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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 18.06.2001
Aktenzeichen: 4 W 2053/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91

Entscheidung wurde am 01.10.2001 korrigiert: Stichtworte durch Stichworte ersetzt
Aufwendungen der Partei eines Bauprozesses für die prozessbegleitende Fachbetreuung durch ein Ingenieurbüro sind als allgemeiner Prozessaufwand nur unter engen Voraussetzungen erstattungsfähig. Das gilt auch dann, wenn das Ingenieurbüro für die Partei bereits vorprozessual tätig war und mit dem Sachverhalt daher besonders vertraut ist.
In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Amberg vom 3. April 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 6.377,42 DM

Gründe:

I.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

Der Senat wertet den als "Einspruch" bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten vom 18. April 2001 gegen den am 4. April 2001 zugestellten Beschluss als sofortige Beschwerde. Als solche ist das Rechtsmittel statthaft; einer Abhilfeentscheidung durch den Rechtspfleger des Landgerichts Amberg bedurfte es nicht (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 537 m.w.N.).

II.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Einschaltung des bereits mit der Bauabwicklung befassten Ingenieurbüros R & S mag zwar aus Sicht der Beklagten zur fachtechnischen Prozess-Begleitung sinnvoll und hilfreich gewesen sein; "notwendig" im Sinne des § 91 ZPO war sie jedoch nicht Infolge dessen braucht die Klägerin die von der Beklagten hierfür aufgewendeten Kosten nicht zu erstatten, - gleich, ob das Ingenieurbüro im Innenverhältnis zur Beklagten verpflichtet gewesen wäre, seine verfahrensbegleitenden Leistungen ohne Zusatzvergütung zu erbringen (so die Klägerin), oder nicht (so die Beklagte).

1) Zu Recht stellt das Landgericht im angegriffenen Beschluss zunächst klar, dass der allgemeine Prozessaufwand nicht zu den erstattungsfähigen Kosten eines Rechtsstreits zählt. Vielmehr ist jede - also auch die obsiegende - Partei gehalten, den üblicherweise mit der Vorbereitung und Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens verbundenen Zeitaufwand entschädigungslos auf sich zu nehmen. Dazu gehören beispielsweise das Durcharbeiten des Prozessstoffes, das Verfassen oder Vorbereiten von Schriftsätzen, das Sammeln und Sichten von Tatsachen- und Beweismaterial, die Informationserteilung an den Prozessbevollmächtigten und die Teilnahme an vorbereitenden Besprechungen (vgl. KG Berlin MDR 1985, 414; HansOLG Hamburg MDR 1985, 237; Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn 13 "Allgemeiner Prozeßaufwand"). Allgemeiner Prozessaufwand in diesem Sinne ist nicht nur der persönliche Zeitaufwand der Partei selbst oder ihrer gesetzlichen Vertreter, sondern auch der Zeitaufwand ihrer mit der Angelegenheit befassten Mitarbeiter (BGHZ 75, 230 f.; HansOLG Hamburg, aaO.; Zöller-Herget, aaO. "Bearbeitung").

Zieht es die Partei vor, sich selbst und ihren Mitarbeitern diesen mitunter lästigen und zeitraubenden Aufwand zu ersparen und statt dessen einen Außenstehenden damit zu betrauen, so steht ihr dies selbstverständlich frei. Die zu ihrer eigenen Entlastung aufgewendeten Kosten darf sie dann aber nicht auf den Gegner abwälzen.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ihr die Eigenleistung im konkreten Fall unzumutbar ist, etwa weil der Aufwand das gewöhnliche Maß weit übersteigt oder weil ihr oder ihren Mitarbeitern die zur sachgerechten Prozessführung erforderlichen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen (KG Berlin, aaO.; Zöller-Herget, aaO.; zum Sonderfall "Privatgutachten" später). So liegt der Fall jedoch hier nicht.

Die Beklagte beruft sich zwar darauf, dass die Einschaltung des Ingenieurbüros unumgänglich gewesen sei, um auf das Vorbringen der Klägerin sachkundig erwidern zu können. Dieser Wertung vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Insbesondere ist es auf Grund der Aktenlage nicht nachvollziehbar, dass und weshalb es die Schriftsätze der Klägerin notwendig gemacht haben sollen, "zu jedem ... einzelnen genannten Punkte" (!) eine Stellungnahme des Ingenieurbüros einzuholen (so - jedenfalls bei wörtlicher Lesart - die Beklagte in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 6. Dezember 2000).

Die Probleme, um die es im Rechtsstreit ging, kamen nicht etwa erstmals im Prozess selbst zur Sprache. Vielmehr bestanden schon im Vorfeld Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der Klägerin für die 1996/1997 durchgeführten Bauarbeiten eine Mehrvergütung wegen verlängerter Bauzeit zusteht. In diesem Zusammenhang gab es mehrere Gespräche und Schriftverkehr. Schon damals, lange vor Prozessbeginn, waren Mitarbeiter des bauleitenden Ingenieurbüros R & S in die Verhandlungen intensiv einbezogen, darunter auch mit der Überprüfung der von der Klägerin beanspruchten Kostenmehrungen (vgl. Zeugenaussagen R und P ; Kostenermittlung zur Bauzeitüberschreitung = K 18). Ebenfalls informiert - zumindest über Teilaspekte - war ein eigener Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Beklagten, nämlich der von ihr mehrfach benannte Zeuge K . Ob und in welchem Umfang darüber hinaus auch Herr P vom Tiefbauamt sowie das Rechnungsprüfungsamt mit der Angelegenheit befasst waren, kann dahin stehen.

