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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.03.2001
Aktenzeichen: 3 U 3760/00
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 2 Abs. 2
Wissenschaftliche Sprachwerke (hier: Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen und Blutentnahme durch das Krankenpflegerpersonal) sind als "kleine Münze" des Urheberrechts schutzfähig auch wenn nur einfache Individualität vorliegt.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

3 U 3760/00 3 O 3427/99 LG Nürnberg-Fürth

Verkündet am 27. März 2001

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Unterlassung u.a.; UrhG,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.2.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.09.2000 (Az. 3 O 3427/99) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Leistung der Auskunft und des Schadensersatzes laut Ziffern III. und IV. des Urteils gemeinschaftlich an den Kläger und die Miturheber Prof. Dr. und Dr. zu erfolgen hat.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Beklagten wie folgt zu tragen:

zu 28 % die Beklagte zu 1),

zu 24 % der Beklagte zu 2),

zu 24 % der Beklagte zu 3),

zu 8 % die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner und

zu 16 % die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung seitens des Klägers durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 172.000,-- DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Dem Kläger wird gestattet, Sicherheit auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Steuerbürge zugelassenen Bank oder Sparkasse mit dem Sitz in der Europäischen Union zu leisten.

IV. Die Beschwer der Beklagten übersteigt jeweils 60.000,-- DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 185.000,-- DM (Unterlassungsantrag: 135.000,-- DM; Vernichtungsantrag: 5.000,-- UM; Auskunftsantrag: 15.000,-- DM; Schadensersatzfeststellung: 30.000,-- DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche.

Der Kläger ist Mitverfasser einer "Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen durch das Krankenpflegepersonal". wegen des Inhalts der Dienstanweisung wird auf die mit der Klageschrift vorgelegte Anlage K 1 Bezug genommen. Als Verfasser haben weiter mitgewirkt die Herren Prof. Dr. und Dr.. Diese haben dem Kläger ihre Einwilligung zur Geltendmachung der Klageansprüche erteilt und ihn zur Prozeßführung im eigenen Namen ermächtigt. Sie haben ferner ihre Ansprüche gegen die Beklagten an den Kläger abgetreten. Die Dienstanweisung erschien zunächst im April 1989 im Verlag der Beklagten zu 1). Nachdem der Kläger den mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Herausgebervertrag gekündigt hatte, kam es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die mit einem Vergleich beendet wurde. Die Beklagte zu 1) verpflichtet sich dort u. a., vom Kläger geschaffene Aufklärungsbögen und sonstige Verlagsobjekte mit Ablauf des 31.12.1996 nicht mehr zu verwenden.

Im November 1996 ließ sie die im Tenor des Ersturteils wiedergegebene "Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen durch das Krankenpflegepersonal (Anlage K 5) drucken und brachte sie in Verkehr. In ihr ist der Beklagte zu 2), der zugleich Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ist; als Herausgeber und der Beklagte zu 3) als Autor benannt.

Der Kläger hält die von der Beklagten zu 1) vertriebene Dienstanweisung als ein Plagiat des von ihm und seinen Mitverfassern geschaffenen Werkes. Er hat zur Begründung im ersten Rechtszug vorgetragen, ihre Dienstanweisung sei urheberrechtlich geschützt. In ihrer Gliederung, Gedankenführung und Sprachgestaltung weise sie eine hinreichende Individualität und Gestaltungshöhe auf, so daß von einer eigenpersönlichen geistigen Sprachschöpfung gesprochen werden müsse. Die Schutzgrenze sei bei Sprachwerken grundsätzlich niedrig anzusetzen; auch die "kleine Münze" sei geschützt. Die von der Beklagten zu 1) im November 1996 in Verkehr gebrachte Dienstanweisung sei eine in der Gliederung, der Gedankenfolge, im Gedankeninhalt und in der Formulierung teils wortgleiche, andernteils durch eine geringfügige Umstellung der Sätze nahezu identische Übernahme des vom Kläger und seinen Miturhebern geschaffenen Sprachwerks, so daß sie nicht mehr als freie Benutzung des klägerischen Werkes angesehen werden könne.

