Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 02.04.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 120/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56f Abs. 1
Ist eine Bewährungsfrist bereits seit langem abgelaufen, so kann ein Widerruf der Strafaussetzung wegen einer erneuten Verurteilung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr erfolgen, wenn die erneute Verurteilung bereits neun Monate zurück liegt.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

1 Ws 120/02

In der Bewährungssache

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg

am 2. April 2002

durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie

die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Osnabrück - Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Lingen (Ems) - vom 18. Februar 2002, mit dem das Landgericht die dem Verurteilten mit Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 05.10.1995 - 8 Ds X 885/95 - bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hat, aufgehoben.

Die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 5. Oktober 1995 - 8 Ds 113 Js 10325/95 (X 885/95) - wird nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.

Die Kosten des Verfahrens und die nötigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 5. Oktober 1995 wegen Betruges in 5 Fällen - unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Sulingen vom 13.10.1994 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Die auf 3 Jahre festgesetzte Bewährungszeit begann am 13. Oktober 1995 und lief am 12. Oktober 1998 ab. In der Bewährungszeit ist der Verurteilte erneut einschlägig straffällig geworden. Am 2. Dezember 1999 klagte die Staatsanwaltschaft Oldenburg ihn wegen Betruges in 32 Fällen beim Amtsgericht - Schöffengericht - Delmenhorst an (Az. 184 Js 22421/99). Das Schöffengericht Delmenhorst verurteilte den Probanden am 14. September 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Verurteilten verhängte das Landgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten. Seine hiergegen gerichtete Revision hat der Senat mit Beschluss vom 21. Mai 2001 als unbegründet verworfen.

Damit war die Entscheidung des Landgerichts Oldenburg seit dem 21. Mai 2001 rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 18. Februar 2002 hat die nunmehr zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück die gewährte Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 5. Oktober 1995 widerrufen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält einer Überprüfung unter den Gesichtspunkten der Beschleunigung des Verfahrens und des Vertrauensschutzes des Verurteilten nicht stand.

Die Zulässigkeit eines Widerrufs der Strafaussetzung nach Ablauf der Bewährungsfrist ist auch davon abhängig, ob der Verurteilte noch mit einer gerichtlichen Reaktion auf ein bestimmtes Bewährungsversagen rechnen muss oder angesichts des Verfahrens und Zeitablaufs darauf vertrauen durfte, dass dieses nicht mehr zum Anlass des Widerrufs genommen werde (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 56 f Rdn. 2 a m.w.N.). Sowohl der Gesichtspunkt der Beschleunigung als auch der des Vertrauensschutzes verboten es hier, die Strafaussetzung zur Bewährung ausschließlich aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht Oldenburg vom 12. Februar 2001 - 14 Ns 190/00 - zu widerrufen. Zum Zeitpunkt des Widerrufs am 18. Februar 2002 konnte der Verurteilte nämlich aufgrund des Zeitablaufes davon ausgehen, dass diese Verurteilung nicht mehr für einen Widerruf herangezogen würde. Bei der Prüfung des Zeitablaufs ist einmal vom Ablauf der Bewährungszeit aber auch vom Zeitpunkt der letzten Verurteilung auszugehen.

Die Bewährungszeit war vorliegend bereits am 12. Oktober 1998 abgelaufen. Insoweit folgt der Senat der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift, dass auch in diesem Fall nach Ablauf der Bewährungszeit von mehr als 3 Jahren die Bewährungszeit widerrufen werden kann, zumal der Verurteilte wiederholt während des laufenden neuen Strafverfahrens auf den vorliegenden Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft hingewiesen worden ist. Die letzte Verurteilung ist jedoch am 21. Mai 2001 rechtskräftig geworden. Der Widerruf der Bewährung erfolgte 9 Monate nach diesem Zeitpunkt. Dies stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Beschleunigung dar. Der Verurteilte durfte nach einer derart langen Zeit darauf vertrauen, dass ein Widerruf wegen der neuen Verurteilung nicht mehr erfolgen werde. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, wieso über den Widerruf nicht hätte früher entschieden werden können. Der angefochtene Entschluss war mithin aufzuheben. Die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 5. Oktober 1995 war nach § 56 g Abs. 1 StGB zu erlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 464, 473 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück