des isolierten Sachverständigen an einem Stundensatz von 65 Euro zu orientieren.


2 W 267/06

Nürnberg, den 20.2.2006

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der ...

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg, 2. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden Beschluss:

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Amtsgericht Nürnberg wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Insolvenzgericht - vom 04.10.2004 (Az. 8102 IN 794/04) abgeändert.

2. Das dem Rechtsanwalt ... für seine Tätigkeit als Gutachter in dem genannten Insolvenzverfahren zustehende Honorar wird auf 754,00 Euro festgesetzt. Dessen weitergehender Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Auf einen Antrag der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, hin hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Nürnberg mit Beschluss vom 02.07.2004 ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. Gleichzeitig ist in diesem Beschluss Rechtsanwalt ... mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und einer die Verfahrenskosten deckenden, verfügbaren Masse beauftragt worden. Zusätzlich ist ihm die Befugnis übertragen worden, "Außenstände einzuziehen, freies Vermögen zu verwerten sowie Gelder der Schuldnerin in Besitz zu nehmen und treuhänderisch zu verwahren ".

Rechtsanwalt ... hat in der Folge das Verfügungsverbot möglichen Drittschuldnern mitgeteilt und diese aufgefordert, zur Insolvenzmasse gehörende Vermögensgegenstände an ihn herauszugeben sowie Zahlungen an ihn zu leisten. Am 03.08.2004 hat er das in Auftrag gegebene Gutachten bei dem Amtsgericht vorgelegt und die Festsetzung eines Honorars nach § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG für 10 Stunden zu je 80 Euro zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer beantragt.

Nach Anhörung des Bezirksrevisors sowie des Rechtsanwalts ... hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Nürnberg mit Beschluss vom 04.10.2005 das Honorar entsprechend dem Antrag des Rechtsanwalts auf insgesamt 92 8 Euro festgesetzt. In diesem Beschluss geht das Amtsgericht davon aus, dass eine Anwendung das § 9 Abs. 2 JVEG auf den sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 2 InsO nicht in Betracht komme. Folglich sei für diesen ebenso wie für den "isolierten" Sachverständigen die Vergütung nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG unter Einordnung in eine vergleichbare Honorargruppe nach billigem Ermessen vorzunehmen. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf den, genannten Beschluss des Amtsgerichts Bezug genommen.

Der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Nürnberg hat mit Schreiben vom 20.10.2004 Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat durch den Einzelrichter mit Beschluss vom 11.02.2005 die Beschwerde der Staatskasse zurückgewiesen und gleichzeitig die weitere Beschwerde zugelassen, da nach Auffassung des Einzelrichters die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitzt.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatskasse vertreten durch den Bezirksrevisor mit Schreiben vom 28.02.2005, dessen unterschriebene Fassung spätestens mit dem 01.07.2005 zu den Akten gelangt ist, weitere Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat sodann mit Beschluss vom 06.07.2005 den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.02.2005 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen, da der Einzelrichter nach § 4 Abs. 7 S. 2 JVEG nicht selber entscheiden durfte sondern das Verfahren wegen der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache der Kammer zu übertragen war.

In dem Beschluss vom 10.11.2005 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth - nunmehr in einer Entscheidung der Kammer - die Beschwerde der Staatskasse unter Zulassung der weiteren Beschwerde erneut zurückgewiesen. Es hat sich dabei der Rechtsansicht des Amtsgerichts angeschlossen, dass von § 9 Abs. 2 JVEG ausschließlich der zusätzlich mit einem Gutachten beauftragte "starke" vorläufige Insolvenzverwalter erfasst sei. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 12. 12. 2005 bekannt gegebenen Beschluss hat der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Nürnberg am 22.12.2005 weitere Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, einer Entscheidung des OLG Bamberg vom 25.01.2005 folgend, müsse der Stundensatz auch bei der Bemessung des Honorars des isolierten Gutachters mit 65 Euro festgesetzt werden. Für den Inhalt der Beschwerdebegründung wird auf das Schreiben vom 22.12.2005 Bezug genommen.

