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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: 3 W 1144/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 276 Abs. 1. S. 1
ZPO § 307 Abs. 2
Ein sofortiges Anerkenntnis kann auch noch nach Ablauf der Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO und der in ihr erklärten Anzeige der Verteidigungsabsicht abgegeben werden.
3 W 1144/02

In Sachen

wegen Unterlassung, UWG,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 3. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen Ziffer III des Schlußurteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. März 2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt

2.000 Euro.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen Ziffer III des Schlußurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. März 2002 ist zulässig (§ 99 Abs. 2 S. 1 ZPO), aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht in der Kostenentscheidung seines Schlußurteils die durch den Klageantrag I. 4. verursachten anteiligen Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO der Klägerin auferlegt. Zur Erhebung des Klageantrags I. 4. hat die Beklagte keine Veranlassung gegeben. Mit ihrem in der Klageerwiderung abgegebenen Anerkenntnis hat sie zudem den Anspruch "sofort" im Sinne von § 93 ZPO anerkannt.

1. Die von der Klägerin mit dem Klageantrag angegriffene Verwendung des "Anti-Smily" war nicht Gegenstand der vorangegangenen Abmahnung und des entsprechenden Schriftwechsels zwischen den Parteien. Auch wenn die Klägerin dem Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2001 entnommen haben will, daß diese wegen der behaupteten fehlenden Verbreitungsabsicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verweigern würde, konnte sie diese vermeintliche Verweigerung nur auf die zwischen den Parteien strittigen Punkte beziehen. Hierzu gehörte jedoch die Abbildung des "Anti-Smily" gerade nicht. War aber diese nicht Diskussionsgegenstand, kann aus den nur auf ihn bezogenen Erklärungen der Beklagten nichts daraus abgeleitet werden, wie sie sich, wegen des "Anti-Smily" in Anspruch genommen, verhalten hätte. Mangels vorangegangener Abmahnung hat folglich die Beklagte bezüglich des Klageantrags I.4. zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben (vgl. Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, vor § 13, RdNr. 125).

2. Das Anerkenntnis erfolgte auch "sofort" im Sinne von § 93 ZPO, obwohl es im Rahmen des richterlich angeordneten schriftlichen Vorverfahrens nicht innerhalb der Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO (Anzeige der Verteidigungsabsicht), sondern erst innerhalb der um drei Wochen verlängerten Klageerwiderungsfrist von § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO abgegeben worden ist.

Eine gesetzliche Definition des Begriffs "sofort" ist nicht vorhanden. Auch eine allgemein akzeptierte Umschreibung wurde bislang nicht entwickelt (vgl. Meiski, NJW 1993, 1904). So wird "sofort" unterschiedlich je nach gewählter Verfahrensart (schriftliches Vorverfahren oder früher erster Termin) interpretiert. Während nach weithin übereinstimmender Ansicht der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 im Verfahren des frühen ersten Termins noch in diesem Termin abgeben kann, solange die Sachanträge noch nicht gestellt worden sind, verlangt die wohl herrschende Meinung ein Anerkenntnis innerhalb der Notfrist von § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO, soll dem Beklagten das Kostenprivileg von § 93 ZPO erhalten bleiben (vgl. für viele: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 93, RdNr. 9; Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 23. Auflage, § 307, RdNr. 3 a m. w. N.). Nach anderer, inzwischen von einer Reihe von Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt OLG Hamburg, MDR 2002, 421), reicht ein Anerkenntnis auch innerhalb der Klageerwiderungsfrist von § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO aus. Der Senat schließt sich dieser, von Schneider (in: MDR 1998, 252, 254 m. w. N. in FN 28) als neuere Tendenz bezeichneten Auffassung und der für sie gegebenen Begründung an (vgl. insbesondere OLG Bamberg, NJW 1996, 392). Danach erscheint es nicht gerechtfertigt, den Anwendungsbereich von § 93 ZPO bei einem schriftlichen Vorverfahren gegenüber dem Verfahren des frühen ersten Termins an eine erheblich belastendere Zeitschranke zu knüpfen.

