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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 4 W 578/01
Rechtsgebiete: BGB, MaBV


Vorschriften:

BGB § 249
MaBV § 3
MaBV § 12
1. Auch beim Kauf einer Altbauwohnung (hier: Einzelwohnung eines vom Verkäufer erst noch grundlegend zu sanierenden Anwesens) kann es für den beurkundenden Notar geboten sein, die mögliche Notwendigkeit einer Baugenehmigung ins Auge zu fassen und bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.

2. Versäumt es der Notar pflichtwidrig, das Vorliegen einer Baugenehmigung als Fälligkeitsvoraussetzung in den Kaufvertrag aufzunehmen, und leistet der Käufer darauf hin Teilzahlungen, die er andernfalls wegen Fehlens der Baugenehmigung nicht geleistet hätte, dann hat der Notar den Schaden zu ersetzen, den der Käufer dadurch erleidet, daß sich die Vorausleistungen wegen Insolvenz des Verkäufers als nutzlos erweisen.

3. Zur Zurechenbarkeit eines Schadens (Schutzzweck der verletzten Norm; Reserveursache; rechtmäßiges Alternativverhalten)


4 W 578/01

Nürnberg, den 28.3.2001

In Sachen

wegen Schadensersatzes,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. Januar 2001 wie folgt geändert:

1) Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt.

2) Zu seiner Vertretung wird ihm Rechtsanwalt (München) beigeordnet, jedoch mit der Maßgabe, dass durch die Beiordnung dieses auswärtigen Anwalts keine höheren Kosten als durch die Beiordnung eines Nürnberger Anwalts entstehen dürfen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2, § 567 ZPO). Sie ist auch im Wesentlichen begründet; denn die beabsichtigte Klage bietet nach vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche, aber auch ausreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO).

I.

Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe aus zwei Gründen abgelehnt: Zum einen habe der Antragsgegner in Nr. V b des notariellen Vertrages auf die Gefahr vorzeitiger Kaufpreiszahlungen ausdrücklich hingewiesen (1). Zum anderen könne man ihm den konkret eingetretenen Schaden selbst dann nicht zurechnen, wenn es fehlerhaft gewesen sein sollte, dass die Aufnahme einer an § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV angelehnten Vertragsbestimmung in den notariellen Vertrag unterblieben ist (2).

Mit dieser Begründung kann jedoch der beabsichtigten Klage die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

1) Mit einer Belehrung, die sich in den allgemein gehaltenen Hinweisen nach Nr. V b des notariellen Vertrages erschöpft, hätte der Antragsgegner seine Hinweis- und Belehrungspflichten nicht erfüllt.

a) Folgt man der angeführten Klausel, so wies der Notar zwar auf "die Gefahr vorzeitiger Kaufpreiszahlungen und vorzeitiger Verwendungen" hin. Wann eine Kaufpreiszahlung oder Verwendung vorzeitig ist, geht aber aus dem Hinweis in Nr. V b nicht hervor, jedenfalls nicht unmittelbar und insbesondere ohne einen Zusammenhang mit der umstrittenen Frage der Baugenehmigung.

Die Gesamtschau ergibt jedoch, dass eine Kaufpreiszahlung gemeint ist, die vor Eintritt der im notariellen Vertrag bestimmten Fälligkeitsvoraussetzungen erfolgt, vor allem also

- vor Eintragung der Auflassungs-Vormerkung,

- vor Sicherstellung der Lastenfreistellung,

- vor Genehmigung der Sanierungsstelle und

- vor der Bestätigung des Notars über das Vorliegen dieser Voraussetzungen (vgl. Vertrag Nr. VIII, Seite 13 oben), ferner

- vor Erreichen der vertraglich festgelegten Fälligkeitszeitpunkte für die einzelnen Kaufpreisraten (Nr. VIII, Seite 13 unten).

