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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 4 U 4590/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 847
Schadensersatzleistungen nach Verkehrsunfall

1. Zu den erstattungsfähigen Heilungskosten und vermehrten Aufwendungen des Verletzten nach einem Unfall können auch Fahrtkosten gehören, etwa für notwendige Fahrten zum Arzt, zur Apotheke und zur Arbeitsstelle.

2. Erstattungsfähig sind in der Regel die (vom Fahrzeugtyp abhängigen) variablen Betriebskosten zuzüglich eines Zuschlags für die laufleistungsabhängige erhöhte Abnutzung (konkret: 0,30 DM/km für Opel Astra 1, 6).

3. 8.000 DM Schmerzensgeld für eine HWS-Distorsion mit langwierigem Heilungs-Prozess bei grobfahrlässigem Verhalten des Unfallverursachers.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 4590/99 4 O 2486/98 LG Regensburg

Verkündet am 13. Dezember 2000

Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 23. November 1993 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.714,07 DM zu bezahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Entscheidung beschwert die Beklagte mit 7.714,07 DM, die Klägerin mit 24.065,93 DM.

Beschluß:

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 31.780,00 DM festgesetzt.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluß vom 3. Mai 2000, auf den Bezug genommen wird, durch Erholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens. Wegendes Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 28. September 2000 (Bl. 144 ff. d.A.) nebst neurologischem Zusatzgutachten vom 20. Juli 2000 (Bl. 138 ff. d.A.) verwiesen.

Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel aber nur teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht wegen des von der Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfalls vom 12. August 1997 ein höherer Schadensersatzanspruch zu als vom Erstgericht zuerkannt. Im Einzelnen gilt:

1. Die Beklagte kann wegen der Beeinträchtigung ihrer Fähigkeit, den Haushält zu führen, Schadensersatz in Höhe von 1.692,07 DM verlangen.

a) Die grundsätzliche Ersatzfähigkeit des sogenannten Haushaltsführungsschadens ist allgemein anerkannt. Die §§ 842, 843 BGB geben der bei einem Unfall verletzten Person, die ganz oder teilweise mit der Haushaltsführung betraut ist, einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Die Höhe des Schadens bemißt sich nach der tatsächlich zu leistenden Arbeit im Haushalt. Anders als bei Ersatzansprüchen wegen des Wegfalls einer bei einem Urfall getöteten haushaltsführenden Person geht es hier nicht darum, zu wieviel Hausarbeit die Verletzte, ihr Ehegatte oder andere Angehörige rechtlich verpflichtet waren. Es geht darum, wieviel Arbeit von der Verletzten ohne den Unfall tatsächlich geleistet worden wäre, wieviel Hilfe ihre Angehörigen tatsächlich geleistet hätten (BGH, NJW 1974, 1651; Schulz-Borck/Hofmann, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl., S. 18; Hillmann, ZfS 1999, 229; OLG München, DAR 1999, 407).

Unstreitig hätte die Klägerin ohne den Unfall ca. 27,1 Stunden pro Woche im Haushalt gearbeitet; das ist der in der Tabelle 8 bei Schulz-Borck/Hofmann für einen Haushalt mit 2 Berufstätigen ohne Kinder genannte Wert.

b) Die Fähigkeit der Klägerin, den Haushalt zu führen, war bis zum 7. September 1997 um 60 % und bis zum 9. Oktober 1997 um 30 % vermindert.

Dieser Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Haushalt steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen vom 7. Juli 1999, der diese spezifische Minderung der Erwerbsfähigkeit - zutreffend - unabhängig von der allgemeinen Minderung der Erwerbsfähigkeit festgelegt hat. Es besteht für den Senat kein Anlaß, an der Richtigkeit dieser vom Sachverständigen genannten Werte zu zweifeln. Auch die Beklagte erhebt insoweit keine Einwendungen. Unter diesen Umständen ist es nicht erforderlich, das Maß des Ausfalls der Klägerin bei der Haushaltsführung auf anderem Wege, etwa mit Hilfe einschlägiger Tabellenwerke, festzustellen. Auch die Erholung eines weiteren Gutachtens, etwa aus dem Bereich der Arbeitsmedizin, erscheint angesichts der Bedeutung des Streitfalles nicht nötig.

Bei einem allenfalls durchschnittlichen Schadensfall wie dem vorliegenden ist es bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nicht geboten, umfangreiche Erhebungen über die tatsächlichen Verhältnisse in dem betreffenden Haushalt anzustellen (OLG München, OLGR 1995, 63).

