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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 17.05.2000
Aktenzeichen: 4 U 260/00
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 170
EGBGB Art. 171
BGB § 242
BGB § 315
1) Zur Anpassung von Pachtverträgen, die nach bayerischem Landesrecht vor Inkrafttreten des BGB geschlossen wurden.

2) Eine Erhöhung des Pachtzinses kommt sowohl nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage wie nach § 315 BGB nur dann in Betracht, wenn sich wesentliche Umstände im Lauf der Zeit erheblich verändert haben; eine Korrektur eines bereits im ursprünglichen Vertrag angelegten Ungleichgewichts von Leistung und Gegenleistung ist auf diesem Weg nicht möglich.


4 U 260/00 3 O 210/99 LG Ansbach

Verkündet am 17. Mai 2000

Oberlandesgericht Nürnberg

IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

In Sachen

wegen Feststellung,

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht - und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.April 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil der 3.Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 20.Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Entscheidung beschwert die Beklagte mit 48.090,-- DM.

Beschluß

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge festgesetzt auf 48.090,-- DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, da das Landgericht der Klage mit der zutreffenden Begründung stattgegeben hat, es seien keine Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse vorgetragen, die eine Erhöhung des von den Klägern zu bezahlenden Pachtentgelts über das von ihnen akzeptierte Maß hinaus rechtfertigen würden.

Unabhängig davon, ob die Veränderung des von den Klägern für ihre Abbaurechte zu zahlenden Entgelts nur nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erfolgen kann, oder ob ein Bestimmungsrecht der Beklagten i.S.d. § 315 BGB anzunehmen ist, fehlt es im Vortrag der Beklagten an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, daß sich die Umstände Mitte der 90-iger Jahre so stark verändert hätten, daß nun mehr als 100 Jahre nach Begründung der Pachtverhältnisse erstmals eine grundlegende Neubewertung der Abbauentgelte billig i.S.d. § 315 BGB oder nach Treu und Glauben geboten gewesen wäre, wie sie die Beklagte mit ihrem Gemeinderatsbeschluß vom 17.Juli 1997 vorgenommen hat, während trotz aller seit 1871 in Deutschland geschehenen Umwälzungen in der Vergangenheit stets nur kleinere Anpassungen etwa an veränderte Währungsverhältnisse erforderlich waren.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufungsführerin veranlassen lediglich folgende ergänzende Bemerkungen:

I.

Die Berufung hat ganz wesentlich deswegen keinen Erfolg, weil sie nicht genügend berücksichtigt, daß zwischen den Parteien ein zivilrechtlich einzuordnender Pachtvertrag besteht, der von Anfang an eine Regelung des Pachtzinses enthielt, die die Pächter begünstigte. Dies ist dem Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. Oktober 1995 zu entnehmen, das für die vorliegende Entscheidung zwar keine Rechtskraftwirkung entfaltet, dessen überzeugenden Ausführungen sich der Senat aber in vollem Umfang anschließt. Zu diesem Vertrag kam es folgendermaßen:

Die Beklagte hatte im Zuge der Teilung der sog. "gemeinschaftlichen Haardt" das Grundstück Flst.1054/50 der Gemarkung im sog. H Feld erworben. Da auf dem Grundstück erhebliche zum Abbau geeignete Kalkschiefervorkommen lagern, beschloß die Gemeinde im Jahre 1856, eine Fläche von 108 Tagwerk zur Eröffnung von Steinbrüchen an die Gemeindeberechtigten (die sog. "Altrechtler") zu verteilen, die ihre vor dem Eigentumserwerb der Beklagten an dieser "gemeinschaftlichen Haardt" bestehenden Nutzungsrechte verloren hatten. Nach Erschöpfung der zunächst verteilten Parzellen kam es 1871 zur Verteilung der 3.Abteilung des für den Abbau vorgesehenen Geländes, wobei auch die Rechtsvorgänger der Kläger des vorliegenden Verfahrens zum Zuge kamen. Als Gegenleistung wurde im Verteilungsprotokoll vom 31.Oktober 1871 bestimmt, daß jeder Berechtigte als jährlichen Grundzins 30 Kreuzer, in die Gemeindekasse zu entrichten hat und alljährlich 1 % nach dem Steinwert in eben diese Kasse einzahlen muß.

1. Die von den Pächtern, den sog. "Altrechtlern" zu leistenden Zahlungen wurden in der Folge mehrfach verändert:

Nach der großen Inflation wurde dieses Entgelt durch Gemeinderatsbeschluß vom 14.7.1925 auf 2 RM für unbearbeitete und auf 20 RM für bearbeitete Parzellen festgelegt. Nach Einführung der DM legte die Beklagte das Entgelt durch Gemeinderatsbeschluß vom 6.September 1949 auf 2,-- DM pro Steinbruchteil und auf 10,-- DM für jeden dort beschäftigten Arbeiter fest. Schon mit Gemeinderatsbeschluß vom 10.Oktober 1963 erfolgte die nächste Anpassung des Entgelts, diesmal auf 2,-- DM pro Parzelle und 40,-- DM pro eingesetzten Arbeiter. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt wurde schließlich nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Prozeßparteien das Entgelt auf 10,-- DM pro Parzelle und 1 % des Steinwerts festgesetzt. Die Beklagte war trotz entsprechender Ankündigung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die Quelle dieser Neufestsetzung, etwa den entsprechenden Gemeinderatsbeschluß, näher zu benennen. Am 17.Juli 1997 beschloß der Gemeinderat schließlich, daß die "Altrechtler" 250,-- DM pro Parzelle und 10 % des Steinwerts zu zahlen hätten.

2. Ob überhaupt und in welcher Höhe und von wem die jeweils festgesetzten Abgaben eingefordert und bezahlt wurden, kann die Beklagte ebenfalls nur teilweise vortragen und belegen.

So trägt sie mit Schriftsatz vom 27.September 1999 vor, daß erstmals 1925 Pachtzahlungen verlangt und geleistet wurden, während sie mit Schriftsatz vom 2.November 1999 behauptet, bereits am 13.12.1894 seien für 2 Arbeiter je 10,-- DM "Bruchzins" berechnet worden. Im Schriftsatz vom 18.März 1999 heißt es wiederum, in den Folgejahren (nach 1871) sei "mehr oder weniger regelmäßig" von den Rechteinhabern Steinbruchabgabe verlangt und bezahlt worden. Ein Sachvortrag dazu, was die konkreten Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger bezahlt haben, findet sich nirgends.

Mit Schriftsatz vom 18.März 1999 wurde zwar die Vorlage entsprechender Abrechnungsbelege angekündigt. Vorgelegt wurden jedoch lediglich Abrechnungslisten über die Erhebung der Steinbruchabgabe 1955 und 1981.

Insbesondere die Vorlage der letztgenannten Liste wirft wiederum gewisse Zweifel an der von den Parteien unstreitig gestellten Entgeltfestsetzung auf. Denn diese Liste deutet auf eine Anwendung des Gemeinderatsbeschlusses vom - l0.Oktober 1963 auch für das Jahr 1981 hin. Da schon ab dem Jahre 1982 von der Beklagten keinerlei Steinbruchabgabe mehr eingefordert wurde, wie sie mit Schriftsatz vom 26.November 1999 hat vortragen lassen, bleibt für die Regelung, die die Parteien im Termin vor dem Landgericht Ansbach vom 15.November 1999 unstreitig gestellt haben, keinerlei Anwendungszeitraum mehr. Da diese Entgeltregelung jedoch problemlos als notwendige Anpassung der einzigen unstreitig wirksamen Entgeltfestsetzung, nämlich der von 1871, gedeutet werden kann, kommt es auf das Wirksamwerden der von den Parteien behaupteten Entgeltfestsetzung im Zeitraum zwischen 1963 und 1997 nicht entscheidend an.

II.

Zur Berechtigung der Vervielfachung des Abbauentgelts durch die Beklagte gilt folgendes:

1. Die Beklagte kann sich nicht auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Diese sind auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden, weil es auch nach Inkrafttreten des BGB von beiden Parteien erfüllt worden ist (BayObLG Z 89, 216; Staudinger/Hönle (1998), Art.170 EGBGB Rn.14).

a) Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch "die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluß zutage getretenen gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintreten oder dem Fortbestand gewisser Umstände, auf denen sich der Vertragswille aufbaut" (st.Rspr. seit BGH Z 25, 390/392; Staudinger/Schmidt (1995), § 242 Rn.946).

