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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 3 U 2626/02
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 5 Abs. 2 Satz 1
MarkenG § 15 Abs. 2
1. Die Kurzbezeichnung "Leihhaus Nürnberg" ist nicht nur beschreibender Natur, sondern hat Unterscheidungskraft und wird vom Verkehr als individueller Herkunftshinweis aufgefasst. Dabei ist auch der Entstehungsgeschichte der Bezeichnung Rechnung zu tragen, die zugleich auf die Verkehrsauffassung ausstrahlt.

2. Die Benutung dieser Unternehmenskennzeichen im geschäftlichen Verkehr - insbesondere durch Verwendung der Domain »www.leihhaus-nuernberg.de« - durch Dritte ist geeignet, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen, und ist deswegen zu unterlassen.


3 U 2626/02

Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

In Sachen

wegen Unterlassung,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht... und die Richter am Oberlandesgericht... und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.1.03

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Juli 2002, Az. 3 O 6688/01, wird abgeändert.

II. Die Beklagten werden unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung verurteilt,

es zu unterlassen, in der Werbung, insbesondere auf Schaufensterscheiben und ähnlichem die Angabe "www.leihhaus-nuernberg.de" zu verwenden.

III. Die Beklagten werden unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Domain "www.leihhaus-nuernberg.de" zu benutzen, insbesondere unter der Domain "www.leihhaus-nuernberg.de" in Deutschland im Internet aufzutreten.

IV. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, die zu seinen Gunsten bei der DENIC e.G. registrierte Domain "www.leihhaus-nuernberg.de" löschen zu lassen.

V. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung seitens des Klägers durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 82.000,-- EURO abzuwenden, falls dieser nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Beschluss

Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 75.000,00 EUR.

Tatbestand:

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

Ergänzend hierzu ist auf folgendes hinzuweisen:

Am 4. November 1618 gründete die Reichsstadt Nürnberg erstmalig ein öffentliches Pfandhaus. Dieses Pfandhaus hatte in Nürnberg lange Zeit eine monopolartige Stellung inne. In der Folge ist in Nürnberg kein weiteres öffentliches Pfandhaus gegründet worden. Ebenso wie in Nürnberg wurden auch in anderen Städten die öffentlichen Leihhäuser durch Hinzufügung des jeweiligen Städtenamens gekennzeichnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Stadt Nürnberg den öffentlichen Pfandbetrieb nicht fortführen. Der Kläger führt seit dem 21. September 1949 auf Grund eines Betriebsführungsvertrages (vgl. insbesondere § 10) mit der Stadt Nürnberg den Leihhausbetrieb im städtischen Anwesen Unschlittplatz 7a unter der Bezeichnung

"Leihhaus Nürnberg

Gemeinnützige Anstalt der Nürnberger Nothilfe e.V.

unter Aufsicht der Stadt Nürnberg"

Damit führt der Kläger unter der vorgenannten Bezeichnung, aber auch unter dem Schlagwort "Leihhaus Nürnberg" in zwar privater Trägerschaft, zugleich aber unter der Aufsicht der Stadt Nürnberg das ehemals von letzterer betriebene Leihhaus fort.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth AZ: 3 O 6688/01 wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

A.

Das angefochtene Urteil ist aufgrund folgender Erwägungen abzuändern (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO n.F.):

Abweichend vom erstinstanzlichen Urteil geht der Senat davon aus, dass dem Kläger aus §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2 MarkenG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.

Die vom Kläger als Kurzbezeichnung für seinen Geschäftsbetrieb verwendete Bezeichnung "Leihhaus Nürnberg" ist nicht nur beschreibender Natur, sondern hat Unterscheidungskraft. Auch Kennzeichen, die sich aus beschreibenden Angaben zusammensetzen, können als Herkunftshinweis aufgefasst werden, wenn die Zusammensetzung eine individuelle Eigenart ergibt. Die Kennzeichnungskraft ist einerseits konkret im Hinblick auf die Art des so bezeichneten Unternehmens zu bestimmen, zum anderen ist sie von der Verkehrsauffassung abhängig (st. Rspr., vgl. stellvertretend BGH GRUR 1995, 507, 508 - City Hotel).

