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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 12 UF 154/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1570
BGB § 1578
BGB § 1610
1. Der Splittingvorteil eines wiederverheirateten Unterhaltsschuldners muss auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder unberücksichtigt bleiben, wenn der Bedarf des neuen Ehegatten aufgrund vorrangiger Ansprüche des Ehegatten au s einer früheren Ehe bei der Bemessung des Unterhalts unberücksichtigt bleibt (Abweichung von BGH FamRZ 2005, 1817).

2. Einem Unterhaltsschuldner obliegt es auch im Rahmen seiner gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Unterhaltspflicht nicht, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn die damit verbundene Einschränkung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit den Erhalt seines Arbeitsplatzes gefährdet.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

12 UF 154/05

In der Familiensache

hat der 12. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... , des Richters am Oberlandesgericht ... und des Richters am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 28. November 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen geändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen

Auf die Widerklage des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 04. November 2003 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte den Klägern für die Monate Januar und Februar 2006 keinen Unterhalt zu zahlen hat und der den Klägern vom 04. Mai 2005 an zu zahlende Unterhalt bis einschließlich Dezember 2005 und wieder beginnend ab März 2006 auf 40 EUR für die Klägerin zu 1) sowie jeweils 20 EUR für die Kläger zu 2), 3) und 4) herabgesetzt wird.

Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Klägern 4/5 und dem Beklagten 1/5 auferlegt

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der 1964 geborene Beklagte ist der frühere Ehemann der Klägerin zu 1) und der Vater der Kläger zu 2) - 4). Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 04. November 2003 (21 F 2084/03) wurde er verurteilt, der Klägerin zu 1) nachehelichen Unterhalt in Höhe von 110 EUR, sowie den Klägern zu 2) - 3) Kindesunterhalt in Höhe von 58, 49 und 41 EUR zu zahlen. Dabei hat das Amtsgericht dem Beklagten, der mittlerweile eine neue Arbeitsstelle im Gartenbau in S. angenommen hatte, seinen früheren auch durch Überstunden geprägten Verdienst weiterhin zugerechnet und unter Berücksichtigung der von ihm getragenen Schulden ein verteilungsfähiges Einkommen von 258 EUR zugrunde gelegt.

Der seit 2004 in zweiter Ehe verheiratete Beklagte ist im Gartenbau tätig. Er bezieht ein regelmäßiges Einkommen. Geleistete Überstunden werden durch Freizeitausgleich in der kalten Jahreszeit abgegolten. Zu Mitte Januar wurde dem Beklagten gekündigt. Nach vorübergehendem Bezug von Arbeitslosengeld hat er zum 1. März eine neue Arbeitsstelle angetreten, bei der er zu denselben Bedingungen wie bei seinem alten Arbeitgeber beschäftigt ist.

Auf nach Veräußerung des Hausgrundstücks verbliebene Restschulden leistet der Beklagte unverändert monatlich 250 EUR. Außerdem zahlt er auf Schulden aus der Ehezeit monatlich 50 EUR an seine Mutter. Nachdem er vorübergehend die Zahlungen an die Volksbank eingestellt hatte, haben die Kläger Abänderungsklage mit dem Ziel einer Anpassung ihres Unterhalts an die dadurch erhöhte Leistungsfähigkeit des Beklagten erhoben.

Der Beklagte hat seinerseits eine am 04. Mai 2005 zugestellte Abänderungswiderklage erhoben. Hierzu hat er ausgeführt, dass er zu Unterhaltszahlungen nicht mehr in der Lage sei. Er brauche sich nicht an seinem früheren Verdienst festhalten zu lassen, seitdem für Überstunden keine Vergütung mehr gezahlt werde. Die Zahlungen an die Volksbank seien nur vorübergehend ins Stocken geraten, da er vordringliche Ausgaben gehabt habe. Zudem müsse er die Kosten für den Umgang mit den Kindern tragen. Sein Umgangsrecht habe er teilweise aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht wahrnehmen können. Seine Ehefrau erziele kein eigenes Einkommen. Der aus der Wiederverheiratung erzielte Splittingvorteil müsse unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben.

Durch Urteil vom 12. November 2005 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Lingen die Klage abgewiesen und auf die Widerklage das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 04. November 2003 (21 F2084/03) dahingehend abgeändert, dass der Beklagte den Klägern ab Mai 2005 keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Sie führen aus, dass dem Beklagten ein Einkommen von wenigstens 1.508 EUR zuzurechnen sei. Er habe er mit seiner neuen Familie eine in der Nähe seiner Arbeitsstelle liegende Wohnung beziehen können. Zudem obliege es ihm, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Beim Kindesunterhalt sei der Splittingvorteil als weiteres Einkommen zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 22. November 2005 zu ändern, die Widerklage abzuweisen und unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 04. November 2003 (21 F 20840/03) den Beklagten zu verurteilen folgende Unterhaltsbeträge - für die Kläger zu 2) bis 4) zu Händen der Klägerin zu 1), soweit nicht Zahlung an das Land Niedersachsen zu leisten ist - zu zahlen:

a) für Februar und März 2005 jeweils

- 265 EUR an die Klägerin zu 1)

- 225 EUR an den Kläger zu 2)

- 190 EUR an den Kläger zu 3), abzüglich für März 2005 gezahlter 49 EUR,

- 160 EUR an den Kläger zu 4), abzüglich für März 2005 gezahlter 41 EUR,

b) ab April 2005

- 260 EUR an die Klägerin zu 1)

- 215 EUR an den Kläger zu 2)

- 180 EUR an den Kläger zu 3), abzüglich für Juli bis einschließlich November 2005 monatlich gezahlter 49 EUR,

- 180 EUR an den Kläger zu 4), abzüglich für Juli bis einschließlich November 2005 monatlich gezahlter 41 EUR,

davon an das Land Niedersachen, vertreten durch die Stadt Lingen, Fachbereich Jugend, Arbeit und Soziales, Elisabethstraße 14-16, 49803 Lingen,

bezüglich des Klägers zu 3) 164 EUR für Februar 2005, 115 EUR für März 2005, monatlich 164 EUR für April bis Juni 2005, monatlich 121 EUR für Juli bis November 2005, 170 EUR für Dezember 2005 und 17 EUR für Januar 2006 sowie

bezüglich des Klägers zu 4) 122 EUR für Februar 2005, 81 EUR für März 2005, monatlich 164 EUR für April bis Juni 2005, monatlich 129 EUR für Juli bis November 2005, 170 EUR für Dezember 2005 und Januar 2006.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung.

Weitere tatsächliche Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.

Klage und Widerklage sind jeweils als Abänderungsklage zulässig, da beide Seiten mit dem Wegfall der Schuldentilgung bzw. mit der Wiederverheiratung und einer Minderung des verfügbaren Einkommens eine wesentliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände geltend machen.

Die Klage ist unbegründet. Auf die Widerklage des Beklagten ist zwar der in der Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts vom 04. November 2003 festgesetzte Unterhalt herabzusetzen. Der Beklagte kann aber keinen völligen Wegfall seiner Unterhaltspflicht erreichen. Er bleibt den Klägern vielmehr in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Unterhalt verpflichtet.

Grundlage für die Bemessung des dem Grunde nach nicht streitigen Unterhaltsanspruchs der Kläger ist das von dem Beklagten in 2005 bezogene Einkommen. Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, dass sich der Beklagte weiterhin an seinem früheren Verdienst festhalten lassen müsse. Zwar kann im Rahmen einer Abänderungsklage grundsätzlich keine Neufestsetzung des Unterhalts erreicht werden, sofern die für die Bemessung des Anspruchs maßgeblichen Umstände unverändert gebliebenen sind. Es bedarf jedoch keiner Vertiefung, in welchem Umfang dieser Grundsatz noch gelten kann, wenn sich die Einschätzung des tatsächlich erzielten Nettoverdienstes aufgrund erheblicher struktureller Änderungen in der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses als unzutreffend erwiesen hat. Denn zumindest aufgrund der erneuten Eheschließung war der Beklagte berechtigt, seinen bisherigen Arbeitsplatz aufzugeben und sich eine zu der Ehewohnung günstiger gelegene Arbeitsstelle zu suchen. Dem Amtsgericht ist darin beizupflichten, dass damit selbst im Rahmen einer gesteigerten Unterhaltspflicht keine Verletzung unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen verbunden ist. Der Beklagte hat seine vollschichtige Erwerbstätigkeit nahtlos zu fast gleichen Bedingungen und insbesondere zum selben Stundenlohn fortgesetzt. Mehr ist nicht zu verlangen. Dass der Beklagte aus dieser Arbeit kein höheres Einkommen erzielen kann, beruht ausweislich der Bestätigung seines Arbeitgebers vom 30. Mai 2005 darauf, dass nach der für den Garten- und Landschaftsbau (GalaBau) geltenden Schlechtwetterregelung Mehrarbeit nicht vergütet, sondern über ein Überstundenkonto ausgeglichen wird. Da die Kläger angesichts dieser branchentypischen Regelung ohnehin nicht erwarten konnten, der Beklagte werde sein früheres Nettoeinkommen auf Dauer aufrechterhalten können, ist es nicht berechtigt, ihn unverändert an einem fiktiv höheren Verdienst festzuhalten, dem jeder Bezug zu den realen Einkommensverhältnissen fehlt.

Das ausweislich der Verdienstabrechnung für Dezember 2005 erreichte Bruttoeinkommen von 27.937 EUR entspricht einem unterhaltsrechtlich relevanten monatlichen Nettoverdienst von rund 1.545 EUR. Maßgeblich ist insofern der Lohnsteuerabzug nach der Grundtabelle. Der dem Beklagten aufgrund der Eheschließung zustehende Splittingvorteil muss bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche der Kläger unberücksichtigt bleiben (BVerfG FamRZ 2003, 1821; BGH FamRZ 2005, 1817). Dem Amtsgericht ist auch darin beizupflichten, dass dies im vorliegenden Fall nicht nur die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) betrifft, sondern auch die der gemeinsamen Kinder.

Zwar hat der BGH hierzu ausgeführt, dass den Kindern aus einer früheren Ehe des Unterhaltspflichtigen der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil zugute komme, weil im Verwandtenunterhalt grundsätzlich auf das tatsächlich vorhandene Einkommen und die reale Steuerbelastung abzustellen sei. Dem kann aber nur insoweit gefolgt werden, wie auch der neue Ehegatte als gleichrangig Unterhaltsberechtigter neben den Kindern aus einer früheren Ehe zu berücksichtigen ist. Ist dies aufgrund eines aus § 1582 BGB folgenden Vorranges des früheren Ehegatten nicht der Fall, hätte die Einbeziehung des Splittingvorteils bei der Berechnung des Kindesunterhalts die unausweichliche Folge, dass eine steuerliche Entlastung in die Unterhaltsberechnung einfließt, ohne dass gleichzeitig die damit verbundene Belastung berücksichtigt würde. Insofern ergäbe sich ein Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass eine fiktive Steuerlast dann in Ansatz zu bringen ist, wenn sich tatsächliche Aufwendungen steuermindernd auswirken, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind (BGH FamRZ 1987, 36, 37; FamRZ 1992, 1045; FamRZ 1999, 372; FamRZ 2004, 1177; FamRZ 2005, 1817; FamRZ 2005, 1159 , 1161). Dieser Grundsatz gilt auch für solche Zuwendungen und steuerliche Entlastungen, die allein aufgrund einer nachrangigen Unterhaltspflicht gewährt werden (BGH FamRZ 2005, 1817, 1820 - Kinderfreibetrag für ein Stiefkind).