All diese Voraussetzungen hat der Antragsteller beachtet.

b) Um die im Vertrag ausdrücklich genannten, vom Antragssteller beachteten Fälligkeitsvoraussetzungen geht es hier jedoch gerade nicht. Vielmehr wirft der Antragsteller dem Antragsgegner vor, eine zusätzliche Fälligkeitsvoraussetzung nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen zu haben, nämlich das Vorliegen einer Baugenehmigung. Deren Einbeziehung als weitere Fälligkeitsvoraussetzung hält der Antragsteller schon wegen der risikobehafteten Vertragsgestaltung für geboten, darüber hinaus aber auch nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV in Verbindung mit § 12 MaBV. Zumindest aber - so der Antragsteller - hätte ihn der Antragsgegner über die mögliche Notwendigkeit einer Baugenehmigung aufklären und ihn entsprechend belehren müssen.

Die Feststellung des Antragstellers, wonach die notarielle Urkunde keinerlei Hinweis auf das mögliche Erfordernis einer Baugenehmigung enthält, trifft zu. Dies stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede. Der Antragsgegner nimmt nicht einmal für sich in Anspruch, das Problem der Baugenehmigung bei den Beurkundungs-Verhandlungen mündlich angesprochen, geschweige denn, es vertieft oder den Antragsteller über drohende Gefahren belehrt zu haben.

Vielmehr meint der Antragsgegner - heute wie damals -, dass eine Baugenehmigung überhaupt nicht erforderlich sei, und wenn doch, dann habe er dies nicht erkennen können. Zum einen bedürfe die Renovierung einer Einzelwohnung, wie sie der Antragsteller erworben habe, von vornherein keiner Baugenehmigung. Von Plänen des Bauträgers, das Dachgeschoß wesentlich auszubauen (mit der möglichen Folge einer Genehmigungsbedürftigkeit des Gesamt-Sanierungsvorhabens), habe er nichts gewusst. Zum anderen habe er auf Grund des Umstandes, dass bereits Sondereigentum gebildet war und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vorlag, davon ausgehen dürfen, dass eine Baugenehmigung - wenn sie denn erforderlich gewesen wäre - bereits erteilt sei. Bestätigt werde seine damalige Annahme, dass eine Baugenehmigung entweder nicht erforderlich sei oder bereits vorliege, zusätzlich dadurch, dass in der Folgezeit die Sanierungsstelle das Sanierungs-Vorhaben genehmigt habe. Abgesehen davon sei es ohnehin nicht Aufgabe eines Notars zu prüfen, ob eine Baugenehmigung erforderlich ist.

Von diesem Standpunkt aus ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Antragsteller keinen Anlass sah, den aus seiner Sicht fern liegenden Gesichtspunkt der Baugenehmigung anzusprechen, hierüber zu belehren und ihn gar in den notariellen Vertrag aufzunehmen.

c) Der Ansatz des Antragsgegners, der ihn aus seiner Sicht davon entband, dem Gesichtspunkt der Baugenehmigung besonderes Augenmerk zu schenken, geht jedoch von Voraussetzungen aus, die - jedenfalls nach gegenwärtigem Sachstand - nicht zutreffen.

aa) So scheint für die Umbaumaßnahmen entgegen der Annahme des Antragsgegners sehr wohl eine Baugenehmigung erforderlich gewesen zu sein. Darauf lässt die Auskunft der Stadt G vom 3. März 1999 schließen (Anlage K 3). Laut Auskunft der Stadt G rührt die Genehmigungsbedürftigkeit daher, dass im Zuge der beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen u.a. der Ausbau des Dachgeschoßes, wesentliche Änderungen an Dach und Fassade sowie Änderungen von Wohnungsgrundrissen geplant waren. Der Bauträger habe zwar eine Baugenehmigung beantragt; hierüber sei aber noch nicht entschieden.

