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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 15.10.2001
Aktenzeichen: Ws 651/99 H
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121
StPO § 122
Zu den Voraussetzungen, bei denen Untersuchungshaft über 28 Monate hinaus aufrechterhalten bleiben kann (zu BVerfG, NStZ-RR 2002, 24).
Ws 651/99 H

Nürnberg, den 15. Okt. 2001

In dem Strafverfahren

wegen Betruges;

hier: erneute Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO,

erläßt der Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten wird angeordnet.

II. Die Haftprüfung für die nächsten 3 Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

Im Rahmen der bisher stattgefundenen oberlandesgerichtlichen Haftprüfungen gemäß Beschlüssen vom 14,06.1999, 23.09.1999, 20.01.00, 27.04.00, 11.08.00, 20.11.00, 23.03.01 und zuletzt vom 18.07.01 hatte der Senat sowohl den dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Betruges in 1112 Fällen bei einem Gesamtschaden von ca. 43 Millionen DM als auch den Haftgrund der Fluchtgefahr sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesichts einer derzeit zu erwartenden Strafe im obersten Bereich des Strafrahmens bejaht und auch im Hinblick auf die lange Dauer der Untersuchungshaft, in der sich der Angeklagte seit 01.12.1998 befindet, keinen Anlaß gesehen, den Haftbefehl vom 09.11.1998 aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen.

Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten vom 02.08.01 hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 13.09.01, von dem der Senat am 25.09.01 Kenntnis erhielt, den Beschluß des Senats vom 18.07.01 aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen. Mit Schreiben vom 26.09.01 hat der Senat den Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth unter Übersendung einer Ablichtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgericht vom 13.09.01 um eine Stellungnahme gebeten, die am 02.10.01 erfolgte und beim Senat am 05.10.01 einging. Im Schriftsatz vom 01.10.01 hatte der Verteidiger des Angeklagten gebeten, vor der Entscheidung des Senats eingehende Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Nürnberg-Fürth ihm zur eventuellen Erwiderung per Telefax zuzuleiten. Die zur Entscheidung benötigten Akten sind am 08.10.01 eingegangen. Dem Verteidiger des Angeklagten sind die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Nürnberg vom 05.10.01 und des Vorsitzenden der 3. Strafkammer, das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 10.10.01 an den Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts mit der Bitte um ergänzende Stellungnahme und das Antwortschreiben des Vorsitzenden der 3. Strafkammer vom 11.10.01 jeweils unverzüglich per Telefax zur Stellungnahme übermittelt worden. Der Verteidiger des Angeklagten hat sich hierzu mit Schriftsätzen vom 08.10., 09.10.01 und 11.10.01 geäußert und darauf hingewiesen, das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, daß das Oberlandesgericht nunmehr unverzüglich unter Beachtung der dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderung erneut darüber zu entscheiden habe, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für eine Aufrechterhaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft erfüllt seien. Andernfalls sei der Haftbefehl aufzuheben oder jedenfalls außer Vollzug zu setzen.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Nürnberg beantragt, Haftfortdauer anzuordnen.

Die Haftfortdauer ist anzuordnen, weil sowohl der dringende Tatverdacht des gemeinschaftlichen Betruges in 1112 Fällen bei einem Gesamtschaden von ca. 43 Millionen DM als auch der Haftgrund der Fluchtgefahr fortbesteht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist angesichts einer derzeit zu erwartenden Strafe im obersten Bereich des Gesamtstrafenrahmens des § 54 StGB gewahrt, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in der Anklageschrift gewerbsmäßiges Handeln zur Last legt und damit der Strafrahmen für die einzelnen Betrugsfälle 6 Monate bis zu 10 Jahre beträgt (§§ 263 Abs. 3 Nr. 1; 2 Abs. 3 StGB). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf sämtliche o.g. Haftfortdauerbeschlüsse bis 23.03.01 ausdrücklich Bezug genommen. Der Senat hat in dem Beschluß vom 23.03.01 mit folgender Begründung ausgeführt, daß auch im Hinblick auf die lange Dauer der Untersuchungshaft in einer Gesamtschau kein Anlaß besteht, den Haftbefehl vom 09.11.1998 aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen:

"Angesichts der Dauer der Untersuchungshaft tritt das dem Freiheitsgrundrecht entsprechende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen bei der Frage der Unmöglichkeit eines Urteilserlasses im abgelaufenen Zeitraum in den Vordergrund. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, daß der Freiheitsanspruch des noch nicht Verurteilten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten ist und sich sein Gewicht gegenüber dem Strafverfolgungsinteressse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert. Das bedeutet, daß der Eingriff in die Freiheit nur statthaft ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch die vorläufige Inhaftierung des Verdächtigen (u.a. BVerfG NJW 1995, 459, 460 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen derzeit noch vor.

