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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 3 W 2364/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 3

Entscheidung wurde am 24.01.2007 korrigiert: das Verkündungsdatum muß statt 27.01.2006 richtig 27.11.2006 lauten
Auch wenn alle Tatbestandsmerkmale § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllt sind, entbindet dies nicht von der Prüfung der Erheblichkeitsgrenze des § 3 UWG.
3 W 2364/06

Nürnberg, den 27.11.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 3. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 15.09.2006 - Az 3 O 6993/06 - wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert entspricht den noch festzusetzenden Kosten für die 1. Instanz.

Gründe:

I.

Bei seiner Kostenentscheidung hat das Erstgerichts von dem ihm nach § 91 a ZPO eingeräumten billigen Ermessen zutreffend Gebrauch.

1. Zutreffend ist die Ansicht des Erstgerichts, dass angesichts des unmissverständlichen Hinweises des Verfügungsbeklagten auf seine eigene neue Firma und sein Ausscheiden bei der Verfügungsklägerin klargestellt worden ist, dass er nicht mehr bei dieser und für diese tätig ist. Dann aber liegt keine Irreführung nach §§ 3, 4 Nr. 10, 5 Abs.2 Nr. 3 UWG vor. Die Verfügungsklägerin vernachlässigt in ihrer Beschwerdebegründung die konkreten Formulierungen in der E-Mail, nämlich dass sich der Verfügungsbeklagte beim Empfänger für die gute Zusammenarbeit bedankt und so gerade zum Ausdruck bringt, dass die Zusammenarbeit tatsächlich beendet ist. Berücksichtigt man, dass diesem Satz die von der Verfügungsklägerin als "irreführend" beanstandete "Bereitschaft" vorausgeht, "noch offene Fragen zu beantworten", erhält der objektive Erklärungswert dieser Passage durchaus den vom Erstgericht angenommen Erklärungswert.

2. Zu teilen ist auch die Auffassung des Erstgerichts, dass hier trotz des Vorliegens eines Regelbeispiels nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG mangels Erheblichkeit dennoch keine nach § 3 UWG verbotene Handlung vorliegt.

Die Verfügungsklägerin beruft sich für ihre Rechtsansicht, dass die in § 3 UWG genannte Erheblichkeitsprüfung zu unterbleiben hat, wenn einer der Regeltatbestände der §§4-7 UWG erfüllt ist, auf eine Kommentarstelle bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 24.Aufl. § 3 Rdnr.83. Dieser strikten Auslegung wird allerdings vom genannten Kommentar selbst bei der Kommentierung zu § 7 UWG, Rdnr. 70 widersprochen.

Auch die übrige Kommentarliteratur prüft das Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" neben dem der Unlauterkeit.

So spricht Fezer, UWG ausdrücklich von einer "kumulativen Anwendung" der Tatbestandsmerkmale des § 3 UWG. Das Gleiche gilt für Harte/Hennlg/Schünemann, UWG, § 3 Rdnr. 257 ff, wo es heißt:

"In der Folge greift die in § 3 niedergelegte Bagatellklausel auch auf den Beispielskatalog des § 4 sowie auf §§ 5 Abs. 1, 6 Abs.2 sowie § 7 Abs. 1 und 2 außertatbestandlich durch. Das Überschreiten der Bagatellgrenze ist in diesen Fällen also gesondert festzustellen. Denn es ist nicht erkennbar, dass in den dortigen tatbestandlichen Umschreibungen die Überschreitung der Bagatellschwelle der Sache nach jeweils bereits enthalten ist."

Noch weiter geht Sosnitza in MünchKomm UWG § 3 UWG, Rdnr. 103, der sogar eine strikte Indizwirkung der Beispielsfälle der §§ 4 ff für die Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung in Frage stellen will und für eine zusätzliche, wenn sich auch auf manchen Ebenen überschneidende Prüfung der Erheblichkeit eintritt.

Die vom Erstgericht vorgenommen Erheblichkeitsprüfung steht damit in vollem Einklang mit der herrschenden Kommentarliteratur und wird vom Senat geteilt. Im Übrigen ist auch nur diese Auslegung mit dem Wortlaut des § 3 UWG vereinbar, da dort "unlauter" und "geeignet nicht unerheblich zu verfälschen" als zwei eigenständige Tatbestandsmerkmale gebraucht werden.

Bei der Anwendung des konkreten Unlauterkeitstatbestandes § 7 Abs.2 Nr. 3 UWG ist sich das Beschwerdegericht durchaus im Klaren, dass im Einzelfall bereits das Zusenden einer einzigen E-Mail ausreichen kann, um eine unzumutbare Belästigung zu begründen (so der vom Senat bereits entschiedene Fall, GRUR-RR 2006, 26 f). Hier hat der Verfügungsbeklagte jedoch aufgrund eines ganz konkreten Anlasses an einen ganz konkreten und ihm persönlich bekannten Empfänger eine Mitteilung verschickt, bei der er keineswegs die speziellen Möglichkeiten der massenweisen Versendung von Mitteilungen auf elektronischem Wege ausgenützt hat, die - wie das Erstgericht zutreffend dargelegt hat - auf europäischer Ebene Anlass zur Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gegeben haben. Der Verfügungsbeklagte hat hier weder E-Mails mit vorgefertigten Textbausteinen in hoher Stückzahl versandt noch entsprach ein solches Vorgehen seinen weiteren Absichten. Wie bereits das Erstgericht in seinem Beschluss völlig zutreffend dargelegt hat, wollte sich der Verfügungsbeklagte keineswegs die durch § 7 Abs. 2 UWG bekämpften Möglichkeiten zunutze machen, nämlich durch die einfache Kopplung von Adressenlisten mit vorgefertigten, unpersönlich gehaltenen Textbausteinen ohne größeren Kostenaufwand einen zahlenmäßig bedeutenden und damit auch in seiner Werbewirkung erheblichen Personenkreis zu erreichen (wie dies in dem vom Senat a.a.O. entschiedenen Sachverhalt tatsächlich der Fall war). Der Verfügungsbeklagte hat hier gerade nicht die Versendungsart, nämlich die Beförderung als "elektronische Post" gewählt, bei der eine erhebliche Werbewirkung und damit eine Störung des Wettbewerbs gerade aufgrund des massenweisen Zugriffs auf elektronische Briefkästen eintreten.

Einen Verstoß gegen § 3 UWG durch den Verfügungsbeklagten hat das Erstgericht zu Recht abgelehnt und folgerichtig der Verfügungsklägerin die Kosten auferlegt.

Die sofortige Beschwerde ist mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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