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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 80/04 I 101/04
Rechtsgebiete: StPO, BGB, StGB


Vorschriften:

StPO § 145 a
StPO § 260
StPO § 267
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StPO § 473 Abs. 2
BGB § 618 Abs. 1
StGB § 13 Abs. 2
StGB § 229
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - Im Namen des Volkes! Urteil

1 Ss 80/04 I 72/04 1 Ss 80/04 I 101/04

In der Strafsache

wegen fahrlässiger Tötung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock in der Revisionshauptverhandlung vom 10. September 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. D. als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht H. Richter am Landgericht K. als beisitzende Richter,

Staatsanwältin K. als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt W. als Verteidiger,

Justizangestellte S. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg und des Angeklagten gegen das Urteil der IV. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 16.06.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden jeweils als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last, der auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt werden. Die Kosten seines Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Neubrandenburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 16.01.2001 - 1 Ls 93/00 - wegen fahrlässiger Tötung und tateinheitlich begangener zweifacher fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 80,- DM verurteilt.

Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Angeklagte als auch - beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Auf die Berufung des Angeklagten hat die IV. Kleine Strafkammer des Landgerichts Neubrandenburg am 16.06.2003 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen fährlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt. Die weitergehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft hat es als unbegründet verworfen.

Gegen dieses in Anwesenheit aller Beteiligten verkündete Urteil haben der Angeklagte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.06.2003, der am 17.06.2003 beim Landgericht eingegangen ist und die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 18.06.2003, eingegangen am selben Tage, Revision eingelegt.

Das mit Gründen versehene Urteil wurde der Staatsanwaltschaft am 29.09.2003 und dem gemäß § 145 a StPO bevollmächtigten Verteidiger des Angeklagten am 30.09.2003 ordnungsgemäß förmlich zugestellt.

Mit am selben Tage beim Landgericht Neubrandenburg eingegangen Verteidigerschriftsatz vom 29.10.2003 hat der Angeklagte seine Revision unter Anbringung der Revisionsanträge mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge sowie mehreren Verfahrensrügen begründet.

Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg hat ihre Revision im Schriftsatz vom 15.10.2003, der am 17.10.2003 am Landgericht eingegangen ist, unter Anbringung der Revisionsanträge mit der allgemeinen Sachrüge begründet, die sie weiter ausgeführt hat.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist statthaft (§ 333 StPO) und zulässig (§§ 341, 344, 345 StPO). Sie erweist sich jedoch als unbegründet. Eine aufgrund der erhobenen allgemeinen Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler des Urteils aufgedeckt.

1.

Dass das Landgericht den Angeklagten nur wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil seines Mitarbeiters Bl., nicht aber wegen fahrlässiger Tötung seines Mitarbeiters Bu. und fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil seines Mitarbeiters L. verurteilt hat, ist aufgrund der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Danach handelte der Angeklagte zwar pflichtwidrig, er hat jedoch für den Tod seines Vorarbeiters Bu. und die Verletzung seines Mitarbeiters L. strafrechtlich nicht einzustehen, weil diese sich bewusst selbst gefährdeten.

a)

Der Angeklagte richtete im Mai des Jahres 1999 auf dem Dümpersee bei N. eine Baustelle ein, auf der von einem Arbeitsponton aus auf dem Wasser Ramm- sowie Schweiß- und Schneidarbeiten vorgenommen wurden. Das dabei unter anderem verwendete Autogenschweißgerät, an das je eine Sauerstoff- und Acetylenflasche angeschlossen waren, lagerten die Arbeitnehmer des Angeklagten entgegen den geltenden Arbeitsschutzbestimmungen in der vorderen linken Pontonkammer, obwohl der Angeklagte seinen Vorarbeiter Dietmar Bu. deswegen am 30.09.1999 schriftlich abgemahnt hatte, weil die Kammer zur Lagerung der Gasflaschen ungeeignet war. Sie war nicht belüftet und ihre Innenhöhe reichte nicht aus, die jeweils etwa 80 kg schweren Gasflaschen zu stellen, weshalb sie schräg liegend gelagert werden mussten. Dennoch benutzten die Arbeitnehmer des Angeklagten das Autrogenschweißgerät wiederholt dergestalt, dass die Sauerstoff- und die Acetylenflasche in der Pontonkammer verblieben und nur die dazugehörigen Schläuche durch die scharfkantige Einstiegsluke der Kammer hinausgelegt und sodann auf dem Ponton an das Schweißgerät angeschlossen wurden. Dabei wurde der Lukendeckel wieder geschlossen, jedoch zum Schutz der Schläuche mit einem Stück Holz oder ähnlichem unterlegt. Obwohl der Angeklagte am 30.09.1999 festgestellt hatte, dass seine Arbeitnehmer das Schweißgerät weisungswidrig in der Pontonkammer lagerten, kontrollierte er in der Folge nicht mehr dessen ordngsgemäße Lagerung, sondern verließ sich insoweit auf seinen Vorarbeiter Bu. , der die ihm vom Angeklagten übertragenen Kontrollaufgaben jedoch nicht erfüllte.