Der Vorsitzende der dritten Strafkammer hat in einer Stellungnahme vom 09.03.01, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, die Gründe dafür dargetan, weshalb das Verfahren bislang noch nicht abgeschlossen werden konnte. Mit Beschluß vom 19.03.01 wurde allerdings das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet, so daß nunmehr in einer für den außerordentlichen Umfang des Verfahrens (43 Bände Ermittlungsakten, 43 Bände Beweismittelakten und weitere Beiakten) angemessenen Zeit mit dem Beginn der Hauptverhandlung gerechnet werden kann. Hierzu hat der Verteidiger des Angeklagten in seiner Stellungnahme zu den Ausführungen des Vorsitzenden der dritten Strafkammer ausgeführt, er habe zwei Unterredungen mit diesem geführt. Am 06.02.01 habe der Vorsitzende ihm u.a. eröffnet, daß wegen des Umfangs einer möglichen Beweisaufnahme die Überlegung vorhanden sei, je Sitzungswoche an 3 Tagen zu verhandeln und deshalb die Einrichtung einer Hilfskammer in Betracht komme. Mit dem Beginn der Hauptverhandlung sei jedoch nicht vor Herbst 2001 zu rechnen. Er habe dem Vorsitzenden erklärt, daß er nach erneuter Rücksprache mit dem Angeklagten, ggf. nach Eröffnung des Hauptverfahrens, eine Stellungnahme abgeben werde, die die wesentlichen Verteidigungseinwendungen des Angeklagten enthalte, um ggf. zu erreichen, daß eine Beweisaufnahme konzentriert und gestrafft durchgeführt werden könne, um festzustellen, ob der von der Anklage erhobene Schuldvorwurf überhaupt zutreffend sei.

Diese Geschehnisse begründen die Erwartung des Senats, daß seitens des Gerichts nunmehr für einen dem Großverfahren angemessenen zügigen Abschluß des Verfahrens Sorge getragen wird, der sowohl dem Freiheitsgrundrecht des Angeklagten als auch dem Strafverfolgungsinteresse der Gemeinschaft Rechnung trägt, indem das Gericht dem Verteidiger eine entsprechend kurze Frist bezüglich der vorerwähnten Stellungnahme setzt und nach deren Ablauf Termin zur Hauptverhandlung bestimmen wird".

Im Hinblick auf diesen Beschluß und in Unkenntnis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.00 - 2 BvR 2199/00 -, der sich nicht in den vorgelegten Akten befand - glaubte der Senat sich im Beschluß vom 18.07.01 bei unverändertem Sachstand entsprechend kurz fassen zu können. Nach dessen Aufhebung und dem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts erfolgen ergänzend zu dem Beschluß vom 21.03.01 folgende weitere Ausführungen:

