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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 11 UF 25/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1685 Abs. 2
BGB § 1666
1. Der frühere (heterosexuelle) nichteheliche Lebensgefährte der Kindesmutter hat auch nach der Neufassung des § 1685 Abs.2 BGB kein eigenes Umgangsrecht.

2. Die Weigerung der Kindesmutter, dem früheren nichtehelichen Lebensgefährten die Fortführung der bisherigen mehrjährigen Kontakte zu ihrem Kind zu gestatten, ist nicht missbräuchlich i. S. von § 1666 BGB, wenn sie auf plausible, nachvollziehbare Gründe gestützt wird (hier: tiefgreifendes Zerwürfnis mit subjektiv empfundener Bedrohung, ungestörtes Zusammenleben in der neuen Familie nach Einbenennung des Kindes). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Umgang für das Kindeswohl förderlich wäre.


Oberlandesgericht Oldenburg

11 UF 25/03

Beschluss

In der Familiensache

hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg

am 31. März 2003

durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht ? Osnabrück vom 16.1.2003 hinsichtlich des Umgangsrechts mit M... K... geändert. Insoweit wird der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin (Kindesmutter) hat das alleinige Sorgerecht für die von ihr betreuten Kinder L..., geb. am ..., und M..., geb. am .... L... stammt aus der Beziehung zum Antragsteller (Kindesvater). M... Vater hat vorübergehend ein Umgangsrecht ausgeübt; seit Anfang 2002 besteht kein Kontakt mehr zu dem Kind. Die Antragsgegnerin ist seit dem 13.12.2002 wieder verheiratet. Die Kinder sind einbenannt und tragen den Familiennamen der Kindesmutter und ihres Ehemanns.

Die Parteien kennen sich seit September 1997. In der Zeit von Dezember 1999 bis Dezember 2001 lebten sie zusammen mit M... (und später L...) in H.... Ende 2001 ist die Kindesmutter nach M... umgezogen, seit Juli 2002 lebt auch der Kindesvater in M... (im Haushalt seiner Eltern). Die Kindesmutter ist inzwischen erneut umgezogen und hält ihre Anschrift geheim; sie begründet dies damit, dass sie Angst vor dem Kindesvater habe, nachdem sie gegen ihn Ende September 2002 Strafanzeige wegen Eigentumsdelikten (die z.T. unter ihrer Beteiligung begangen worden seien) und im Dezember 2002 wegen Drogendelikten erstattet hat.

Nach der Trennung der Parteien hat der Kindesvater regelmäßig Umgang mit der Tochter L... gehabt, für kurze Zeit auch mit dem Kind M.... Der letzte kurze Kontakt mit M... erfolgte im Mai 2002; seitdem verweigert die Kindesmutter jeden Umgang des Antragstellers mit M..., auch nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19.9.2002, in der ein Umgangsrecht alle drei Wochen zusammen mit L... für 7 Stunden (10.00 bis 17.00 Uhr am Samstag oder Sonntag) eingeräumt worden war. Auf Antrag des Antragstellers ist deswegen gegen die Kindesmutter ein Zwangsgeld angedroht worden (Verfahren 11 WF 29/03).

Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Umgangsrecht für L... und M... detailliert geregelt, und zwar in der Weise, dass der Antragsteller L... einmal wöchentlich (jeweils von 10.00 bis 17.00 Uhr) und M... alle 4 Wochen zusammen mit L... zu sich nehmen durfte. Das Umgangsrecht für M... hat das Amtsgericht auf § 1685 Abs. 2 BGB gestützt.

Mit der Beschwerde hat die Antragsgegnerin zunächst einen Ausschluss des Umgangsrechts für beide Kinder beantragt. Der Antragsteller habe am 6.3.2003 im Rahmen eines Streitgespräches bei der Rückgabe der Tochter L... (nach der Durchführung eines Besuchskontaktes) und im Beisein des Kindes M... gedroht, sie, ihre Mutter und ihren Bruder "kaltzumachen"; Hintergrund seien ihre Strafanzeigen. Deshalb seien Umgangskontakte jeglicher Art mit dem Antragsteller nicht mehr zumutbar. Im übrigen sei das Umgangsrecht mit L... zu weitgehend; hinsichtlich M... stehe dem Antragsteller nach der inzwischen langfristigen Unterbrechung der Besuchskontakte kein Umgangsrecht mehr zu.

Der Antragsteller räumt ein, dass es am 6.3.2003 zu einer (von der Antragsgegnerin provozierten) verbalen Auseinandersetzung gekommen sei, bestreitet jedoch entschieden jegliche Bedrohung. Zur Untermauerung seines Vorbringens beruft er sich auch auf einen Tonbandmitschnitt, den er am 6.3.2003 (ebenso wie schon früher bei der Abholung oder Rückgabe des Kindes L...) gemacht habe und den er der Polizei zur Verfügung stellen werde.

Die Antragsgegnerin hat wegen des Vorfalls am 6.3.2003 Strafanzeige gegen den Antragsteller erstattet. Die Polizei hat nach telefonischer Auskunft gegenüber dem Berichterstatter bisher in dieser Angelegenheit nicht ermittelt (u.a. mit Rücksicht auf weitere laufende Ermittlungen gegen den Antragsteller), zumal abgesehen von der Anzeige der Kindesmutter (und vorbehaltlich einer Vernehmung des Kindes M...) Beweismittel nicht vorhanden seien. Weitere konkrete Bedrohungen pp. seien nicht bekannt; ein abstraktes Gefährdungspotential könne allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Der Senat hat im Termin am 31. März 2003 nach ergänzender Anhörung der Parteien zum Vorfall vom 6.3.2003 der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe nur für die Beschwerde hinsichtlich des Umgangsrechts mit M... bewilligt; nur in diesem Umfang hat die Kindesmutter die Beschwerde aufrecht erhalten.

II.

Die Beschwerde hat, soweit sie durchgeführt worden ist, Erfolg. Der Antragsteller hat kein Umgangsrecht mit dem Kind M... gem. § 1685 Abs. 2 BGB, weil er nicht zum Kreis der in dieser Vorschrift aufgeführten Berechtigten gehört. Die Verweigerung des Umgangs durch die Antragsgegnerin stellt auch keinen Sorgerechtsmissbrauch im Sinne von § 1666 BGB dar, der es gebieten würde, zur Vermeidung einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls eine Maßnahme zu treffen (hier: durch Einräumung eines Umgangsrechts gegen den Willen der allein sorgeberechtigten Kindesmutter).

1) § 1685 Abs. 2 zählt die Umgangsberechtigten abschließend auf (OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1161; OLG Bamberg FamRZ 1999, 810; OLG Dresden DAVorm 2000, 176, 177; OLG Hamm NJW 2000, 2684; KK-FamR/Ziegler, § 1685, Rn. 4); eine zu starke Ausweitung der Umgangsberechtigung wollte der Gesetzgeber bewusst vermeiden (OLGE Zweibrücken, Bamberg, Dresden, Hamm, jeweils a.a.O.; vgl. ferner Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1685, Rn. 4). Für eine analoge Anwendung fehlt eine Regelungslücke (OLG Zweibrücken und Dresden, a.a.O.; Veit, a.a.O.), wobei es nicht darauf ankommen kann, ob die Auswahl des Gesetzgebers fragwürdig erscheint.

Das Umgangsrecht ist zwar im Jahre 2001 auf den Lebenspartner und früheren Lebenspartner ausgedehnt worden. Als Lebenspartner kann jedoch nur der gleichgeschlechtliche Lebenspartner im Rahmen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG angesehen werden, nicht der heterosexuelle nichteheliche Lebensgefährte (ebenso Ziegler, a.a.O.; MK-Finger, 4. Aufl., § 1685, Rn. 8; a.A. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210; Palandt/Diederichsen, 62. Aufl., § 1685, Rn. 7; zum Ausschluss des nichtehelichen Lebensgefährten nach § 1685 Abs. a.F. vgl. OLGE Bamberg und Dresden, a.a.O.). Das ergibt sich nach Auffassung des Senats bereits aus der Entstehungsgeschichte; der zeitgleiche Erlass des LPartG und der Erweiterung des § 1685 Abs. 2 BGB deutet darauf hin, dass der Begriff "Lebenspartner" terminologisch jeweils die gleiche Bedeutung haben soll. Die Begrenzung auf den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner entspricht im übrigen der einschränkenden Tendenz des Gesetzgebers (s.o.). Die Beschränkung erscheint auch sachlich jedenfalls nicht willkürlich; denn eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bietet mit Rücksicht auf die Form ihrer Begründung (§ 1 LPartG) und die aus ihr erwachsenden besonderen gegenseitigen Pflichten (§§ 2 ff, 12 ff. LPartG) zumindest bessere Voraussetzungen für eine gewisse Stabilität der Beziehung der Partner, die ihrerseits Grundlage für den Aufbau engerer Beziehungen zu den in der häuslichen Gemeinschaft lebenden Kindern sein kann.

Nach zutreffender Auffassung kann ein Umgangsrecht auch nicht über den Begriff der "Familienpflege" hergeleitet werden (Ziegler, a.a.O..; OLGE Bamberg und Dresden, a.a.O.; a.A. Finger, a.a.O., Rn. 11). Auch dieser Begriff ist terminologisch besetzt und betrifft die Erziehung in einer anderen Familie außerhalb der Herkunftsfamilie (vgl. § 33 SGB VIII). Eine solche Situation ist bei der (Mit-)Betreuung durch einen Lebensgefährten jedenfalls nicht gegeben, solange das Kind mit dem sorgeberechtigten Elternteil zusammenlebt. Für eine analoge Anwendung fehlt auch hier eine Grundlage (s.o.).

2) Ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind M... käme deshalb nur in Form einer Maßnahme nach § 1666 BGB in Betracht (vgl. dazu OLGE Zweibrücken, Dresden, a.a.O.; ferner OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 937). Das würde jedoch nicht nur die positive Feststellung erfordern, dass die Durchführung des Umgangsrechts dem Kindeswohl dient (wie im Falle des § 1685 BGB), sondern darüber hinaus die zumindest konkrete Annahme einer Gefährdung der Kindeswohls gerade durch die Verweigerung des Umgangs. Dafür fehlen hinreichende Anhaltspunkte:

Der Senat geht zwar auf Grund des bisherigen Sachstands davon aus, dass die Durchführung eines Umgangsrechts der Entwicklung des Kindes M... eher förderlich sein würde. Das Kind hat in einer für ihn besonders prägenden Lebensphase, nämlich im Alter von 3 1/2 bis 5 1/2 Jahren mit dem Antragsteller zusammen gelebt. Der Antragsteller hat in dieser Zeit, in der die Kontakte zum leiblichen Vater allenfalls sporadisch erfolgten, bevor sie im Frühjahr 2002 ganz abbrachen, die Rolle des Ersatzvaters inne gehabt. Negative Einflüsse des Antragstellers hat die Kindesmutter trotz intensiver Befragung nicht angeben können. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass die engen und auch nach den Angaben des Kindes selbst (bei der Anhörung durch das Amtsgericht) positiven Kontakte zu einer männlichen Bezugsperson insoweit zusätzliche Stabilität vermittelt haben. Der erneute Verlust einer männlichen Bezugsperson (nach dem Wegfall des leiblichen Vaters) könnte die Gefahr mit sich bringen, dass das Kind in seiner Bindungsfähigkeit beeinträchtigt wird, quasi das Modell eines Beziehungsabbruchs als Konfliktlösungsstrategie erlernt (vgl. Spangenberg/Spangenberg FamRZ 2002, 48, 49). Auch ist zu berücksichtigen, dass das Kind sich zurückgesetzt fühlen wird, wenn ihm das Umgangsrecht verwehrt wird, das seine Halbschwester als natürlichen Bestandteil ihres Lebens erfährt.

Aus den genannten Gründen hat der Senat bei der Anhörung der Kindesmutter dringend nahe gelegt, einer einvernehmlichen Regelung eines Umgangsrechts mit M... zuzustimmen.

Diese Empfehlung bleibt bestehen trotz der gegenwärtigen Ablehnung der Kindesmutter.

Die Ablehnung bleibt jedoch maßgeblich (vgl. § 1632 Abs. 2 BGB), weil das Verweigerungsverhalten der Kindesmutter nach den gesamten Umständen nicht als Sorgerechtsmissbrauch gewertet werden kann. Zum einen wird der Verlust der bisherigen männlichen Bezugsperson jedenfalls teilweise ausgeglichen durch das Zusammenleben in der neuen Familie, u.a. mit dem jetzigen Ehemann, dessen Familiennamen (= Ehename) M... und L... nach der Einbenennung gem. § 1618 BGB tragen. Zum andern ist es immerhin verständlich, wenn die Kindesmutter in der jetzigen Situation, die durch ein tief greifendes Zerwürfnis mit dem Antragsteller und gegenseitiges Misstrauen geprägt ist (vgl. einerseits die massiven, wenn auch bisher nicht verifizierten Anschuldigungen der Antragsgegnerin, andererseits die unerlaubten Tonbandmitschnitte durch den Antragsteller), sich weitestgehend auf das Leben in der neuen Familie zurückzieht und Einflüsse von außen zurückdrängen will. Etwaige Besuche des Kindes M... könnten von diesen Spannungen kaum freigehalten werden, insbesondere wenn sie durch das Gericht gem. § 1666 BGB angeordnet würden.

Nach alledem sind aus der Sicht der Kindesmutter immerhin plausible, nachvollziehbare Gründe für die Verweigerung des Umgangsrechts erkennbar (auch wenn die Sichtweise der Kindesmutter möglicherweise stark einseitig und verzerrt sein mag). Das steht der Annahme eines Sorgerechtsmissbrauchs entgegen (vgl. dazu u.a. OLG Zweibrücken FamRZ1999, 1161; OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 937, 938; ferner zur vergleichbaren Problematik bei § 1685 BGB OLG Hamm FamRZ 2000, 1110 und NJW 2000, 2684, 2685; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 883 und FamRZ 2000, 1111).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a FGG.

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