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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 5 W 72/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 726 Abs. 1
Der Nachweis des Bedingungseintritts durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden ist nur dann entbehrlich, wenn der Schuldner die entsprechende Behauptung des Gläubigers mit dem erkennbaren Willen zugesteht, den Eintritt der Bedingung zu akzeptieren und gegen sich gelten zu lassen.
5 W 72/06

Nürnberg, den 13.02.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 5. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2005 abgeändert.

Die vom Landgericht Regensburg am 12. Oktober 2005 gegen die Beschwerdeführerin erteilte vollstreckbare Ausfertigung zu dem am 12. Juni 2003 vor dem Landgericht Regensburg geschlossenen Vergleich (Az.: 1 O 998/03) und die Zwangsvollstreckung aus ihr sind unzulässig.

Der Antrag der Gläubigerin auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung dieses Vergleichs wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin, vormalige Verfügungsklägerin und (unter-) Mieterin, betreibt gegen die Schuldnerin, vormalige Verfügungsbeklagte und Vermieterin, die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich, durch den ein Rechtsstreit um die ordnungsgemäße Abwicklung eines beendeten Mietverhältnisses beigelegt worden war. Die am 12. Juni 2003 zustande gekommene Vereinbarung lautete, soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse, wie folgt:

"1. Die Verfügungsbeklagte verpflichtet sich, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht an die Verfügungsklägerin einen Betrag von EDR 20.000,00 zu zahlen und zwar bis spätestens 01.07.2003.

...

3. Die Verfügungsklägerin verpflichtet sich, dem Verfügungsbeklagten für den Zeitraum 16.06.2003 bis 30.06.2003 eine installationsfähige Software CD "P" zur Installation zur Verfügung zu stellen. Nach erfolgter Installation ist diese durch den Verfügungsbeklagten zurückzugeben.

...

5. Die unter Ziffer 1. festgelegte Zahlung wird nur fällig, soweit von der Verfügungsklägerin die Ziffern 2. und 3. des Vergleichs fristgerecht erbracht wurden.

..."

Mit Schriftsatz vom 21. September 2005 beantragte die Gläubigerin die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs gemäß § 726 ZPO. Als Nachweis des Bedingungseintritts legte sie eine vom Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin unterzeichnete Bestätigung vom 17.06.2003, dass u. a. "eine CD" übergeben worden sei, sowie einen Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin vom 30. Juni 2003 vor, in dem diese der damaligen Bevollmächtigten der Gläubigerin mitteilten, dass diese zwischenzeitlich zwar eine CD mit dem Programm "P" übergeben habe, es sich dabei aber um die veraltete Version V handele, die noch mit DM-Beträgen arbeite. Es sei bekannt, dass Frau K (die Gläubigerin) eine Version 9, die mit Euro-Beträgen arbeite, im Betrieb verwendet habe. Mit dieser Begründung forderten die Schuldnervertreter die Gläubigerin auf, die für den Betrieb angeschaffte Software nunmehr umgehend zur Verfügung zu stellen und wiesen darauf hin, dass der Vergleichsbetrag erst fällig werde, wenn eine aktuelle installationsfähige Software zur Verfügung gestellt worden sei. In einem weiteren, ebenfalls vorgelegten Schriftsatz vom 11. Oktober 2005 rügten die Bevollmächtigten der Schuldnerin zudem, die übergebene CD sei auch aus urheberrechtlichen Gründen nicht nutzbar, es fehle an der erforderlichen Lizenz.

Darauf erteilte die zuständige Rechtspflegerin des Landgerichts Regensburg am 12. Oktober 2005 die beantragte vollstreckbare Ausfertigung.

Die Schuldnerin legte hiergegen, am 10. November 2005 Erinnerung ein. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die bereits mit den Schriftsätzen vom 30. Juni 2003 und 11. Oktober 2005 vorgetragenen Argumente.

Die Gläubigerin machte demgegenüber geltend, im Vergleich sei nur von einer installationsfähigen CD die Rede, eine solche habe sie unstreitig übergeben. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 lehnte der Rechtspfleger es ab, der Erinnerung abzuhelfen; mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 wies das Erstgericht die Erinnerung mit der Begründung zurück, die Schuldnerin habe den Eintritt der Bedingung im Sinne des § 726 ZPO zugestanden.

