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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.10.2008
Aktenzeichen: 8 W 1997/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
Die Frage des Vorsitzenden Richters am Beginn der mündlichen Verhandlung an den Prozessbevollmächtigten einer Partei, der selbst pensionierter Richter ist, ob er keine Skrupel habe, vor ehemaligen Kollegen als Rechtsanwalt aufzutreten, verbunden mit der Anmerkung, er selbst halte dies für instinktlos, rechtfertigt aus der allein maßgeblichen Sicht der Partei bei verständiger Würdigung nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 8 W 1997/08

Nürnberg, 20.10.2008

In Sachen

wegen Forderung

hier: sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches gegen VRiLG ...

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -8. Zvilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt, den Richter am Oberlandesgericht Rebhan und den Richter am Oberlandesgericht Heckel am 15.10.2008 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.9.2008, AZ: 6 O 10904/07, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 8.500,- EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen sind die Erbinnen des verstorbenen Herrn S A Sie nehmen die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 8500,- EUR Kostenvorschuss bzw. Schadensersatz wegen mangelhafter Montage von Fenstern und Türen in dem Bauvorhaben A S S in R insbesondere dem Fehlen einer raumseitigen Abdichtung der Anschlussbereiche, in Anspruch.

In einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hersbruck (AZ: ...), hatte die jetzige Beklagte zu 1) Herrn S A auf Zahlung von Werklohn für die Fenster- und Türarbeiten in dem genannten Bauvorhaben in Anspruch genommen. Dieser hatte Widerklage erhoben. Am 5.9.2006 und 7.11.2006 hatten Termine zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in welchen die Zeugen R P (Bi. 121 d.Beiakten) und E S (Bl. 128 d.Beiakten) vernommen wurden. Dabei äußerten die Zeugen sich u.a. auch zu Fragen im Zusammenhang mit der sogenannten RAL-Montage beim Einbau der Fenster.

Der Vorprozess wurde am 15.2.2007 durch einen Vergleich erledigt (Bl. 148 d. Beiakten).

Im vorliegenden Rechtsstreit berufen sich die Beklagten darauf, dass mit dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen eine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich des Unterbleibens einer inneren Abdichtung getroffen worden sei (so die Beklagte zu 1) bzw. dass die innere Abdichtung durch den Rechtsvorgänger der Klägerinnen selbst durchgeführt werden sollte (so der Beklagte zu 2).

Mit Verfügung vom 25.4.2008 regte der Vorsitzende Richter am Landgericht gegenüber dem Klägervertreter eine Klagerücknahme an. Er begründete dies damit, dass im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugen P und S in dem Vorprozess erhebliche Bedenken gegen die Erfolgsaussicht der Klage bestünden (Bl. 47 d.A.).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.9.2008 führte VRiLG ... den Vorsitz. Zu Beginn der Verhandlung fragte er den Klägervertreter, Rechtsanwalt ... einen pensionierten Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Nürnberg, ob er keine Skrupel habe, vor ehemaligen Kollegen als Rechtsanwalt aufzutreten. Weiter bezeichnete VRiLG dieses Verhalten als instinktlos (Bl. 60 d A.).

Daraufhin erklärte der Klägervertreter, die Klägerinnen lehnten den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... aufgrund dieser Äußerung wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

VRiLG ... hat sich am 18.9.2008 dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch geäußert (Bl. 62 dA).

Die Klägerinnen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 22.9.2008 haben sie ihren Ablehnungsantrag ergänzend mit der Anregung der Klagerücknahme durch den abgelehnten Richter am 25.4.2008 begründet (Bl. 68 bis 70 d.A.).

Mit Beschluss vom 26.9.2008 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Klägerinnen gegen VRiLG für unbegründet erklärt Hinsichtlich der Begründung wird auf diesen Beschluss Bezug genommen (Bl. 71-73 dA).

Gegen diesen dem Klägervertreter am 30.9.2008 zugestellten Beschluss haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 1.10.2008, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf diesen Schriftsatz (Bl. 76 bis 78 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 2.10.2008 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Statthaftes Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches ist gern § 46 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde.

Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig.

In der Sache erweist es sich aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, als unbegründet.

Zur Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist nur die Partei, nicht auch deren Prozessbevollmächtigter berechtigt. Spannungen zwischen dem Prozessbevollmächtigten und einem Richter können grundsätzlich keine Ablehnung rechtfertigen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Partei Anlass zu der Besorgnis haben kann, der Richter werde im konkreten Fall seine persönliche Abneigung gegen den Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend von dem Rechtsstreit trennen (OLG Karlsruhe, NJW- RR 1987 S. 126).