Als eine solche Geschäftsgrundlage käme hier sowohl das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wie auch die Notwendigkeit in Betracht, bedürftigen Gemeindebürgern durch Gewährung günstiger Abbaurechte unter die Arme zu greifen.

Aus dem Wegfall bzw. der Änderung dieser Geschäftsgrundlage kann sich ein Anpassungsanspruch ergeben, wenn das zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnisses unabweisbar erscheint (BGH WM 1977, 946) und der anderen Partei ein Abgehen von dem Vereinbarten zugemutet werden kann (BGH NJW - RR 1994, 434/435). Eine Anpassung kann nur dann gefordert werden, wenn anders ein untragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbares Ergebnis nicht zu vermeiden wäre (BGH NJW 1977, 2264), wobei ein strenger Maßstab angelegt werden soll (BGH WM 1993, 1233/1234).

b) Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die nach diesen Grundsätzen eine solche Anpassung erfordern würden.

aa) Der Senat ist schon nicht davon überzeugt, daß die Förderung bedürftiger Gemeindebürger hier zur Geschäftsgrundlage gezählt werden kann. Es spricht nämlich sehr viel dafür, daß die Beklagte seinerzeit generell die Begünstigung Gemeindeangehöriger bzw. der bereits erwähnten sog. Gemeindeberechtigten im Sinn hatte, die keineswegs automatisch zu den Bedürftigen zu zählen waren. Diese Gemeindeberechtigten waren vielmehr, wie erwähnt, diejenigen, die durch den Erwerb des Grundstücks seitens der Beklagten vorher bestehende Nutzungsrechte, die auf den Bezug von Holz gerichtet waren, verloren hatten und die womöglich dafür einen Ausgleich erhalten sollten. Zwar hatte der Gemeinderat der Beklagten am 14.Mai 1856 beschlossen, er wolle mit der Zuteilung von Steinbruchrechten den Gemeindebürgern eine Grundlage zum Broterwerb schaffen, wodurch die Angelegenheit eine gewisse fürsorgerische Färbung bekam. In § 5 der für die Verteilung und den Ausbau der Steinbrüche festgesetzten Statuten wird das Recht der Teilhaber, ihre Anteile weiter zu verpachten jedoch nur allgemein auf den Kreis der Mitglieder der Gemeinschaft der Abbauberechtigten beschränkt, ohne daß auf deren Bedürftigkeit bzw. darauf abgestellt würde, ob sie das günstige Abbaurecht zum Broterwerb benötigen oder nicht benötigen. Auch im Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23.Oktober 1995, in dem diese Beschränkung der Unterverpachtmöglichkeit ausdrücklich auch heute noch als wirksam angesehen wurde, wird zwar dieser Förderzweck als wesentlicher Gesichtspunkt herangezogen. Es geht dabei aber ersichtlich nicht um die Unterscheidung zwischen Bedürftigen und weniger Bedürftigen, als vielmehr um die zwischen solchen Personen, die zum Kreis der Begünstigten gehören und Fremden, Außenstehenden.

Auch sonstwo findet sich kein Indiz dafür, daß Voraussetzung für die Förderung des Broterwerbs eine besondere Bedürftigkeit gewesen sein soll. Immerhin befand sich schon unter den Begünstigten der ersten Verteilung im Jahre 1858 u.a. die Pfarrei S sowie der S Aktienverein und auch im Jahre 1871 wurde u.a. der Herr Pfarrer bedacht - sämtlich gewiß keine besonders bedürftigen Personen. Auch hat die Beklagte selbst vorgetragen, daß 1894 für zwei Arbeiter je 10 Mark Bruchzins berechnet worden seien. Dies spricht dafür, daß schon damals die Berechtigten nicht eigenhändig die Steine abgebaut haben.

bb) Die Argumentation der Beklagten, die Regelung aus dem Jahre 1871 müsse deswegen geändert werden, weil der ursprüngliche Zweck, bedürftigen Gemeindeangehörigen zu helfen, in der Zwischenzeit fortgefallen sei, geht daher ins Leere. Auf die Frage, ob ein Festhalten an der bestehenden Entgeltregelung zu völlig unerträglichen Ergebnissen führen würde, kommt es gar nicht mehr an.

