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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 1 U 141/06
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 12 Nr. 5
VOB/B § 12 Nr. 5 Abs. 3
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
ZPO § 265
ZPO § 325 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 1 U 141/06

Lt. Protokoll verkündet am: 19.04.2007

Im Namen des Volkes URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 05.04.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 29.06.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der Zivilkammer 3 des Landgerichts Schwerin - 3 O 177/06 - aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Kläger begehren aus abgetretenem Recht Kostenvorschuss für eine beabsichtigte Ersatzvornahme.

Ende 2000 beauftragten sie die BUK Bauunternehmen K GmbH (im Folgenden: BUK) mit der Errichtung einer Pension. Im Juli 2001 vergab die BUK das Gewerk Innentüren an die Beklagte. Diese legte am 09.10.2001 ihre Schlussrechnung. Unter dem 19.12.2001 rügten die Kläger gegenüber der BUK, dass Abstandshalter fehlten, die Türen liefen, Schrauben herausstünden und zwei Türblätter am Scharnier beschädigt und fünf andere mehrfach angebohrt worden seien. Unter Benennung dieser Mängel verlangte die BUK von der Beklagte deren Beseitigung mit Schreiben vom 21.12.2001. Am 05.02.2002 meldete sie ihr gegenüber "unabhängig von der bestätigten Mängelbefreiung durch den Bauherren" Bedenken gegen die Art der Montage der Einbohrbänder an den Schallschutztüren an. Es gäbe zahlreiche Fehlbohrungen. Die Bänder seien nicht lotrecht mit der Folge, dass die Blätter selbständig öffnen und schließen würden. Die hiergegen von ihr - der Beklagten - getroffene Maßnahme, das Anbohren der Bänder und das Setzen von Maden- und Trockenbauschrauben, sei ein unvertretbarer Notbehelf zur Blendung des Bauherren. Mit Schreiben vom 20.08.2002 forderte die BUK die Beklagte auf, sämtliche Schallschutztüren zu den Hotelzimmern zu ersetzen, da sie der geforderten Funktion nicht mehr entsprächen.

Mit Klageschrift vom 09.09.2002 nahm die Beklagte u.a. wegen der hier in Rede stehenden Tischlerarbeiten die BUK vor dem Amtsgericht Schwerin (14 C 1889/02) auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch. Die BUK wandte zunächst die oben erwähnten Mängel ein. Mit Schriftsatz vom 30.01.2003 trug sie als Ergebnis einer gutachterlichen Prüfung durch einen fachkundigen Tischlermeister folgende Mängel vor:

1. Keine Schallschutztür zu den Gästezimmern schließe fachgerecht. Die Zargen seien falsch eingebaut worden, mithin in der lichten Öffnung zu weit, so dass sich beim Schließen die Schallschutzleiste nicht auf den Boden senke.

- Die Einbohrbänder an den Zargen seien nicht fachgerecht ausgeführt worden. Sämtliche Bänder seien angebohrt und mit Trockenbauschrauben oder Madenschrauben versehen, um das selbständige Drehen der Blätter zu verhindern.

- Alle Bänder seien schief und der Stift bereits verbogen.

- Die Bänder seien unterschiedlich eloxiert.

- Alle Blätter und Zargen seien mehrfach verbohrt und die unbrauchbaren Bohrungen sichtbar.

- Alle Blätter und Zargen seien mittlerweile verzogen.

- Es seien Standardzargen und keine Schallschutzzargen eingebaut worden, so dass die für Hotels und Gaststätten geforderten Schalldämmwerte zwischen den Gästezimmern und den Fluren nicht erreicht würden.

- Die Oberfläche der Blätter seien weiß-glänzend, aber die der Zargen weiß-matt. Mithin gebe es kein übereinstimmendes Farbniveau zwischen den Blättern und den Zargen. Es bestehe insoweit ein sehr auffälliger Farbunterschied zwischen den Blättern und Zargen.

- Die Kellertür sei unsachgemäß gekürzt worden. Die Abschnittsfläche sei nicht farblich behandelt worden. Durch die eindringende Feuchtigkeit und den Nutzungsgebrauch blättere das Furnier und die Farbe ab.

Auf diese Mängel stützte die BUK ein Zurückbehaltungsrecht. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11.03.2003 nahm sie Bezug auf ihre Mängelbeseitigungsaufforderung vom 19.02.2003 und führte einen weiteren Mangel an:

- Die untergeordneten Innentüren würden nicht fachgerecht drehen und schließen, da die Zargen nachlässig und toleranzüberschreitend montiert worden seien.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.04.2003 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Mängelbeseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche [der BUK], soweit sie vorhanden gewesen sein sollten, gemäß § 12 Nr. 5 VOB/B verfristet seien. Mit Übersendung der Mängelbeseitigungsbestätigung vom 14.01.2002 habe die Klägerin (jetzt Beklagte) zugleich die Fertigstellung ihrer Leistung angezeigt. Damit sei das Werk spätestens am 29.01.2002 fiktiv abgenommen worden, ohne dass ein Vorbehalt wegen Mängel geltend gemacht worden sei.