Dass die Klägerinnen die - wenig hilfreiche - Äußerung des abgelehnten Richters gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten als Angriff auf sich selbst betrachtet hätten, behaupten sie zu Recht selbst nicht.

Vielmehr richtete sich diese Äußerung offensichtlich nicht gegen die Partei, sondern gegen deren Anwalt. Unsachliche Äußerungen eines Richters gegen einen Prozessbevollmächtigten können nur dann für die Partei die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie befürchten muss, der Richter werde seinen persönlichen Vorbehalt gegen den Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend von dem Rechtsstreit trennen. Diese Besorgnis ist bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht begründet. Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden richtete sich nämlich - anders als in dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall (NJW-RR 1987, S. 126) oder dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 12.09.1988 (MDR 1989, S. 71) zugrunde lag - nicht gegen die fachliche Qualifikation des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen oder inhaltlich gegen deren Sachvortrag, sondern bezog sich auch für die Klägerinnen erkennbar ausschließlich auf den Umstand, dass Rechtsanwalt ... bis zu seinem Eintreten in den Ruhestand am ...2006 als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Nürnberg tätig war und dort den u.a. für Bausachen zuständigen ... Zivilsenat führte.

Dieser Senat ist nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Nürnberg für das Jahr 2008 für Berufungen und Beschwerden in Bausachen aus dem Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Anfangsbuchstaben des Beklagten ... und ... zuständig, wäre also im Falle eines etwaigen Berufungsverfahrens im vorliegenden Rechtsstreit voraussichtlich zur Entscheidung berufen.

Vor diesem Hintergrund sind die Vorbehalte des abgelehnten Richters gegen das Auftreten von Rechtsanwalt ... nicht aus der Luft gegriffen, völlig unsachlich und ehrverletzend. Sie bringen ein nicht ganz fernliegendes Unbehagen daran zum Ausdruck, dass durch das Auftreten des Klägervertreters gerade in Bausachen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth in der Öffentlichkeit oder bei dem jeweiligen Prozessgegner der Eindruck entstehen könnte, dass sich die beteiligten Richter, die den Klägervertreter aus dessen früherer Tätigkeit als Kollegen kennen, in einem Interessenskonflikt befinden.

Bei verständiger Würdigung kann bei den Klägerinnen durch die beanstandete Äußerung -die zu Beginn der mündlichen Verhandlung und vor der Erörterung der Sach- und Rechtslage gefallen ist - nicht der Eindruck entstehen, der abgelehnte Richter stünde ihrer Sache gerade wegen der Person ihres anwaltschaflichen Vertreters nicht mehr unparteiisch und unvoreingenommen gegenüber.

Nichts anderes ergibt sich sowohl bei isolierter Betrachtung als auch in der Zusammenschau beider Ablehnungsgründe aus dem beanstandeten Hinweis des VRiLG ... vom 25.4.2008 mit der Anregung zur Klagerücknahme.

Selbst wenn man mit den Klägerinnen annehmen wollte, die Ausführungen in dem Hinweis vom 25.4.2008 seien sachlich unzutreffend und haftenden Inhalt der Aussagen der Zeugen P und S nicht erfasst, rechtfertigt dies noch nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Hierzu müssten weitere Tatsachen hinzukommen, aus denen zu erkennen ist dass der Richter nicht bereit ist, auf die Argumente der Partei einzugehen oder sich bereite vorzeitig endgültig festgelegt hat.

Nur unter solchen Umständen kann ein von den Klägerinnen angenommener Fehler zugleich Ausdruck einer Voreingenommenheit des Richters sein (vgl. BayObLG in ZMR 1994 S. 16).

Das Ablehnungsgesuch zeigt hierfür keine hinreichenden Gesichtspunkte auf.

Das Ablehnungsverfahren kann nicht dazu führen, die konkrete Verfahrensgestaltung, die dem im Einzelfall befaßten Richter obliegt, gewissermaßen in einem Zwischenverfahren jeweils auf ihre Angemessenheit und Richtigkeit zu überprüfen (BayObLGZ 1998, S. 35, 37).

Auf die Argumentation in dem Nichtabhilfebeschluss kann es keinesfalls ankommen, weil der abgelehnte Richter an diesem Beschluss überhaupt nicht beteiligt war.

Der Grundsatz des gesetzlichen Richters - auf dessen Einhaltung nicht nur die Klägerinnen, sondern auch die Beklagten einen Anspruch haben - gebietet es, nicht auf rein subjektive Vorstellungen der Ablehnenden abzustellen.

Die sofortige Beschwerde ist deshalb unbegründet und wird zurückgewiesen.

Gem. § 97 Abs. 1 ZPO tragen die Klägerinnen die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.

Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 21.12.2006, AZ: IX ZB 60/06).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtebeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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