Ob die Auskunft der Stadt G im Ergebnis richtig und eine Baugenehmigung tatsächlich notwendig ist, müsste gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Für die Erfolgsaussicht der Klage im Sinne des § 114 ZPO reicht es insoweit aus, dass die Genehmigungsbedürftigkeit hinreichend wahrscheinlich ist. Auf Grund der Auskunft vom 3. März 1999 ist dies der Fall.

bb) Der Einwand des Antragsgegners, er habe eine eventuelle Genehmigungsbedürftigkeit nicht erkennen können, sondern habe vielmehr von der Genehmigungsfreiheit oder zumindest vom Vorliegen einer Baugenehmigung ausgehen dürfen, greift nach vorläufiger Bewertung des bislang bekannten Sachverhalts nicht durch. Zumindest sind die vom Antragsgegner vorgebrachten Gesichtspunkte nicht so stichhaltig und durchschlagend, dass sie der beabsichtigten Klage von vornherein den Boden entziehen und ihr jegliche Erfolgsaussicht nehmen würden.

Es mag sein, dass die Sanierungsmaßnahmen keiner Baugenehmigung bedurft hätten, wenn sie sich auf die vom Antragssteller erworbene Wohnung beschränkt und mit keinen wesentlichen Veränderungen am Gesamtbauwerk verbunden gewesen wären. Davon konnte der Antragsgegner aber bei Beurkundung des Vertrages und der sie vorbereitenden Beratung nicht ausgehen. Vielmehr musste sich ihm aus einer Reihe von Umständen aufdrängen, dass sich die geplante Sanierung möglicherweise nicht in eher unbedeutenden, auf die Einzelwohnung beschränkten Renovierungsmaßnahmen erschöpfen sollte, sondern wesentliche Umgestaltungen des Gesamtgebäudes einschließen könnte.

Dass es hierbei nicht nur um unwesentliche Sanierungsmaßnahmen gehen konnte, wird vor allem in Nr. I 3 des Vertrages deutlich. Dort heißt es: "Der Veräußerer wird das auf dem Grundbesitz befindliche Anwesen (!) umfassend (!) entsprechend der der heutigen Urkunde als Anlage beigefügten Baubeschreibung sanieren und renovieren und die vertragsgegenständliche Sondereigentumseinheit entsprechend dem der heutigen Urkunde beigefügten Grundrissplan herstellen" (im Original ohne Hervorhebungen). Mit anderen Worten: Nicht etwa nur die Einzelwohnung des Antragstellers sollte erneuert werden, sondern das gesamte Anwesen, und zwar umfassend.

Zu den Umbauarbeiten gehörten laut der beigefügten Baubeschreibung auch umfangreiche Arbeiten am Dach (vgl. Abschnitt "Dachdecker- / Dachklempnerarbeiten") sowie der Ausbau des Dachgeschoßes, verbunden mit dem Einbau von Dachflächenfenstern (vgl. Abschnitt "Dachgeschossausbau"), - Baumaßnahmen also, die laut Auskunft der Stadt G vom 3. März 1999 zum Erfordernis einer Baugenehmigung mit beigetragen haben.

Wie tiefgreifend die geplanten Sanierungsmaßnahmen waren (jedenfalls nach den vertraglich festgehaltenen und vom Antragsgegner beurkundeten Erklärungen der Vertragspartner), geht auch aus der Zusammensetzung des Kaufpreises hervor: Von der Gesamtsumme 130.550 DM entfielen demnach nur 1.865,-- DM auf den Grundstücksanteil, weitere 9.511,50 DM auf die vorhandene anteilige Altbausubstanz, jedoch 119.173,50 DM (d.h. mehr als 90 %) auf die vom Verkäufer erst noch zu erbringenden Renovierungs- und Sanierungsleistungen (Vertrag Nr. VIII). Bei einem solchen Sanierungsaufwand für eine einzige Wohnung musste der beurkundende Notar die Möglichkeit ins Auge fassen, dass - neben der Genehmigung durch die Sanierungsstelle (vgl. Sanierungsvermerk in Abteilung II des Grundbuchs) - zusätzlich auch noch die baurechtliche Genehmigung der Baugenehmigungsbehörde erforderlich sein könnte, und sei es nur wegen genehmigungspflichtiger Änderungen am Gesamtgebäude. Wesentliche Umbauten am Gesamtgebäude einschließlich des Gemeinschaftseigentums standen jedoch nicht nur wegen der vertraglich vereinbarten und daher schon bei der Beurkundung vorhersehbaren Sanierungsmaßnahmen im Raum. Zu solchen einschneidenden Änderungen konnte es darüber hinaus auch dann kommen, wenn der Bauträger von seinen weit reichenden Umgestaltungs-Befugnissen Gebrauch machte, die ihm Nr. XII 1 des notariellen Vertrages ausdrücklich vorbehielt.

