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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 17.06.2002
Aktenzeichen: 15 U 15/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
Ein Vertrag über den Kauf einer Eigentumswohnung ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, wenn der Kaufpreis den Wert der Wohnung um mehr als das Doppelte übersteigt.
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes ! Urteil

Geschäfts-Nr.: 15 U 15/02

Verkündet am: 17.06.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX sowie die Richter am Oberlandesgericht XXX und XXX

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Januar 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Kläger haben mit ihrer Klage die Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz des Schadens, den sie bei Erwerb und Finanzierung einer Eigentumswohnung erlitten haben, verlangt.

Mit notariellem Vertrag vom 25. April 1997 kauften die Kläger, die sich durch den mit einer notariellen Vollmacht versehenen Bankkaufmann L. vertreten ließen, von der Beklagten eine Eigentumswohnung für 152.150,-- DM. Der Kaufpreis wurde durch Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 162.800,-- DM bei der B. H.- und W. - Bank AG finanziert. Nachdem die Kläger die Wohnung erstmals im Frühjahr 1998 besichtigt hatten, kamen sie zu dem Schluss, einen überhöhten Kaufpreis gezahlt zu haben. Ein von ihnen bei dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Osnabrück eingeholtes Gutachten ergab an den beiden Wertermittlungsstichtagen 25.04.1997 und 12.05.1999 einen Verkehrswert von 63.600,-- DM.

Die Kläger haben daraufhin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da die Beklagte versucht habe, eine minderwertige Wohnung zu einem überzogenen Kaufpreis zu veräußern. Der Kaufvertrag sei auch nichtig, weil der Kaufpreis in einem groben Missverhältnis zum Verkehrswert stehe.

Die Kläger haben beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 152.150,-- DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 24. September 1999 bis zum 30.04.2000 sowie ab dem 01.05.2000 in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums, verzeichnet im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichtes Bad Iburg von XXX,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.842,06 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 24.09.1999 bis zum 30.04.2000 sowie ab am 01.05.2000 in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz nach § 1des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 zu zahlen,

3. ihnen nachzulassen, etwaige Sicherheitsleistungen durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. ihr zu gestatten, eine von ihr zu erbringende Sicherheit durch eine Bürgschaft einer Deutschen Großbank zu leisten.

Sie ist der Auffassung gewesen, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung angemessen sei. Sie habe zuvor für den Erwerb des gesamten Hauses im August 1996 398.031,49 DM aufgewandt. Davon entfalle auf die Eigentumswohnung der Kläger ein anteiliger Betrag von 81.821,68 DM. Hinzu komme die Maklerprovision in Höhe von 21.411,25 DM, die sie für die Vermittlung des Weiterverkaufs an die Kläger, an L. und einen B. gezahlt habe. Weitere werterhöhende Maßnahmen von etwa 3.500,-- DM seien hinzuzurechnen. Auf den beanspruchten Schadensersatz müssten sich die Kläger die vereinnahmten Mieten anrechnen lassen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Wertermittlungsgutachtens über den Verkehrswert der von den Klägern erworbenen Eigentumswohnung im April 1997. Es hat sodann mit dem am 15. Januar 2002 verkündeten Urteil der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums stattgegeben; im Übrigen hat es die weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz unter Hinweis darauf, dass sich die Kläger die ihnen zugeflossenen Mieteinnahmen, die den beanspruchten Schadensersatz übersteigen, anrechnen lassen müssen, abgewiesen. Die Zahlung des Kaufpreises sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Kaufvertrag vom 25. April 1997 sei gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Verkehrswert des Wohnungseigentums nur 63.000,-- DM betragen habe, es sich mithin um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft gehandelt habe. Zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe objektiv ein auffälliges Missverhältnis. Subjektiv sei die verwerfliche Gesinnung der Beklagten zu vermuten, da ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Urteil auf einem unrichtigen bzw. nicht vollständig festgestellten Sachverhalt beruhe. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sei. Insbesondere seien die subjektiven Voraussetzungen weder festgestellt noch bewiesen. So sei übersehen worden, dass auf Seiten der Kläger der Bankkaufmann L. gehandelt habe. Damit habe ein Geschäft unter Gewerbetreibenden vorgelegen. Die Kläger seien somit darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die subjektiven Voraussetzungen auf Seiten der Beklagten vorgelegen haben. Unter Berücksichtigung der Gesamterwerbskosten der Beklagten in Höhe von 106.828,25 DM fehle es auch an einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Für die Beurteilung des krassen Äquivalenzmissverhältnisses komme es nicht auf die Gesamterwerbskosten der Beklagten an, sondern auf den vom Sachverständigen festgestellten objektiven Verkehrswert. Da die Beklagte keine Umstände vorgetragen habe, die gegen eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten der Beklagten sprechen könnten, sei diese aufgrund des festgestellten krassen Äquivalenzmissverhältnisses rechtsfehlerfrei festgestellt worden. Es sei auch ohne Belang, dass für die Kläger der Bankkaufmann L. gehandelt habe. Entscheidend sei die zu beurteilende Gesinnung auf Seiten der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 77.793,06 € Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