Der von der Beklagten zu ersetzende Ausfall belief sich demnach für den ersten Monat nach dem Unfall auf 60 % von 27,1 Stunden, das sind aufgerundet 17 Wochenstunden, und für den zweiten Monat auf 30 % von 27,1 Stunden, das sind aufgerundet 9 Wochenstunden.

c) Da die Klägerin keine Ersatzkraft gegen Entgelt beschäftigt hat und die helfenden Angehörigen unstreitig nichts erhalten haben, muß der Schaden fiktiv berechnet werden (BGH, VersR 1979, 670).

Es kann sich zwar nicht zugunsten des Schädigers auswirken, daß die Angehörigen der Klägerin durch überobligationsmäßige Anstrengungen deren teilweisen Ausfall bei der Haushaltsführung ausgeglichen haben. Es kann aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei der Klägerin keine Lohnnebenkosten wie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge angefallen sind. Daher ist hier Schadensersatz nur in Höhe des fiktiven Nettogehalts einer Ersatzkraft zu leisten (BGH, NZV 1988, 60 f.).

Dieses Nettogehalt ist im vorliegenden Fall der Vergütungsgruppe BAT IX b zu entnehmen. Gegen die Zugrundelegung einer höheren Vergütungsgruppe, etwa BAT VIII, spricht, daß diese Gruppe etwa für Wirtschafterinnen mit staatlicher Prüfung vorgesehen ist, die zu selbständiger Haushaltsführung in der Lage sind. Da die Klägerin aber unstreitig nie ganz ausgefallen ist und immer einen Teil der anfallenden Arbeiten, vor allem die nötigen Leitungs- und Planungsaufgaben stets selbst wahrnehmen konnte, benötigte sie keine so qualifizierte Ersatzkraft. Andererseits kann die noch niedriger liegende Gruppe BAT X nicht herangezogen werden, weil diese Vergütungsgruppe praktisch kaum noch besetzt wird; die vom Senat herangezogene Gruppe BAT IX b stellt die niedrigste tatsächlich vorkommende Tarifgruppe dar (Schulz-Borck/Hofmann, a.a.O., Tabelle 3). Auch die Ermittlung eines fiktiven Gehalts muß sich an der Realität orientieren.

Nach den Angaben in der Tabelle 5 bei Schulz-Borck/Hofmann betrug im Jahre 1997 das Monatsnettogehalt einer Haushaltshilfe in dieser Vergütungsgruppe bei einer Wochenstundenzahl von 9 585,72 DM und bei einer solchen von 17 1.106,35 DM.

2. Daneben kann die Klägerin im Rahmen ihres Anspruchs auf Erstattung der Heilungskosten bzw. ihrer durch den Unfall vermehrten Aufwendungen Ersatz der Kosten für Fahrten zu Ärzten, Psychotherapeuten und zur Apotheke, aber auch Ersatz für vermehrte Aufwendungen zur Teilnahme am Erwerbsleben verlangen.

Heilungskosten sind schadensrechtlich alle Maßnahmen, die notwendig oder auch nur zweckmäßig der Heilung dienen, also auch über Arzt-, Krankenhaus-, Apotheken- und Prothesenkosten hinausgehen (Hellwig, Der Schaden, H 100 "Heilungskosten"). Unter "vermehrten Bedürfnissen" versteht man Mehraufwendungen des Geschädigten für die persönliche Lebensführung (BGH, NJW 1974, 41), etwa für notwendige Hilfen in Haus und Garten, Schreibkräfte oder auch vermehrte Ausgaben für Begleitpersonen. Auch die Kosten, die aufgewendet werden müssen, damit der Geschädigte trotz der unfallbedingten Behinderung am Erwerbsleben teilnehmen kann, zählen hierzu (OLG Hamm, VersR 1992, 459; Hellwig, a.a.O., V 60 "Allgemein", "Teilnahme am Erwerbsleben"). Dieser Anspruch bleibt erhalten, selbst wenn die vermehrten Bedürfnisse durch Leistungen von Angehörigen unentgeltlich ausgeglichen werden. Auch hier ist mit einer fiktiven marktgerechten Vergütung zu kalkulieren (OLG Hamm, NJW 1972, 1521; Hellwig, a.a.O., "Angehörige").

a) Die Parteien haben diesbezüglich unstreitig gestellt, daß die Klägerin bei den von ihr im einzelnen dargestellten Fahrten 1199 Kilometer zurückgelegt hat und daß ihr dabei Angehörige während 44 Stunden als Fahrer/innen gedient haben. Dies entbindet den Senat allerdings nicht von der Pflicht zu prüfen, ob die Aufwendungen für die einzelnen Fahrten noch als "Heilungskosten" oder "vermehrte Bedürfnisse" zu werten sind. Unstreitig festgestellt ist nur, daß die Fahrten tatsächlich in dem von der Klägerin behaupteten Umfang stattgefunden haben.