Am 25.10.1999 wurde das Schweißgerät zunächst von einem weiteren Mitarbeiter des Angeklagten auf dem Ponton benutzt, wobei die Gasflaschen wieder in der linken vorderen Pontonkammer verblieben. Nach Erledigung seiner Arbeit schloß dieser nicht die Flaschenventile, sondern drehte die Gaszufuhr am Schweißgerät selbst ab, das er auf dem Pontonboden ablegte. Aufgrund eines Lecks im Bereich zwischen der Acetylengasflasche und dem innerhalb der Pontonkammer befindlichen Teil des dazugehörigen Schlauches füllte sich die Kammer mit einem hochexplosiven Acetylen/Luftgemisch, das sich dann durch die einen Spalt offen stehende Luke auch auf dem Pontondeck ausbreitete und - wohl infolge eines Kurzschlusses in dem zu dieser Zeit von Bu. auf dem Ponton benutzten Elektroschweißgerät - entzündete.

Infolge der Explosion wurde der Vorarbeiter Bu. getötet. Die Arbeitnehmer L. und Bl. erlitten geringfügige Verletzungen, die jeweils folgenlos ausgeheilt sind.

b)

Der Angeklagte hat es unterlassen, durch regelmäßige Kontroll- und Durchsetzungsmaßnahmen die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften - insbesondere im Hinblick auf die korrekte Lagerung und Benutzung des Autogenschweißgerätes samt der zugehörigen Gasflaschen - auf seiner Baustelle sicherzustellen und dadurch fahrlässig seine Pflichten als Arbeitgeber verletzt. Seine Garantenstellung ergibt sich aus § 618 Abs. 1 BGB, der Schutzpflichten des Dienstberechtigten gegenüber dem Dienstverpflichteten statuiert, die durch spezielle Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert werden (MünchKomm-Lorenz, BGB, 3. Aufl., § 618 Rn. 28 f.). Hier hat der Angeklagte durch seine mangelnde Kontrolle unter anderem gegen § 34 Abs. 1 Ziffer 6 und 7 der Unfallverhütungsvorschrift Schweißen und Schneiden (VBG 15) verstossen, wonach der Unternehmer dafür zu sorgen hat, dass Flaschenbatterieanlagen nicht in ungenügend belüfteten Bereichen und Räumen unter der Erdgleiche aufgestellt werden. Auch hat er Ziffer 2 dieser Vorschrift verletzt, wonach der Unternehmer dafür zu sorgen hat, dass Gasschläuche täglich vor Arbeitsbeginn durch Sichtprüfung auf einwandfreien Zustand zu kontrollieren sind. Zwar darf der Arbeitgeber seine Überwachungspflichten grundsätzlich auf eine zuverlässige Person delegieren, er muss diese jedoch kontrollieren und darf nicht untätig bleiben, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten des Beauftragten vorliegen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 222 Rn. 32; BGHSt 37, 190; OLG Stuttgart NJW 1984, 2897). Jedenfalls seit dem Vorfall am 30.09.1999 konnte sich der Angeklagte nicht mehr uneingeschränkt auf seinen Vorarbeiter Bu. verlassen, denn von diesem Zeitpunkt an wusste er, dass dieser es an der notwendigen Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften auf der Baustelle fehlen ließ. Dass der Angeklagte dies nicht zum Anlaß eigener weiterer Kontrollen nahm, begründet seine eigene Sorgfaltspflichtverletzung.

c)

Soweit es den Tod seines Vorarbeiters Bu. und die Verletzung seines Arbeitnehmers L. betrifft, liegt jedoch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung vor, für die der Angeklagte trotz seines pflichtwidrigen Verhaltens strafrechtlich nicht zu belangen ist, denn die eigenverantwortlich gewollte - erstrebte, als sicher vorausgesehene oder in Kauf genommene - und vollzogene Selbstgefährdung unterfällt nicht dem Tatbestand eines Körperverletzungs- oder Tötungsdeliktes. Wer lediglich den Akt der bewussten Selbstgefährdung vorsätzlich oder fahrlässig veranlasst, ermöglicht oder fördert, nimmt deshalb an einem Geschehen teil, das kein tatbestandsmäßiger und damit kein strafbarer Vorgang ist (vgl. Senatsurteil vom 01.04.2003 - 1 Ss 256/02 I 110/02 -; BGHSt 34, 262; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl, vor § 13 Rn. 19; S/S-Cramer/Sternberg-Lieben, StGB, 26. Aufl., § 15 Rn. 165, jeweils m.w.N.). Die Strafbarkeit des die Selbstgefährdung veranlassenden Dritten beginnt jedoch dort, wo er kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Gefährdende (Senatsurteil vom 01.04.2003 - 1 Ss 256/02 I 110/02 -; BGH a.a.O.; NStZ 1985, 25; NStZ 1986, 266; S/S-Cramer/Sternberg-Lieben, a.a.O. Rn. 167; Lackner-Kühl, StGB, 24. Aufl, vor § 211 Rn. 12).

Letzteres war hier nicht der Fall.

Nach den Feststellungen der landgerichtlichen Entscheidung war Bu. und L. die Gefährlichkeit ihres Tuns bekannt. Beide hatten langjährige Berufserfahrung, Bu. darüber hinaus eine Ausbildung zum Schweißer. Im übrigen war er am 30.09.1999 von dem Angeklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Pontonkammer zum Betrieb des Autogenschweißgerätes nicht geeignet war und es unter der Ramme auf dem Ponton gelagert werden sollte. Auch L. wußte, dass Gasflaschen aus Sicherheitsgründen nur stehend und nicht in unbelüfteten Räumen - wie der Pontonkammer - gelagert werden durften. Beide wussten zudem, dass die Gasschläuche durch das Verlegen über die scharfkantige Lukenöffnung sehr leicht beschädigt werden konnten. Damit waren sich beide der großen Gefährlichkeit der auf der Baustelle herrschenden Praxis, die 80 kg schweren Gasflaschen bei Benutzung des Autogenschweißgerätes in der linken vorderen Pontonkammer zu belassen, in vollem Umfang bewusst, so dass sie sich dadurch, dass sie diese Praxis pflegten, während sie auf dem Ponton arbeiteten, bewusst in erheblichem Maße selbst gefährdeten. Zwar kannte auch der Angeklagte alle gefahrbegründenden Tatsachen, er hatte seinen beiden erfahrenen Mitarbeitern gegenüber jedoch kein überlegenes Sachwissen.

d)

Einer weitergehenden Einschränkung des Grundsatzes der Straflosigkeit der Förderung einer fremden eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bedarf es hier nicht. Soweit das OLG Naumburg (NStZ-RR 1996, 229) im Falle der Verletzung von Schutzpflichten durch den Arbeitgeber eine grundsätzliche "Überlagerung" der Eigenverantwortlichkeit des Arbeitnehmers durch die Fremdverantwortung des Arbeitgebers annimmt, begegnet dies Bedenken, weil diese Lösung dogmatisch fragwürdig ist und sie zudem den vielfältigen Umständen des jeweiligen Einzelfalles nicht gerecht werden kann; jedenfalls aber steht sie der Entscheidung des Senates nicht entgegen, da der Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Naumburg zugrundelag, sich erheblich von dem vorliegenden Fall unterscheidet.

aa)

In seiner Entscheidung hat das OLG Naumburg das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil die Feststellungen des Landgerichts zur Vorhersehbarkeit des Todes seiner an einer Kohlenmonoxidvergiftung verstorbenen Mitarbeiter für den dortigen Angeklagten unzureichend waren und dann im Rahmen der Prüfung, ob ein Freispruch des Angeklagten in Betracht komme, unter Verweis auf die grundsätzliche Überlagerung der Eigenverantwortlichkeit des Arbeitnehmers durch die Fremdverantwortung des Arbeitgebers dessen grundsätzliche Strafbarkeit bejaht.

