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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 22.10.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 210/04 I 82/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 Abs. 1
StGB § 56 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - Im Namen des Volkes! Urteil

1 Ss 210/04 I 82/04

In der Strafsache

wegen fahrlässiger Tötung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock in der Revisionshauptverhandlung vom 22. Oktober 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Dally als Vorsitzender,

Richter am Oberlandesgericht Hansen Richter am Landgericht Kaffke als beisitzende Richter,

Leitender Oberstaatsanwalt K. als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,

S. S., geb. Z. als Nebenkläger,

Rechtsanwalt S. aus R. als Verteidiger,

Justizobersekretärin W. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

auf die Revision der Staatsanwaltschaft Rostock gegen das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Rostock vom 05.04.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe entfällt.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Rostock hat den Angeklagten mit Urteil vom 10.11.2003 - 25 Ds 149/03 - wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre von einem Jahr und neun Monaten angeordnet.

Auf die Berufung des Angeklagten, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, hat die 4. Kleine Strafkammer des Landgerichts Rostock ihn am 05.04.2004 unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins hat es aufrecht erhalten, während es eine Sperre von nunmehr noch vier Monaten angeordnet hat.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Rostock Revision eingelegt, die sie mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.

In der Hauptverhandlung hat die Generalstaatsanwaltschaft das Rechtsmittel mit Zustimmung des Verteidigers des Angeklagten auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt.

II.

Die Revision ist statthaft (§ 333 StPO) und zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt und mit der Sachrüge ordnungsgemäß begründet (§§ 341, 344, 345 StPO).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da das Landgericht die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt hat.

1.

Durch die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch, deren Wirksamkeit der Senat von Amts wegen zu prüfen hat, sind die Feststellungen des Amtsgerichts Rostock zum Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch setzt die Tragfähigkeit des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils voraus (KK-Kuckein, StPO, 5. Aufl., § 352 Rn. 23 m.w.N., BayObLG VRS 89,128). Die Straffrage muss losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung rechtlich und tatsächlich beschränkt beurteilt werden können (BayOblG a.a.O.). Daran fehlt es, wenn das Urteil an offensichtlichen sachlichen Mängeln leidet, etwa wenn die tatsächlichen Feststellungen so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- oder Schuldgehalt nicht mehr ausreichend erkennen lassen und damit keine hinreichende Grundlage für die Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts über die Rechtsfolge sein können (ständige Rechtsprechung des Senates, vgl. zuletzt Beschluss vom 28.01.2004 - 1 Ss 186/03 I 113/03 - und Beschluss vom 20.02.2000 - 1 Ss 326/99 I 8/00 -; BGHSt 33, 59; NStZ 1994, 130; BayObLG NStZ-RR 2003, 297; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 300; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 298).

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ist dies hier nicht der Fall.

Die Urteilsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung bieten jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang auch hinsichtlich der Feststellungen zur inneren Tatseite eine ausreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung, so dass die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist.

Nach den damit in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Amtsgerichts überholte der als Rechtsanwalt tätige Angeklagte mit seinem Pkw in der Nacht zum 11.08.2002 gegen 00.15 Uhr im Zustand alkoholbedingter relativer Fahruntüchtigkeit auf der vierspurigen L.- Straße in R. während der "Hanse-Sail" eine vor einem Fußgängerüberweg wartende Fahrzeugkolonne mit einer Geschwindigkeit von mindestens 56 km/h - bei zulässigen 30 km/h - auf der linken Fahrspur und erfasste mit seinem Fahrzeug einen den Überweg querenden Fußgänger, der aufgrund des Unfalls tödliche Verletzungen erlitt. Der Angeklagte, der sein Kind von einer Feier in seinen Kanzleiräumen nach Hause bringen wollte, hielt an und ging zurück zur Unfallstelle. Als er sah, dass dem Geschädigten von anderen Passanten geholfen wurde und er sein Kind im Pkw schreien hörte, begab er sich wieder zu seinem Fahrzeug und fuhr davon. Er stellte sich am Vormittag des 12.08.2002 der Polizei.

2.