Für die Fahrten ins Krankenhaus, zum Arzt, zur Physiotherapie, aber auch zur Apotheke ist dies der Fall, da letztlich all diese Fahrten der Wiederherstellung der Gesundheit gedient haben. Für die Fahrten zur Arbeitsstelle ist zu unterscheiden zwischen den Fahrtkosten, die der Klägerin auch ohne den Unfall entstanden wären, und denen, die allein wegen des Unfalls angefallen sind, weil die Klägerin nicht in der Lage war, ihr Auto selbst zu steuern und deshalb eine Fahrt mehr als sonst pro Arbeitstag nötig wurde. Weder unter dem Aspekt der Heilungskosten noch unter dem der vermehrten Bedürfnisse können die Fahrten z u Supermärkten oder zur Sparkasse abgerechnet werden, da es sich insoweit um Teile des Haushaltsführungsschadens handelt, der bereits oben unter 1. gesondert erfaßt ist.

Nach dem vom Senat erholten Sachverständigengutachten war die Klägerin nach dem Unfall 4-6 Wochen nicht in der Lage, selbst ein Kraftfahrzeug zu steuern. Die Hilfe der Angehörigen war danach insoweit etwa bis zum 19. September 1997, dem Ende der 38. Kalenderwoche, erforderlich. Für die Zeit danach kann die Klägerin daher Fahrten zur Arbeitsstelle überhaupt nicht und Fahrten zu medizinischen Zwecken nur mit den insoweit angefallenen Betriebskosten in Rechnung stellen.

b) Unter diesen Vorgaben kann die Klägerin Ersatz für die Betriebskosten ihres PKW Opel Astra 1,6 für insgesamt 390 Kilometer verlangen.

Die Frage, in welcher Höhe für mit einem PKW durchgeführte Fahrten Ersatz zu leisten ist, ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte orientiert sich zum Teil an § 9 Abs. 3 Nr. 2 ZSEG und legt unabhängig vom Fahrzeugtyp 0,40 DM pro Kilometer zugrunde (OLG Hamm, VersR 1996, 1515; so auch: Palandt, BGB, 59. Aufl., § 249, Rn. 11; Hellwig, a.a.O., V 60 "Fahrtkosten"). Ein anderer Teil versucht, bezogen auf den jeweiligen Fahrzeugtyp, die reinen Betriebskosten (so OLG Braunschweig, rs 1991, 199) oder die durch die Kilometerleistung beeinflußten Fahrzeugkosten einschließlich eines Teils der Wertminderung zu ermitteln und der Berechnung des Ersatzanspruchs zugrundezulegen (OLG-Hamm, NJW-RR 1993, 409; so auch Hellwig, a.a.O., F 50 zu "Fahrtkosten").

Der Senat hält es für richtig, den Schaden möglichst konkret zu erfassen, also den benutzten Fahrzeugtyp zu berücksichtigen, da auch sonst im Schadensrecht auf die Verhältnisse des konkreten Geschädigten abgestellt wird. Die für die verschiedenen Fahrzeugtypen anfallenden Kosten können dabei der bei Hellwig, a.a.O., E 10, abgedruckten Tabelle entnommen werden.

Das bedeutet, daß für den Opel Astra 1,6 der Klägerin variable Betriebskosten in Höhe von 0,2088 DM/km anfallen. Dieser Betrag bedarf, um den erhöhten Abnutzungsgrad abzugelten, noch einer angemessenen Erhöhung, wobei aber nicht der gesamte in der Tabelle für "Wertminderung" aufgeführte Betrag von 16,08 Pfg/km in die Berechnung einfließen kann, da dieser Betrag auch von laufleistungsunabhängigen Komponenten beeinflußt wird. Insgesamt hält es der Senat in Anlehnung an die zuletzt zitierte Entscheidung des OLG Hamm für gerechtfertigt und angemessen, den Betriebskostenbetrag von 0,2088 DM/km auf 0,30 DM/km zu erhöhen (§ 287 ZPO).