Die gegenteilige Auffassung begründet ihr Ergebnis in erster Linie mit dem Hinweis auf § 307 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O.). Dies vermag nicht zu überzeugen. § 307 Abs. 2 ZPO wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren eingefügt. Damit wurde dem Gläubiger die Möglichkeit geschaffen, auch ohne einen Zeitverlust bringende mündliche Verhandlung bei einem Anerkenntnis des Schuldners rasch einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Hierin erschöpft sich der Regelungsgehalt von § 307 Abs. 2 ZPO. Er enthält bereits keine Aussage darüber, ob nach Ablauf der Notfrist von § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO im schriftlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil auch dann noch ergehen kann, sofern der Schuldner zwar nach ihrem Verstreichen, aber noch innerhalb des Vorverfahrens anerkennt (zum Ende des schriftlichen Vorverfahrens vergl. Musielak/Foerster, ZPO, 3. Auflage, § 276 RdNr. 6; MünchKomm-ZPO/Brütting, 2. Auflage, § 276 RdNr. 39). Zu Recht nimmt daher das Oberlandesgericht Bamberg an, daß auch nach Ablauf der Notfrist von § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO noch ein Anerkenntnis im schriftlichen Verfahren ergehen kann (in: NJW-RR 1996, 392). Die Annahme der Klägerin, wonach die landgerichtliche Entscheidung schon deshalb falsch sei, weil überhaupt kein schriftliches Teilanerkenntnisurteil hätte mehr ergehen dürfen, geht daher fehl. Wie ausgeführt, beruhte die Einfügung von § 307 Abs. 2 ZPO auf der Absicht der Verfahrensbeschleunigung. Diese Absicht würde durch die vom Gesetzeswortlaut nicht veranlaßte Annahme konterkariert, daß nach Ablauf der Notfrist notwendigerweise verhandelt werden müßte, obwohl der Schuldner noch innerhalb des Vorverfahrens ein Anerkenntnis abgegeben hat.