Die bei Anwendung Splittingtabelle geringere Steuerlast folgt daraus, dass bei zusammen veranlagten Ehegatten das zu versteuernde Einkommen beiden Ehegatten zur Hälfte zugerechnet und die sich aus der Grundtabelle ergebende Einkommensteuer verdoppelt wird. Die steuerliche Entlastung ist folglich am höchsten, wenn nur einer der Ehegatten über steuerbare Einkünfte verfügt - dafür in der Regel aber auch aus seinem Einkommen den Lebensunterhalt für den anderen Ehegatten aufbringen muss. Umgekehrt ergibt sich aus der Zusammenveranlagung kein Splittingvorteil, wenn beide Ehegatten über gleich hohe Einkünfte verfügen (vgl. Schürmann FamRZ 2003, 1825, 1826). Die steuerliche Entlastung folgt allerdings nur zu einem geringen Teil aus der abgemilderten Progressionswirkung. Der Entlastungseffekt beruht vor allem auf dem in den Steuertarif eingearbeiteten Grundfreibetrag von derzeit 7.664 € (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG). In dieser Höhe unterliegt das Einkommen nicht der Einkommensteuer. Der für jeden Ehegatten zu berücksichtigende Grundfreibetrag bewirkt die von Verfassung wegen gebotene Freistellung des Existenzminimums von der Einkommensteuer (vgl. BVerfG FamRZ 1990, 865; FamRZ 1990, 955; FamRZ 1999, 291). Dementsprechend ist für den Lohnsteuerabzug (der nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer darstellt) in der Steuerklasse III der doppelte Grundfreibetrag von 15.328 € eingearbeitet (AnwKomm/Schürmann vor §§ 1577, 1578 RN. 211). Daraus resultiert die überwiegende Entlastung beim Splittingtarif. Bleibt der Unterhaltsbedarf des jetzigen Ehegatten (nach dem insoweit maßgeblichen steuerlichen Ansatz 638 EUR monatlich) aufgrund seines Nachrangs bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt, muss auch die auf der Steuerfreistellung seines Existenzminimums beruhende steuerliche Entlastung bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt bleiben. Eine andere Beurteilung wäre mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der neuen Ehe nicht zu vereinbaren. Der Steuerabzug nach dem Splittingtarif (entspr. Lohnsteuerabzug nach StKl. III) kann beim Verwandtenunterhalt daher nur dann zum Tragen kommen, wenn der Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen verheirateten Ehegatten gleich- oder vorrangig bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt wird (Palandt/Brudermüller 65. Aufl. § 1581 Rn. 9).

Das Einkommen des Beklagten ist nicht um die im Jahr 2005 ausgezahlte Steuererstattung zu erhöhen. Auch diese beruht - wie der Beklagte zu Recht bemerkt - allein auf seiner Wiederverheiratung, so dass insofern dieselben Erwägungen gelten, aufgrund derer der Splittingvorteil unberücksichtigt geblieben ist. Insofern ist nur ergänzend darauf zu verweisen, dass der Betrag durch das Sozialamt für Unterhaltsrückstände gepfändet worden ist und kein freies Einkommen des Beklagten darstellte.

Der Senat folgt der angefochtenen Entscheidung auch darin, dass für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit kein Raum ist. Der Beklagte geht einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach, die von ihm in der warmen Jahreszeit ein erhebliches Maß an Überstunden abverlangt. Der Arbeitseinsatz in den Wintermonaten ist wetterabhängig und damit unregelmäßig. Daraus resultierende Einkommensdifferenzen werden über ein Zeitkonto ausgeglichen, so dass sich keine sehr erheblichen Einkommensunterschiede ergeben. Mit dieser Verpflichtung genügt der Beklagte dem von ihm zu erwartenden Arbeitseinsatz, so dass für die Zurechnung eines fiktiven Nebenverdienstes kein Raum ist. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Wahrnehmung der Umgangskontakte für die Parteien eine große Bedeutung hat und dies den für eine Nebentätigkeit verfügbaren zeitliche Spielraum weiter einschränkt.