Für Fahrtkosten muß die Klägerin danach 117,00 DM erhalten.

c) Daneben ist der Klägerin ein Betrag zu bezahlen, weil sie für diese Fahrten die Dienste ihrer Angehörigen in Anspruch nehmen mußte, so lange sie selbst nicht fahren konnte.

Aus der mit Schriftsatz vom 15. September 1999 vorgelegten Stundenaufstellung können nach den oben genannten Kriterien aber nur 29 Stunden berücksichtigt werden, weil die übrigen Fahrten nach dem 19. September 1997 stattgefunden haben und die Klägerin zu dieser Zeit auch selbst hätte fahren können.

Der Senat schätzt den Nettostundenlohn einer fiktiven Ersatzkraft auf 15,00 DM. Dies ergibt einen insoweit zu ersetzenden Betrag von 435,00 DM.

3. Weiter kann die Klägerin Erstattung von 170,00 DM verlangen, die sie für ärztliche Atteste aufzuwenden hatte. Diese Kosten sind als Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, da die ärztlichen Bescheinigungen nötig waren, um die Ansprüche der Klägerin durchzusetzen.

4. Der Klägerin steht darüber hinaus ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 8.000,00 DM zu.

a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind in erster Linie Höhe und Grad der erlittenen Beeinträchtigungen bzw. Verletzungen, also Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, daneben aber auch das Maß des Verschuldens und weitere Umstände zu berücksichtigen.

Der Schmerzensgeldanspruch hat anders als gewöhnliche Schadensersatzansprüche nicht nur eine Ausgleichs-, sondern auch eine Genugtuungsfunktion. Wie der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs festgestellt hat, wohnt dem Schmerzensgeld zwar kein unmittelbarer Strafcharakter mehr inne, doch schwingt in ihm der Ausgleichscharakter der Buße und der Genugtuung mit (BGHZ 18, 149). Auch wenn die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes gerade bei Verkehrsunfällen in der Regel im Vordergrund steht, kann die Genugtuungsfunktion jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn der Unfall durch grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt worden ist. Ein im besonderen Maß die verkehrsübliche Sorgfalt verletzendes Verhalten des Schädigers rückt das Geschehen für den Geschädigten aus dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos heraus, weshalb es erforderlich wird, in solchen Fällen die Genugtuungsfunktion bei der Bemessung des Schmerzensgeldes mit zu berücksichtigen (OLG Köln, VM 2000, 70). Mag der Verletzte noch geneigt sein, einen Schaden als sein Schicksal hinzunehmen, wenn er durch geringe Fahrlässigkeit hervorgerufen wurde, wird sich der Umstand, daß der Schädiger grob fahrlässig gehandelt hat, bei ihm mit Recht verbitternd auswirken (BGH, a.a.O.).

b) Zu den danach im Vordergrund stehenden Bemessungskriterien wie Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß die Klägerin mehr Schäden davongetragen hat, als das Landgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat. Dieses hat nur folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen anerkannt: Halswirbeldistorsion 1. Grades, Knieprellung, Arbeitsunfähigkeit von 100 vom 12. August bis 6. September, von 70 % bis 9. Oktober und von 10 % bis 15 % für eine gewisse weitere Zeit danach, 2 Monate Kopfschmerzen und Schmerzen im Schulter-Armbereich sowie Tragen einer Halskrawatte.

Schon das erstinstanzlich erholte Gutachten des Sachverständigen vom 7. Juli 1999 hat aber festgestellt, daß die Klägerin noch zum Untersuchungszeitpunkt 24. Juni 1999, also fast 2 Jahre nach dem Unfall und damit wesentlich länger als vom Landgericht im Urteil angenommen, noch häufiger unter Nacken- und Kopfschmerzen gelitten hat, die auch in beide Schultern ausgestrahlt haben. Darüber hinaus konstatierte der Gutachter ein infolge des Unfalls leicht vermehrt aufgeklapptes Wirbelsäulensegment C 5/C 6 sowie, in diesem Segment eine leichte kyphotische Fehlhaltung. Auch eine endgradig diskrete schmerzhafte Bewegungseinschränkung konnte er noch am Untersuchungstag feststellen. Die Bänderdehnung im Segment C 5/C 6 hatte sich in den 2 Jahren seit dem Unfall zwar gebessert, war aber ebenfalls noch nicht ganz zurückgebildet. Auch das vom Senat eingeholte ergänzende Sachverständigengutachten ergab, daß die Klägerin immer noch unter den Unfallfolgen leidet, obwohl inzwischen 3 Jahre seit dem Unfall vergangen sind. Die Beschwerden sind zwar inzwischen wesentlich besser geworden; der medizinische Befund liegt nicht mehr im pathologischen Bereich und ein Dauerschaden ist nicht feststellbar. Es bleibt aber doch ein recht langsam verlaufender Heilungsprozeß als schmerzensgelderhöhender Faktor, der unabhängig davon, daß die verbliebenen Beeinträchtigungen wegen ihrer Geringfügigkeit bei der Schmerzensgeldbemessung nicht mehr berücksichtigungsfähig sind, in die nötige Abwägung einzubeziehen ist.