In jenem Fall fehlt es bereits an einem vollständig eigenverantwortlichen Verhalten der zu Tode gekommenen Arbeitnehmer (so auch S/S-Cramer/Sternberg-Lieben, a.a.O. Rn. 166). Der Arbeitgeber hatte durch sein Unterlassen, seinen Arbeitnehmern, die fast täglich Arbeiten an Gasleitungen auszuführen hatten, Atemschutzmasken in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen, überhaupt erst den Entschluss zu deren selbstschädigendem Verhalten, bei diesen Arbeiten keine Atemschutzmaske zu verwenden, hervorgerufen, indem er ihre Möglichkeiten zu sorgfaltsgemäßem Verhalten eingeschränkt und damit maßgeblich ihre Willensbildung beeinflusst hatte. Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen hätten die Arbeitnehmer eine Atemschutzmaske mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit benutzt, wenn sie auf der Baustelle vorhanden gewesen wäre. So aber waren sie gezwungen, sich vor Fortsetzung ihrer Arbeit erst im Betrieb eine Schutzmaske zu beschaffen. Dies indes war umständlich und hätte zu Zeitverzögerungen bei den Arbeiten geführt, weshalb sie sich letztlich in Kenntnis des Risikos der erheblichen Gefahr aussetzten, um ihre Stellung als Arbeitnehmer nicht zu gefährden. Die Beeinflussung der Willensbildung, die die Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung entfallen lässt, begründet in diesem Fall den Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und tatbestandlichem Erfolg, der mit dem Begriff der "Überlagerung" nur unzureichend beschrieben wird.

bb)

Anders liegt es hier.

Die geschädigten Arbeitnehmer Bu. und L. gingen das mit dem Belassen der Gasflaschen in der Pontonkammer während der Schweißarbeiten verbundene Risiko einer Entzüdung ausströmenden Gases in voller Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände allein aus Bequemlichkeit ein, obwohl ihnen ein unfallvermeidendes, die erforderliche Sorgfalt beobachtendes Verhalten - das Herausheben der jeweils 80 kg schweren Gasflaschen aus der Pontonkammer vor Inbetriebnahme des Autogenschweißgerätes - ohne weiteres möglich war.

Zwar hat der Angeklagte das sorgfaltswidrige Verhalten seiner Arbeitnehmer durch seine mangelnden Kontrollen ermöglicht, deren Entschluss hierzu beruhte jedoch auf autonomen Motiven und nicht auf seiner Einflußnahme. Sie unterlagen im Hinblick auf ihr Tun keinen den Erhalt ihres Arbeitsplatzes betreffenden Zwängen. Im Gegenteil: Der Angeklagte hatte seinen Vorarbeiter Bu. am 30.09.1999 gerade wegen der praktizierten Verfahrensweise abgemahnt und so deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er damit nicht einverstanden war. Auch hat der Angeklagte die Möglichkeiten seiner Arbeitnehmer zu einem den Arbeitsschutz beachtenden Verhalten in keiner Weise eingeschränkt. Sein pflichtwidriges Unterlassen weiterer Kontrollen ist daher ohne Einfluss auf die Eigenverantwortlichkeit der bewussten Selbstgefährdung von Bu. und L. geblieben, so dass hier eine strafrechtliche Haftung des Angeklagten nicht in Betracht kommt.

cc)

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der mit Recht die Teilnahme an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung unter Verwendung des Kriteriums der "Tatherrschaft" von der täterschaftlich begangenen Fremdgefährdung abgrenzt (BGH NJW 2004, 2458; NJW 2003, 2326 [2327]). Hat ein anderer als der sich selbst Gefährdende die Tatherrschaft, steuert er also den Ablauf der Tat, scheidet danach eine straffreie Teilnahme an einer Selbstgefährdung aus. Die Selbstgefährdung des Opfers ist in diesen Fällen entweder nicht mehr eigenverantwortlich - bei Tatherrschaft eines anderen kraft überlegenen Wissens oder überlegenen Willens - oder es liegt im Fall der Handlungsherrschaft eines anderen keine Selbst- sondern eine Fremdgefährdung vor.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lässt sich eine Tatherrschaft des Angeklagten aber gerade nicht bejahen. Sein pflichtwidriges Unterlassen weiterer Kontrollen hatte unter keinem der genannten Gesichtspunkte auf das selbstschädigende Verhalten seiner Mitarbeiter Bu. und L. steuernden Einfluss. In dem der Entscheidung des OLG Naumburg zugrundeliegenden Fall hatte der dortige Angeklagte demgegenüber Willensherrschaft und damit "Tatherrschaft" in dem vom BGH (a.a.O.) entschiedenen Sinne. e)

Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass er - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - seinen Mitarbeitern zunächst ungeeignete, später dann wohl für Schweißarbeiten auf Binnengewässern vorgesehene Schwimmwesten zur Verfügung stellte, jedoch nicht darauf hinwirkte, dass diese von seinen Arbeitnehmern auf dem Ponton auch angelegt wurden.

