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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 3 U 3129/01
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 8 Abs. 1 S. 2
GKG § 17 Abs. 4
Die dem Gegenstandswert gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 BRAGO i. V. m. § 17 Abs. 4 GKG hinzuzurechnenden Beträge auf Zahlung wiederkehrender Leistungen sind im Fall der vorgerichtlichen Einigung nach den bis zum Abschluß des Vergleichs fällig werdenden Ansprüchen zu berechnen.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

3 U 3129/01

Verkündet am 08. Januar 2002

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Haberstumpf und Maier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Dezember 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. August 2001 (Az.: 2 O 2493/01) abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 4.578,29 und 5 % Zinsen über den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit 30.03.2001 zu zahlen.

III. Im übrigen werden die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.05.2001 zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 16 % und der Beklagte 84 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 35 % der Klägerin und zu 65 % dem Beklagten zur Last.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Klägerin ist in Höhe von DM 2.436,00, der Beklagte in Höhe von DM 4.578,29 beschwert.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.014,29 DM festgesetzt.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I.

Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen. Es wird daher insoweit auf die Gründe des angefochtenen Ersturteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.08.2001 hat nur zu einem Teil Erfolg. Aus der Tätigkeit des Beklagten für seinen Mandanten G im Rahmen der außergerichtlichen Regelung seiner Schadensersatzansprüche gegenüber der H der D I, stehen ihm gegen seinen Mandaten Honoraransprüche von DM 27.813,90 zu, für die die Klägerin aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Herrn G eintrittspflichtig ist. Da der Beklagte von der in Vollzug des Abfindungsvergleiches vom 26.06.2000 DM 25.377,90 erhalten hat, hat er gegen seinen Mandanten nur noch Ansprüche in Höhe von DM 2.436,00, für die die Klägerin einstehen muß. Sie kann deshalb von ihrem hierauf an den Beklagten bereits geleisteten Vorschuß von DM 7.014,29 noch DM 4.578,29 nebst gerichtlicher Prozeßzinsen seit Klageerhebung zurückfordern.

1. Zwischen den Parteien ist nur noch strittig, welcher Gegenstandswert der Honorarabrechnung des Beklagten gegenüber seinem Mandanten G zugrundezulegen ist. Der Beklagte machte für ihn wegen eines Unfalls, den dieser am 17.07.1997 erlitten hatte, gegenüber der Schadensersatzansprüche geltend. Seine Tätigkeit war am 26.06.2000 mit dem Zustandekommen eines Abfindungsvergleiches über DM 810.000,00 beendet. In der davorliegenden Korrespondenz machte er für Herrn G im Schreiben vom 06.05.1998 Verdienstausfallschäden in Höhe von brutto DM 7.583,33 monatlich ab Januar 1998 geltend und bezifferte im Schreiben vom 14.01.2000 das geforderte Schmerzensgeld auf DM 500.000,00. Der Abfindungsvergleich diente zur Abgeltung dieser Ansprüche.

a) Entscheidend für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit ist nicht der Vergleichsbetrag, sondern der Wert des Rechtsverhältnisses, über den sich die Beteiligten verglichen haben. Davon ausgehend, ist zunächst der Berechnung ein Betrag von DM 500.000,00 zugrundezulegen, der als Schmerzensgeldbetrag gefordert wurde. Hierüber sind sich die Parteien dieses Verfahrens einig.

Strittig ist nur der Wert der Forderung auf Verdienstausfall. § 8 Abs. 1 BRAGO legt generell fest, daß sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften richtet. Diese Wertvorschriften sind sinngemäß für die Tätigkeit des Anwalts außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens heranzuziehen, die auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Da die Tätigkeit des Beklagten im Rahmen der Schadensregulierung zugunsten seines Mandanten zweifellos eine Tätigkeit war, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens hätte sein können, sind die maßgeblichen Gebührenvorschriften des GKG, hier § 17 GKG, heranzuziehen. Daraus folgt zunächst, daß gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GKG der 5-fache Betrag des einjährigen Bezuges zugrundezulegen ist, wenn - wie hier - wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschens eine Geldrente verlangt wird. Dies ergibt einen weiteren Gegenstandswert von DM 454.999,80.