Ferner muß berücksichtigt werden, daß die Einfügung von § 307 Abs. 2 ZPO dem Gläubiger zwar den Weg zu einer rascheren Titelerlangung eröffnete, die Regelung von § 93 ZPO, also die Kostenprivilegierung des im Rahmen der dort aufgezeigten Voraussetzungen anerkennenden Schuldners unberührt ließ. Für den Rechtszustand bis zur Vereinfachungsnovelle war aber anerkannt, daß der Schuldner das Kostenprivileg von § 93 ZPO erst mit der Stellung der Sachanträge verlor (vgl. etwa Zöller/Mühlbauer, Zivilprozeßordnung, 11. Auflage (1974), § 93, Anm. 4). Wenn aber der Gesetzgeber die Einfügung von § 307 Abs. 2 ZPO nicht zu einer gleichzeitigen Änderung von § 93 ZPO zum Anlaß nahm, gibt es keinen Grund, das Kostenprivileg für den Schuldner und damit die zeitlichen Endpunkte für ein sofortiges Anerkenntnis von der gewählten Verfahrensart abhängig zu machen. Dies gilt umso mehr, als die Wahl zwischen einem frühen ersten Termin und dem schriftlichen Vorverfahren zwar im Ermessen des Gerichts steht (Thomas-Putzo, a.a.O., § 272, RdNr. 2), erfahrungsgemäß ein früher erster Termin aber bei einfachen und eiligeren Sachen gewählt wird (Zöller/Greger, a.a.O., § 272, RdNr. 5). Dies hätte zur Folge, daß entsprechend der Auffassung der herrschenden Meinung bei einem Verfahren nach § 275 ZPO das Kostenprivileg des § 93 ZPO erst mit dem Stellen der Sachanträge in der mündlichen Verhandlung entfiele, obwohl dieser Zeitpunkt in aller Regel wesentlich später als der Ablauf der Notfrist von § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO liegt, häufig auch nach der Klageerwiderungsfrist des § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO. Gerade in einfach gelagerten und/oder eiligen Fällen wird also dem Schuldner eine wesentlich längere Frist zur Entscheidung über ein Anerkenntnis eingeräumt als bei schwierigeren, umfangreicheren Verfahren. Diese Konsequenz ist vom Gesetz nicht vorgegeben. Sie entspricht auch nicht der Wertung von § 93 ZPO.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Anwendungsbereich von § 33 ZPO im schriftlichen Vorverfahren gegenüber dem frühen ersten Termin stärker eingeschränkt sei aufgrund der vom Gesetzgeber vorgenommenen, unterschiedlich ausgestalteten Verfahrensarten (so aber OLG Celle NJW-RR 1998, 1370). Die Normierung dieser unterschiedlichen Verfahrensarten hat sich gerade nicht in einer durch sie bedingten Änderung von § 93 ZPO niedergeschlagen. Es ist daher sach-, aber auch interessenagerecht, ein sofortiges Anerkenntnis für das schriftliche Verfahren zumindest bis zur Ankündigung der Sachanträge innerhalb der Klageerwiderungsfrist zuzulassen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Klageerwiderung innerhalb der gesetzlichen Frist des § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO oder innerhalb einer richterlich verlängerten Frist eingelegt wird. Solange die Klageerwiderungsfrist nicht abgelaufen ist und der Schuldner keinen klageabweisenden Sachantrag gestellt hat, bleibt es in der Schwebe, ob er den Klageantrag anerkennen werde. Die Anzeige der Verteidigungsabsicht steht dem nicht entgegen. Die für sie ausschlaggebenden Gründe können vielfältig sein (z. B. Zulässigkeitsfragen, bereits erfolgte Erfüllung), geben also noch keinen Aufschluß darüber, wie sich der Beklagte zum Anspruch in der Sache selbst stellt.

Der hier vertretenen Auffassung kann die Klägerin nicht entgegenhalten, daß mit Ablauf der Frist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO für sie ein Vertrauenstatbestand entstanden sei, der eine Anwendung von § 93 ZPO verbiete. Der Umstand, daß sie - natürlich - einen Titel aufgrund des Teilanerkenntnisses früher erlangt hätte, wenn die Beklagte innerhalb der Frist von § 275 Abs. 1 S. 1 ZPO anerkannt hätte, betrifft nur die Frage einer frühest möglichen Absicherung des geltend gemachten Anspruchs, besagt aber nichts zur Kostenproblematik. Daß die frühest mögliche Absicherung kein brauchbares Kriterium darstellt, zeigt das Verfahren beim frühen ersten Termin. Bis zu der nach ihm anberaumten mündlichen Verhandlung ist häufig ein längerer - mitunter auch mehrmonatiger - Zeitraum seit Klageerhebung verstrichen. Gleichwohl wird hierfür - wie dargelegt - allgemein ein sofortiges Anerkenntnis noch bis zur mündlichen Verhandlung für möglich gehalten.

Abschließend sei vermerkt, daß es nicht zulässig erscheint, aus dem 1977 eingefügten § 307 Abs. 2 ZPO, der eine bis dahin nicht existierende Erleichterung des Gläubigers bei der Titelerlangung schuf, eine Einschränkung des Kostenprivilegs des Schuldners für eine bestimmte Verfahrensart lesen zu wollen, obwohl die zugrunde liegende Kostenvorschrift unverändert belassen wurde.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert richtete sich nach der auf das Teilanerkenntnisurteil entfallenden Kostenlast.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs "sofort" im Sinne von § 93 ZPO war die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 3 S. 1; Abs. 2 ZPO zuzulassen. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 EGZPO war der Bundesgerichtshof zu bestimmen.

Ende der Entscheidung

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