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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 2 UF 110/07
Rechtsgebiete: IntFamRVG, ZPO


Vorschriften:

IntFamRVG § 13
IntFamRVG § 12
ZPO § 621 e
Zur Auslegung von § 13 Abs. 3 IntFamRVG im Beschwerdeverfahren.

Hat das Amtgericht die Abgabepflicht nach § 13 Abs. 3 IntFamRVG missachtet, und liegt das nach § 13 Abs. 1 IntFamRVG zuständige Gericht nicht im Bezirk des mit der Beschwerde angerufene Oberlandesgerichts, so ist § 13 Abs. 3 IntFamRVG dahin auszulegen, dass die Abgabepflicht auch im Beschwerdeverfahren zu beachten ist.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss

2 UF 110/07

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für

hat der 2. Zivilsenat - 6. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

am 27. November 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Meppen vom 13.8.2007 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Schleswig abgegeben, welches auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000, € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) streiten über das Sorgerecht für ihre beiden Kinder.

Die Eltern hatten in Italien zusammen gelebt, ohne miteinander verheiratet zu sein. Ihre gemeinsamen Kinder wurden im Oktober 1997 und im September 2001 geboren. Im September 2004 trennten sich die Eltern. Sie trafen dazu eine privatschriftliche Vereinbarung vom 20.12.2004, in der es heißt: "Die Mutter erhält das Sorgerecht für die minderjährigen Kinder... ." und in der der Umgang des Vaters mit den Kindern sowie das beabsichtigte Zusammenwirken der Eltern bei der Versorgung ausführlich geregelt ist. Im Jahr 2005 heiratete die Mutter ihren jetzigen Ehemann. Im März 2006 leitete die Mutter ein Verfahren vor dem Jugendgericht M... ein. Am 2526 Januar 2007 verließ die Mutter mit den Kindern Italien und zog nach Deutschland, wo sie seither mit den Kindern lebt (zunächst in 49575 Werlte).

Mit vorläufiger Verfügung hat das Jugendgericht M... am 30. Januar 2007 dem Kindesvater die Ausübung der elterlichen Sorge übertragen und der Kindesmutter aufgegeben, die Kinder sofort nach Italien zurückzubringen. Der Vater hat mit Schriftsatz vom 1. Februar 2007 beim Amtsgericht Celle die Rückführung der Kinder nach Art. 12 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.Oktober 1980 (HKÜ) sowie in sofortiger Vollstreckung der vom Jugendgericht M... getroffenen Rückführungsanordnung nach der Verordnung (EG) Nr. 22012003 vom 27. November 2003 ( Brüssel IIa Verordnung) beantragt. In der Beschwerdeinstanz hat das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 24.5.2007 den Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 2.3.2007 aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen (17 UF 7207 OLG Celle = 42 F 4201507 AG Celle).

Bereits Ende Februar 2007 hat die Mutter beim Amtsgericht Meppen beantragt, ihr die elterliche Sorge für die beiden Kinder zu übertragen. Das Amtsgericht Meppen hat mit Beschluss vom 13.8.2007 festgestellt, dass die elterliche Sorge für beide Kinder bei der Mutter liege. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der fristgemäß eingelegten Beschwerde.

Zwischenzeitlich hat er eine Sorgerechtsentscheidung in Italien herbeigeführt, zu deren Vollstreckung er ein neues Verfahren nach der Brüssel IIa Verordnung beim Amtsgericht Celle eingeleitet hat (AG Celle MZS 42 F 4210507 HK). Der Antrag in diesem Verfahren ist der Mutter, die inzwischen mit den Kindern nach Schleswig-Holstein gezogen ist, an ihrem neuen Wohnsitz zugestellt worden. Das Amtsgericht Celle hat sich daraufhin mit Beschluss vom 12.10.2007 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Flensburg verwiesen. Das Amtsgericht Flensburg hat die Sache gem. §§ 10, 12 IntFamRVG an das Amtsgericht Schleswig abgegeben (wo sie unter dem Aktenzeichen 91 F 39807 anhängig ist).

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 621 e Abs. 1, 621 Nr. 1 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Abgabe an das Amtsgericht Schleswig als das nach § 13 Abs. 1 IntFamRVG zuständige Gericht.

Das Amtsgericht Meppen hat als örtlich unzuständiges Gericht entschieden. Es hätte das Sorgerechtsverfahren nach § 13 Abs. 3, Abs. 1 IntFamRVG an das Amtsgericht Celle von Amts wegen abgeben müssen.

Die Anfechtung einer durch das unzuständige Gericht getroffenen Entscheidung führt hier zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung von Amts wegen. Die Zuständigkeitsregelung des § 13 IntFamRVG ist jedenfalls in der vorliegenden Konstellation als vorrangige, auch im Beschwerdeverfahren zu beachtende Sonderregelung auszulegen, hinter welcher die allgemeine Regelung des § 621 Abs. 4 ZPO zurücktreten muss.

In §§ 12, 13 IntFamRVG hat der Gesetzgeber eine komplexe Sonderregelung der örtlichen Zuständigkeit getroffen. § 13 stellt dabei die logische Folgeregelung des § 12 IntFamRVG dar: In § 12 werden die Verfahren nach §§ 11,10 IntFamRVG bei einem Amtsgericht pro OLG-Bezirk konzentriert ("Konzentrationsgericht"). Der daraus resultierenden Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen des nach den allgemeinen Vorschriften für die sonstigen Sachen des § 621 Abs. 1 Nr. 1 - 3 ZPO zuständigen "Wohnsitzamtsgerichts" (§§ 621 Abs. II Satz 2, 621 a ZPO, §§ 64 Abs. 2 Satz 2, 43 Abs. 1, 36 FGG) hilft § 13 IntFamRVG ab.

Der Senat legt die Vorschrift des § 13 Abs. 3 IntFamRVG dahin aus, dass sie jedenfalls im vorliegenden Fall auch im Beschwerdeverfahren zu beachten ist, und zwar in der Weise, dass § 621 e Abs. 4 ZPO insoweit verdrängt wird. Ausdrücklich ist in § 13 Abs. 3 IntFamRVG zwar nur vorgeschrieben, dass das Familiengericht, bei dem die Sache im ersten Rechtszug anhängig ist, die Sache abzugeben hat. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe damit die Prüfung der Unzuständigkeit des Amtsgerichts in der Beschwerdeinstanz verhindern wollen. Der Gesetzgeber hat, soweit aus den Materialien ersichtlich, diese Problematik für § 13 IntFamRVG nicht erörtert. In den Materialien zum IntFamRVG (BRats-Drucks. 60704. BT-Drucks. 153981) wird nur festgestellt, dass mit § 13 die Vorgängerregelung des § 64 a FGG übernommen werde (BRats-Drucks. 60704 S. 49). In den Materialien zu § 64a FGG wiederum findet sich nur der kurze Hinweis, die Vorschrift sei in Anlehnung an § 621 Abs. 3 ZPO gestaltet und regele vor allem die Unanfechtbarkeit des Abgabebeschlusses (BT-Drucks. 144591 S. 28). Die Rechtslage nach § 621 Abs. 3 ZPO schließlich ist nicht eindeutig: Zwar ist für die nach Zivilprozessrecht zu behandelnden Familiensachen in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung, dass die Konzentrationszuständigkeit nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht mehr zu beachten ist (BGH, NJW 1986, 2058. BGH, FamRZ 80, 444. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 621 Rn. 94, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 621 Rn. 39). Für die nach FGG zu behandelnden Familiensachen, zu denen sämtlich auch die von § 13 Abs. 3 IntFamRG erfassten zählen, ist dies jedoch nicht abschließend geklärt. Es wird vertreten, dass der Sinn der Konzentration in diesen Fällen wegen der Abänderbarkeit der Entscheidungen eine Beachtung der Konzentration auch in der Rechtsmittelinstanz verlange (Hagena, FamRZ 1975, 383). Der BGH hat die Frage ausdrücklich offen gelassen (BGH, NJW 1986, 2058). Auch hat das OLG Hamburg entschieden, dass § 621 Abs. 3 ZPO in der Beschwerdeinstanz erweiternd anwendbar sei, wenn eine Ehesache anhängig werde, nachdem das erstinstanzliche Gericht eine Unterhaltsklage als unzulässig abgewiesen habe (OLG Hamburg, NJWRR 1993, 1286).

Der Senat ist der Auffassung, dass Sinn und Zweck des § 13 IntFamRVG in diesem Fall eine erweiternde Auslegung dahin verlangen, dass die Zuständigkeit des Konzentrationsgerichts von Amts wegen auch in der Beschwerdeinstanz zu beachten ist und insoweit § 621 e Abs. 4 ZPO vorgeht. Anders als bei § 621 Abs. 3 ZPO entsteht bei §§ 12, 13 IntFamRVG im Regelfall die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht in der zweiten Instanz: Da § 12 Abs. 1 IntFamRVG nur innerhalb des gleichen OLG-Bezirks eine Konzentration anordnet, ist die Beschwerdeinstanz für das "Konzentrationsgericht" nach § 12 Abs. I IntFamRVG und für "das andere Familiengericht" nach § 13 Abs. 3 IntFamRVG die gleiche, so dass in der Beschwerdeinstanz die Einheitlichkeit und Sachkunde gewährleistet sind. Die Gefahr divergierender Entscheidung der Rechtsmittelgerichte entsteht erst dann, wenn der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung in § 12 Abs. 3 IntFamRVG Gebrauch macht und nur einem von mehreren Oberlandesgerichten die Zuständigkeit nach § 12 Abs. 1 IntFamRVG zuweist. Die so entstehende Lage ist erkennbar prozessual und praktisch ungünstig: Ohne eine Anwendung des § 13 Abs. 3 IntFamRVG würde dann in Fällen wie dem hier zu entscheidenden das "Konzentrations-OLG" zum Beispiel über die Herausgabeanträge nach HKÜ und die Vollstreckung der ausländischen Sorgerechtsentscheidungen beschließen, das "Wohnsitz-OLG" hingegen über das in Deutschland betriebene Sorgerechtsverfahren. Beide Rechtsmittelgerichte müssten Fragen der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts prüfen. Eine vollständige Unterrichtung über den Sach- und Streitstand wäre nur durch ständige wechelseitige Beiziehung der Akten zu gewährleisten. Dies liefe erkennbar dem Zweck der Konzentration entgegen: Die einheitliche Zuständigkeit des Konzentrationsgerichts für alle das Kind betreffenden FGG-Verfahren soll nicht nur widersprechende Entscheidungen vermeiden, sondern auch eine zügige Bearbeitung durch einen umfassend informierten Richter mit besonderer Fachkunde für Rechtsfälle mit Auslandsbezug gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 144591 S. 27 i.V.m. BT-Drucks. 1433 S. 6. Keidel-Kuntze-Winkler-Weber, FGG, 15. Aufl., § 64 a Rn. 2,12). Die Entscheidung des örtlich unzuständigen Amtsgerichts Meppen war deshalb aufzuheben und an das nach § 13 Abs. 1 IntFamRVG zuständige Gericht zu verweisen.

Dem Wortlaut der Norm nach liegen die Voraussetzungen für die Verweisung an zwei Amtsgerichte vor: Zunächst ist vor dem Amtsgericht Meppen bereits das Amtsgericht Celle mit der Sache nach §§ 10, 11 IntFamRVG befasst worden und hat die Zulässigkeit nicht durch unanfechtbare Entscheidung verneint, so dass das Amtsgericht Meppen die Sache zum Amtsgericht Celle hätte abgeben müssen. Inzwischen ist jedoch ein weiterer Antrag nach § 10 IntFamRVG bei dem Amtsgericht Schleswig anhängig. Der Senat legt § 13 IntFamRVG dahin aus, dass in einem solchen Kollisionsfall das Rechtsmittelgericht die Sache an das für den neuen Wohnsitz nach §§ 12, 13 Abs. 1 IntFamRVG zuständige Amtsgericht abzugeben hat. Damit entsteht zwar gleichfalls die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Diese ist aber bereits dadurch vorgegeben, dass das Amtsgericht Schleswig nach §§ 10 - 12 IntFamRVG zuständig ist und keine Abgabemöglichkeit hat, da der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat, dass im Umzugsfall das erste nach § 10 - 12 IntFamRVG tätig gewordene Gericht dauerhaft zuständig bleibt. Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, das bei ihm anhängige Sorgerechtsverfahren an das Amtsgericht Schleswig als das Gericht des jetzigen Wohnsitzes abzugeben. Dies entspricht auch der Wertung des § 13 Abs 5 IntFamRVG, der in Verbindung mit § 46 FGG dazu führt, dass nach einem Umzug das nach § 13 Abs. 1 zuständige Gericht das Verfahren an das für Anträge dieser Art zuständige Gericht im neuen Wohnsitzbezirk abgeben kann (ohne dass bereits ein Antrag nach §§ 10,11 IntFamRVG anhängig sein muss).

Die Wertfestsetzung beruht auf § 30 Abs. III, III KostO. die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf §§ 621 e Abs.2 , 574 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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