b) Soweit der Beklagte vorbringt, daß der monatliche Regulierungsbetrag von DM 7.583,33 bis zur Erreichung der Altersgrenze von Herrn G zu berücksichtigen sei, findet diese Ansicht in den maßgebenden Vorschriften des § 17 GKG keine Stütze. Der Beklagte beruft sich auch vergeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1953, 104), wonach in dem Fall, daß für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedliche Rentenbeträge verlangt werden, die jeweils höchste Jahresleistung zugrundezulegen ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da der Beklagte namens seines Mandanten nicht für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedliche Rentenbeträge verlangte, sondern nur einen ab Januar 1998 zu zahlenden festen Betrag. Es ist nicht entscheidend, ob er unter Umständen für bestimmte Zeitabschnitte höhere Beträge hätte verlangen können.

c) Dem ist gemäß § 17 Abs. 4 GKG ein Wert von DM 227.499,90 für die von Januar 1998 bis zum Abschluß des Vergleiches am 26.06.2000 (= 30 Monate à 7.583,33 DM) rückständigen Rentenbeträge hinzuzurechnen.

Soweit der Beklagte weitere Monatsbeträge ab Juni 1997 bis Ende 1997 einbeziehen will, ist dem nicht zu folgen, da dieser Zeitraum nicht Gegenstand der außergerichtlichen Auseinandersetzung mit der war. In seinem Schreiben vom 06.05.1998 machte er vielmehr ausdrücklich rückständige Ansprüche erst ab Januar 1998 geltend.

Der Ansicht der Klägerin, rückständige, vorgerichtlich geforderte Rentenbeträge seien in die Wertberechnung nicht oder zumindest erst ab erster Geltendmachung im Schreiben des Beklagten vom 06.05.1998 an die einzubeziehen, ist nicht zu folgen. Daß § 17 Abs. 4 GKG hier anzuwenden ist, ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO, der auf die Gebührenvorschriften des GKG und damit auch auf § 17 Abs. 4 GKG verweist.

Der Senat schließt sich der von der Klägerin zitierten Ansicht (Landgericht Stuttgart, Anwaltsblatt 1978, 234; Schneider, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rdz. 3899), wonach im Fall der sinngemäßen Anwendung von § 17 Abs. 4 GKG in Fällen der außergerichtlichen Einigung der hinzuzuzählende Rückstand ab erster Geltendmachung zu berechnen ist, nicht an (wie hier Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Auflage, § 8 Rdz. 15).

§ 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO schreibt die sinngemäße Anwendung der für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften für außergerichtliche Anwaltstätigkeiten vor, die Gegenstände eines gerichtlichen Verfahrens sein könnten. Werden aber solche Ansprüche erhoben, dann geht normalerweise der Einreichung einer Klage ihre vorgerichtliche Geltendmachung zu einem Zeitpunkt voraus, zu dem regelmäßig nicht abgeschätzt werden kann, ob es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Geht man von der von der Klägerin favorisierten Meinung aus, müßte man konsequenter Weise den Rückstandsbetrag generell ab dem Zeitpunkt der ersten außergerichtlichen Geltendmachung berechnen mit der weiteren Folge, daß sie sich um weitere Zeiträume erhöht, wenn später doch eine Klage eingereicht wird, was mehr oder weniger vom Zufall abhängt. Für eine differenzierende Berechnung des Gegenstandswertes je nach dem, ob es zu einer Klageerhebung kommt oder nicht, ist aber keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen. Legt man nämlich dem Zeitpunkt der ersten vorgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen dieselbe Bedeutung wie der Klageeinreichung bei, dann wäre die Konsequenz unausweislich, daß danach ablaufende Zeiträume für die Rückstandsberechnung ohne Bedeutung blieben (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 30. Auflage, GKG Anhang I, § 12 (§ 4 Rdz. 8); § 17 GKG Rdz. 53 m.w.N.), unabhängig davon, ob eine Klage anhängig gemacht wird oder nicht. Dies steht aber nicht im Einklang mit dem Wortlaut und Sinn von § 17 Abs. 4 GKG. Diese Vorschrift zielt ersichtlich darauf ab, bis zur Klageeinreichung auflaufende Rückstände hinzuzurechnen und danach entstehende unberücksichtigt zu lassen, weil die Parteien auf die Verfahrensdauer nunmehr bedingt Einfluß nehmen können.