Soweit das Landgericht den Angeklagten zu einer - außerordentlich milden - Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Sperrfrist unter Aufrechterhaltung der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Einziehung des Führerscheins auf vier Monate verkürzt hat, wird dies von der Revision nicht mehr angegriffen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat das Rechtsmittel auf die Frage der Strafaussetzung beschränkt. Dies ist zulässig, da die Ausführungen des Landgerichts zur Strafaussetzung keinen Anlass geben, seine Erwägungen zur Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe und der Maßregel in Frage zu stellen (vgl. BGH NStZ 1985, 165).

3.

Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg, da die Strafkammer die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt hat.

a)

Die Kammer hat zunächst beanstandungsfrei die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB bejaht. Dabei hat sie in vertretbarer Weise auf die fehlenden Vorstrafen des Angeklagten, seine geordneten Lebensverhältnisse und darauf abgestellt, dass ihn das Unfallgeschehen und das sich anschließende Strafverfahren ersichtlich nachhaltig beeindruckt hätten.

b)

Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer dann allerdings die Frage verneint, ob die Verteidigung der Rechtsordnung im vorliegenden Fall die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gebiete (§ 56 Abs. 3 StGB). Die von ihr vorgebrachten Argumente tragen die Entscheidung nicht (unten (1)). Ihre Würdigung der die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände ist unvertretbar (unten (2)). Die Kammer hat besonders schwerwiegende Umstände, die hier die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Folge haben müssen, zwar festgestellt, ihnen aber im Rahmen der Entscheidung zu § 56 Abs. 3 StGB keine ausreichende Beachtung geschenkt. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist bei rechtlich zutreffender Würdigung nur die Entscheidung möglich, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr gebietet. Daher hat der Senat in diesem Sinne erkannt (§ 354 Abs. 1 StPO), denn es kann ausgeschlossen werden, dass in einer neuen Verhandlung zugunsten des Angeklagten solch gewichtige neue Umstände hervortreten könnten, die eine andere Entscheidung rechtlich möglich machten.

aa)

Entscheidendes Kriterium für die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB ist die Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten ist zur Verteidigung der Rechtsordnung dann geboten, wenn die Aussetzung der Vollstreckung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (grundlegend BGHSt 24, 40, 46; 64, 66). Eine Strafaussetzung kann nicht unter Berufung auf § 56 Abs. 3 StGB von vornherein für bestimmte Tatbestände oder Deliktsgruppen ausgeschlossen werden. Zur Entscheidung über eine mögliche Versagung der Aussetzung trotz günstiger Sozialprognose bedarf es vielmehr stets einer am Einzelfall orientierten Gesamtwürdigung aller Tat und Täter kennzeichnenden Umstände (BGH a.a.O.; StV 1998, 260ff.; StV 1999, 645 f.; wistra 2001, 319).

Besonders für Trunkenheitsdelikte im Straßenverkehr mit tödlichen Unfallfolgen gilt, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB häufiger vorliegen werden als bei den meisten anderen Straftaten (grundlegend BGHSt 24, 64ff.; NJW 1990, 193f.; dem folgend OLG Hamm, VRS 85 (1993), 190, 195; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 246, 247). Diese Straftaten spielen trotz abnehmender Tendenz in der Verkehrsunfallstatistik weiterhin eine bedeutende Rolle (vgl. Pressemitteilung des Innenministeriums M-V vom 08.10.2004). Wer alkoholbedingt fahruntüchtig am Straßenverkehr teilnimmt, beschwört - in aller Regel bewußt - nicht mehr beherrschbare Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer herauf (BGHSt 24, 64, 68). Solche mit einem erheblichen Maß an Verantwortungslosigkeit bewusst hervorgerufene Gefahren erfordern ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden, wobei bei tödlichem Ausgang - unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles - eine Versagung der Strafaussetzung häufig näher liegen wird, als deren Bewilligung (BGH NStZ 1994, 336; OLG Karlsruhe StV 1994, 188). Zwar steht dem Tatrichter bei der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Strafvollstreckung gebietet, ein Beurteilungspielraum zu, der vom Revisionsgericht grundsätzlich selbst dann hinzunehmen ist, wenn eine gegenteilige Würdigung rechtlich ebenso möglich ist oder sogar näher gelegen hätte (BGH NStZ 1994, 336); nicht jedoch, wenn sie schlechterdings unvertretbar erscheint (BGH NStZ 1985, 165; OLG Karlsruhe Justiz 1978, 145, 146; OLG Koblenz VRS 59, 339, 340; OLG Hamm VRS 85, 190, 196).

bb)

So liegt der Fall hier.

Vorliegend sprechen so gewichtige Umstände für die Anwendung des § 56 Abs. 3 StGB, dass sich die von der Strafkammer gewährte Aussetzung der einjährigen Freiheitsstrafe nicht mehr vertreten lässt.

(1)

Die von ihr dargelegten Gründe vermögen die Strafaussetzung zur Bewährung entgegen § 56 Abs. 3 StGB nicht zu rechtfertigen.

Soweit die Strafkammer ausführt, dass das Führen von Kraftfahrzeugen nach dem Genuss von Alkohol in der Allgemeinheit schon seit langer Zeit nicht mehr als Bagatelle gewertet werde, ist dies eine durch nichts belegte Behauptung, die zudem ihrerseits gerade von einer Bagatellisierungstendenz zeugt. Das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol ist nämlich nicht nur keine Bagatelle, sondern schweres kriminelles, in hohem Maße sozialschädliches und damit besonders strafwürdiges Unrecht mit nicht selten tödlichen Folgen.

Nach der aktuellen Verkehrsunfallstatistik für Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Pressemitteilung des Innenministeriums M-V vom 08.10.2004) starben im Jahr 2002 bei alkoholbedingten Unfällen insgesamt 42 Verkehrsteilnehmer. Das waren 14,5% aller durch Verkehrsunfälle in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern zu Tode gekommenen. Zwar ging diese Zahl - auch bedingt durch den wachsenden Kontroll- und Verfolgungsdruck - im Jahr 2003 deutlich auf 24 getötete Verkehrsteilnehmer zurück. Dies sind aber immer noch 8,5% aller Verkehrstoten in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anteil schwerer von alkoholisierten Verkehrsteilnehmern verursachter Verkehrsunfälle ist damit nach wie vor sehr hoch. Zudem ist es offenkundig, dass gerade in diesem Bundesland der Alkoholmissbrauch weit verbreitet ist und die damit verbundenen Gefahren von großen Teilen der Bevölkerung nicht ausreichend ernst genommen werden. Ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen alkoholisierte Verkehrsteilnehmer ist daher auch weiterhin erforderlich.

Wenn die Kammer darüber hinaus darauf hinweist, dass allein die öffentliche Aufmerksamkeit, die das Verfahren wegen der Tätigkeit des Angeklagten als Rechtsanwalt und wegen der Tatumstände finde, kein Grund sei, eine Strafaussetzung zu versagen, die bei fehlender öffentlicher Aufmerksamkeit und sonst gleichen Umständen einem anderen Angeklagten bewilligt werden würde, ist dem zuzustimmen. Allerdings trägt das Argument nicht, da die Hypothese der Strafkammer, wonach einem anderen Angeklagten bei gleichen Tatumständen aber fehlender öffentlicher Aufmerksamkeit die Strafaussetzung gewährt werden würde, unzutreffend ist.

Auch in der abschließenden Erwägung der Kammer, dass "strafrechtliche Musterprozesse [...] nicht geführt" würden, ist kein verwertbares Argument dafür zu erkennen, dass die Verteidigung der Rechtsordnung hier einer Strafaussetzung nicht entgegensteht. Was die Kammer mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen will, kann der Senat schlechterdings nicht nachvollziehen.

(2)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sprechen gerade im vorliegenden Fall gewichtige Gründe dafür, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der einjährigen Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.

Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hier die Schwere der Schuld des Angeklagten. Zwar kann sie für sich gesehen eine Versagung der Bewährung nicht rechtfertigen, ihr kommt jedoch bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung erhebliche Bedeutung zu (BGHSt 24, 40, 47; OLG Koblenz VRS 59, 339, 340; OLG Karlsruhe NStZ 2003, 246, 247).