Bei einer solchen Abwägung müßte im übrigen der Umstand berücksichtigt werden, daß die Beklagte mit ihrem vom Bayerischen Obersten Landesgericht akzeptierten Argument, die Beschränkung der Unterverpachtmöglichkeit auf den Kreis der ursprünglich bei der Verteilung der gemeinschaftlichen Haardt begünstigten Personen müsse auch heute noch gelten, weil deren Broterwerb zu fördern sei, einen, wenn auch vorübergehenden, Prozeßerfolg erzielt hat. Es ist nur schwer vorstellbar, daß wenige Jahre später diese Förderung durch günstige Pachtpreise im oben dargestellten Sinn grob unbillig sein soll.

cc) Auch eine gravierende Veränderung des Äquivalenzverhältnisses, also des Verhältnisses des Wertes von Leistung der Beklagten in Form des Abbaurechts und Gegenleistung der Kläger kann schon dem Vortrag der Beklagten nicht entnommen werden.

Unabhängig davon, ob es auf den Vergleich der heutigen mit den Verhältnissen im Jahre 1871 oder mit denen im Jahre 1963 oder mit denjenigen in anderen Jahren ankommt, fehlt es an ausreichend konkretem Sachvortrag.

Die Beklagte konzentriert sich darauf, vorzutragen, daß für die Abbaurechte auf dem freien Markt höhere Entgelte erzielt würden als sie die Kläger und die anderen Rechtler vor dem Gemeinderatsbeschluß vom 17.Juli 1997 entrichtet hätten.

Da es hier aber um die Feststellung einer gravierenden Veränderung geht, müßte sie vortragen, daß im Bezugszeitraum die Begünstigung der Kläger geringer war als sie es jetzt ist. Denn eine Begünstigung der Kläger bzw. ihrer Rechtsvorgänger durch Abschluß der Pachtverträge im Jahre 1871 war seinerzeit gewollt. Diese Begünstigung wurde bis zum erwähnten Gemeinderatsbeschluß offenbar auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Sie ist jedenfalls als solche kein neuer Umstand, auf den sich ein Anpassungsverlangen nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage stützen ließe. Neu in diesem Sinne könnte allenfalls das Ausmaß der Begünstigung sein. Wenn dieses Ausmaß inzwischen alle Vorstellungen der ursprünglichen Vertragsparteien sprengen würde, könnte an die Anwendung dieser Grundsätze zugunsten der Beklagten gedacht werden.

Insoweit trägt die Beklagte aber wenig und Widersprüchliches vor.

Zum Ausmaß der Begünstigung vor 1956 fehlt jeder Vortrag. Nach dem Schriftsatz vom 7.Juli 1999 lagen die Marktpreise im Jahre 1956 zwischen 25 und 35 des Steinwertes - die Begünstigung durch eine Abgabe von nur 1 % bzw. damals 10,-- DM pro eingesetzten Arbeiter war also schon seinerzeit nicht unerheblich; die Marktpreise sanken nach den Angaben in diesem Schriftsatz nach 1970 auf 15 % bzw. sogar 10 %, wodurch die Vorteile für die Kläger und die anderen sog. Altrechtler eher geringer wurden. Daneben werden von der Beklagten für die Zeit seit Mitte der 70-iger Jahre ohne Bezug zu konkreten Zeitpunkten auch Prozentsätze von 12, 17,5, 20 und 22 genannt. Auch daraus ergibt sich keine stärkere Begünstigung als im Jahre 1956. Eine Anpassungsnotwendigkeit zugunsten der Beklagten läßt sich mithin so nicht begründen.

In den späteren Schriftsätzen der Beklagten sind die Angaben zu den Marktpreisen eher noch allgemeiner. Im Schriftsatz vom 27.September 1999 heißt es nur "jetzt" lägen die Sätze zwischen 15 und 20, im Schriftsatz vom 29.November 1999 werden ohne Angabe von Zeitpunkten Sätze zwischen 10,5 und 30 % genannt; im Schriftsatz vom 1.Februar 2000 ist nur davon die Rede, daß die von den Hackstockmeistern bzw. Pächtern vergleichbarer Grundstücke zu zahlenden Pachten über den von den Klägern geforderten 10 lägen; schließlich läßt die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.Februar 2000 vortragen, die Marktpreise lägen zum Teil (!) weitaus höher als dies u.a. von den Klägern gefordert werde.