cc) Vor diesem Hintergrund durfte der beurkundende Notar die Frage der Baugenehmigung keineswegs als völlig unerheblich oder unproblematisch ansehen. Vielmehr war er zum Schütze des Käufers gehalten, entweder die Genehmigungsbedürftigkeit (hilfsweise die Genehmigungsfreiheit) zu klären oder den Käufer wenigstens auf das Problem der Baugenehmigung nachdrücklich aufmerksam zu machen und ihm die Gefahren einer ungesicherten Zahlung vor Gewährleistung der Genehmigung (oder der Genehmigungsfreiheit) vor Augen zu führen.

d) Eine solche Belehrung war vorliegend insbesondere deshalb erforderlich, weil sich der Käufer im notariellen Vertrag zu ganz erheblichen, in dieser Höhe und im Hinblick auf die Gesamtumstände eher ungewöhnlichen Vorleistungen verpflichtet hatte.

Nach Nr. VIII des Vertrages (Seite 13) waren nicht weniger als 58 % des Kaufpreises schon dann fällig, wenn der Notar die Eintragung der Auflassungsvormerkung, die Lastenfreistellung sowie die Genehmigung der Sanierungsstelle bestätigt hatte, also noch bevor der Bauträger oder seine Beauftragten auch nur einen einzigen Handgriff zur Sanierung vollbracht hatten. Die Höhe der ersten Rate mag zwar auf den ersten Blick an den Ratenplan nach § 3 Abs. 2 MaBV angelehnt sein (Summe aus 30 % des Kaufpreises und 40 % des Restpreises = 58 % des Gesamtpreises). Setzt man sie jedoch ins Verhältnis zum Anteil des Sanierungsaufwands am Gesamtkaufpreis, so sticht der faktische Vorleistungs-Charakter der ersten Rate ins Auge. Die Überlegung des Antragsstellers, dass dieses mögliche Auseinanderklaffen von Vorleistung und Gegenleistung schon für sich allein genommen einen Hinweis nahgelegt hätte, wonach sich bei einer solche Anzahlung eine zusätzliche Sicherung empfiehlt (vgl. BGH NJW 1978, 219), ist daher nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Dieses Problem braucht aber gegenwärtig nicht weiter vertieft zu werden, da es für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe letztlich nicht darauf ankommt. Jedenfalls gab die besondere Gefahrenlage zusätzlichen Anlass, wenigstens die Frage der Baugenehmigung im Blick zu behalten.

e) Die Pflicht des beurkundenden Notars, die Frage der Baugenehmigung von sich aus anzusprechen und mit den Beteiligten zu erörtern, folgt nach allem schon aus seiner allgemeinen notariellen Aufklärungs- und Belehrungspflicht, auch und gerade bei der vorliegenden Vertragsgestaltung.

f) Unterstrichen wird sie im konkreten Fall zusätzlich durch § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV. Nach dieser Vorschrift darf ein Bauträger Vermögenswerte des Erwerbers erst dann entgegennehmen, wenn die erforderliche Baugenehmigung erteilt ist oder wenn die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV statt dessen vorgesehenen Erklärungen der Genehmigungsbehörde oder des Bauträgers vorliegen. Dieses Verbot darf der Bauträger nicht durch besondere vertragliche Regelungen unterlaufen (§ 12 MaBV).

aa) Auch wenn sich diese Bestimmungen der Makler- und Bauträgerverordnung unmittelbar nur gegen den Bauträger richten, so enthalten sie doch zugleich ein Leitbild, an dem sich auch die notarielle Beratungs- und Belehrungspflicht zu orientieren hat. So dürfte ein Notar keine Beurkundungen vornehmen und keinen Rechtsgeschäften Vorschub leisten, von denen er (wofür es freilich im konkreten Fall keinerlei stichhaltigen Anhaltspunkte gibt) genau weiß, dass sie rechtswidrig sind und einen Vertragspartner, ohne dass sich dieser der Gefahr bewusst ist, folgenschweren Risiken aussetzen.