Zwar stellt auch dies einen ihm vorwerfbaren Verstoß gegen die Pflicht, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen auf seiner Baustelle zu überwachen, dar. Indes fehlt es nach den Feststellungen des Landgerichts insoweit am Pflichtwidrigkeitszusammenhang, da der Tod seines Vorarbeiters Bu. und die Verletzung seines Mitarbeiters L. nicht ausschließbar auch dann eingetreten wären, wenn beide im Zeitpunkt der Explosion eine Schwimmweste getragen hätten.

3.

Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Revisionsgericht darf die Beweiswürdigung des Tatrichters nur auf rechtliche Fehler prüfen, nicht aber durch seine eigene ersetzen (BGHSt 29, 18, 20). Bei erschöpfender Beweiswürdigung müssen die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse nur möglich, brauchen aber keineswegs zwingend sein (KK StPO-Hürxthal, 5. Aufl., § 261 Rn. 50). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung nur, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NStZ 1983, 277, 278; BGH Strafverteidiger 1986, 421; Meyer-Goßner a. a. O. § 337 Rn. 27).

In dieser Hinsicht weist das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler auf. Die Kammer hat sich ausführlich und in für das Revisionsgericht überprüfbarer Art und Weise mit der Einlassung des Angeklagten und den Aussagen der Zeugen sowie den Darlegungen der Sachverständigen auseinandergesetzt und hat hieraus - auch hinsichtlich der Tatsache, dass der Vorarbeiter Bu. möglicherweise auch dann ertrunken wäre, wenn er zum Unfallzeitpunkt eine Schwimmweste getragen hätte - rechtsbedenkenfreie Schlüsse gezogen.

III.

Die Revision des Angeklagten

Die Revision des Angeklagten ist statthaft (§ 333 StPO). Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt, mit der Sachrüge sowie einer Verfahrensrüge ordnungsgemäß begründet (§§ 341, 344, 345 StPO) und ist mithin zulässig. In der Sache hat jedoch auch dieses Rechtsmittel keinen Erfolg.

1.

Ein auf einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK beruhendes Verfahrenshindernis, das vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten wäre (BGHSt 46, 159) und zur Einstellung zwingen würde, ist nicht gegeben. Ein Verstoß gegen diese Norm vermag nur in außergewöhnlichen Einzelfällen, wenn nämlich eine angemessene Berücksichtigung im Rahmen der Sachentscheidung nicht mehr in Betracht kommt, ein solches Verfahrenshindernis zu begründen (BGHSt 46, 159; 35, 137). Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, bestimmt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung des Sachverhalts gegeneinander abgewogen werden müssen (BVerfG NJW 2003, 2897; BGHSt 46, 159).

Hier betrug die Verfahrensdauer bis zum Urteil des Amtsgerichts etwa vierzehn Monate, was im Hinblick auf die mit der Sache verbundenen ermittlungstechnischen Schwierigkeiten - es waren mehrere Sachverständigengutachten einzuholen - nicht zu beanstanden ist. Allerdings sind bis zur Berufungshauptverhandlung weitere zwei Jahre und sechs Monate vergangen. Dabei hat das Landgericht Neubrandenburg das Verfahren in der Zeit vom 10.05.2001 bis zur Terminierung am 28.02.2003 nicht spürbar gefördert, so dass insoweit ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK vorliegt. Diese lediglich der Strafjustiz anzulastende vermeidbare Verzögerung von etwa einem Jahr und neun Monaten wiegt allerdings auch im Hinblick auf die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat ersichtlich nicht so schwer, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt jede strafrechtliche Sanktion von vornherein als unverhältnismäßig erscheinen ließe. Ihr kann noch durch Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung ausreichend Rechnung getragen werden.

2.