So läßt sich ein Anpassungsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht begründen.

2. Auch die Vorschrift des § 315 BGB führt zu keinem für die Beklagten günstigen Ergebnis.

a) Es bestehen schon Zweifel daran, daß der Beklagten das von ihr in Anspruch genommene Bestimmungsrecht zusteht.

Diese Zweifel beruhen nicht etwa darauf, daß der zwischen den Parteien bestehende Pachtvertrag eine vollständige rechtsgeschäftliche Regelung über die der Beklagten als Verpächterin zustehenden Leistungen enthält. Denn § 315 BGB findet ohne weiteres auch in Fällen Anwendung, in denen die rechtsgeschäftliche Regelung zwar zunächst vollständig ist, aber für den Fall einer Änderung der Verhältnisse Vorsorge getroffen werden soll. Das Bestimmungsrecht einer Partei, hier also der Beklagten, kann sich anerkanntermaßen auch auf die Vertragsanpassung beziehen (BGH NJW 1981, 341; Staudinger/Mader (1995), § 315 Rn.19 m.w.N.).

Die Bedenken gegen die Annahme eines Rechts der Beklagten, i.S.d. § 315 BGB die Anpassung nach billigem Ermessen vorzunehmen, resultieren vielmehr daraus, daß nicht recht ersichtlich ist, wie ihr ein solches Recht von den konkreten Klägern bzw. deren Rechtsvorgängern eingeräumt worden sein soll. Zwar kann die Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts auch schlüssig erfolgen (Staudinger, a.a.O., Rn.22; zweifelnd insoweit Köndgen/König, ZIP 1984, 129/133), doch hat die Beklagte ihre insoweit entscheidende Behauptung, alle Altrechtler und damit auch die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger hätten die Anpassungsentscheidungen ihres Gemeinderats stets hingenommen, nicht unter Beweis gestellt.

Die Vorlage nur der Abrechnungslisten für die Jahre 1955 und 1981 genügt insoweit schon deswegen nicht, weil vor diesen Jahren gerade keine Anpassungsbeschlüsse des Gemeinderats erfolgt waren. Da die Kläger die Erfüllung dieser Anpassungsbeschlüsse bestritten haben - so zuletzt mit Schriftsatz vom l0.Februar 2000, kann diese Behauptung der Beklagten der Entscheidung an sich nicht zugrunde gelegt werden.

Andererseits haben die Kläger mit Schriftsatz vom 9.März 2000 vortragen lassen, ihr Vater und Rechtsvorgänger habe im Jahre 1977 ebenso wie in den Jahren 1978 bis 1980 die von der Gemeinde verlangte Steinbruchabgabe bezahlt. Ob hierin doch eine Anerkennung der Anpassungsbefugnis der Beklagten liegt und damit die schlüssige Einräumung eines solchen Rechts für die Zeit nach 1977 angenommen werden kann, mag hier dahinstehen. Für eine großzügige Annahme eines solchen einseitigen Anpassungsrechts spricht immerhin das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.Mai 1973 (Z 61, 31/35), in welchem ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung sogar eine Pflicht des Schuldners, das wären hier die Kläger, angenommen wird, über eine Anpassung seiner Leistungen an geänderte Verhältnisse zu verhandeln und bei Scheitern dieser Verhandlungen gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen eine einseitige Neufestsetzung vorzunehmen.

b) Im vorliegenden Fall fehlt es nämlich, wie bereits ausgeführt, ganz einfach an einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die eine solche Pflicht zur Neuverhandlung bzw. Neufestsetzung auslösen könnte. Jedenfalls sind solche nicht vorgetragen.