Die streitgegenständliche Bezeichnung wird trotz seiner einzeln betrachtet jeweils beschreibenden Elemente - einerseits "Leihhaus", andererseits "Nürnberg" - vom Verkehr als individueller Herkunftshinweis aufgefasst. Dabei ist der Entstehungsgeschichte der Bezeichnung Rechnung zu tragen, die zugleich auf die Verkehrsauffassung ausstrahlt.

Seit dem Auftreten der ersten Leihhäuser ist der Verkehr in den jeweiligen Städten daran gewöhnt, von einem kommunal geführten Leihhaus auszugehen. Das in Nürnberg gelegene Leihhaus führte zusätzlich zu dieser Bezeichnung zur Unterscheidung von vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen in anderen Städten den Ortsnamen "Nürnberg". Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit dem Jahr 1949 auf der Grundlage des Betriebsführungsvertrages mit der Stadt Nürnberg zumindest auch unter dem Schlagwort "Leihhaus Nürnberg" auftreten durfte und aufgetreten ist. Damit bringen zumindest in der Region Nürnberg die maßgeblichen Verkehrskreise - mithin diejenigen, die die Aufnahme eines besicherten Kredits in Betracht ziehen - mit der Bezeichnung "Leihhaus Nürnberg" überwiegend allein das klägerische Unternehmen in Verbindung. Da somit der innerörtliche Verkehr daran gewöhnt war, dass die Bezeichnung "Leihhaus" begrenzt auf Nürnberg nur einmal vorkam, ist der Betrieb des Klägers durch die Bezugnahme auf "Nürnberg" ausreichend und für den Verkehr deutlich individualisiert und von vergleichbaren Betrieben abgegrenzt. Daraus folgt allerdings nur ein auf das Stadtgebiet von Nürnberg begrenzter Schutz (BGH GRUR 1970, 479 f. - Treppchen).

Dieser Bewertung steht nicht der Umstand entgegen, dass in Nürnberg neben der Beklagten zu 2) im Laufe der Zeit auch noch weitere private Leihhäuser in Konkurrenz zum Kläger getreten sind. Das vom Kläger betriebene Leihhaus verfügt aufgrund der Monopolstellung des früher von der Stadt betriebenen Leihhauses, an dessen Geschäftsbetrieb der Kläger mittels des Betriebsführungsvertrags mit der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1949 anknüpft, nicht nur über die längste Tradition, sondern hat im Raum Nürnberg im Vergleich mit der Beklagten zu 2) und anderen Mitbewerbern den deutlich größten Marktanteil. Damit versteht der Verkehr die Bezeichnung "Leihhaus Nürnberg" nicht lediglich als Beschreibung eines in Nürnberg gelegenen Pfandleihhauses, sondern als individuellen Hinweis auf den Geschäftsbetrieb des Klägers.

Da die Beklagten das streitgegenständliche Unternehmenskennzeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen, ist der Unterlassungsanspruch aus §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2 MarkenG begründet.

Die von den Beklagten geäußerte Auffassung, wonach ein Obsiegen des Klägers für sie gleichsam eine Sperrung der Nutzungsmöglichkeit des Internets bedeuten würde, wird vom Senat nicht geteilt. Ohne unzumutbaren Aufwand kann der Kläger seiner Domain unterscheidungskräftige Zusätze hinzufügen oder - falls noch verfügbar -eine andere Top-Level-Domain wählen. Durch derartige Veränderungen wird die Erfassung einer derart modifizierten Domain in den gängigen Suchmaschinen nicht beeinträchtigt, weil deren Suchverhalten an Schlüsselwörter wie "Leihhaus" oder aber Ortsangaben anknüpft.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 3 ZPO n.F. war nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts gebietet keine Zulassung der Revision.



Ende der Entscheidung

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