Vom Einkommen abzusetzen sind die vom Amtsgericht mit pauschal 250 EUR angesetzten Fahrtkosten. Diese rechtfertigen sich aufgrund der großen Entfernung des Beklagten zu seinem Arbeitsplatz sowie des mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Aufwandes. Angesichts einer zu seinem alten Arbeitgeber täglich zurückzulegenden Strecke von 70 km ist dieser Betrag ohnehin knapp bemessen und erweist sich nur deshalb als noch verhältnismäßig, weil der Beklagte eine bei der Einkommensberechnung unberücksichtigt gebliebene Steuererstattung von monatlich etwa 40 EUR zu erwarten hat.

Weiterhin abzusetzen sind 300 EUR, die der Beklagte unverändert auf die Verbindlichkeiten aus der Ehezeit gegenüber der Volksbank und seiner Mutter abträgt. Diese beruhen auf Restschulden, die nach Veräußerung des aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses der Eheleute errichteten Hausgrundstücks verblieben sind. Insofern sind die Klägerin zu 1) und der Beklagte für diese Verbindlichkeiten gleichermaßen verantwortlich. Sie haben die entsprechenden Verträge über die Tilgung der restlichen Verbindlichkeiten nach der Trennung im Januar 2003 gemeinsam unterzeichnet und damit einverständlich eine Regelung über die Verantwortlichkeit für die gemeinsam begründeten Schulden aus der Ehezeit getroffen. Seine Verpflichtungen hat der Beklagte bereits drei Jahre lang erfüllt, wobei es ihm gelungen ist die ursprüngliche Ratenhöhe durch eine Vereinbarung mit der Bank noch zu senken.

Von diesen Schulden kann sich der Beklagte nicht in einer ihm zumutbaren Weise entlasten. Den Klägern ist zwar darin beizupflichten, dass bei einer Restschuld von etwa 20.000 EUR und einem Tilgungsanteil von monatlich etwa 100 EUR eine noch lange nachwirkende Belastung besteht. Vor diesem Hintergrund mag die Einstellung der Zahlungen gegenüber der Volksbank mit dem Ziel der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens als wirtschaftlich sinnvolle Lösung erscheinen (vgl. BGH FamRZ 2005, 608). Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Voraussetzungen für ein solches Verfahren unter Berücksichtigung der bestehenden Unterhaltsverpflichtungen gegeben sind. Gleichwohl kann von dem Beklagten die Einleitung eines solchen Verfahrens nicht erwartet werden. Denn dies würde seinen Arbeitsplatz und seine eigene wirtschaftliche Existenz unmittelbar gefährden. Der Beklagte kann seinen Arbeitsplatz in zumutbarer Weise nur mit einem eigenen Kraftfahrzeug erreichen. Dies gilt sowohl für den bisherigen Arbeitsplatz wie auch aufgrund der gerichtsbekannt ungünstigen Anbindungen durch öffentliche Verkehrsmittel für seine neue Arbeitsstelle, zumal durch die wechselnden Arbeitszeiten in den Sommermonaten ein Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel praktisch undurchführbar ist. Da der Beklagte seinen PKW auf einen bis 2008 laufenden Kredit gekauft hat, muss er damit rechnen, dass ihm bei Einstellung seiner Zahlungen das Fahrzeug durch seine Gläubiger entzogen wird. Die mit weiteren Zahlungen auf den Ratenkredit verbundene Bevorzugung einzelner Gläubiger wäre unzulässig (§ 294 Abs. 2 InsO) und nicht mit dem angestrebten Ziel einer Restschuldbefreiung zu vereinbaren. Aber selbst wenn das Fahrzeug nicht sicherungsübereignet gewesen sein sollte und ihm dieses mit der Einstellung der Zahlungen nicht entzogen würde, hat die Aufrechterhaltung der Zahlungen für den Beklagten eine existenzielle Bedeutung. Denn mit der Zahlungseinstellung verlöre er seine Kreditwürdigkeit (vgl. Ungerer, FPR 2006, 81) und wäre nicht mehr in der Lage, sich in absehbarer Zeit ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Denn von keinem Geldgeber kann erwartet werden, dass er einem Schuldner ein Darlehen gibt, von dem er weiß, dass ihm nur sein unpfändbares Einkommen verbleibt. Dass der Beklagte zur Sicherung seiner eigenen Existenz darauf angewiesen ist, seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit zu erhalten, hat sich im Laufe des Verfahrens bereits deshalb ergeben, weil er - wie im Termin erörtert - sein altes Fahrzeug aufgrund eines Motorschadens gegen einen ebenfalls kreditfinanzierten PKW tauschen musste. Ohne Kraftfahrzeug wäre der Beklagte wiederum außerstande seiner Arbeit nachzugehen, so dass er Gefahr liefe, den gerade erst erhaltenen Arbeitsplatz wieder zu verlieren.