Mit dem am 11.04.01 beim Landgericht eingegangenen Schreiben vom 10.04.01 teilte der Verteidiger des Angeklagten mit, daß derzeit eine Erklärung des Angeklagten, bzw. der Verteidigung zur Anklageschrift nicht abgegeben und beantragt werde, die Hauptverhandlung möglichst zeitnah zu terminieren. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 13.09.01 ausgeführt, es möge ohne Begründung einleuchten, daß eine Terminierung zugleich mit dem Eröffnungsbeschluß angesichts der angekündigten Stellungnahme des Beschwerdeführers wohl nicht sinnvoll gewesen wäre. In seinen Stellungnahmen vom 02.10.01 und 11.10.01 teilte der Vorsitzende der 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth u.a. folgende Gründe für die Terminierung der Hauptverhandlung, beginnend am 07.11.01 mit Fortsetzung am 08.11., 12.11., 15.11., 20.11., 22.11., 26.11., 27.11., 04.12., 06.12., 10.12., 11.12., 13.12., 18.12., 20.12., 28.12.2001 und 07.01.2002 und der Ankündigung weiterer notwendiger Verhandlungstage (beginnend mit dem 17.01.2002 bis zu ihrem Abschluß jede Woche Donnerstags um 9.00 Uhr) mit: Bereits am 22.01.01 habe er in einer anderen umfangreichen Strafsache (13 Bände mit über 2500 Blatt bis zum Urteil; 74-seitige Anklageschrift vom 21.03.00; Eröffnungsbeschluß vom 16.08.00), in der sich der Angeklagte vom 20.07.1999 bis 07.03.01 in dieser Sache und danach in anderer Sache in Untersuchungshaft befunden habe, wegen in Tschechien und Ungarn zu ladenden Zeugen Termin zur Hauptverhandlung auf 12.09., 17.09., 18.09., 19.09., 24.09., 25.09., 01.10, 09.10., 11.10. und 16.10.01 bestimmt. In einem weiteren Wirtschaftsstrafverfahren, in dem dem Angeklagten vorsätzliche Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit, Betrug in 713 Fällen und Untreue in 22 Fällen in einer 80-seitigen Anklageschrift vom 30.08.00 vorgeworfen worden sei (5. Band Hauptakten bis zur Anklage 1957 Blatt; 12 Band Teilermittlungsakten und 24 Band Beweismittelakten) und sich der Angeklagte seit 29.03.00 in Untersuchungshaft befunden habe, sei am 05.04.01 Eröffnungsbeschluß ergangen. Nur wegen noch nicht abgeschlossener Verständigungsgespräche sei keine gleichzeitige Terminsbestimmung erfolgt. Es sei allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt fest eingeplant gewesen die Hauptverhandlung noch im Sommer 2001 vor dem bereits vorerwähnten, terminierten Verfahren durchzuführen. Nach dem Scheitern der Verständigungsgespräche sei mit Verfügung vom 13.06.01 Hauptverhandlungstermin bestimmt worden auf 09.07., 10.07., 12.07., 18.07., 19.07., 23.07., 26.07., 02.03., 07.08., 03.08., 09.08., 13.08. und 13.09.01.

