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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 03.06.2009
Aktenzeichen: 2 SsBs 47/09
Rechtsgebiete: DüngemittelG, LFGB, SaatG, PflSchG


Vorschriften:

DüngemittelG § 8 Abs. 2
DüngemittelG § 10 Abs. 2 Nr. 4
LFGB § 42 Abs. 2 Ziff. 4
SaatG § 59
PflSchG § 38 Abs. 1
Abfallmakler gehören zum Kreis der gem. § 8 Abs. 2 DüngemittelG (a. F.) auskunftspflichtigen Personen.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

2 SsBs 47/09

In dem Bußgeldverfahren

hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg am 03. Juni 2009 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 1 OWiG) gemäß den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 11.12.2008 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 11.12.2008 sind gegen den Betroffenen 8 Geldbußen von jeweils 500,00 € wegen 8 vorsätzlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach dem Düngemittelgesetz (a.F.) verhängt worden. Es handelte sich jeweils um die Verweigerung einer Auskunftserteilung nach § 8 Abs. 2 DüngemittelG.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen wurde der Betroffene - von Beruf Landwirt und Abfallmakler - im Jahre 2007 als Betreiber der ... durch eine Vielzahl von Schreiben der Landwirtschaftskammer Oldenburg aufgefordert, Auskunft über die Menge von Wirtschaftsdünger (Gülle und Gehrreste) zu erteilen, die er in bestimmten Zeiträumen von verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben und Biogasanlagen abgeholt hatte, sowie darüber, welche Betriebe diesen Wirtschaftsdünger aufgenommen haben. Des Weiteren wurde ihm aufgegeben, mitzuteilen, ob ihm und den Aufnehmern die Nährstoffgehalte des Wirtschaftsdüngers bekannt waren, und diese gegebenenfalls anzugeben. Daneben wurde er jeweils angewiesen, die entsprechenden Lieferscheine und Frachtpapiere beizufügen. Weder erteilte er die angeforderten Auskünfte, die nach den Feststellungen des Amtsgerichts zur ordnungsgemäßen Durchführung der Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen der Verwaltungsbehörde nach dem Düngemittelgesetz und der Düngeverordnung erforderlich waren, noch legte er entsprechende Belege vor.

Das Amtsgericht hat ihn als zur Auskunftserteilung verpflichtet angesehen, jedoch dahinstehen lassen, ob ihn darüber hinaus eine Verpflichtung traf, die angeforderten Belege zu übersenden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der allein erhobenen Sachrüge lässt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Der Betroffene hat vorsätzlich eine ihm gemäß § 8 Abs. 2 DüngemittelG alter Fassung (im folgenden: DüngemittelG) obliegende Auskunftspflicht verletzt und damit gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 DüngemittelG in 8 Fällen ordnungswidrig gehandelt. § 8 Abs. 2 DüngemittelG bestimmt, dass natürliche und juristische Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen den zuständigen Behörden auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen haben, die zur Durchführung der den Behörden durch den ersten Abschnitt des Düngemittelgesetzes oder aufgrund dieses Abschnittes übertragenen Aufgaben erforderlich sind.

Dass er durch die Landwirtschaftskammer in den durch das Amtsgericht im Urteil im Einzelnen differenziert dargestellten Fällen zur Erteilung der genannten Auskünfte aufgefordert worden und dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, hat der Betroffene bereits erstinstanzlich eingeräumt und im Zuge seiner Ausführungen zur Begründung der Rechtsbeschwerde erneut bestätigt.

Die von der Landwirtschaftskammer als zuständiger Behörde erforderten Auskünfte zur Menge, zu den Nährstoffgehalten und zum Verbleib des Düngers waren, wie auch der Betroffene nicht in Zweifel zieht, zur Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben erforderlich.