Die eingehenden und kontroversen Verhandlungen endeten damit, dass die Beklagte nicht bereit war, den Zusatz-Forderungen der Beklagten nachzugeben. Daraufhin erhob die Klägerin Klage.

Spätestens auf Grund der langwierigen vorprozessualen Verhandlungen wusste die Beklagte, worum es ging und worauf es ankam. Auch stand die Beklagte dem Klagevorbringen, soweit es sich auf bautechnische Gesichtspunkte stützte, keineswegs hilflos gegenüber. Schließlich verfugte sie über eigene Baufachleute, die noch dazu in die konkrete Baumaßnahme und die ihr nachfolgenden Rechnungs-Diskussionen eingebunden gewesen waren.

2) Soweit es um Fragen ging, bei denen es auf die Erinnerung und die Wahrnehmungen von Zeugen ankam - etwa über den Inhalt von Gesprächen zwischen Mitarbeitern der Parteien und des bauleitenden Ingenieurbüros -, stand es der Beklagten frei, nach geeigneten Zeugen Ausschau zu halten und sie als Beweismittel zu benennen. Sofern die Zeugen - beispielsweise aus dem Ingenieurbüro R & S - zur zweckmäßigen Vorbereitung ihrer Aussage erst ihre Aufzeichnungen und Unterlagen hätten ansehen müssen, wäre dies ohne weiteres zulässig und sogar ratsam gewesen; notfalls hätte ihnen das Gericht dies sogar auferlegen können (§ 378 ZPO). Die den Zeugen nach dem Gesetz zustehende Entschädigung - deutlich weniger als die vom Ingenieurbüro auf anderer Rechtsgrundlage berechneten Stundensätze - hätte ihnen dann das Gericht ausbezahlt; die hierfür aufgewendeten Kosten hätte es letztlich auf den Unterlegenen abgewälzt (so, wie es später nach Vernehmung der vom Landgericht geladenen Zeugen tatsächlich geschehen ist). Die Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Pflicht zur Zeugenaussage hätten die Zeugen nicht davon abhängig machen dürfen, dass die Beweis führende Partei ihnen ein Honorar zahlt. Andererseits wären die Zeugen aber nicht verpflichtet gewesen und hätte die Beklagte keinen Anspruch darauf gehabt, ihr die - jeder Prozesspartei obliegende (siehe oben 1) - allgemeine Last abzunehmen, auf die Schriftsätze der Gegenseite zu erwidern und ihrem eigenen Prozessbevollmächtigten hierzu die erforderlichen Tatsachen-Grundlagen zu liefern.

3) Soweit die Hinzuziehung des Ingenieurbüros R & S dazu diente, sich speziell der bautechnischen Sachkunde seiner Mitarbeiter zu versichern, wäre es nicht um deren Heranziehung als Zeugen gegangen, sondern letztlich um ihre Stellungnahme als Sachverständige. Die Erstattungsfähigkeit der hierfür angefallenen Kosten richtet sich somit nach den Grundsätzen für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachter-Kosten. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen vorprozessualen Gutachten und Gutachten, die erst während eines anhängigen Prozesses eingeholt werden.

Vorliegend geht es ausschließlich um Kosten, die erst während des laufenden Prozesses angefallen sind. Solche Privatgutachter-Kosten sind nur ausnahmsweise und nur unter engen Voraussetzungen zu erstatten, etwa dann, wenn die Partei ohne fachliche Beratung nicht in der Lage wäre, Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen zu formulieren, ein mit guten Gründen für falsch gehaltenes Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zu widerlegen oder der Anforderung des Gerichts zur fachlichen Substanziierung ihres Sachvortrags nachzukommen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.11.2000, Az. 4 W 3836/00 m.w.N.; 6, Zöller-Herget, aaO. Rn 13 "Privatgutachten" m.w.N.). Von solchen Ausnahmefällen abgesehen ist in einem anhängigen Prozess für die Klärung umstrittener Tatsachen-Fragen grundsätzlich die gerichtliche Beweisaufnahme vorgesehen und in deren Rahmen - falls erforderlich - die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht.

Die von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte reichen nicht aus, um die für das Ingenieurbüro R & S aufgewandten Kosten unter dem Gesichtspunkt "Privatgutachter-Kosten" als erstattungsfähig einzustufen. Zum einen verfügt die Beklagte, wie dargelegt, über eigene Fachleute. Zum anderen war sie bereits durch die vorprozessuale Hinzuziehung des Ingenieurbüros mit dem Sachverhalt und den Problemen genügend vertraut, um den Rechtsstreit sachgerecht führen zu können. Im übrigen ging es auch nicht um technisch außergewöhnlich komplizierte Fragen, mit denen selbst die Fachleute der Beklagten überfordert gewesen wären (wie sich nicht zuletzt daran zeigt, dass das spätere Urteil ohne Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens erging).

4) Zusammenfassend bleibt festzustellen: Die weitere Prozessbegleitung durch das Ingenieurbüro aus Sicht der Klägerin mag prozesstaktisch durchaus zweckmäßig und vorteilhaft gewesen sein. Außerdem dürfte sie bei der Fachdienststellen der Beklagten Kapazitäten frei gehalten haben, die bei eigener Prozessvorbereitung gebunden gewesen wären. Notwendig im Sinne des § 91 ZPO war die Prozessbegleitung durch das Ingenieurbüro aber nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht den von der Beklagten ohne Erfolg angesetzten Gutachterkosten.



Ende der Entscheidung

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