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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: Ss 36/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 331 Abs. 1
StGB § 54 Abs. 1 S. 2
Ist eine erstinstanzlich einbezogene Geldstrafe vor Erlass des Berufungsurteils vollständig getilgt worden, so hat das Berufungsgericht dies nicht nur zwecks Härteausgleichs zu berücksichtigen, sondern wegen des Verschlechterungsverbots die getilgte Strafe vollständig anzurechnen. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch die gesetzliche Untergrenze einer Gesamtstrafe unterschritten werden muss.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

Ss 36/06 (I 16)

In dem Strafverfahren

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 23. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... zu 1. nach § 349 Abs. 4 und zu 2. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 2 StPO nach Anhörung des Beschwerdeführers einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 12. Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 27. Oktober 2005 im Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 88 Tagessätzen zu je 5 € verurteilt wird.

2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, allerdings wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Das Amtsgericht Oldenburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 28. Februar 2005 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Wildeshausen vom 5. August 2004 verhängten Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 8 € zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 5 € verurteilt.

Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das Landgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2005 mit der Maßgabe verworfen hat, dass der Angeklagte, der inzwischen die einbezogene Geldstrafe vollständig bezahlt hatte, unter Fortfall der Einbeziehung zu einer Gesamtgeldstrafe von 170 Tagessätzen zu je 5 € verurteilt wird.

Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruches offensichtlich unbegründet. Das anhand der Revisionsbegründung überprüfte Urteil ist insoweit frei von Rechtsfehlern. Die Revision des Angeklagten war insoweit als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Hinsichtlich des Strafausspruches hat das Rechtsmittel hingegen mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.

Die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen sind ohne Rechtsfehler festgesetzt worden. Indessen hält die vom Landgericht verhängte Gesamtgeldstrafe einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil sie bei der hier gegebenen besonderen Fallgestaltung gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO verstößt.

Da der Angeklagte die vom Amtsgericht einbezogene Geldstrafe vor der Berufungsverhandlung durch Entrichten der letzten Rate vollständig bezahlt hatte, hat das Landgericht zu Recht deren Einbeziehung entfallen lassen und dies im Rahmen eines Härteausgleichs berücksichtigt. Es hat indessen nicht beachtet, dass allein der Angeklagte ein Rechtsmittel eingelegt hatte, und deshalb gemäß § 331 Abs. 1 StPO vor einer ihm nachteiligen Veränderung der Rechtsfolgen des erstinstanzlichen Urteil geschützt war. Deshalb durfte der Angeklagte zu keiner Geldstrafe verurteilt werden, die die in erster Instanz ausgeurteilten (200 x 5 = ) 1.000 € überstieg. Dabei war die zwischenzeitlich gezahlte Geldstrafe von (70 x 8 =) 560 € anzurechnen. Denn wenn eine Gesamtstrafenbildung wegen pflichtgemäßer Bezahlung der Geldstrafe nicht mehr möglich ist, darf der Angeklagte gegenüber demjenigen, der die Bezahlung der Geldstrafe pflichtwidrig unterlässt, nicht schlechter gestellt werden, vgl. dazu BGHSt 15, 164 ff.. Das Landgericht hätte deshalb nur noch eine Gesamtgeldstrafe von 88 Tagessätzen zu je 5 € (= 440 €) verhängen dürfen.

Diese Gesamtgeldstrafe unterschreitet zwar die im vorliegenden Verfahren erkannte höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) von 90 Tagessätzen und damit die nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB vorgeschriebene Untergrenze. Dies ist aber als Konsequenz des Verschlechterungsverbots unvermeidlich und deshalb ausnahmsweise zulässig, vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 54 Rdn. 5.

Der Senat konnte über den Strafausspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden, weil nach Lage des Falles zugunsten des Angeklagten nur die oben dargestellte Gesamtgeldstrafe als geringst mögliche Strafe in Betracht kommt. Die Entscheidung ergeht hierzu durch einstimmigen Beschluss nach § 349 Abs. 4 StPO, weil die Revision des Angeklagten insoweit begründet ist. Da keine Herabsetzung der Rechtsfolge aufgrund eines Antrages der Staatsanwaltschaft nach § 354 Abs. 1a StPO erfolgt, war eine mündliche Verhandlung, wie sie in einem solchen Fall seit einiger Zeit vom 3. Senat des BGH für erforderlich gehalten wird (vgl. BGH NStZ 2005, 436, entgegen etwa BGH (1. Strafsenat) NJW 2005, 912), nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO und trägt dem Teilerfolg der - uneingeschränkt eingelegten - Revision Rechnung.

Ende der Entscheidung

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