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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 05.07.2005
Aktenzeichen: 2 U 49/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
Keine Wiedereinsetzung bei unzureichendem Fristenkalender.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

2 U 49/05

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richter ... , ... , und ...

am 5. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichtes Oldenburg vom 09.03.2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 09.03.2005 wird verworfen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschl. der Kosten des Verfahrens auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin zu tragen.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 2.739,98 Euro.

Gründe:

Durch Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Oldenburg vom 09.03.2005 ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 889,65 Euro zu zahlen. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 24.03.2005 zugestellt worden.

Mit einem am 25.04.2005 (Montag) eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2005, am selben Tage eingegangen, ist die Berufung begründet worden.

Gleichzeitig hat die Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt.

Sie macht geltend, die Überwachung von Notfristen im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten sei so organisiert, dass derartige Fristen von der Büroangestellten Frau J ... sofort bearbeitet würden. Diese notiere die Frist in einem besonderen Fristenkalender und trage zusätzlich vier Tage vor Fristablauf eine Vorfrist ein, jeweils mit einem auffälligen Hinweis. Bei Ablauf der Vorfrist werde die Sache dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem auffälligen Vermerk "Fristsache" vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufes werde die Erledigung überprüft und die Sache, wenn sie noch nicht erledigt sei, noch einmal mit einem auffälligen Aufkleber in der gleichen Weise vorgelegt. Vor Büroschluss werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht.

Hier habe die ansonsten zuverlässige Mitarbeiterin versehentlich die Fristvorlage am 20.05.2005 (Vorfrist) versäumt, ebenso die Vorlage am 24.05.2005 (Fristablauf), da die Seite, auf der die Frist notiert gewesen sei, bereits mit einer Büroklammer versehen gewesen sei, was im Büro des Prozeßbevollmächtigten üblich sei, wenn die Fristen bearbeitet worden seien, so dass die Akte am Tage des Fristablaufes dem bearbeitenden Rechtsanwalt nicht vorgelegt worden sei. Bei der Angestellten Frau J ... handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die - wie regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten ergeben hätten - den Kalender seit fast zwei Jahren sorgfältig und fehlerlos geführt habe.

Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung von Frau J ... beigefügt.

Auf Aufforderung des Senates, hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Fristenkalender im Original zur Einsichtnahme vorgelegt.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs 1 ZPO zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist war nicht zu gewähren. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung einzuhalten. Sie muß sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen. Das diesen an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft, ist nicht glaubhaft gemacht.

Das vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Fristenbuch ist ein Oktavheft, Format DIN A 5, das auf jeder Seite (Vor und Rückseite) vier Fristen enthält. Notiert sind jeweils die Vorfrist und der Tag des Fristablaufes.

Die Fristen für die hier vorliegende Sache sind dergestalt notiert, dass im ersten Viertel der Seite für die Berufung eine Vorfrist auf den 19.04.2005 notiert war und der Fristablauf zur Einlegung der Berufung auf den 25.04.2005. Die Vorfrist für die Berufungsbegründung war notiert auf den 20.05.2005, der Fristablauf auf den 24.05.2005, beides im zweiten Viertel der Seite.

Auf derselben Seite war im dritten Viertel in einer anderen Sache eine Vorfrist auf den 28.04.2005 notiert, Fristablauf 29.04.2005. Die vierte Sache auf dieser Seite (viertes Viertel) hatte eine Vorfrist 06.04.2005, Fristablauf war der 11.04.2005.

Die vier auf einer Seite des Fristenkalenders notierten Fristen sind somit zeitlich in keiner Weise zusammenhängend. Um zu kontrollieren, ob an einem bestimmten Tag eine Frist abläuft, ist daher das gesamte Durchblättern derjenigen Seiten des Fristenkalenders erforderlich, die nicht durch eine weiße Heftklammer zusammengeheftet sind. Die weiße Klammer signalisiert, dass sich auf diesen zusammengehefteten Seiten keine laufenden Fristen mehr befinden. Es ist nicht möglich, an einem bestimmten Tag auf einen Blick zu sehen, ob und ggfls. welche Fristen an diesem Tag ablaufen. Darüber hinaus sind die Vorfrist und der eigentliche Fristablauf in demselben "Viertel" der jeweiligen Seite des Fristenbuches notiert worden. Damit hat sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin für den Fall der hier geltend gemacht wird, dass nämlich durch das irrtümliche Setzen der weißen Klammer signalisiert wird, dass sich keine laufenden Fristen mehr in diesem Bereich befinden, der Möglichkeit begeben, diesen Fehler am Tage des eigentlichen Fristablaufes zu bemerken. Bei Notierung der Fristen in einem "normalen" Kalender wäre hier auf der Seite vom 20.05.2005 die Vorfrist erschienen und am 24.05.2005 der eigentliche Fristablauf. Bei dem System des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ist jedoch bereits bei einmaligem fehlerhaften Setzen der weißen Büroklammer die Fristwahrung nicht mehr gewährleistet. Hinzu kommt, dass es bei einem unbeabsichtigten Herausrutschen der Klammer ohne weiteres passieren kann, dass diese bei der Wiederanbringung auch eine Seite miterfaßt, auf der noch eine laufende Frist notiert ist.

Insgesamt ist durch das System des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine zuverlässige Einhaltung von Fristen nicht gewährleistet.

Im übrigen ergibt sich folgende Ungereimtheit, ohne das es darauf noch ankäme:

Auf der hier interessierenden Seite des Fristenbuches ist die bereits oben angesprochene Frist in der dritten Sache der Seite (Vorfrist 28.04.2005, Fristablauf 29.04.2005) gelb gemarkert. Ein solches "Markern" soll ausweislich des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 28.06.2005 dann erfolgen, wenn sich einzelne Fristen auf einer fast abgearbeiteten Seite befinden und diese Fristen eine deutlich längere Laufzeit haben. Tatsächlich war die späteste Frist auf dieser Seite jedoch diejenige der vorliegenden Sache, nämlich der Ablauf der Begründungsfrist am 24.05.2005 (s.o.). Das Streichen dieser Frist soll ausweislich des vorgenannten Schriftsatzes erfolgt sein, als der Fristablauf dem Prozeßbevollmächtigten bekannt geworden sei. Das war allerdings erst am 26.05.2005 durch einen Anruf seitens des Oberlandesgerichtes beim Prozeßbevollmächtigten der Klägerin der Fall. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Frist noch nicht gestrichen war, ist unverständlich, weshalb die geraume Zeit vorher ablaufende Frist in der dritten Sache gelb markiert ist, nicht aber die Berufungsbegründungsfrist in dieser Sache.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 Abs 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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