bb) Aus den bereits dargelegten Gründen lag die Notwendigkeit einer Baugenehmigung keineswegs fern. Selbst wenn sie der Antragsgegner persönlich nicht für notwendig erachtete oder wenn er sie für bereits erteilt hielt, so hätte sich doch nach dem Schutzzweck des § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV angeboten, wenigstens die für diesen Fall vorgesehenen Erklärungen in den Vertrag aufzunehmen. Zumindest hätte der Notar den schutzbedürftigen Käufer auf die mögliche Notwendigkeit entweder der Baugenehmigung oder der statt dessen erforderlichen Erklärungen hinweisen müssen. Dies ist anscheinend nicht geschehen, - aus Sicht des Notars wiederum nachvollziehbar, da sich ihm das Problem der Baugenehmigung nicht zu stellen schien.

cc) Die Gründe, weshalb der Antragsgegner die Frage der Baugenehmigung für nicht vertiefungswürdig hielt, erscheinen dem Senat jedoch nicht zwingend.

So bietet der Umstand, dass eine Wohnung laut behördlicher Bescheinigung abgeschlossen und dass sie sondereigentumsfähig ist, noch keine Gewähr, dass keine (weiteren) Umbaumaßnahmen geplant sind, die einer Baugenehmigung bedürfen. Immerhin stammte die Abgeschlossenheitsbescheinigung, auf die sich der Antragsgegner beruft, vom 17. November 1994, lag zum Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrages somit schon über drei Jahre zurück.

Der Hinweis des Antragsgegners auf Nr. 8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Erstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG führt schon deswegen nicht weiter, weil sich diese Vorschrift nur auf "zu errichtende Gebäude" bezieht, nicht aber - wie hier - auf Altbauten.

g) Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass der Antragsgegner die Frage der Baugenehmigung bei der Beurkundung nicht dahinstehen lassen durfte. Vielmehr hätte er nach einer sachgerechten, den berechtigten Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Lösung suchen müssen. Vorzugsweise hätte er die Baugenehmigungsfrage nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV in den notariellen Vertrag mit aufnehmen sollen. Zumindest aber hätte der Notar den schutzbedürftigen Käufer auf das Problem der möglicherweise noch ausstehenden Baugenehmigung hinweisen müssen.

Indem der Antragsgegner weder das Eine noch das Andere tat, verletzte er nach gegenwärtigem Stand der Dinge - mit der für § 114 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit und vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung - seine ihm als Notar obliegende Amtspflicht.

2) Die Vernachlässigung des Baugenehmigungs-Problems war für den geltend gemachten Schaden des Antragstellers (mit)ursächlich.

a) Hätte der Notar die Baugenehmigung (hilfsweise die Klärung, dass eine Baugenehmigung entbehrlich ist) als zusätzliche Fälligkeitsvoraussetzung in den Vertrag aufgenommen oder wenigstens bei den Vertragsverhandlungen herausgestellt und hätte er hierdurch beim Käufer das nötige "Problem-Bewusstsein" geschaffen, so hätte dieser nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die verhältnismäßig hohe - noch dazu weitgehend ungesicherte - erste Kaufpreisrate nicht geleistet, ohne auf dem vorherigen Nachweis der Baugenehmigung oder ihrer Entbehrlichkeit zu bestehen.