Dem entspricht es in den Fällen, in denen sich die Parteien vorgerichtlich einigen und damit den sonst drohenden Rechtsstreit abwenden, auch die während der Verhandlungen auflaufenden Rückstände bis zu dem Zeitpunkt in die Wertberechnung einfließen zu lassen, zu dem das Ereignis eintritt, das den Prozeß überflüssig macht.

Dieses Ergebnis ist schließlich auch durch den Regelungszweck von § 17 GKG, die Streitwerte aus sozialen Gründen unter gleichzeitiger Verhinderung einer zu geringen Bewertung in Grenzen zu halten (Hartmann, § 17 GKG, Rdz. 2), gedeckt. Die Parteien werden nämlich, um ihre Kosten nicht unnötig zu erhöhen, auf diese Weise angehalten, ihre außergerichtlichen Verhandlungen über die im Raum stehenden Ansprüche im positiven oder negativen Sinne möglichst zügig abzuschließen. Würde man dagegen auf den Zeitpunkt der ersten außergerichtlichen Geltendmachung abstellen, dann hätte es ein wirtschaftlich potenter Schuldner, beispielsweise eine Versicherung, in der Hand, durch hinhaltende Regulierungsverhandlungen den Gebührenwert und damit das Prozeßrisiko des häufig wirtschaftlich unterlegenen Gläubigers zu erhöhen.

d) Die berechtigten Gebührenansprüche des Beklagten berechnen sich daher aus einem gesamten Gegenstandswert von DM 1.182.499,70 wie folgt:

10/10 Geschäftsgebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 6.825,00 DM 10/10 Besprechungsgebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 6.825,00 DM 15/10 Vergleichsgebühr, § 23 BRAGO 10.237,50 DM Postgebührenpauschale, § 26 BRAGO 40,00 DM Kopieauslagen 50,00 DM insgesamt 23.977,50 DM 16 % Mehrwertsteuer 3.356,40 DM insgesamt 27.813,90 DM.

Nach Abzug des von der erstatteten Betrages von DM 25.377,90, steht dem Beklagten also noch ein Gebührenanspruch von DM 2.436,00 zu. Insoweit ist seine Berufung begründet.

2. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsantrages hat das Erstgericht mit Recht dem Beklagten gemäß § 91 a ZPO die Kosten auferlegt, weil er voraussichtlich unterlegen wäre.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin war gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. Der Beklagte hatte sich vor diesem Rechtsstreit gegenüber der Klägerin in den Schreiben vom 18.07.20.00, 24.08.2000 und 24.10.2000 eines über die gezahlten Vorschüsse hinausgehenden Gebührenanspruches in Höhe von DM 8.819,71 berühmt und die Klägerin jeweils um Überweisung dieses Betrages gebeten. Auch wenn den Parteien dieses Rechtsstreits klar war, daß dem Beklagten ein direkter Anspruch gegen die Klägerin insoweit nicht zustand, sondern gegen den Mandanten G geltend zu machen war, mußte die Klägerin diese Forderung so auffassen, daß dieser sie notfalls gegen seinen Mandanten erheben wird mit der Folge, daß die Klägerin dann aufgrund des mit Herrn G bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages eintrittspflichtig wird. Wie aus der Klagebegründung (Bl. 4 d.A.) deutlich hervorgeht, wollte die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag diese Rechtsfolge abwenden und geklärt wissen, daß dem Beklagten gegen Herrn G und damit mittelbar gegen sie keine weiteren Honoraransprüche zustehen. Ihr Klageziel richtete sich damit auf die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses, an dem sie wegen der Rückgriffsmöglichkeit ein rechtliches Interesse hatte (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Auflage, § 256 Rdz. 9).

Wenn in Ziffer 2. des ursprünglichen Klageantrages die Rede davon war, festzustellen, daß dem Beklagten gegenüber der Klägerin keine weiteren Gebührenansprüche zustehen, so handelte es sich ersichtlich um eine mißverständliche Formulierung, die ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien auf Hinweis des Gerichtes hätte richtiggestellt werden können und müssen. Der Feststellungsantrag war somit zulässig und begründet, weil, wie oben ausgeführt, der Beklagte gegen seinen Mandanten keine weiteren Gebührenansprüche hatte.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 97, 91, 92 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Beschwer für beide Parteien DM 60.000 nicht übersteigt, der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht abgewichen wird.

Ende der Entscheidung

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