Der Kläger hat deshalb folgende Anträge gestellt:

I. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM oder an den Beklagter zu 2) und 3) zu vollziehender Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, bei mehrfacher Verhängung bis zu 2 Jahren, Ordnungshaft auch für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes verurteilt,

es zu unterlassen,

eine "Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahme durch das Krankenpflegepersonal" des nachfolgenden Inhalts zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten.

II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Exemplare der im Klageantrag I. wiedergegebenen "Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahme durch das Krankenpflegepersonal" zum Zwecke der Vernichtung an einen vom Kläger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben.

III. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, dem Kläger eine vollständige, nach Kalendervierteljahren geordnete Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Exemplare der in Ziffer 1 bezeichneten "Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahme durch das Krankenpflegepersonal" seit November 1996 vervielfältigt und verbreitet worden sind unter Angabe

- der Stückzahlen der hergestellten und der vertriebenen Exemplare dieser Dienstanweisung,

- der Stückpreise,

- der daraus erzielten Umsätze und

- des aus der Verbreitung gezogenen Gewinns unter Darstellung sämtlicher Kostenfaktoren sowie ferner

- unter Angaben der Namen und Anschriften sämtlicher Abnehmer.

IV. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem und/oder seinen Co Autoren Prof. Dr. und Dr. durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit November 1996 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Sie haben die Meinung vertreten, daß der vom Kläger und seinen Mitautoren geschaffenen Dienstanweisung kein urheberrechtlicher Schutz zukomme. Es handele sich um ein Schriftwerk, das einem praktischen Gebrauchszweck diene. Bei solchen Werken müsse die Durchschnittsgestaltung deutlich überragt werden. Dies sei hier nicht der Fall, weil es nur die Inhalte einer Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 16.2.1974 und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 11.3.1980 praktisch unverändert wiedergebe. Die Autoren hätten sich nur einer in dem entsprechenden Fachgebiet notwendigen und üblichen Darstellungsweise, insbesondere einer bestimmten Fachterminologie bzw. Gliederung bedient. Ein Spielraum zur Entfaltung von Individualität habe nicht bestanden. Im übrigen unterscheide sich das von der Beklagten zu 1) herausgegebene Werk in verschiedenen Punkten nicht unerheblich vom klägerischen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in seinem am 20.9.2000 verkündeten Endurteil der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Auf seine Begründung (Bl. 70 - 85 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihren Prozeßbevollmächtigten am 26.9.2000 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 25.10.2000 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 27.12.2000 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Sie halten das Ersturteil für unrichtig und wiederholen im wesentlichen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug:

Die Beklagten beantragen daher, das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.9.2000 abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt daher, die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.9.2000 zurückzuweisen mit der Maßgabe, die Ziffern III. und IV. des erstinstanzlichen Urteils dahingehend abzuändern, daß die Leistung der Auskunft und des Schadensersatzes gemeinschaftlich an den Kläger und die Miturheber Prof. Dr. und Dr. zu erfolgen hat.

Er meint, das Landgericht habe zu Recht das klägerische Werk als urheberrechtlich geschützt angesehen und das Werk der Beklagten als unfreie Bearbeitung beurteilt.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.9.2000 ist nicht begründet. Sie ist deshalb mit der Maßgabe, daß Schadensersatz und Auskunft gegenüber der aus dem Kläger und seinen beiden Miturhebern bestehenden Miturhebergemeinschaft zu leisten sind, zurückzuweisen. Das Erstgericht hat mit Recht ausgeführt, daß die Beklagten durch die Herausgabe ihrer Dienstanweisung der Anlage K 5 schuldhaft in das Urheberrecht an dem klägerischen Werk eingreifen.

1. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG befugt und aktiv legitimiert, im eigenen Namen Ansprüche wegen Verletzung des gemeinsamen Urheberrechts geltend zumachen. Auf dem als Anlage K 1 vorgelegten Exemplar des klägerischen Werkes sind er und die Herren und als Verfasser genannt. Sie gelten deshalb gemäß § 10 UrhG als Miturheber (BGH CR 1993, 754 - Buchhaltungsprogramm). Dem Kläger steht somit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG Einzelklagebefugnis wegen Verletzung des gemeinsamen Urheberrechts zu, wobei im Falle der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und auf Auskunft die Klage auf Leistung an alle Miturheber zu richten ist. Dem hat der Kläger durch die modifizierte Antragsfassung in der letzten mündlichen Verhandlung entsprochen. Gegen die Zulassung der geänderten Antragsstellung bestehen gemäß § 264 Nr. 3 ZPO keine Bedenken (vgl. BGH NJW 1958, 99). Falls man sie als Klageänderung auffassen wollte, ist sie jedenfalls gemäß § 263 ZPO als sachdienlich zuzulassen. Eine Reduzierung des Klagezieles, das Auswirkungen. auf die Kostenentscheidung hätte, ist damit nicht verbunden.

2. Das von dem Kläger und seinen beiden Mitautoren geschaffene Werk ist eine persönliche, geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG und damit nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind an wissenschaftliche Werke der hier vorliegenden Art, die einem Gebrauchszweck dienen, keine besonderen Anforderungen an den Grad der Individualität zu stellen, so daß auch hier die sogenannte "kleine Münze" des Urheberrechts Schutz findet. Die in einzelnen Entscheidungen (z. B. BGH GRUR 1985, 1041 - Inkassoprogramm, GRUR 1993, 36 Bedienungsanweisung) vertretene anderslautende Auffassung steht nicht mit den Vorgaben des europäischen Gesetzgebers im Einklang und bietet keine hinreichende Begründung, warum eine Ungleichbehandlung von Sprachwerken belehrenden Inhalts gegenüber den anderen in § 2 Abs. 1 UrhG aufgezählten Werken, den Bearbeitungen und Sammelwerken gerechtfertigt ist (s. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 2 RdNr. 35 ff.; Fromm-Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl., § 2 RdNr. 44; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., RdNr. 101 ff.). Die rechtssystematischen Gründe, die dazu führen, daß ausnahmsweise bei den Werken der angewandten Kunst gemäß § Abs. 1 Nr. 4 UrhG eine besondere Gestaltungshöhe zu fordern ist (vgl. BGH GRUR 1995, 582 - Silberdistel) greifen hier nicht ein, weil es an einem gesetzlichen Unterbau fehlt, der den Schutz der kleinen Münze bei Sprachwerken übernehmen könnte.

Der europäische Gesetzgeber hat in den Richtlinien über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (GRUB Int. 1991; 545 ff.), zur Harmonisierung der Schutzdauer (GRUB Int. 1994, 141 ff.) und über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (GRUR Int. 1996, 806 ff) für Computerprogramme, Lichtbildwerke und Datenbankwerke die Schutzvoraussetzungen jeweils gleichlautend dahingehend festgelegt, daß diese Werke urheberrechtlich zu schützen sind, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind; zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien; insbesondere keine qualitativen oder ästhetischen, anzuwenden. Damit ist es nach europäischen Recht für diese Werke nicht zulässig, besondere qualitative Kriterien wie eine bestimmte Gestaltungshöhe zu fordern, so daß hier der Schutz der kleinen Münze vorgeschrieben ist (vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 RdNr. 38; Haberstumpf, RdNr. 100). Aus dieser jeweils gleichlautenden Definition der Voraussetzungen zum Erwerb des Urheberrechts bei ganz verschiedenen Werkarten kann geschlossen werden, daß der europäische Gesetzgeber von einem einheitlichen Schutzstandard ausgeht, der auch für andere Werkarten gelten soll, sofern nicht Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise eine differenzierte Beurteilung rechtfertigen. Solche Besonderheiten sind aber für Sprachwerke belehrenden Inhalts, die Gebrauchszwecken dienen, im Verhältnis beispielsweise zu anderen Sprachwerken, zu Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, bei denen die Rechtsprechung ausdrücklich stets nur in geringes Maß an Individualität ausreichen läßt (zuletzt BGH GRUR 1998; 917 - Stadtplanwerk), Computerprogrammen (§ 69 a Abs. 3 UrhG), Datenbankwerken und ähnlichen nicht erkennbar.