Die laut Auskunft der Stadt G erforderliche und vom Verkäufer auch beantragte Baugenehmigung ist - soweit bekannt - bis heute noch nicht erteilt. Jedenfalls war sie noch nicht erteilt, als der Antragsteller im Glauben an ihre Fälligkeit die erste Kaufpreisrate bezahlte. Mangels Fälligkeitsvoraussetzung "Baugenehmigung" (oder Nachweis ihrer Entbehrlichkeit) hätte der Käufer infolge dessen die erste Kaufpreisrate nicht geleistet, zumindest nicht ohne zusätzliche Sicherheit. Zu einer risikobehafteten Vorleistung, noch dazu ohne rechtliche Verpflichtung, hätte er um so weniger Anlass gehabt, nachdem im Lauf des Jahres 1998 das Bauträger-Unternehmen in die Krise geriet und Anfang 1999 wegen Zahlungsunfähigkeit ein allgemeines Verfügungsverbot hinnehmen musste, bevor schließlich im Mai 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

b) Den Standpunkt des Antragsgegners und - ihm folgend - des Landgerichts, wonach gleichwohl der Schaden vom "Schutzzweck der verletzten Norm" nicht erfasst sei, teilt der Senat nicht.

aa) Antragsteller und Landgericht schreiben den Verlust der ersten Kaufpreisrate nicht einer eventuellen Pflichtverletzung des Notars im Zusammenhang mit der Baugenehmigungs-Problematik zu, sondern ausschließlich dem Umstand, dass der Bauträger insolvent geworden ist.

Hierbei handele es sich um ein völlig anderes Risiko als dasjenige, vor dem eine sorgfältige Klärung der Baugenehmigungs-Frage hätte schützen sollen. Letztere solle den Käufer davor bewahren, Vorleistungen zu erbringen, die sich hinterher mangels Baugenehmigung als nutzlos erweisen. In Wirklichkeit sei der Vermögensverlust des Käufers jedoch deswegen eingetreten, weil sein Vertragspartner wegen Zahlungsunfähigkeit das Bauvorhaben nicht habe zu Ende fuhren können. Hierzu aber wäre es auch dann gekommen, wenn die Baugenehmigung - ihre Erforderlichkeit unterstellt - erteilt gewesen wäre.

bb) Mit diesen Überlegungen beschreiben Antragssteller und Landgericht keinen wirklichen Geschehensablauf, sondern einen hypothetischen Verlauf. Im Ergebnis soll sich der Antragsgegner auf eine "Reserveursache" berufen können, also darauf, dass der durch eine eventuelle Amtspflichtverletzung des Notars verursachte Schaden auf Grund eines anderen Ereignisses - hier der Zahlungsunfähigkeit des Bauträgers - ohnehin eingetreten wäre.

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche hypothetische Schadensursache zu berücksichtigen ist, ist in Rechtsprechung und Lehre noch nicht völlig geklärt (vgl. BGH MDR 2000, 1035; NJW 1986, 1329; Überblick über den Streitstand bei Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rn 96 ff. vor § 249 m.w.N.). Nach zutreffender Ansicht lässt sich dies auch nicht pauschal beantworten, sondern ist - wie vom Landgericht im Ansatz richtig gesehen - davon abhängig, welchen Schutzzweck die Pflicht hatte, deren Verletzung dem potenziellen Schadensverursacher vorgeworfen wird, und inwieweit der eingetretene Schaden ihm zugerechnet werden kann.

In Rechtsprechung und Lehre haben sich in diesem Zusammenhang einige Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine Reserveursache berücksichtigt werden kann, etwa in "Anlagefällen" (bei der verletzten Person oder beschädigten Sache bestand zum Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Schadensanlage, die auch ohne das schädigende Ereignis zum gleichen Schaden geführt hätte, Palandt-Heinrichs, aaO. Rn 99) oder bei Schädigungen mit Dauer- und Folgeschäden (hier ist unter Umständen auch ein erst nachträglich eingetretenes Ereignis zu berücksichtigen, aaO. Rn 103). In diesen Sonderfällen wäre es in der Tat unbillig, den Schädiger mit Folgen zu belasten, die ohnehin eingetreten wären

cc) Um eine solche besondere Fallgestaltung handelt es sich hier jedoch gerade nicht. Vielmehr wäre dann, wenn der Notar den Käufer ordnungsgemäß betreut und belehrt hätte, der dem Käufer widerfahrene Schaden vollends ausgeblieben.