Von den beiden vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen ist eine bereits unzulässig, die andere zwar zulässig erhoben, aber unbegründet.

a)

Soweit der Angeklagte die Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK geltend macht, ist dies nur durch eine den strengen Formvorschriften des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensrüge möglich (BGH NStZ 1999, 95; 313). Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen die den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so bestimmt und ausführlich dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser schriftlichen Ausführungen das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden. Diese Prüfung muss ohne Rückgriff auf die Akte oder sonstige in Bezug genommene Schriftstücke möglich sein (BGHSt 3, 213; KK-Pikart, StPO, 5. Aufl., § 344 Rdz. 38; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. § 344 Rdz. 20 ff. m. w. N.).

An Vorstehendem gemessen erweist sich die Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als nicht ordnungsgemäß ausgeführt und darum unzulässig.

Sie verhält sich nicht ausreichend zu Art und Ausmaß der vom Gericht zu verantwortenden Verzögerung, indem sie nicht mitteilt, von wem die "Akteneinsichtsgesuche verschiedener Behörden" in der Zeit vom 10.05.2001 bis zum 28.02.2003 konkret stammten und wie sie vom Gericht behandelt worden sind. Damit ist es dem Revisionsgericht ohne Rückgriff auf die Akte nicht möglich zu prüfen, inwieweit das Berufungsgericht in dem angesprochenen Zeitraum das Verfahren gefördert hat.

b)

Soweit die Revision des Angeklagten rügt, dass er unter Verletzung der §§ 260, 267 StPO nicht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden sei, ist diese Verfahrensrüge zulässig erhoben, aber unbegründet.

Ein Teilfreispruch erfolgt nicht, wenn der Eröffnungsbeschluss die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände annimmt und die Verurteilung nicht wegen aller Straftatbestände erfolgt, da dem Verfahren nur eine - einheitlich zu beurteilende - Tat zugrundeliegt (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 260 Rn. 12; KK StPO-Hürxthal, 5. Aufl, § 260 Rn. 20).

So liegt der Fall hier. Mit der durch Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 22.11.2000 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg vom 25.07.2000 wurde dem Angeklagten die tateinheitliche Verwirklichung zweier Fälle der fahrlässigen Körperverletzung und einer fahrlässigen Tötung vorgeworfen. Nachdem er vom Amtsgericht entsprechend der Anklage verurteilt worden war, hat ihn das Landgericht auf seine Berufung hin "nur" einer fahrlässigen Körperverletzung für schuldig befunden. Ein Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung war im Hinblick auf das Vorstehende dabei nicht angezeigt.

3.

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat auch mit der allgemeinen Sachrüge keinen Erfolg.

Eine Überprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keine Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Die von der Berufungskammer getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil seines Mitarbeiters Bl.

a)

Der Angeklagte hat - wie bereits dargelegt - seine Pflichten als Arbeitgeber dadurch verletzt, dass er es unterließ, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen hinsichtlich der Lagerung und des Betriebes des Autogenschweißgerätes auf dem Arbeitsponton regelmäßig zu überwachen, obwohl er am 30.09.1999 hatte feststellen müssen, dass der von ihm insoweit beauftragte Vorarbeiter Bu. seinen Verpflichtungen nicht nachkam. Die fehlende Kontrolle des Angeklagten hatte letztlich die Explosion zur Folge, durch die sein Mitarbeiter Bl. verletzt worden ist.

b)

Eine eigenverantwortliche bewusste Selbstgefährdung dieses Mitarbeiters liegt nicht vor. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war Bl. nämlich aufgrund seines Urlaubs - vor Urlaubsantritt waren keine Schweißarbeiten durchgeführt worden - die Praxis seiner Kollegen, die Gasflaschen während des Schweißens in der vorderen linken Pontonkammer zu lagern, nicht bekannt und er hatte auch nicht mitbekommen, dass am 25.10.1999 wiederum so verfahren wurde. Der durch das Verhalten seiner Kollegen und die Unterlassung des Angeklagten begründeten großen Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben während seiner Arbeit auf dem Ponton war er sich dementsprechend überhaupt nicht bewusst.

c)

Hinsichtlich der Strafzumessung hat die Überprüfung des Urteils ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Das Landgericht hat mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen eine Strafe an der unteren Grenze des von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten reichenden gemäß § 13 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmens des § 229 StGB gewählt.

IV.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten waren nach alledem mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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