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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 01.07.2002
Aktenzeichen: 4 W 1675/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO §§ 3 ff.
1) Das Anerkenntnis eines Anspruchs, der erst im Laufe des Prozesses fällig wird, kann nicht mehr als "sofortiges" Anerkenntnis gewertet werden, wenn es der Beklagte in der nächsten mündlichen Verhandlung noch zu einer Erörterung der Sach- und Rechtslage kommen lässt und erst dann, wenn auch noch vor Antragstellung, den Anspruch anerkennt.

2) Der Streitwert einer Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages richtet sich danach, in welcher Höhe (einschließlich Nebenforderungen) der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht.


4 W 1675/02

Nürnberg, den 01.07.2002

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird Nr. II des Anerkenntnisurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. April 2002 dahin geändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

II. Auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwertbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. April 2002 wird dahin geändert, dass der Streitwert für die erste Instanz 1.500 € beträgt.

IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 600 €.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 99 Abs. 2 S. 1 ZPO) und zum Teil auch begründet.

I.

1) Das Anerkenntnis des Beklagten in der Sitzung des Landgerichts vom 15. April 2002 kam zu spät, um noch die Voraussetzungen eines "sofortigen" Anerkenntnisses zu erfüllen.

Zu Recht hat allerdings das Landgericht dargelegt dass und weshalb der Beklagte bei Einreichung der Klage noch nicht verpflichtet war, den hinterlegten Betrag ganz oder teilweise zu Gunsten der Klägerin frei zu geben. Hierzu war er erst dann verpflichtet, als die Klägerin durch Vorlage des Vollstreckungsbescheids vom 26. Oktober 2000 und der aktuellen Forderungsaufstellung ihre Vorrangstellung gegenüber dem Anspruch des Beklagte glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt hatte (Schriftsatz vom 14. März 2002, beim Landgericht eingegangen am 19. März 2002, an den Beklagten hinausgegeben am 20. März 2002).

Hätte nun der Beklagte nach Erhalt und Prüfung dieser Unterlagen das Freigabeverlangen der Klägerin - soweit es berechtigt war (vgl. unten 2) - unverzüglich anerkannt, so wäre sein Anerkenntnis noch als "sofortiges" im Sinne des § 93 ZPO zu werten gewesen. Unerheblich ist hierbei, ob auf ein nur beschränktes Anerkenntnis hin sogleich - also schon vor der erst später erfolgten Beschränkung des Klageantrags - ein "Anerkenntnisurteil" nach § 307 ZPO hätte ergehen können (zum Problem des beschränkten Anerkenntnisses vgl. Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 307 Rn 4 ff.); denn die Kostenfolge des § 93 ZPO ist nicht an ein förmliches Anerkenntnisurteil geknüpft, sondern lediglich an ein sofortiges Anerkenntnis des "Anspruchs", d.h. der berechtigten Klageforderung (Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl., § 93 Rn 3a, 4; Musielak-Wolst, aaO., § 93 Rn 3; vgl. ferner Roidl, NJW 1968, 1865/1866).

Statt auf die Vorlage des Vollstreckungsbescheids und der aktuellen Forderungsaufstellung hin den Freigabeanspruch im nunmehr nachgewiesenen Umfang sofort anzuerkennen, reagierte der Beklagte auf den Schriftsatz der Klägerin vom 19. März 2002 zunächst nicht. Selbst in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2002 erklärte er sein Anerkenntnis nicht schon bei Sitzungsbeginn; vielmehr ließ er es - ausweislich des Protokolls - noch zu einer Erörterung der Sach- und Rechtslage kommen, bevor er den (inzwischen eingeschränkten) Klageantrag vorbehaltlos anerkannte.

Angesichts dieses Geschehensablaufes stellt das Anerkenntnis des Beklagten kein "sofortiges Anerkenntnis" im Sinne des § 93 ZPO dar. Demzufolge bleibt es insoweit beim gesetzlichen Grundsatz, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Unterlegenen - hier also dem Beklagten - zu tragen sind (§ 91 ZPO).