Gemäß § 8 Abs. 1 DüngemittelG wird die Einhaltung der Vorschriften des Düngemittelgesetzes und der aufgrund des ersten Abschnittes erlassenen Rechtsverordnung sowie unmittelbar geltender Rechtsakte der europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Düngemittelrechts durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden, im vorliegenden Falle die Landwirtschaftskammern, überwacht. § 1 a DüngemittelG regelt, dass Düngemittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden dürfen, wozu unter anderem gehört, dass die Düngung nach Art, Menge und Zeit auf den Bedarf der Pflanzen und des Bodens unter Berücksichtigung der im Boden verfügbaren Nährstoffe und organischen Substanz sowie der Standort und Anbaubedingungen ausgerichtet ist. Durch § 1 a Abs. 3 DüngemittelG wurde das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Sinne des Abs. 2 sowie flächenbezogene Obergrenzen für das Aufbringen von Nährstoffen aus Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft näher zu bestimmen. Auf dieser Grundlage ist die Düngeverordnung vom 10.01.2006 erlassen worden, welche unter anderem die gute fachliche Praxis bei der Anwendung von Düngemitteln unter Vermindern von stofflichen Risiken durch die Anwendung von Düngemitteln auf landwirtschaftlich genutzten Flächen regelt. § 4 Abs. 3 der DüV enthält Sondervorschriften für Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft, zu welchen gemäß § 1 Ziff. 2 DüngemittelG auch die vorliegend transportierte Gülle zählt. Die aufgebrachte Menge an Gesamtstickstoff darf im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebes ein bestimmtes Maß nicht überschreiten.

Eine hinreichend effektive Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften ist ersichtlich nur dann möglich, wenn die zuständige Behörde nicht nur Feststellungen zu den jeweils im eigenen Betrieb produzierten Düngemittelmengen zu treffen vermag, sondern darüber hinaus auch solche zu Menge, Art und Nährstoffgehalt des durch die Vermittlung eines Abfallmaklers zum Eigengebrauch zusätzlich erworbenen Düngers. Dies wiederum setzt voraus, dass korrespondierende Auskünfte von Abfallmaklern eingeholt werden können.

Der Betroffene unterfällt auch dem gemäß § 8 Abs. 2 DüngemittelG auskunftspflichtigen Personenkreis.

Die offene Formulierung des § 8 Abs. 2 DüngemittelG führt nicht dazu, dass die an die Auskunftspflicht anknüpfende Bußgeldnorm mangels hinreichender Bestimmtheit als unwirksam anzusehen wäre. Vielmehr ist die Vorschrift des § 8 Abs.2 DüngemittelG einer Auslegung zugänglich (vgl. zu § 42 LFGB: Zipfel/Rathke-Gründig, Lebensmittelrecht, § 42 LFGB Rn. 68). Es ist ausreichend, wenn Tragweite und Anwendungsbereich eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes aus der Norm erkennbar und durch Auslegung zu ermitteln und zu konkretisieren sind (BVerfG NJW 2007, 1666. Hentschel/König/DauerKönig Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, Einl. Rn. 78). Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks sowie der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu erfolgen. Der materielle Gehalt der Vorschrift kann die Reichweite des Tatbestands einengen, aber auch ausdehnen (Göhler-Gürtler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Auflage, § 3 Rn. 6).

Vom Wortlaut her schränkt § 8 Abs. 2 DüngemittelG den Kreis derjenigen, welche auf Verlangen zur Auskunft verpflichtet sind, nicht weiter ein. Eine derart offen gehaltene Formulierung findet sich in gleicher oder ähnlicher Weise etwa in § 38 Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG), in § 59 des Saatgutverkehrsgesetzes (SaatG) sowie in § 42 Abs. 2 Ziff. 4 des Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Die Formulierung lässt deutlich werden, dass dem Gesetzgeber daran gelegen war, eine möglichst weit reichende, allgemeine Auskunftspflicht festzulegen, um eine sachgerechte Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben zu ermöglichen (vgl. zum PflschG: Lorz, Pflanzenschutzrecht, Anm. 1 zu § 38 PflschG,). Ein dahingehendes Bedürfnis ergibt sich insbesondere daraus, dass Inhalt, aber auch Adressatenkreis der Auskunftspflicht mit Rücksicht auf die in den Gesetzen verankerten Ermächtigungsnormen für den Verordnungsgeber sowie die Einbeziehung unmittelbar geltender Rechtsakte der europäischen Gemeinschaften nicht von vornherein abschließend festgelegt werden können.