b) Die demnach erforderliche und ausreichende einfache Individualität ist beim klägerischen Werk gegeben. Es handelt sich um ein Werk belehrenden Charakters, bei dem der Schutzgegenstand in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs, aber auch in der Vielheit der, verarbeiteten Gedanken, ihren Beziehungen zueinander und in der Art der Darstellung, bildlich "im Gewebe des Werkes" liegt (BGH CR 1991, 85 Betriebssystem; Schricker-Loewenheim, § 2 RdNr. 63 ff.). Individualität, fehlt, wenn dem Urheber dieser geistige Gehalt seines Werkes durch den Gegenstand der Darstellung, durch die verwendete Fachterminologie oder durch sonstige Übungen so vorgegeben war, daß kein Raum für eigene Entscheidungen verblieb. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Die Durchsicht der klägerischen Dienstanweisung zeigt, daß zur Schaffung des Werkes zunächst Auswahlentscheidungen hinsichtlich der für eine Dienstanweisung zur Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen durch das Krankenpflegepersonal maßgeblichen und nützlichen Informationen getroffen werden mußten. Es war erforderlich, die rechtlichen Regeln zur Zulässigkeit der Übertragung solcher Leistungen an das Pflegepersonal durch den verantwortlichen Arzt unter Auswertung des Arztrechts und der einschlägigen Rechtsprechung zu erarbeiten. Weitere Entscheidungen waren nötig, um festzulegen, mit welchem Nachdruck und Intensität die einzelnen Hinweise dargestellt werden. Auch die Gliederung und Reihenfolge der jeweiligen Hinweise erforderten eigene Entscheidungen. Daß diese Entscheidungen, die zur konkreten Gestaltung der klägerischen. Dienstanweisung geführt haben, aufgrund der Natur der Sache vollständig vorgegeben waren, ist nicht ersichtlich.

Die Beklagten berufen sich vergeblich darauf, daß das klägerische Werk im Zeitpunkt seinen Entstehung durch die Stellungnahmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 11.3.1980 (Anlage K 8) und der Bundesärztekammer vom 16.2.1974 (aus Anlage B 1) bereits vorweggenommen war. Es trifft zwar zu, daß insbesondere die Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 11.3.1980 mehr oder weniger detaillierte Ausführungen über die Verantwortlichkeit bei der Anordnung und Durchführung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen sowie darüber enthält, unter welchen Bedingungen diese Maßnahmen dem Krankenpflegepersonal übertragen werden dürfen. Diese Regeln wurden aber in dem klägerischen Formular in einer eigenen Gliederung knapp und besonders übersichtlich zusammengestellt. Es bezieht anders als die Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft auch die Tätigkeit von Hebammen und Hebammenschülern mit ein und differenziert zwischen Krankenhauspersonal, das allgemein zur Durchführung der genannten Maßnahmen als ermächtigt gilt, und dem Personal, das eine spezielle schriftliche Ermächtigung benötigt. Es enthält ferner detaillierte Regelungen, nach denen Krankenpflegehelferinnen/-helfern, Krankenpflegeschülerinnen/-schülern, Hebammenschülerinnen/Entbindungspflegeschülern die Durchführung von Injektionen und/oder Blutentnahmen überlassen werden kann. Gegenüber der Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeichnet sich das klägerische Werk durch seine logische Gliederung und seine besondere. Übersichtlichkeit aus, die vor allem auch durch die jeweiligen Überschriften hervorgerufen wird. Diese Abweichungen schließen aus, das klägerische Formular als eine bloß mechanische, nicht individuelle Wiedergabe oder Fortschreibung der Ausführungen in der fraglichen Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft anzusehen.

Erst recht gilt dies im Hinblick auf die Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 16.2.1974. Die dort gemachten Ausführungen sind viel zu allgemein, um sie ohne schöpferische Tätigkeit unmittelbar in ein Formular der hier vorliegenden Art umsetzen zu können.