2) Auf der anderen Seite ist auch die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht in vollem Umfang durchgedrungen: War ihr Klageantrag zunächst auf Freigabe "sämtlicher bereits hinterlegter sowie zukünftig noch zu hinterlegender Beträge" gerichtet, so hatte sie ihn später auf Anregung des Landgerichts auf die Höhe ihrer eigenen aktuellen (Rest-)Forderung beschränkt. Für den Beklagten bedeutete diese Beschränkung eine Verbesserung seiner Vollstreckungsaussichten, weil sie ihm die Chance wahrte, nach Tilgung dieser Restforderung möglicherweise mit der Durchsetzung seines eigenen Anspruchs gegen den Schuldner doch noch zum Zuge zu kommen.

Die Beschränkung des ursprünglich weiter gehenden Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) wirkte im Ergebnis wie eine teilweise Klagerücknahme (Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 264, Rn 4a). Insoweit fallen die Kosten des Rechtsstreits kraft Gesetzes der Klägerin zur Last (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). Der allgemein gehaltene Antrag des Beklagten, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (enthalten in der Wendung "unter Verwahrung gegen die Kostenlast"), war zwar nicht als Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO gedacht, kann aber bei interessengerechter Auslegung als solcher gewertet werden.

II.

1) Wägt man das beiderseitige Unterliegen ab (Anerkenntnisurteil einerseits, teilweise Klagerücknahme andererseits), so erscheint eine Kostenaufhebung angemessen (§ 92 Abs. 1 ZPO).

2) Hinsichtlich des Streitwerts ist zwischen beiden Instanzen zu unterscheiden:

a) Für die erste Instanz hat das Landgericht den Streitwert mit der noch offenen Hauptsache-Forderung der Klägerin gleichgesetzt und folgerichtig auf 8.556 € festgesetzt. Diese Festsetzung wurde zwar von den Parteien nicht angegriffen. Gleichwohl war sie im Zuge des Beschwerdeverfahrens vom Senat auch ohne gesonderte Anfechtung zu überprüfen (§ 25 Abs. 2 GKG). Der Senat ist hierbei zum Ergebnis gelangt, dass der Streitwert auf 1.500 € herabzusetzen ist.

Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse der Klägerin (§ 3 ZPO) an der Freigabe des hinterlegten Betrages, allerdings nicht an der Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten. Der Beklagte aber kann und will der Klägerin den hinterlegten Betrag nur in der Höhe streitig machen, in der er selbst als potentieller Anspruchsinhaber in Betracht kommt. Nur diese Forderung des Beklagten und seinen damit verbundenen Widerstand gegen die Auszahlung des Geldes will die Klägerin ausräumen; deshalb ist auch nur dieser Teilbetrag wertbestimmend (OLG Schleswig, JurBüro 1976, 239; Schneider-Herget, Streitwert-Kommentar, 11. Aufl., Rn. 2513; ähnlich auch OLG Frankfurt, Rpfleger 1970, 353 f.).

Im konkreten Fall beziffert der Beklagte seine eigene Forderung gegen den Schuldner - einschließlich Nebenforderungen, die hinzuzurechnen sind (vgl. BGH NJW 1967,930) - derzeit auf 1.279,40 € (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 20 Juni 2002; vgl. auch Forderungsaufstellung vom 17. Mai 2001). Unter Berücksichtigung der Zinsen, die bis zur - zeitlich Ungewissen - Durchsetzung dieser Forderungen noch zusätzlich anfallen können, schätzt der Senat den Streitwert auf 1.500 €.

Der Umstand, dass der Klageantrag ursprünglich weiter ging und erst in der Sitzung vom 15 April 2002 beschränkt wurde, wirkt sich auf die Höhe des Streitwerts nicht aus; denn der vom Beklagten ausgehende Widerstand, den die Klägerin mit ihrer Klage ausräumen wollte, blieb sowohl vor als auch nach der Klagebeschränkung wertmäßig der gleiche.

b) Der Streitwert der zweiten Instanz richtet sich nach den Gesamtkosten des ersten Rechtszugs. Diese schätzt der Senat auf 600 €.

Ende der Entscheidung

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