Rechtsanwalt ... beantragt in der Beschwerdeerwiderung vom 13.02.2006, eine Vergütung von 80 Euro festzusetzen. Er vertritt die Ansicht, dass § 9 Abs. 2 JVEG als Sonderregelung ausschließlich auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis anzuwenden sei. Er selber sei in dem Insolvenzverfahren lediglich mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Auf die Vergütung eines isolierten Sachverständigen dürfe § 9 Abs. 2 JVEG nicht angewendet werden. Die von dem Bezirksrevisor angesprochene Entscheidung des OLG Bamberg hält Rechtsanwalt ... für falsch und bezieht sich seinerseits auf Urteile des OLG München vom 20.07.2005 sowie des OLG Koblenz (ZinsO 2006, 31 f.). Für die Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird auf den Schriftsatz vom 13.02.2006 Bezug genommen.

1. Die weitere Beschwerde ist statthaft, da das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und die weitere Beschwerde zugelassen hat, § 4 Abs. 5 S. 1 JVEG.

2. Dem Rechtsanwalt ... steht als Sachverständigen gemäß § 9 Abs. 2 JVEG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO Honorar von 65 Euro je Stunde zu. Sein darüber hinausreichender Antrag ist zurückzuweisen.

a) Der in dem vorliegenden Insolvenzverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Rechtsanwalt ist wie ein in § 9 Abs. 2 JVEG genannter Sachverständiger zu behandeln, da ihm über diese Tätigkeit hinaus Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters übertragen worden sind.

(1) In § 22 InsO wird rechtlich klar zwischen der Stellung eines Insolvenzverwalters und der eines Gutachters unterschieden.

Auf dieser Differenzierung beruht insbesondere die Regelung in § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO, nach der ein vorläufiger Insolvenzverwalter zusätzlich mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt werden kann. Diese Vorschrift bedürfte es nicht, wenn, die Bestellungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters und die eines Sachverständigen im Insolvenzverfahren nicht zu unterscheiden sondern im wesentlichen funktionsgleich wären.

§ 22 InsO geht dabei von der Definition eines Sachverständigen in den §§ 144, 402 ff. ZPO aus, die auch für das Insolvenzverfahren gilt, § 4 InsO. Der Sachverständige ist danach berufen, dem Richter das zur Beurteilung von Tatsachen erforderliche Fachwissen zu vermitteln und diesen bei daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu unterstützen. Aufgabe eines Sachverständigen ist es nicht, eine Umgestaltung der zu begutachtenden Tatsachen und Verhältnisse herbeizuführen. Er ist nach der Funktionbeschreibung in den §§ 402 ff. ZPO somit auch nicht befugt, für einen Verfahrensbeteiligten Forderungen einzuziehen oder dessen Vermögen zu verwerten.

(2) Insoweit bestehen auch keine Besonderheiten im Insolvenzverfahren. Die Insolvenzordnung verweist in § 4 InsO ohne Ausweitung der sachlichen Funktionsbeschreibung auf die Regelungen der Zivilprozessordnung für Sachverständige.

Der Sachverständige hat somit auch in einem Insolvenzverfahren lediglich die "schwache" Rechtsposition eines Helfers des Gerichts. Gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten kann er eine eigene Rechtsmacht nicht ausüben (vgl. Rendels, Probleme der Gutachtertätigkeit im Insolvenzverfahren, NZG 1998, 839, 841 ff.; MünchKommInsO-Schmahl, § 16 InsO Rn 44 f.; Beck-Dupre, Praxis der Insolvenz, S. 206).

(3) Die Konstruktion eines "starken" Gutachters, der berechtigt wäre, Außenstände einzuziehen und Massegegenstände zu verwerten, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sie widerspricht auch der rechtlichen Wertung in § 21 InsO, wonach solche Aufgaben lediglich von einem - meist "starken" - vorläufigen Insolvenzverwalter wahrzunehmen sind. Die genannten Tätigkeiten ordnet das Gesetz ohne erkennbaren Interpretationsspielraum ausschließlich der Funktion eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu.

Weder in den Regelungen der Insolvenzordnung noch in den nach § 4 InsO entsprechend geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung findet sich eine Rechtfertigung dafür, einem Sachverständigen die Rechtsmacht zur Verfügung über Vermögensgegenstände eines Verfahrensbeteiligten einzuräumen. Die dem Gesetz widersprechende Figur des "starken Gutachters" wird deswegen auch in der Literatur abgelehnt (vgl. Beck-Dupre, Praxis der Insolvenz, S. 207; Rendels a.a.O. S,. 841).