Unter Hinweis auf dieses rechtskräftig gewordene Urteil hat sich die Beklagte dieses Verfahrens gegen die Zulässigkeit des Beweissicherungsantrages gewendet, den die hiesigen Kläger stellten, nachdem sie sich von der BUK alle vertraglichen Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche hatten abtreten lassen. Nach antragsgemäßer Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht das Verfahren 11 H 12/04 an das Landgericht (7 OH 3/05) abgegeben. Eine beantragte Anhörung des Sachverständigen unterblieb dort, weil das Landgericht mit Hinweis auf das zwischenzeitlich verkündete und mit der vorliegenden Berufung angegriffene Urteil ein Rechtsschutzbedürfnis für das selbständige Beweisverfahren verneint hat und die Sache austragen ließ.

Das Landgericht hat durch dieses Urteil die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat gemeint, dass ihr die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils entgegenstehe. Das Amtsgericht habe festgestellt, dass der BUK keinerlei Mängelbeseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche zustünden. Die Kläger müssten sich als Zessionare die prozessuale Rechtskrafterstreckung gemäß § 325 Abs. 1 i.V.m. § 265 ZPO entgegenhalten lassen.

Im Berufungsverfahren treten die Kläger dieser Begründung mit dem Argument entgegen, dass dem amtsgerichtlichen Verfahren ganz andere Mängelrügen zugrunde gelegen hätten als die, die im selbständigen Beweisverfahren und im vorliegenden Streitverfahren geltend gemacht worden seien. Die jetzt gerügten Mängel seien im Zeitpunkt der fiktiven Abnahme noch nicht aufgetreten und deshalb auch nicht bekannt gewesen. Zudem blieben auch bei einem Rechtsverlust gemäß § 12 Nr. 5 VOB/B Schadensersatzansprüche in Geld einschließlich der Mängelbeseitigungskosten als Vorschussforderung bestehen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Kläger - als Gesamtgläubiger € 21.300,- nebst 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Streitgegenstand des jetzigen Verfahrens von dem Urteil des Amtsgerichts erfasst werde. Das Amtsgericht habe auch endgültig über den Streitgegenstand entschieden, da es über alle Mängelbeseitigungsansprüche bzw. Schadensersatzansprüche entschieden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil und die im Berufungsrechtszug zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

B.

Die Berufung hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage zulässig.

- Zutreffend ist nur der Ansatz des Landgerichts, wonach sich die Rechtskraft eines Urteils auf einen Dritten erstreckt, der nach Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger einer Partei wird (§§ 325, 265 ZPO).

- Unzutreffend ist dagegen die Annahme, die Kläger könnten wegen der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils keine Vorschussklage erheben.

a. In diesem Zusammenhang kommt es weder auf die Frage an, ob das Amtsgericht zu Recht die Voraussetzungen des § 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B bejaht hat, noch auf die weitere Frage, inwieweit Identität zwischen den im Vorprozess geltend gemachten und den jetzt im Streit stehenden Mängeln besteht. In keinem Fall hat das Amtsgericht die - nunmehr an die Kläger abgetretenen - Mängelbeseitigungsansprüche der BUK rechtskräftig aberkannt.

b. Die BUK hatte im Verfahren vor dem Amtsgericht auf die von ihr behaupteten Mängel ein Zurückbehaltungsrecht gestützt. Einreden wie das Zurückbehaltungsrecht nehmen an der Rechtskraft des Urteils nicht teil. Einem Beklagten, der ohne Erfolg ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, wird dadurch seine Gegenforderung nicht rechtskräftig aberkannt (BGH, NJW-RR 1996, 828; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Vor § 322 Rn. 34a und § 322 Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 322 Rn. 19).

c. Zwar hatte die BUK im Vorprozess auch - vorsorglich und hilfsweise - mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet. Das Amtsgericht hat jedoch über den hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Anspruch nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise erkannt (§ 322 Abs. 2 ZPO). Das Amtsgericht hat nicht nur über die Zulässigkeit der Aufrechnung nicht entschieden (hierzu: BGH, NJW 1988, 3210), die im Hinblick auf die hierfür vorausgesetzte Individualisierung des Anspruchs durchaus Zweifeln begegnete. Es hat die Hilfsaufrechnung der BUK - selbst im Tatbestand - nicht einmal erwähnt. Von einer "Entscheidung" kann deshalb keine Rede sein.

II. Ob und inwieweit die Klage aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B begründet ist, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen.