Gegen diesen ihr am 21. Dezember 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23. Dezember 2005 eingegangene Beschwerde der Schuldnerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO). Sie ist fristgerecht eingelegt und die Schuldnerin macht mit ihrem Rechtsmittel auch formelle Einwendungen gegen die Klauselerteilung geltend; ausschließlich solche können Gegenstand eines Verfahrens nach § 732 ZPO und des anschließenden1 Beschwerdeverfahrens sein (BGH Rpfleger 2006, 27 f.).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Prozessvergleichs vom 12. Juni 2003 nicht in der erforderlichen Art und Weise nachgewiesen sind.

Das Gesetz selbst schreibt in § 726 Abs. 1 ZPO vor, dass der Nachweis des Bedingungseintritts nur durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden kann. Solche Urkunden liegen im Streitfall nicht vor.

In der Rechtsprechung ist jedoch weithin anerkannt, dass der Nachweis des Bedingungseintritts entbehrlich ist, wenn der Schuldner diesen zugesteht (§ 288 ZPO). Hierzu muss er jedoch eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringen, den behaupteten Bedingungseintritt zu akzeptieren (BGH DNotZ 2005, 917).

Aus der grundsätzlichen Bindung an Geständnisse und der Ausgestaltung der Widerrufsgründe in § 290 ZPO wird mit Recht gefolgert, dass in ihnen auch ein Willensmoment liegt, eine Tatsache ungeprüft gegen sich gelten lassen zu wollen (Münzberg NJW 1992, 201/202 m. w. N.).

a) Die von der Gläubigerin vorgelegten Schriftsätze der Schuldnerin enthalten kein Geständnis in diesem Sinn. Die Schuldnerin forderte die Gläubigerin darin im Gegenteil dazu auf, ihre im Vergleich übernommenen Vorleistungspflichten zu erfüllen und machte deutlich, dass ihrer Ansicht nach der streitgegenständliche Betrag gerade nicht fällig war.

Es ist nicht möglich, den Teil des Schriftsatzes vom 30. Juni 2003 isoliert zu betrachten, in dem die Schuldnerin mitteilt, eine CD mit einem Programm "P" erhalten zu haben. Denn bei der im Rahmen des Klauselerteilungsverfahren (BGH vom 09. Juli 1997 - XII ZR 244/96) und sogar noch im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Auslegung (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Vorbem. § 704 Rdnr. 22) ist der wirkliche. Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Danach ergibt sich aber, dass die Schuldnerin gerade nicht zugestehen wollte, die richtige CD erhalten zu haben.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung, obwohl die geschuldete CD im Vergleichstext nur als "installationsfähige Software CD P" beschrieben ist. Nach diesem Grundsatz ist die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans durch den Titelinhalt begrenzt (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Auflage, § 756 Rdnr. 4 m. w. N.).

Es ist schon zweifelhaft, ob dieser Grundsatz ohne weiteres auf das Verfahren zur Erteilung einer "titelergänzenden" Klausel nach § 726 ZPO angewandt werden kann, das manche sogar als Instrument zur Korrektur von Ungenauigkeiten, Fehlern oder Lücken des Titels ansehen (MK-ZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 6). Der Grundsatz hilft hier schon deshalb nicht weiter, weil es um die Identität der geschuldeten CD geht. Selbst im Rahmen des § 756 ZPO kann ein Schuldner aber dem Gerichtsvollzieher entgegen halten, die ihm angebotene Sache entspreche zwar der im Titel genannten, ihre Mängel hätten jedoch zu einer Identitätsänderung geführt (BGH MDR 2005, 1311).

Umso mehr muss die Behauptung der Schuldnerin, die gelieferte CD sei nur scheinbar mit der geschuldeten identisch, dazu führen, dass die Gläubigerin die Voraussetzungen für die Klauselerteilung in der von § 726 ZPO vorgesehenen Form nachzuweisen hat. Die mit Schriftsatz vom 09.02.2006 vorgelegten weiteren Schriftstücke können nicht berücksichtigt werden, da sie nicht in der nötigen Form vorliegen.

3. Es ist nunmehr Sache der Gläubiger in zu prüfen, ob sie versuchen soll, die begehrte Vollstreckungsklausel in einem Verfahren nach § 731 ZPO zu erhalten, ob sie auf Feststellung eines ihr günstigeren Titelinhalts klagt oder ob sie, gestützt auf die auch materiell-rechtliche Natur des Prozessvergleichs, Leistungsklage erhebt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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