Zwar mag das Erfordernis, die Fälligkeit der ersten Kaufpreisrate vom Nachweis einer Baugenehmigung (oder ihrer Entbehrlichkeit) abhängig zu machen, dem Käufer keine vollständige Sicherheit bieten, dass er für die eigene Leistung am Ende eine gleichwertige Gegenleistung erhält. So unvollkommen aber die Fälligkeitsvoraussetzung "Baugenehmigung" im allgemeinen als Sicherungsmittel sein mag, - im vorliegenden Falle wäre der Käufer gerade durch diese zusätzliche Fälligkeitsvoraussetzung vor einem vermeidbaren Schaden bewahrt geblieben. Ohne Nachweis einer Baugenehmigung (oder einer statt dessen ausgestellten Ersatzbestätigung) - sei es durch den Notar, sei es durch den Bauträger - hätte nämlich der Käufer die erste Kaufpreisrate von 75.719 DM überhaupt nicht bezahlt, weder damals noch später.

Solange aber der Käufer nicht zahlte und mangels Fälligkeit auch nicht zahlen musste, konnte er den Dingen ihren Lauf lassen und die weitere Entwicklung, die schließlich zur Insolvenz des Bauträgers führte, ohne Sorge um bereits investiertes Vermögen verfolgen.

Somit unterscheidet sich die konkrete Fallgestaltung von den Fallgruppen, in denen nach der Rechtsprechung eine Reserveursache zu Gunsten des potenziellen Schädigers zu berücksichtigen wäre, in einem entscheidenden Punkt: Dort wäre der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung eingetreten, vorliegend wäre er ohne die eventuelle Pflichtverletzung des Notars nicht eingetreten.

c) Aus dem gleichen Grund kann dem Antragsgegner nicht zugute gehalten werden, dass der Schaden auch bei einem "rechtmäßigen Alternativverhalten" des Notars eingetreten wäre (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO. Rn 105 ff. m.w.N.).

Hätte der Notar die Baugenehmigungs-Frage in der gebotenen Weise behandelt, wäre sich der Käufer des Problems bewusst gewesen und hätte seine Zahlung vom Nachweis der Baugenehmigung (bzw. ihrer Entbehrlichkeit) abhängig gemacht. Da der Bauträger einen solchen Nachweis nicht zu erbringen vermochte, hätte der Käufer die hohe erste Rate zurückgehalten oder sie von einer zusätzlichen Sicherheit abhängig gemacht. In beiden Fällen wäre es nicht zu dem Verlust gekommen, den der Antragsteller jetzt zu beklagen hat.

c) Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine eventuelle Pflichtverletzung des Beklagten, wie sie nach gegenwärtigem Sachstand möglich erscheint, für den behaupteten Schaden nicht nur ursächlich geworden wäre, sondern dass dieser Schaden dem Antragsgegner auch zuzurechnen wäre.

3) Die Angaben des Antragstellers zur Schadenshöhe erscheinen plausibel.

Sein Entschluss, im Hinblick auf die Insolvenz des Bauträgers vom Grundstücksgeschäft ganz Abstand zu nehmen, ist nachvollziehbar, insbesondere angesichts des Auseinanderklaffen des Wertes der ersten Kaufpreisrate und der dafür erhaltenen Gegenleistungen, aber auch im Hinblick auf die Ungewissheit, wie es mit dem gesamten Sanierungsvorhaben weiter gehen wird.

Aus dem Insolvenzverfahren gegen den Bauträger kann der Antragsteller nach eigenen Angaben keinerlei Ausgleich seines Schadens erwarten.

4) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit des Antragstellers (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) ist nicht ersichtlich.

II.

1) Die - mit dem beigeordneten Rechtsanwalt abgesprochene - Beschränkung seiner Vergütung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 2 Satz ZPO (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 127 Rn 12).

2) Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (Zöller-Philippi, aaO., § 127 Rn 46; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 127 Rn 9). Gerichtsgebühren fallen für die im wesentlichen erfolgreiche Beschwerde nicht an (Nr. 1952 KV). Sonstige Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).

3) Auch für eine Wertfestsetzung gemäß § 25 GKG besteht kein Anlass, da im Beschwerdeverfahren keine Gerichtsgebühren anfallen (s.o.).

Ende der Entscheidung

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