Das Landgericht hat dazu im Rahmen seiner Strafzumessung ausgeführt:

"Strafschärfend hat sich die Rücksichtslosigkeit des Angeklagten bei der Führung seines Pkw auswirken müssen. Sie kommt in dem Ausmaß der Überschreitung der gebotenen Geschwindigkeit zum Ausdruck und ist schon fast unbegreiflich. Der Tag des Geschehens war der Sonnabendabend des größten Volksfestes im Land. Die Straßen gerade in Hafennähe waren gefüllt mit Menschen. Überall und jederzeit konnten Kinder, Jugendliche, Betrunkene, alte oder einfach nur unachtsame Menschen die Straßen betreten. In einer solchen Situation, die der Angeklagte sah, wäre bei dem Fußgängerüberweg bei der C.-bank in der L.- Straße sogar ein Fahren mit weniger als 30 km/h selbstverständliche Pflicht gewesen."

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat vollumfänglich zu eigen. Der Angeklagte handelte nahezu mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz, als er entgegen § 26 Abs. 1 und 3 StVO mit völlig überhöhter Geschwindigkeit an der vor einem Fußgängerüberweg wartenden Fahrzeugkolonne links vorbeifuhr. Die Schuld, die er durch die Tat auf sich geladen hat, wiegt angesichts dessen schwer, was das sich anschließende unerlaubte Entfernen vom Unfallort noch unterstreicht.

Hinzu tritt, dass gewichtige Umstände, die trotz Vorliegens schwerer Schuld im Einzelfall der Annahme des § 56 Abs. 3 StGB entgegenstehen können, hier nicht gegeben sind. Nach der Rechtsprechung ist als solch ein Umstand zu werten, dass der Angeklagte durch den Unfall selbst schwer verletzt worden ist (BGH NJW 1990, 193, 194), ein erhebliches Mitverschulden des Opfers vorliegt (BGHSt 24, 64, 68; NStZ 1994, 336) oder lediglich eine verkehrsarme und kurze Strecke zurückgelegt werden soll (BGH a.a.O.). Diese Umstände liegen hier gerade nicht vor. Den Geschädigten trifft nach den Feststellungen - er überquerte die Straße auf einem Fußgängerüberweg - kein Mitverschulden an dem Unfall. Zwar kann im Einzelfall zugunsten des Täters Berücksichtigung finden, dass er nicht absolut, sondern "lediglich" relativ fahruntüchtig war (BGH NJW 1990, 193, 194). Den Angeklagten vermag dies im Hinblick auf die konkreten Tatumstände jedoch nicht zu entlasten. Er hat sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten und ein hohes Maß an Veranwortungslosigkeit gezeigt. Dabei kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass ihm als Rechtsanwalt aufgrund seiner Kenntnisse die Tragweite seines Verhaltens in besonderer Weise bewußt sein musste. Vor diesem Hintergrund kommt dem Grad seiner Alkoholisierung lediglich untergeordnete Bedeutung zu. Dass er sich letztlich gestellt und zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, spricht für ihn. Ebenso wäre zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn er sich, was sich aus dem Bewährungsbeschluss des Landgerichts vom 05.04.2004 zu ergeben scheint, zu einer Therapie seiner Alkoholerkrankung entschlossen hätte. Selbst wenn der Senat jedoch auch diesen Umstand - der im Urteil des Landgerichts allerdings keine Erwähnung gefunden hat - in die Abwägung nach § 56 Abs. 3 StGB einbeziehen würde, müsste dieser die Persönlichkeit des Angeklagte betreffende Gesichtspunkt gegenüber der festgestellten schweren Schuld zurück treten.

cc)

Nach alledem kann eine Gesamtwürdigung aller Tat und Täter kennzeichnenden Umstände hier nur zu der Feststellung führen, dass es bei der über die Tatumstände unterrichteten rechtstreuen Bevölkerung auf Unverständnis stoßen müsste und deren Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert wäre, wenn die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden würde.

Da weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind oder - was die nachtatliche Alkoholtherapie des Angeklagten betrifft - jedenfalls keine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, hat der Senat in der Sache selbst entschieden und die Strafaussetzung zur Bewährung in Wegfall gebracht.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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