Die mit einer Zahlungseinstellung verbundenen Risiken sind für die wirtschaftliche Zukunft des Beklagten folglich so erheblich, dass ihm dieser Ausweg nicht eröffnet ist.

Die gleichen Erwägungen gelten für die bei seiner Mutter gezahlten Verbindlichkeiten. Auch diese stehen unbestritten mit der Ehezeit in Verbindung. Eine Änderung der für die Ausgangsentscheidung maßgeblichen Verhältnisse ist insoweit nicht eingetreten. Den Erhalt der Zahlung hat die Mutter des Beklagten bestätigt. Aber auch ein Verzicht auf diese Leistung hätte als freigiebige Leistung keinen Einfluss auf die Höhe der unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Verbindlichkeit.

Damit verbleibt dem Beklagten ein anrechenbares Nettoeinkommen von 995 EUR.

Dieses Einkommen ist allerdings nicht um weitere Aufwendungen für die Lebensversicherung und die private Krankenzusatzversicherung zu vermindern. Zwar ist die Lebensversicherung im Ausgangsverfahren leistungsmindernd berücksichtigt worden. Dies stand jedoch im Zusammenhang mit dem ihm seinerzeit fiktiv zugerechneten höheren Verdienst aus der Vergangenheit. Durch das tatsächlich geringere Einkommen hat sich für den Beklagten eine veränderte Situation ergeben, an die er auch sein Ausgabeverhalten anpassen musste. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Aufrechterhaltung der Zahlungen dem Beklagten schwerwiegende wirtschaftlichen Nachteilen bringt. Die Lebensversicherung ist nicht in die Finanzierung der Restschuld eingebunden, deren Erfüllung durch eine in der Kreditsumme enthaltene Risikolebensversicherung gesichert ist. Die Aussetzung der Leistungen ohne Kündigung des Vertrages ermöglicht ihm daher eine Anpassung seiner Zahlungen an sein verringertes Einkommen. Damit kann er die Aufwendungen der Lebensversicherungen den Klägern nicht länger entgegenhalten. Die Notwendigkeit der Zusatzkrankenversicherung ist nicht substantiiert dargelegt und konnte auch im Termin nicht geklärt werden, so dass auch dieser Aufwand unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben muss.

Damit erweist sich der Beklagte noch in Höhe eines Betrages von monatlich 100 EUR als leistungsfähig. Dieser Betrag ist in einem angemessenen Verhältnis - wie aus dem Tenor ersichtlich - auf die einzelnen Kläger aufzuteilen.

Für die Zeit ab März 2006 ergibt sich keine andere Beurteilung, da der Beklagte weiterhin über dasselbe Einkommen wie in 2005 verfügen wird. Die geringere Entfernung zu seinem Arbeitsplatz führt dazu, dass er aus diesem Aufwand keine Steuererstattung mehr zu erwarten hat, so dass sich auch hinsichtlich der zu berücksichtigenden Fahrtkosten keine Änderung ergibt.

Kein Unterhaltsanspruch besteht für die Monate Januar und Februar 2006, da der Beklagte in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit ersichtlich leistungsunfähig war.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil zu, weil er hinsichtlich der Einbeziehung des Splittingvorteils bei der Bemessung des Kindesunterhalts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht.

Ende der Entscheidung

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