Zu Recht nimmt das Landgericht an, dass der Kaufvertrag nichtig ist, weil der Verkehrswert des Wohnungseigentums zum Stichtag 25.04.1997 nur 63.000,-- DM betragen hat und der gezahlte Kaufpreis von 152.150,--DM hierzu in einem krassen Missverhältnis steht. Der Verkehrswert ergibt sich aus dem überzeugend begründeten Wertermittlungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. R., welches von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird. Für die Richtigkeit dieses Gutachtens spricht auch der Umstand, dass das von den Klägern bei dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Osnabrück in Auftrag gegebene Gutachten zu einem fast identischen Verkehrswert gelangt.

Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und allein daraus schon auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners geschlossen werden kann. Für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und die daran anknüpfende Vermutung der verwerflichen Gesinnung kommt es allein auf die objektiven Werte dieser Leistungen an (vgl. BGH NJW-RR 1990, 950 m. w. N.). Von einem solchermaßen groben Missverhältnis, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt, ist bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung (vgl. BGH NJW 2001, 1127, 1128 m. w. N.). Diese Schlussfolgerung leitet sich aus dem Erfahrungssatz her, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not - oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand - zugestanden werden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt. Vorliegend hat der Sachverständige festgestellt, dass der Verkehrswert des Wohnungseigentums lediglich 41,4 % des Kaufpreises betragen hat. Danach ist unter Berücksichtigung der obigen Voraussetzungen von einem groben Missverhältnis auszugehen, welches den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, ihre Gesamterwerbskosten für dieses Wohnungseigentum hätten sich auf 106.828,25 DM belaufen und deshalb liege bei einer "Gesamtwürdigung" zwischen den beidseitigen Gesamtleistungen kein Missverhältnis mehr vor, kann sie keinen Erfolg haben. Maßgeblich sind allein die Wertverhältnisse zwischen Kaufobjekt und Kaufpreis. Hier ist allein der ermittelte Verkehrswert von 63.000,-- DM zu dem bezahlten Kaufpreis von 152.150,-- DM ins Verhältnis zu setzen.

Ferner kann der Beklagten nicht gefolgt werden, wenn sie meint, der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB sei nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden. Die Beklagte ist aufgrund ihrer Tätigkeit im Immobiliengewerbe hinreichend sachkundig. Sie kannte den Kaufgegenstand. Nicht zuletzt wegen der hohen finanziellen Aufwendungen, die mit einem Wohnungseigentumserwerb verbunden sind, wird sich die Beklagte vor Vertragsschluss etwa durch Beobachtung des Grundstücksmarkts oder Einholung sachverständiger Auskünfte zumindest grundlegende Kenntnisse von den Marktpreisen verschafft haben. Die Beklagte war durchaus in der Lage, dieses für sie außergewöhnlich vorteilhafte Geschäft zu erkennen.

Zur Widerlegung der sich aus dem objektiven Wertverhältnis ergebenden Vermutung ihrer "verwerflichen Gesinnung" vermag die Beklagte nichts Überzeugendes aufzuzeigen. Allein durch ihren Hinweis darauf, dass es sich hier um ein Geschäft zwischen Gewerbebetreibenden gehandelt habe, da auf Seiten der von den Klägern notariell bevollmächtigte Bankkaufmann L. tätig geworden ist, wird diese Vermutung nicht entkräftet. Entscheidend ist hier allein die Gesinnung auf Seiten der Beklagten. Aber auch der weitere Hinweis, dass zwischen der Beklagten und dem Bankkaufmann L. kein Auftragsverhältnis bestanden habe und dieser nur dieses eine Rechtsgeschäft zwischen der Beklagten und den Klägern vermittelt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Darauf kommt es nicht an. Allein dieses eine Rechtsgeschäft reicht aus. Insofern brauchte über diese Frage kein Beweis erhoben zu werden, zumal die Beklagte selbst vorgetragen hat, dass L. den Vertrag mit den Klägern vermittelt, dafür von ihr ein Honorar erhalten und mithin wirtschaftlich gesehen eher im Lager der Beklagten stand.

Dievon der Beklagten unstreitig gezahlten Provisionen in Höhe von insgesamt 21.411,25 DM, wovon der Bankkaufmann L. 11.411,25 DM Maklerprovision erhalten hat, sind ein weiteres Indiz für eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten der Beklagten. Die gesamte Provision machte immerhin 14 % des Verkaufserlöses aus. Zutreffend hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass die üblicherweise bei derartigen Geschäften gezahlte Maklerprovision 3 % zuzüglich Mehrwertsteuer betrage. Bezogen auf das hier getätigte Rechtsgeschäft würde sich die Provision auf 5.249,18 DM belaufen. Damit hat die Beklagte eine viermal so hohe Maklerprovision wie üblich gezahlt.

Nach alledem erweist sich die Berufung als unbegründet.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 StPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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