Der Verteidiger des Angeklagten wies in dem Schriftsatz vom 26.06/01 darauf hin, daß der Angeklagte immer wieder über ihn seine grundsätzliche Aussagebereitschaft bekräftigt habe. Trotzdem äußerte er sich aber weder innerhalb der zehnwöchigen Einlassungsfrist zur Anklage noch danach bis zu dem Besprechungstermin vom 06.02.01. Ausweislich des Schriftsatzes des Verteidigers vom 20.03.01 erklärte dieser dem Vorsitzenden der 3. Strafkammer gegenüber am 06.02.01, daß er nach erneuter Rücksprache mit dem Angeklagten, ggf. nach Eröffnung des Hauptverfahrens, eine Stellungnahme abgeben werde, die die wesentlichen Verteidigungseinwendungen des Angeklagten enthalten werde, um ggf. zu erreichen, daß eine Beweisaufnahme konzentriert und gestrafft durchgeführt werden, könne, um festzustellen, ob der von der Anklage erhobene Schuldvorwurf überhaupt zutreffend sei, zumal der Angeklagte bei Fortsetzung der Untersuchungshaft bis Herbst 2001 nahezu 3 Jahre inhaftiert sein werde. Der Vorsitzende der Strafkammer hat deshalb nicht gegen den Grundsatz des Beschleunigungsgebots verstoßen, indem er vor Eingang der angekündigten Erklärung die Hauptverhandlungen in den beiden vorerwähnten, auch umfangreichen Haftsachen terminiert hatte (22.01.01), bzw. deren Terminierung fest einplante. Indem der Angeklagte völlig überraschend und für die Strafkammer unvorhersehbar seine Taktik vollständig änderte und erst mit Schriftsatz vorn 10.04.01 die Abgabe jeglicher Erklärung zur Anklageschrift ablehnte, hat er es sich nunmehr selbst zuzurechnen, daß mit der zunächst 17 Verhandlungstage in 2 Monaten umfassenden Hauptverhandlung erst am 07.11.01 nach den vorerwähnten beiden Haftsachen begonnen werden kann. Angesichts des auch für Wirtschaftsstrafverfahren äußerst umfangreichen und schwierigen Verfahrens, in dem allein in der 139-seitigen Anklageschrift die Darstellung des Firmengeflechts des Angeklagten über 10 Seiten mit dem Hinweis auf weitere zahlreiche ihm zuzurechnende Firmen (insgesamt 31) umfaßt, versteht es sich von selbst, daß in der Zeit nach dem Eingang des Schriftsatzes vom 10.04.01 vor dem 09.07.01, bzw. bis zum 09.07.01 eine Hauptverhandlung auch nicht gegen den hauptbeschuldigten, allein inhaftierten Angeklagten unter Abtrennung der Verfahren gegen die nicht inhaftierten 4 weiteren Angeklagten im Hinblick auf die notwendige Vorlaufzeit (insbesondere wegen der in der Schweiz zu ladenden, notwendigen Zeugen) möglich gewesen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Strafkammer auf Grund der dem Angeklagten selbstverständlich jederzeit zustehenden, aber im Hinblick auf seine Ankündigung völlig überraschenden Kehrtwende hinsichtlich seiner Verteidigungsstrategie erst nach dem 11.04.01 ein Terminkonzept erstellen konnte. Hierzu war auch die am 02.04.01 bei der Strafkammer eingegangene Überweisungsverfügung des Untersuchungsrichteramtes des Kanton Zug vom 27.03.01 (55 Seiten), auszuwerten, die eine Untersuchung gegen die Zeugen und , u.a. im Zusammenhang mit der betraf, wobei das auf Grund der Strafanzeige von und der eingeleitete Untersuchungsverfahren gegen wegen Verdachts auf Betrug und Veruntreuung eingestellt wurde. Eine Mitteilung dieser Verfügung erhielt u.a. der Verteidiger des Angeklagten als Vertreter der Privat-/Zivilkläger und . Die Strafkammer mußte prüfen, ob und zu welchem Zeitpunkt diese beiden schweizerischen Zeugen zu vernehmen sind. Nach der Terminsverfügung erfolgte nun ihre Ladung für 20.11.01 und 22.11.01. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob dies bei dem Verhalten des Angeklagten einerseits, der Initiator und Kopf der gewesen sein soll, und der bisherigen Einlassungen der übrigen nicht inhaftierten 4 Angeklagten andererseits überhaupt möglich, geschweige denn sinnvoll gewesen wäre. Der Vorsitzende der 3. Strafkammer hätte allenfalls dann die Hauptverhandlung in dieser Sache vor dem 09.07.01, bzw. ab 09.07.01 an Stelle des eingeplanten vorerwähnten Verfahren terminieren können, wenn der Verteidiger die von ihm angekündigten Einwendungen gegen die Anklage vorgebracht hätte, soweit diese eine Konzentrierung und Straffung der Beweisaufnahme zugelassen hätten. Weder die Strafkammer noch der Senat (vgl. Beschluß vom 23.03.01) haben auf Grund der eindeutigen, im Schriftsatz vom 20.03.01 wiedergegebenen Erklärung des Verteidigers vom 06.02.01 damit rechnen können, daß der Verteidiger - wie im Schriftsatz vom 11.10.01 behauptet - erst noch Rücksprache mit dem Angeklagten halten mußte, ob überhaupt Verteidigungseinwendungen in der vorerwähnten Weise abgegeben werden. Vielmehr konnte diese nur so verstanden werden, daß nur noch offen ist, ob vor oder nach dem Eröffnungsbeschluß nach Rücksprache mit dem Angeklagten die Erklärung kommt. Dementsprechend hatte