(4) Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird zwischen der Stellung eines Sachverständigen und derjenigen eines Insolvenzverwalters genau unterschieden. Wegen Verstoßes gegen diesen Grundsatz der Funktionsdifferenz hat der Bundesgerichtshof einen Beschluss, mit dem einem Gutachter analog §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 3 InsO die Ermächtigung erteilt worden ist, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, als rechtswidrig angesehen (BGH NJW 2004, 2015, 2017). Auch diese Entscheidung geht, gestützt auf die Wortauslegungen von § 4 InsO, davon aus, dass die Insolvenzordnung einem Sachverständigen im Eröffnungsverfahren keine Sonderrechte einräumt, und folgert daraus: "Er hat daher nur die in §§ 402 ff. ZPO normierten Befugnisse (§ 4 InsO), ... " (siehe BGH NJW 2004, 2015, 2017).

b) Sachlich hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Nürnberg dem Rechtsanwalt ... damit nicht nur Aufgaben eines Sachverständigen im Insolvenzverfahren nach den § 4 InsO i.V.m. §§ 402 ff. ZPO, sondern auch wesentliche Funktionen aus dem Aufgabenbereich eines vorläufigen Insolvenzverwalters übertragen.

(1) Soweit dieser damit betraut war, Außenstände einzuziehen, freies Vermögen zu verwerten sowie Gelder der Schuldnerin in Besitz zu nehmen und treuhänderisch zu verwahren, ist er nicht als Sachverständiger, sondern in dem Aufgabenkreis eines vorläufigen Insolvenzverwalters tätig geworden.

(2) Auch der handelnde Rechtsanwalt selber ist ersichtlich von dieser die Stellung eines Sachverständigen überschreiten den Qualität seiner Aufgabenstellung ausgegangen. Er hat nämlich mögliche Drittschuldner unter Hinweis auf seine Einziehungs- und Verwertungsberechtigung angeschrieben und die Übergabe von Vermögensgegenständen an ihn sowie ausstehende Zahlungen auf ein auf ihn lautendes Insolvenzanderkonto begehrt. Diese Schreiben hat er mit der Funktionsbezeichnung "Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter" unterzeichnet.

c) Der Umfang der Aufgaben und Ermächtigungen, die das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Nürnberg dem Sachverständigen übertragen hat, übersteigt dabei noch den Aufgabenkreis, der in der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs (siehe oben a) (4); Seite 7) zu beurteilen war. Während dort dem Sachverständigen lediglich die Ermächtigung übertragen worden war, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Nürnberg nicht nur festgelegt, dass der Gutachter den Zugang zu allen Vermögenswerten und Geschäftsunterlagen wie ein Eigentümer verlangen kann, sondern ihm darüberhinaus auch die Befugnis übertragen. "Außenstände einzuziehen, freies Vermögen zu verwerten sowie Gelder der Schuldnerin in Besitz zu nehmen und treuhänderisch zu verwahren".

Der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Nürnberg vom 02.07.2004 ist somit rechtswidrig, soweit dem Sachverständigen Ermächtigungen erteilt und Funktionen übertragen worden sind, die in den Aufgabenkreis eines Insolvenzverwalters gehören.

d) Der Rechtsanwalt ist damit vom Insolvenzgericht aufgrund eines insoweit rechtswidrigen Beschlusses materiell mit Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters beauftragt worden und hat diese sachlich auch wahrgenommen. Gebührenrechtlich ist er trotz der Rechtswidrigkeit der vom Insolvenzgericht gewählten, förmlichen Gestaltung wegen der ihm übertragenen und von ihm ausgeführten sachlichen Tätigkeit wie ein zusätzlich mit einem Gutachten betrauter vorläufiger Insolvenzverwalter zu behandeln.

