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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 07.07.1999
Aktenzeichen: 2 U 98/99
Rechtsgebiete: BGB, HOAI


Vorschriften:

BGB § 635
HOAI § 15 I Nr. 8
Leitsatz:

Ein zur Bauaufsicht (Objektüberwachung) verpflichteter Architekt hat sich nach Fertigstellung von Estricharbeiten vor Beginn der anschließenden Parkettverlegung zumindest durch eine Gitterritzprüfung Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der Estrichboden als Untergrund für den vorgesehenen Belag geeignet ist.


Oberlandesgericht Oldenburg IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

Geschäftsnummer: 2 U 98/99 5 O 240/97 LG Oldenburg

Verkündet am 07.07.1999

Justizangestellte, als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 1999 durch die Richter und für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. März 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. (3.) Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Das am 23. April 1997 verkündete Versäumnisurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg (3 O 240/97) wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 15.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. März 1997 zu zahlen. Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Zahlungsklage abgewiesen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden aus der fehlerhaften Überwachung der Gewerke Estrich- und Parkettarbeiten im Wohn- bzw. Büroteil des Erdgeschosses des Hauses zu ersetzen.

Der Beklagte trägt die durch seine Säumnis im Termin vom 23. April 1997 veranlaßten Kosten.

Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5/9 und der Beklagte 4/9. Die Klägerin trägt zudem 5/9 der durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten; die übrigen Kosten der Streithilfe tragen die Streithelferinnen selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 45.000,-- DM.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keinen Beteiligten 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch aus einem Architektenvertrag geltend.

Sie erwarb Ende 1992/Anfang 1993 ein altes Bauernhaus in. Das Haus sollte umgebaut und saniert werden. Zwecks Durchführung der notwendigen Arbeiten schloß sie mit dem Beklagten einen umfassenden Architektenvertrag. Der Beklagte veranlaßte u.a. im Auftrag der Klägerin die Verlegung eines Parkettfußbodens. Dazu wurde in Teilen der Räumlichkeiten des Hauses von der Streithelferin zu 1) zunächst ein neuer Zementestrich eingebracht. Die Streithelferin zu 2) verlegte anschließend das Parkett, welches sich später vom neu erstellten Estrich löste.

Die Klägerin hat vorgetragen: Der Zementestrich sei für die Verlegung des Parketts nicht geeignet gewesen. Dafür sei der Beklagte mitverantwortlich, da er seine Pflicht zur Bauaufsicht verletzt habe.

Das Landgericht hat durch Versäumnisurteil vom 23.04.1997 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 45.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07.03.1997 zu zahlen. Nach fristgerechtem Einspruch des Beklagten hat die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte und die Streithelferinnen haben beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen: Es sei nicht Aufgabe des Architekten, die Estrichmischung zu überprüfen. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, vor Einbringung des Parkettbodens eine Gitterritzprobe und eine Feuchtigkeitsüberprüfung vorzunehmen.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf das am 25.03.1999 verkündete Urteil wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und das Versäumnisurteil vom 23.04.1997 aufrechtzuerhalten,

hilfsweise für den Fall, daß die Zahlungsklage nur teilweise Erfolg haben sollte, festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr allen weiteren Schaden aus der fehlerhaften Überwachung der Gewerke Estrich- und Parkettarbeiten im Wohn- bzw. Büroteil des Erdgeschosses des Hauses in zu ersetzen.

Der Beklagte und die Streithelferinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB in Höhe von 15.000,-- DM. Ferner erweist sich der erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise geltend gemachte Feststellungsanspruch als begründet.

Der Beklagte ist für die Mangelhaftigkeit des Parkettfußbodens verantwortlich, da er seine aufgrund des Architektenvertrags bestehende Pflicht zur Objektüberwachung (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 8 HOAI) verletzt hat. Hätte er pflichtgemäß gehandelt, wäre der eingetretene Schaden nicht entstanden.

1. Ein zur Bauaufsicht (Objektüberwachung) verpflichteter Architekt hat Sorge dafür zu tragen, daß der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Der Umfang der Bauaufsichtspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Übliche und einzelne Bauarbeiten muß der Architekt in der Regel jedenfalls nicht direkt überwachen. Kritische Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werks abhängt, sind dagegen persönlich oder durch einen erprobten Erfüllungsgehilfen unmittelbar zu kontrollieren. Zumindest muß der Architekt sich nach Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsgemäßheit überzeugen (BGH BauR 1971, 131, 132; BGH NJW 1977, 898, 899; BGH BauR 1994, 392, 393; Werner-Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl., Rdn. 1498 ff.; Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rdn. 26 d; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rdn. 203 ff).

Danach gilt hier folgendes: Es kann dahinstehen, ob der Beklagte während der Erstellung des Estrichs hätte anwesend sein oder durch Probenentnahmen sich von dem richtigen Mischungsverhältnis des Estrichs hätte überzeugen müssen. Jedenfalls war er verpflichtet, vor Beginn der Parkettverlegung sich zumindest durch eine einfache Gitterritzprüfung Gewißheit darüber zu verschaffen, daß der Boden als Untergrund für den vorgesehenen Belag geeignet war.