- Die formalen Voraussetzungen des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B liegen vor. Die BUK hat die Beklagte mit Anwaltschreiben vom 19.02.2003 unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Die Beklagte ist dem Verlangen nicht nachgekommen.

- Der Anspruch ist auch nicht wegen fehlenden Vorbehalts i.S.d. § 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen. Zwar mag mit dem Amtsgericht angenommen werden, dass die Beklagte mit Übersendung der Mängelbeseitigungsbestätigung der Klägerin zu 1. vom 14.01.2002 zugleich die Fertigstellung ihres Werkes angezeigt hat (hierzu: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 8. Aufl., B § 12.5 Rn 47) und, da keine Partei die Abnahme verlangt hat, die deshalb maßgebliche Frist von 12 Werktagen am 29.01.2002 abgelaufen war. Die an die fiktive Abnahme anknüpfende Vorschrift regelt allerdings nur den Vorbehalt wegen bekannter Mängel.

Die Kläger haben eine schon am 29.01.2002 vorhandende Kenntnis der mit Anwaltschreiben vom 19.02.2003 gerügten Mängel in Abrede genommen. Die für die Kenntnis beweisbelastete Beklagte (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl., § 640 Rn. 11) hat sie erstmals im Berufungsrechtszug und ohne Beweisantritt behauptet, dies allerdings unter dem beachtlichen Hinweis auf die ihrem Inhalt nach unstreitige Mängelrüge vom 21.12.2001. Soweit darin beanstandete Mängel sich im Anwaltschreiben vom 19.02.2003 wiederfinden, ist ein Bestreiten ihrer Kenntnis am 29.01.2002 prozessual unbeachtlich (§ 138 Abs. 1 ZPO). Dennoch muss nicht zwischen bekannten und - da nicht nachweislich bekannt - als unbekannt zu behandelnden Mängeln unterschieden werden. Soweit Mängel der BUK im Zeitpunkt der fiktiven Abnahme bekannt waren, können die Kläger den für die Mängelbeseitigung erforderlichen Geldbetrag zwar nicht aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, aber als Schadensersatz gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B - unter den dort genannten Voraussetzungen - fordern. Dieser verschuldensabhängige Anspruch unterliegt nicht dem gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B eintretenden Rechtsverlust (BGH, NJW 1980, 1952). Er besteht unabhängig davon, ob der Auftraggeber den Mangel bereits beseitigt hat (BGH, NJW 1974, 143). Soweit die mit Schriftsatz vom 30.01.2003 geltend gemachten Mängel bestehen, rechtfertigen sie auch einen Schadensersatzanspruch. Die behaupteten Mängel sind wesentlich und beeinträchtigen die Gebrauchstauglichkeit erheblich (vgl. S. 26 des Gutachtens des Sachverständigen Düring; BA 128 (7 OH 3/05). Auch ein Verschulden der Beklagten hinsichtlich der fehlerhaften Bauausführung könnte nicht bezweifelt werden.

- Die deshalb entscheidende Frage ist, ob und in welchem Umfang das Werk der Beklagten tatsächlich mangelhaft ist.

a. Die Entscheidung hierüber bedarf weiterer Aufklärung.

Im selbständigen Beweisverfahren hat der Sachverständige erhebliche Mängel des Werks (insbesondere fehlender Schallschutz, mangelnde Rauchdichtigkeit, mangelhafte Befestigung der Zargen) festgestellt und den Mängelbeseitigungsaufwand auf € 21.300,- beziffert. Die hiergegen mit Schriftsatz vom 13.12.2004 erhobenen Einwendungen, auf die sich die Beklagte auch in diesem Verfahren berufen hat, sind nicht von vornherein unbeachtlich. Dem Sachverständigen wird deshalb Gelegenheit zu geben sein, sich mit den Rügen der Beklagten auseinanderzusetzen und sein Gutachten zu ergänzen. Die im Gutachten teilweise pauschal getroffenen Mängelfeststellungen begegnen Bedenken. Der Senat hält es für erforderlich, dass der Sachverständige jede der 35 Türen einzeln begutachtet, etwaige Mängel beschreibt und ggf. die für erforderlich gehaltenen Mängelbeseitigungskosten angibt.

b. Um die notwendigen Feststellungen treffen zu können, war die Sache auf übereinstimmenden Hilfsantrag der Parteien an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuverweisen. Der Senat hält eine Zurückverweisung für sachdienlich, weil das Interesse an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz nicht erkennbar überwiegt (vgl. BGH, NJW 2000, 2024). Er bezweifelt im Übrigen, eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits erreichen zu können als das Landgericht.

C.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO (vgl. hierzu: OLG München, NZM 2002, 1032).

Für eine Zulassung der Revision bestand kein in § 543 Abs. 2 ZPO genannter Grund.

Ende der Entscheidung

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