Ist nämlich ein vorläufiger Insolvenzverwalter einer allgemeinen Handhabung bei dem zuständigen Insolvenzgericht folgend zu einer konkreten Tätigkeit ermächtigt worden, so ist er nach deren Ausführung entsprechend zu vergüten. Ohne Bedeutung ist für einen solchen Honoraranspruch, ob der die Ermächtigung enthaltende Beschluss rechtlich zulässig gewesen ist. Solange der mit Aufgaben aus der vorläufigen Insolvenzverwaltung Betraute auf die Wirksamkeit des Beschlusses vertrauen durfte, da dieser allgemein üblich und verbreitet war, ist er auch entsprechend der ihm zugewiesenen und wahrgenommenen Tätigkeit zu vergüten (vgl. allgemein zu diesem Grundsatz: BGH NZI 2005, 627 f.).

e) Gebührenrechtlich ist damit auf den Honoraranspruch des Rechtsanwalts ... die Regelung des § 9 Abs. 2 JVEG anzuwenden. Danach ist das Honorar eines Sachverständigen, der zugleich als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig wird, auf einen Betrag von 65 Euro je Stunde fixiert.

f) Das Amtsgericht kann die Anwendung dieser Norm sachlich nicht dadurch ausschließen, dass es den Rechtsanwalt zwar mit den Funktionen eines vorläufigen Insolvenzverwalters betraut und ihm entsprechende Ermächtigungen erteilt, jedoch von dessen förmlicher Bestellung als Insolvenzverwalter absieht Diese Gestaltung ist nicht nur rechtlich unzulässig sondern gebührenrechtlich jedenfalls dann ohne Auswirkungen, wenn der Gutachter auf die Wirksamkeit der Aufgabenübertragung vertraut hat. Maßgeblich bleibt somit für das Gebührenrecht, welche Aufgabenstellung dem Rechtsanwalt tatsächlich zugeordnet worden ist. Andernfalls hätte es nämlich das Gericht durch eine dem Gesetz nicht entsprechende Formenwahl in der Hand, nicht nur die gebührenrechtlichen sondern auch die haftungsrechtlichen Fragen einer Insolvenzverwaltung unabhängig von der im Gesetz festgelegten sachlichen Stellung des Beauftragten zu modifizieren.

Jedenfalls für die kostenrechtliche Beurteilung ist demnach darauf abzustellen, welche Tätigkeiten der Rechtsanwalt nach der gerichtlichen Anordnung vornehmen sollte und wozu er ermächtigt war. Auf Grundlage der ihm zugewiesenen Funktion ist er unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit der von dem Insolvenzgericht gewählten Gestaltung zu vergüten (vgl. grundlegend dazu BGH NZI 2005, 627 f.).

g) Dies bedeutet, dass dem Rechtsanwalt ... neben einer im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilenden Vergütung für seine Tätigkeit im Aufgabenbereich eines vorläufigen Insolvenzverwalters zusätzlich aus der Stellung als Sachverständiger ein Honoraranspruch zusteht, der nach § 9 Abs. 2 JVEG mit 65 Euro je Stunde festgelegt ist.

3. Einer Anwendung von § 9 Abs. 2 JVEG steht auch nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt ... im vorliegenden Insolvenzverfahren - faktisch - lediglich die Stellung eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters eingenommen haben könnte und auf diesen die pauschale Gebührenregelung in § 9 Abs. 2 JVEG nicht anwendbar wäre.

a) Es erscheint bereits fraglich, ob der beauftragte Rechtsanwalt, wie es das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 04.10.2004 andeutet (S. 2 unten), sachlich die Stellung eines lediglich "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters eingenommen hat.

(1) Zwar kann das Insolvenzgericht dessen Stellung nach dem im konkreten Verfahren bestehenden Interventionsbedarf durch detaillierte Regelungen bis an die Grenzen der Befugnis eines "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters ausgestalten (vgl. BGH NZI 2002, 543 ff., 546). Dafür bedarf es auch keines begleitenden allgemeinen Verfügungsverbots.