der Senat in dem Beschluß vom 23.03.01 nach ergangenem Eröffnungsbeschluß (19.03.01) eine Fristsetzung zur Abgabe der Stellungnahme für erforderlich gehalten, damit danach unter Berücksichtigung dieser Erklärung terminiert werden konnte. Nach der völligen Änderung der Verteidigungstaktik des Angeklagten am 10.04.01 konnte auch nicht mehr das ab 12.09.01 terminierte Verfahren abgesetzt werden, auch wenn sich der dort Angeklagte ab 08.03.01 nicht mehr in dieser Sache, sondern in anderer in Untersuchungshaft befand. Es waren nämlich bereits mit Terminsverfügung vom 22.01.01 Zeugen in Tschechien und Ungarn geladen worden. Der gegenteiligen Meinung des Verteidigers des Angeklagten im Schriftsatz vom 11.10.01 kann nicht gefolgt werden. Da aus den vorerwähnten Gründen eine Terminierung vor dem 07.11.01 trotz der sehr langen Untersuchungshaft des Angeklagten nicht möglich war, trugen die erst mit Verfügung vom 20.03.01 geäußerten Bedenken des Vorsitzenden der Strafkammer bezüglich Pflichtverteidigerbestellungen, die darauf erfolgten Mandatsniederlegungen der Verteidiger der Angeklagten und die Akteneinsicht für die neuen Verteidiger dieser Angeklagten und die Bekanntgabe der beabsichtigten Hauptverhandlungstermine ab 07.11.01 erst mit Verfügung vom 30.05.01, nicht zu einer zusätzlichen Verzögerung des Verfahrens bei. Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb. Aufgrund der vorstehend konkret geschilderten Verfahrensabläufe und der Stellungnahmen des Strafkammervorsitzenden ergibt sich auch, daß die 3. Strafkammer nicht bereits seit längerem ständig überlastet, sondern ausgelastet war. Etwas anderes, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die 3. Strafkammer mit Wirkung ab 01.08.01 auf Anregung des Leitenden Oberstaatsanwaltes in Nürnberg-Fürth gegenüber der Präsidentin des Landgerichts Nürnberg-Fürth durch eine Änderung der Geschäftsverteilung entlastet worden ist. Im Vorlagebericht vom 08.06.01 zur Haftprüfung hatte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bereits auf den beabsichtigten Hauptverhandlungstermin vom 07.11.01 mit 18 Verhandlungstagen hingewiesen. Allein im Hinblick auf den Beginn dieser Hauptverhandlung und deren vorläufigen Umfang ist die Anregung des Leitenden Oberstaatsanwaltes nur allzu verständlich, da rechtzeitig durch entsprechende gerichtsorganisatorische Maßnahmen u.a. ein ordnungsgemäßer Verlauf der Hauptverhandlung in diesem Großverfahren sowie der sonst auf diese Kammer zukommenden Verfahren sicherzustellen war, was auch geschah. Insgesamt ist damit dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung getragen worden, der verlangt, daß die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Angeklagten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG StV 2000, 322/323 m.w.N.). Auch wenn sich das Gewicht des Freiheitsanspruches des Angeklagten, für den die Unschuldsvermutung streitet, gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert (BVerfG a.a.O.), so ist trotz der sehr langen Dauer der bisherigen Untersuchungshaft des Angeklagten der Eingriff in seine Freiheit statthaft, weil nur so der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Taten und der Bestrafung des Angeklagten in einer für das besonders schwierige und umfangreiche Wirtschaftsstrafverfahren durchaus noch angemessenen Zeit sichergestellt werden kann. Es wäre eine Kapitulation des Rechtsstaates gegenüber einem Wirtschaftsstraftäter, wenn er aufgrund seiner hohen kriminellen Energie erst nach langwierigen Ermittlungen angeklagt werden kann und sich mit einer, seiner Meinung nach geschickten Verteidigungsstrategie unter Berufung auf sein Freiheitsgrundrecht kurz vor Beginn der Hauptverhandlung seiner gerechten Bestrafung entziehen könnte.

Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls, der auch der Sicherung der Strafvollstreckung dient, kommt auch derzeit nicht in Betracht, da der Angeklagte keine beruflichen Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland hat, nach der Anklageschrift der Verbleib von zumindest 10 Millionen DM Kundengelder ungeklärt ist und er deshalb ohne weiteres in der Lage sein könnte, seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft ins Ausland zu verlagern.

Obwohl sich aus dem eingangs detailliert geschilderten Verfahrensablauf von selbst ergibt, daß der Senat unter der notwendigen Gewährung rechtlichen Gehörs des Verteidigers des Angeklagten unverzüglich entschieden hat, wird dies im Hinblick auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 09.10.01 hiermit ausdrücklich festgestellt.

Die Entscheidung beruht auf §§ 112, 116, 120, 121 Abs. 1, 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.

Ende der Entscheidung

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