c) Das Schmerzensgeld muß aber nicht nur deshalb gegenüber der landgerichtlichen Einschätzung erhöht werden, weil dieses eine Reihe von festgestellten Unfallfolgen bei seinen Überlegungen nicht bewertet hat. Es muß vor allem auch deshalb angehoben werden, weil das Erstgericht das Verschulden der Schädigerin nicht als schmerzensgelderhöhenden Faktor in seine Abwägung einbezogen hat.

Aus den oben genannten Gründen muß grobe Fahrlässigkeit auf seiten des Schädigers schmerzensgelderhöhende Berücksichtigung finden, vor allem dann, wenn die Geschädigte - wie im vorliegenden Fall - keinerlei Mitverschulden an dem Unfall trifft.

Die Unfallgegnerin der Klägerin war am Unfalltag auf der B 301 in Richtung Mainburg unterwegs. Sie hatte zunächst hinter einem Traktor mit 2 landwirtschaftlichen Anhängern angehalten, dessen Fahrer dabei war, auf die Fahrbahn gefallenes Ladegut aufzusammeln. Nach einiger Zeit des Wartens überholte sie das Gespann, ohne genügend auf den Gegenverkehr zu achten. Dabei kollidierte sie trotz eines Ausweichversuchs der Klägerin mit deren Fahrzeug. Dieses prallte anschließend frontal gegen ein weiteres Kraftfahrzeug.

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten hat durch dieses Verhalten die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt; sie hat das nicht beachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten mußte. Damit hat sie grob fahrlässig gehandelt (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 277, Rn. 2). Es lag kein Fehlverhalten in einer Situation vor, in der dem Verkehrsteilnehmer nur wenig Zeit zum Überlegen bleibt, weil ihm in kürzester Folge eine Vielzahl von Entscheidungen abverlangt wird. Denn die Versicherungsnehmerin der Beklagten beging den Verkehrsverstoß nicht im normalen, fließenden Straßenverkehr, wo aus dem genannten Grund in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit angenommen werden kann, sondern sie fuhr aus dem Stand an und hatte vorher genügend Zeit, genau zu prüfen, ob die Gegenfahrbahn, die sie zum Überholen des Traktors benutzen mußte, wirklich frei war. Wenn diese Prüfung, bei der für die Unfallgegnerin der Klägerin keinerlei Zeitdruck bestand, nicht sorgfältig genug durchgeführt wird, liegt grobe Fahrlässigkeit vor.

Angesichts eines solch hohen Grades an Fahrlässigkeit entfällt die Genugtuungsfunktion bei der Bemessung des Schmerzensgeldes, wie gesagt, nicht (OLG Nürnberg, ZfS 1905, 452).

d) Ein Schmerzensgeld von 8.000,00 DM erscheint auch bei Heranziehung von durch die Rechtsprechung bereits entschiedenen Vergleichsfällen angemessen. So wurden für ähnliche Verletzungen wie sie die Klägerin erlitten hat, wiederholt Beträge zwischen 4.000,00 DM und 8.000,00 DM, als angemessen angesehen (OLG München, ZfS 1991, 333; OLG. Nürnberg, ZfS 1991, 84; LG Augsburg, ZfS 1991, 334; LG Gießen vom 7. September 1983, Kuntz, Schmerzensgeld, Nr. 395). Da der Zeitablauf seit diesen Entscheidungen berücksichtigt werden muß (OLG Köln, VersR 1992, 1013), sind die vom Senat zugesprochenen 8.000,00 DM entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs zu hoch.

5. Dies ergibt dann folgende Berechnung:

Die Klägerin kann neben dem Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 DM wegen ihres Haushaltsführungsschadens 1.692,07 DM, wegen der Fahrten 552,00 DM und für die Atteste 170,00 DM verlangen, insgesamt mithin 10.414,07 DM.

Da die Beklagte hierauf bereits 2.700,00 DM bezahlt hat, bleiben noch 7.714,07 DM zu bezahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 546 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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