Die Auskunftspflicht betrifft nicht lediglich Personen, denen das Düngemittelgesetz sonstige konkrete Verhaltenspflichten auferlegt, und ist ebenso wenig auf Kenntnisse beschränkt, welche im Zusammenhang mit diesen Verhaltenspflichten stehen. Ein dahingehendes Verständnis liefe dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider. In den Adressatenkreis müssen zumindest auch diejenigen Personen einbezogen werden, welche ersichtlich schon aufgrund ihrer Einbindung in die von den gesetzlichen Vorschriften betroffenen Vorgänge über bedeutsame Informationen verfügen, die die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften betreffen. Dies trifft auf sogenannte Abfallmakler zu. Deren Kenntnisse im Zusammenhang mit der Belieferung landwirtschaftlicher Betriebe sind grundsätzlich für die Überprüfung der Einhaltung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis beim Düngen relevant. Dem steht nicht entgegen, dass vor Erteilung der Auskunft noch nicht bekannt ist, ob es tatsächlich zu einer überwachungspflichtigen Anwendung durch Aufbringung des ausgelieferten Düngemittels gekommen ist. Die Auskünfte dienen gerade auch der Feststellung, ob eine Anwendung vorliegt, welche weitergehende Untersuchungen erforderlich erscheinen lässt. Abweichendes ergibt sich ebenso wenig aus dem Umstand, dass sich die - den Regelungsgehalt des Düngemittelgesetzes nicht erschöpfende - Düngeverordnung möglicherweise lediglich an Anwender richtet.

Auch soweit sich der Betroffene darauf beruft, eine derartige Auslegung stehe nicht damit in Einklang, dass der Erlass des Düngemittelgesetzes vorrangig der Beseitigung von Handelshemmnissen habe dienlich sein sollen, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. In seiner ursprünglichen Fassung enthielt das Düngemittelgesetz ausschließlich Vorschriften, welche sich mit dem In-Verkehr-Bringen von Düngemitteln befassten. Erst mit einer Gesetzesänderung vom Juli 1989 wurde § 1 a des DüngemittelG eingefügt, welcher Regelungen betreffend die Anwendung von Düngemitteln enthält. Hierdurch wurde der Regelungszweck des Gesetzes ersichtlich erweitert, so dass den Hintergründen des Erlasses des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung kein ausschließlicher Charakter beigemessen werden kann.

Die Tatsache, dass das Düngegesetz vom 09.01.2009, welches das Düngemittelgesetz abgelöst hat, unter § 4 ("Verbringen") eine Ermächtigungsnorm enthält, welche den Erlass von Vorschriften über Aufzeichnungs-, Melde-, Mitteilungs- und Aufbewahrungspflichten bezüglich des Verbringens von Düngermitteln zulässt und ausweislich der Gesetzesbegründung unter anderem dazu bestimmt ist, die Abgabe von Gülle durch flächenlose Betriebe zu erfassen, um deren sachgerechte Verwertung überwachen zu können, vermag keine grundlegenden Erkenntnisse betreffend die Reichweite der Auskunftspflicht nach dem Düngemittelgesetz zu vermitteln. Die in § 4 DüngeG vorgesehenen Regelungen gehen weit über eine bloße Auskunftspflicht hinaus, wie auch der durch den Betroffenen eingereichte Entwurf einer Satzung über das Verbringen von Wirtschaftsdüngern deutlich werden lässt. Die Schlussfolgerung, einer derartigen Ermächtigung hätte es nicht bedurft, sofern bereits das Düngemittelgesetz eine Auskunftspflicht statuiere, ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Allerdings trifft es zu, dass eine Rechtsgrundlage für die Anforderung von Belegen seitens der Behörden nicht gegeben war. Eine Vorlage geschäftlicher Unterlagen sieht § 8 DüngemittelG lediglich im Zusammenhang mit betrieblichen Prüfungen durch Behördenmitarbeiter gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 DüngemittelG vor. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass auch die Verweigerung der Auskunft nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnte. Die mit der zulässigen Aufforderung zur Auskunftserteilung verbundene zusätzliche Aufforderung zur Vorlage der Lieferscheine und Frachtpapiere ist mit ersterer nicht untrennbar verbunden, sondern stellt sich als selbständiger Teil der Anordnung dar. Die nach Abtrennung der unwirksamen Anforderung verbleibende Restregelung kann als selbständiger Verwaltungsakt für sich fortbestehen. Da im Verwaltungsrecht die Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes die Regel, seine Gesamtnichtigkeit die Ausnahme sein soll (vgl. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Auflage, § 15 Rnr. 31) und ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Verwaltungsbehörde das Auskunftsverlangen auch ohne die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen erlassen hätte, stellt sich dieses weiterhin als wirksam dar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 473 StPO i. V. m. 46 OWiG.

Ende der Entscheidung

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