aa) Denn auch eine Festsetzung nach billigem Ermessen i.S.d. § 315 Abs.1 BGB kann nicht losgelöst von der bestehenden pachtvertraglichen Bindung der Parteien und der in diesem Pachtvertrag enthaltenen Begünstigung der Pächter erfolgen. Es geht nicht um die Neufestsetzung von Grund auf - insoweit liegt wegen der im Verteilungsprotokoll enthaltenen Entgeltfestsetzung das für das Eingreifen des § 315 BGB erforderliche "Fehlen von Bestimmungen über Leistungen" nicht vor -, sondern um eine Anpassung, eine Fortschreibung der vertraglichen Bestimmungen über den Umfang der gegenseitigen Leistungspflichten. Diese Fortschreibung oder Anpassung von Vertragsbedingungen, die im Laufe der Pachtzeit grob ungleichgewichtig geworden sind, ist etwa Zweck der Vorschrift des § 593 BGB, die die Anpassung der Vertragsleistungen für Landpachtverträge i.S.d. § 585 BGB ermöglicht (Staudinger/Pikalo/v.Jeinsen (1996), § 593 Rn.1); sie ist auch Zweck der einseitigen Anpassungsentscheidung i.S.d. § 315 BGB. Diese hat ebensowenig wie die nach § 593 BGB zu treffende Entscheidung den Sinn, ein nach dem Vertragsinhalt von Anfang an bestehendes Ungleichgewicht zu korrigieren.

Zu berücksichtigen sind bei der Entscheidung nach § 315 BGB die Interessenlage beider Vertragsteile (BGH Z 41, 271/279), die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl der einen wie der anderen Seite (BGH Z 18, 149/152). Die Leistungsbestimmung entspricht immer dann der Billigkeit, wenn sie alle wesentlichen Umstände und die Interessenlage beider Seiten angemessen berücksichtigt (BAG Betrieb 1978, 212).

bb) Diesen Anforderungen wird der Gemeinderatsbeschluß vom 17.Juli 1997 schon deswegen nicht gerecht, weil er, wie der Sachvortrag der Beklagten im Prozeß zeigt, viel zu sehr vom Bestreben getragen ist, den Klägern annähernd Marktpreise für die Abbauberechtigungen abzuverlangen und weniger von dem Versuch, die seit der letzten Anpassung eingetretenen wirtschaftlichen Veränderungen umzusetzen. Jedenfalls ist zu diesen Veränderungen, wie dargelegt, viel zu wenig vorgetragen. Die Ermessensentscheidung ist schon deswegen unbillig, weil sie einen ganz wesentlichen Umstand, nämlich die Verbindlichkeit des Pachtvertrages von 1871 und die durch diesen rechtsgültig herbeigeführte Besserstellung der Altrechtler gegenüber anderen Pächtern nicht berücksichtigt.

3. Aus dem Dargelegten ergibt sich auch, daß kein Anlaß besteht, das Entgelt etwa auf Beträge zwischen den von den Klägern zugestandenen und den im Gemeinderatsbeschluß vom 17.Juli 1997 festgesetzten durch richtliche Entscheidung festzulegen.

Denn es fehlt für eine solche Erhöhung an der Darlegung der nötigen tatsächlichen Voraussetzungen sowohl im Rahmen einer Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage wie im Rahmen einer Anwendung des § 315 BGB.

Die Beklagte hat durch die von den Klägern akzeptierte Entgeltregelung gegenüber der Lage nach dem Gemeinderatsbeschluß vom l0.Oktober 1963 immerhin eine deutliche Erhöhung ihrer Ansprüche erreicht. Denn sowohl der Betrag von 10,-- DM pro Parzelle wie die Abgabe in Höhe von 1 % vom Steinwert liegen über den im bezeichneten Gemeinderatsbeschluß festgesetzten 2,-- DM pro Anteil und 40,-- DM pro eingesetzten Steinbrucharbeiter.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 546 Abs.1 ZPO.

Der Wert der Beschwer war gem. den §§ 3, 9, 546 Abs.2 ZPO festzusetzen. Die Vorschrift des § 9 ZPO ist hier einschlägig, da die Tatbestandsvoraussetzungen der Sonderregelungen der §§ 16, 17 GKG nicht vorliegen (Zöller/Herget, ZPO, 22.Aufl., § 9 Rn.1). Da es sich um eine negative Feststellungsklage handelt, war auch ein Abschlag vom so ermittelten Streitwert nicht veranlaßt (Thomas/Putzo, ZPO, 22.Aufl., § 3 Rn.65).

Ende der Entscheidung

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