(2) Ordnet das Insolvenzgericht jedoch, wie im vorliegenden Fall, ein allgemeines Verfügungsverbot an, so ist im Grundsatz die Stellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in § 22 Abs. 1 InsO als "stark" geregelt. Etwas anderes mag in Fallkonstellationen gelten, in denen ein Regelungsbedürfnis hinsichtlich möglicher Verfügungen über Gegenstände der Masse ersichtlich nicht besteht. Dazu hat das vorliegende Insolvenzverfahren jedoch nicht gehört, da Außenstände aus Werkverträgen behauptet und entsprechende Forderungen von dem Rechtsanwalt ... auch "als Insolvenzverwalter" ausdrücklich gegenüber Drittschuldnern geltend gemacht worden sind. Dies spricht dafür, dass der Rechtsanwalt ... tatsächlich die Stellung eines "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters mit begleitendem, allgemeinem Verfügungsverbot innegehabt hat.

b) Jedoch kommt es auf eine Klärung dieser Frage für die Entscheidung letztlich nicht an, da § 9 Abs. 2 JVEG auch anzuwenden ist, wenn ein vorläufiger "schwacher" Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden ist.

(1) Die Regelung in § 9 Abs. 2 JVEG verweist ausdrücklich nur auf § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO und nicht auf den gesamten Regelungskontext von § 22 Abs. 1 InsO, der den vorläufigen "starken" Insolvenzverwalter beschreibt. Damit wird gerade § 22 Abs. 1 S. 1 InsO nicht von der Verweisung des § 9 Abs. 2 JVEG erfasst (hierauf jedoch abstellend: Ley, Die neue Vergütung des Sachverständigen im Insolvenzverfahren, ZIP 2004, 1391 ff., 1392). Auch der in § 20 Abs. 1 S. 2 InsO der Nr. 3 vorangehende Bezug auf S. 1 ist nicht in der Verweisung genannt.

Die Verweisung bezieht sich damit trotz der in § 20 Abs. 1 S. 2 InsO verwendeten Worte "in diesem Fall" nicht auf die gesamte, sondern lediglich auf einen Ausschnitt der Tätigkeit, die einem "vorläufigen" Insolvenzverwalter obliegt. Andernfalls wäre unklar, weshalb nicht als Verweisungsziel § 22 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2 InsO vollständig genannt sind.

Der Teil der Aufgabenstellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der in § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO als alleinige Voraussetzung einer Anwendung von § 9 Abs. 2 JVEG genannt ist, wird jedoch auch von dem Aufgabenkreis eines vorläufigen "schwachen" Insolvenzverwalters erfasst. Bereits der systematische Befund spricht somit dafür, dass in § 9 Abs. 2 JVEG allgemein die Beauftragung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit einem Gutachten geregelt worden ist (vgl. auch OLG München, NZI 2005, 501 f.; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2006, 49; Keller, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergütung im Insolvenverfahren, NZI 2004, 465 ff., 471).

(2) Auch die Gesetzesmaterialien zu § 9 Abs. 2 JVEG, hier die Begründung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 15/2478, S. 139 f.), unterscheiden nicht zwischen einem "starken" und "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter sondern stellen ausschließlich auf die Beauftragung eines Insolvenzverwalters mit einem Sachverständigengutachten ab. Diese Auslegung von § 9 Abs. 2 JVEG ist inzwischen von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebilligt worden (BVerfG NZI 2006, 93 f.)

(3) Auch der Regelungszweck von § 9 Abs. 2 JVEG rechtfertigt dessen einheitliche Anwendung auf alle Formen eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Eine gutachtliche Tätigkeit im Rahmen einer vorläufigen Insolvenzverwaltung weist keine signifikanten Unterschiede in Umfang und Schwierigkeit zwischen der Stellung eines "starken" und "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters auf. Ebenso trifft für beide Formen der vorläufigen Insolvenzverwaltung zu, dass daneben zusätzliche Honoraransprüche entstehen können (vgl. zu diesen Erwägungen, BVerfG NZI 2006, 93, 94; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2006, 79).

c) Dem Rechtsanwalt ... steht somit auch dann, wenn die ihm übertragenen Aufgaben lediglich als Stellung eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters zu qualifizieren wären, für seine Sachverständigentätigkeit nach § 9 Abs. 2 JVEG nur der dort ausdrücklich genannte Stundensatz von 65 Euro zu.

4. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass für die konkrete Sachverständigentätigkeit auch dann ein Sachverständigenhonorar von 65 Euro je Stunde zu gewähren wäre, wenn der Sachverständige in dem Beschluss vom 02.07.2004 nicht mit Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters betraut worden wäre.

a) Das Honorar eines isolierten Sachverständigen im Insolvenzverfahren ist nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG unter Berücksichtigung allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarter Stundensätze nach billigem Ermessen zu bestimmen.

b) Dies rechtfertigt im Regelfall den Ansatz einer Stundenvergütung von 65 Euro, wie sie auch für den Sachverständigen, der zugleich Insolvenzverwalter ist, festgelegt ist.

(1) Die Tätigkeit eines Sachverständigen im Insolvenzverfahren ist in keiner der Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG genannt. Dies beruht sachlich darauf, dass die im Insolvenzverfahren zu erstellenden, meist stark typisierten Gutachten außerhalb dieser Verfahren nicht nachgefragt werden, sodass ein Marktpreis nicht entstehen kann. Außergerichtliche oder außerbehördliche Stundensätze, die § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG als entscheidenden Vergleichsmaßstab nennt, existieren in einem solchen Fall nicht.

(2) Insbesondere lassen sich die im Insolvenzverfahren zu erstellenden Gutachten nicht allgemein mit betriebswirtschaftlichen Gutachten oder Unternehmensbewertungen vergleichen, wie sie für privatwirtschaftliche Zwecke erstellt werden. Tatsächlich sind die für Insolvenzverfahren erstellten Gutachten in erheblichem Maße standardisiert. Es werden zur Erleichterung für Sachverständige und Gericht Checklisten und formblattähnliche Muster angeboten. Auch das im vorliegenden Insolvenzverfahren erstellte Gutachten folgt einem solchen allgemein verwendeten Raster.

(3) Diese für viele Insolvenzverfahren geltende starke Typisierung der gutachterlichen Tätigkeit steht einer Übernahme von Stundensätzen, die für privatwirtschaftliche Gutachten bei der Beurteilung von Unternehmen vereinbart werden, entgegen. Vielmehr hat der Gesetzgeber selber die regelmäßig anfallende, typische Tätigkeit eines Gutachters im Insolvenzverfahren mit 65 Euro festgesetzt. Dieser Ansatz sollte auch einer Vereinfachung der Rechtsanwendung dienen. Es erscheint deswegen gerechtfertigt, im Grundsatz auch für den isolierten Sachverständigen im Insolvenzverfahren bei der von § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG verlangten Bewertung von einem Stundensatz von 65 Euro auszugehen (vgl. so auch OLG Bamberg NJW-RR 2005, 563 ff.; OLG Bamberg NZI 2005, 503, f.).

c) Es bedarf keiner Entscheidung, in welchen Fallkonstellationen eine fehlende Typik der von dem isolierten Sachverständigen zu leistenden Begutachtung es rechtfertigt, den Stundensatz von 65 Euro zu überschreiten. Im vorliegenden Insolvenzverfahren war nämlich eine recht einfache, übersichtliche und keine zusätzlichen Schwierigkeiten aufweisende Begutachtung zu erstellen. Die GmbH, deren Geschäftsfüherer Insolvenzantrag gestellt hat, hatte ihre Tätigkeit bereits eingestellt. Der Gutachter hat sich bei seinem Gutachten ausschließlich auf die ihm von dem Geschäftsführer übergebenen Unterlagen, dessen Auskünfte und eine Saldenbestätigung durch das Finanzamt und eine Bank gestützt. Über den bereits vorliegenden Jahresabschluss 2002 hinaus wurden Abschlüsse nicht erstellt. Der letzte Mitarbeiter ist von dem Geschäftsführer bereits vor der Beauftragung des Sachverständigen gekündigt Gesellschaft verfügte zur Zeit der Begutachtung noch über einige Werkzeuge und Materialreste, die in einer gemieteten Garage aufbewahrt worden sind und deren Wert der Sachverständige mit 1000 Euro angesetzt hat.

Damit erreicht die Begutachtung der Zahlungsfähigkeit in dem vorliegenden Fall nicht mehr durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass Umfang oder Schwierigkeitsgrad die Zubilligung eines Stundensatzes über 65 Euro rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

5. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht angeordnet werden kann, § 4 Abs. 8 JVEG.

Ende der Entscheidung

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