Bei neu eingebrachtem Estrich und anschließenden Parkettverlegungsarbeiten kommt es nämlich nicht selten zu einer insgesamt mangelhaften Werkleistung aufgrund einer nicht ausreichenden Festigkeit des Untergrunds. Dies ist dem Senat aus einschlägigen Rechtsstreitigkeiten geläufig; bestätigt wird diese Erfahrung vorliegend auch durch die Ausführungen des Sachverständigen F in seinem im ersten Rechtszug erstellten schriftlichen Gutachten vom 10.09.1998. Darin hat der Sachverständige u.a. ausgeführt, bei baustellengemischtem Estrich komme es häufig zu Fehlern, wenn zuviel Wasser zugegeben werde, um die Fließfähigkeit zu verbessern, oder die Zuschlagstoffe bereits durch Niederschläge einen zu hohen Wassergehalt aufwiesen und dadurch der an sich richtige Wasser-Zementfaktor verwässert werde. Eine weitere mögliche Fehlerquelle, die hier nach den Ausführungen des Sachverständigen mit großer Wahrscheinlichkeit schadensursächlich ist, liegt zudem darin, daß die Oberflächenfestigkeit des Estrichs durch zu rasches Austrocknen beeinträchtigt wird. Zu bedenken ist ferner, daß erfahrungsgemäß nach Ausführung der Parkettverlegearbeiten die genaue Ursache später auftretender Mängel nur schwer festgestellt werden kann (BGH BauR 1994, 392). Der Zeitpunkt der Fertigstellung des Estrichs vor Verlegung des Parketts stellt sich mithin als typisch kritischer Bauabschnitt dar. Unter diesen Umständen muß ein die Bauaufsicht führender Architekt nach Abschluß der Estricharbeiten die Oberfläche des Bodens zumindest durch Ritzprüfungen auf ihre ordnungsgemäße Festigkeit überprüfen, zumal eine solche Untersuchung ohne großen Aufwand schnell und einfach durchzuführen ist.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten eine gegenteilige Rechtsansicht vertreten hat, welcher das Landgericht gefolgt ist. Es handelt sich insoweit um eine Rechtsfrage, die allein vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu beantworten ist.

2. Hätte der Beklagte selbst mit der gebotenen Sorgfalt die Ritzproben durchgeführt, hätte der eingetretene Schaden durch eine Mängelbeseitigung vor der Verlegung des Parketts vermieden werden können. Dies steht aufgrund des im ersten Rechtszug erstellten Sachverständigengutachtens, auf welches verwiesen wird, ebenfalls fest.

Aus dem Gutachten folgt insbesondere, daß das im Wohnteil des Hauses verlegte Parkett sich abgelöst hat. Ursächlich dafür ist eine sowohl an der Oberfläche als auch in tieferen Schichten zu geringe Estrichhärte. Die zu geringe Festigkeit beruht entweder auf einer zu raschen Austrocknung des Estrichs oder einem falschen Mischungsverhältnis bei dessen Herstellung. Jedenfalls hätte der Mangel durch Ritzproben an der Oberfläche vor Verlegung des Parketts festgestellt werden können.

Der Richtigkeit dieser Ansicht des Sachverständigen steht die Aussage des im ersten Rechtszug vernommenen Geschäftsführers der Streithelferin zu 2), des Zeugen B nicht entgegen. Zwar hat der Zeuge bekundet, er habe vor Verlegung des Parketts Ritzproben durchgeführt und festgestellt, daß eine ausreichende Härte des Estrichs vorhanden gewesen sei. Jedenfalls letzteres ist durch die Feststellungen des Sachverständigen widerlegt. Sollte der Zeuge B tatsächlich Ritzproben vorgenommen haben, hat er diese Proben entweder nicht mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt oder das Ergebnis seiner Prüfungen falsch bewertet.

3. Die Höhe des - jedenfalls zur Zeit - zu ersetzenden Schadens beträgt nur 15.000,-- DM. Die weitergehende Berufung ist folglich unbegründet, soweit Zahlung begehrt wird. Der Sachverständige hat in seinem im ersten Rechtszug erstellten Gutachten die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf 15.000,-- DM geschätzt. Dagegen bringt die Berufung, außer der Behauptung, die Feststellungen des Sachverständigen seien nicht richtig, nichts vor. Es besteht kein Anlaß zu einer erneuten Begutachtung, § 412 ZPO.

4. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB.

5. Der Feststellungsanspruch ist begründet. Das insoweit allein erörterungsbedürftige Feststellungsinteresse (vgl. dazu z.B. Werner-Pastor Rdn. 433 ff.) der Klägerin liegt vor, denn die voraussichtlichen tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten sind nicht genau feststellbar, sondern nur ungefähr zu schätzen, so daß die Entstehung eines Schadens, der über den vom Sachverständigen geschätzten Betrag hinausgeht, nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheint.

6. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 101, 344, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 und 2 ZPO. Wertmäßig fällt der erfolgreiche Feststellungsantrag anteilig mit einem Betrag von 5.000,-- DM ins Gewicht.

Ende der Entscheidung

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