3. Durch die Herausgabe und Verbreitung ihrer Dienstanweisung laut Anlage K5 verletzen die Beklagten schuldhaft das Vervielfältigungs- Und Verbreitungsrecht der Kläger und seiner beiden Miturheber und sind daher gemäß § 97 Abs. 1 i.V.m. §§ 16, 17 UrhG zur Unterlassung und zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

a) Der Vergleich der beiden gegenüberstehenden Werke zeigt, daß die Beklagten die Grenze zur zulässigen freien Benutzung gemäß § 24 UrhG nicht erreicht haben. Freie Benutzung eines geschützten Werkes liegt vor, wenn die aus dem fremden Werk übernommenen individuellen Züge gegenüber der Eigenart des neuen Werkes verblassen, sodaß das ältere Werk nur als Anregung für eigenes Werkschaffen erscheint (Schricker/Löwenheim, § 24 Rz. 10 m.w.N.). Dies trifft hier nicht zu, auch wenn man dem klägerischen Werk einen nur geringen Schutzumfang zubilligt, weil es in mannigfacher Hinsicht durch die Stellungnahme der deutschen Krankenhausgesellschaft zum 11.03.1980 vorweggenommen worden war und deshalb kein allzu hohes Maß an Individualität zum Ausdruck bringt.

Das Formular der Beklagten ist in der gleichen Weise wie das klägerische Werk gegliedert. Die Überschriften sind zwar im Wortlaut nicht identisch, bringen aber jeweils genau dasselbe zum Ausdruck. Was den jeweiligen Text angeht, finden sich in weiten Passagen wörtliche Übereinstimmungen. Im übrigen ist er bloß umformuliert; ohne daß sich an dem Sinn etwas ändert. Erkennbare Unterschiede ergeben sich lediglich bei der jeweiligen Ziffer 4, bei der in dem Formular der Beklagten die Voraussetzungen zur allgemeinen Ermächtigung etwas detaillierter gefasst sind. Diese Änderungen allein reichen jedoch keineswegs aus, um die Annahme zu rechtfertigen, die Beklagten hätten ein neues selbständiges Werk geschaffen, dessen Eigentümlichkeit die individuellen Züge des klägerischen Werkes, das im übrigen unverändert übernommen wurde, in den Hintergrund treten lässt.

b) Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs haften die Beklagten zu 1) - 3) jeweils als Handlungsstörer, hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs sind die Beklagten zu 2) und 3) Mittäter. Am Verschulden der Beklagten zu 2) und 3) besteht kein Zweifel. Die festgestellten Übereinstimmungen zwingen zu dem Schluß, daß das klägerische Werk, das ja vorher im Verlag der Beklagten zu 1) herausgegeben worden war, bei der Formulierung der angegriffenen Dienstanweisung als Vorlage gedient hat. Die Beklagten zu 2) und 3) mussten davon ausgehen, daß das klägerische Werk urheberrechtlichen Schutz genießt und dessen Übernahme fremdes Urheberrecht verletzt. Für das Verschulden ihrers Geschäftsführers, des Beklagten zu 2), haftet die Beklagte zu 1) gemäß § 31 BGB.

4. Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auf Herausgabe von rechtswidrig hergestellten Exemplaren, die sich in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, an einen Gerichtsvollzieher zum Zweck der Vernichtung gründet sich auf § 98 Abs. 1 UrhG.

5. Zur Vorbereitung und Bezifferung des gegebenen Schadensersatzanspruchs sind die Beklagten zu 1) und 2) nach Treu und Glauben verpflichtet, über den Umfang der Verletzungshandlungen Auskunft zu geben, unter Angabe der für die Berechnung des Schadens nach einer der drei möglichen Methoden benötigten Informationen. Dies schließt Angaben zur Berechnung des Verletzergewinnes ein. Die Verpflichtung zur Angabe des Namensund der Anschriften sämtlicher Abnehmer folgt aus § 101 a UrhG.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision ist zulässig, da die Beschwer der Beklagten zu 1) - 3) jeweils um 60.000,-- übersteigt.

Ende der Entscheidung

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