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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 1 U 191/99
Rechtsgebiete: RVO, VBG 40


Vorschriften:

RVO § 636
RVO § 637
RVO § 649
VBG 40 § 30 Nr. 3
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitsunfall grob fahrlässig i.S.v. § 640 RVO herbeigeführt worden ist.

2. Ein Verstoß gegen berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften stellt sich nicht ohne weiteres als ein Fall grober Fahrlässigkeit dar. Vielmehr bedarf es einer Wertung des Verhaltens des Schädigers unter Würdigung der Gesamtumstände, wobei es auch in subjektiver Hinsicht eines gesteigerten Verschuldens bedarf.


Lt. Protokoll verkündet am: 17.08.2000

URTEIL Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 3.08.2000 durch

den Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.01.1998 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neubrandenburg, Az. 6 O 357/97, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 22.500,00 abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Das Urteil beschwert die Klägerin in Höhe von DM 172.882,00.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten gemäß § 640, 641 RVO auf Ersatz ihrer Leistungen an die Hinterbliebenen des bei einem Arbeitsunfall getöteten L in Anspruch.

Der Beklagte zu 3), angestellt bei der Beklagten zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, führte am 23.03.1994 in den Betriebsgebäuden der Beklagten zu 1) gemeinsam mit dem später getöteten Abbrucharbeiten durch.

Die früheren Firmenräumlichkeiten der Beklagten zu 1) sollten in eine Erlebnisgaststätte umgebaut werden. Zu diesem Zwecke musste eine Betonbank in den Räumlichkeiten abgebrochen und abgetragen werden. Nachdem der Beklagte zu 3) und der später Getötete diese Arbeiten mit einem Bohrhammer begonnen hatten und alsbald feststellen mussten, dass dieses Gerät nicht ausreichend geeignet war, schlug der Beklagte zu 3) dem Beklagten zu 2) die Anmietung eines mit einem Bohrmeißel versehenen Kompaktladers bei der Firma M vor. Der Beklagte zu 2) stimmte diesem Vorschlag zu.

Die Verleihfirma M lieferte den gemieteten Kompaktlader am Morgen des 23.03.1994 an. Der Mitarbeiter W der Verleihfirma wies den Beklagten zu 3), der bis dahin keine Erfahrung in der Bedienung einer solchen Maschine hatte, wenige Minuten in die Bedienung ein. Der Beklagte zu 3), der befürchtete, mit dem für ihn ungewohnt zu bedienenden und reagierenden Arbeitsgerät Schäden an den Räumlichkeiten des Firmengeländes herbeizuführen, bat den Zeugen W, den Kompaktlader in die Halle einzufahren. Nachdem der Zeuge W dieser Bitte nachgekommen war, verließ dieser das Betriebsgelände.

Der Beklagte zu 3) setzte sich hiernach in den Kompaktlader und setzte diesen in der Halle in Bewegung. Nach einer Fahrt von wenigen Metern erschien der später Getötete vor dem fahrenden Kompaktlader. Der Beklagte zu 3) bemühte sich erfolglos, diesem auszuweichen bzw. den Lader zum Stehen zu bringen. Der sich in ca. 1 Meter Höhe befindliche Bohrmeißel des weiterfahrenden Kompaktladers durchbohrte den Geschädigten L und stiess anschliessend gegen die Wand. L verstarb innerhalb kürzester Zeit in Folge von Zerreißungen der Bauchschlagader.

Der Beklagte zu 3) hatte vor Inbetriebnahme des Kompaktladers eine ausreichende Sicherheit in der Führung dieser Baumaschine nicht erzielen können. Sicherheitsvorschriften hatte er, da ihm solche nicht überreicht worden waren, nicht gelesen.

Eine Absicherung der Baustelle, wie dieses die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft vorschreiben, haben weder der Beklagte zu 3) noch sonst jemand vorgenommen.

Die Klägerin hat - zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung - Leistungen an die Witwe bzw. die Kinder des Getöteten in Höhe von DM 85.546,63 erbracht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten gemäß § RVO ihre Leistungen an die Hinterbliebenen zu erstatten. Den Beklagten sei im Hinblick auf den Arbeitsunfall grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, DM 85.546,63 nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr, der Klägerin, alle weiteren Leistungen zu erstatten, die sie gegenüber den Hinterbliebenen des L aus dem Schadensereignis vom 23.03.1994 nach dem 30.06.1997 erbringe.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, eine grobe Fahrlässigkeit sei ihnen nicht vorzuwerfen. Dieses ergebe sich bereits daraus, dass das Strafverfahren gegen den Beklagten zu 3) gemäß § 153 a StPO wegen geringer Schuld eingestellt worden sei. Auch wenn dieses Strafverfahren in keiner Weise präjudizierend für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sei, so dürfe nicht verkannt werden, dass das Strafgericht nach eingehender und intensiver Beweisaufnahme zu einem solchen Schluss gekommen sei.

Die Beaufsichtigung der Baustelle sei Herrn Architekt M übertragen worden. Herr M sei seit Oktober 1992 regelmäßig vor Ort tätig gewesen. Sie, die Beklagte zu 1), habe veranlasst, dass der Architekt M an diesem Tag vor Ort gewesen sei. Der Architekt sei an diesem Tag auch tatsächlich vor Ort gewesen.

Für die Baumaschine sei ein Führerschein oder eine sonstige Ausbildung nicht erforderlich gewesen. Die Verleihfirma habe mitgeteilt, dass bei der Anlieferung eine ausreichende Einweisung stattfinde und sonst jedermann mit der Maschine umgehen könne. Der Beklagte zu 3) sei entsprechend eingewiesen worden.

Der Beklagte zu 3) sei ein qualifizierter, ausgebildeter Mitarbeiter gewesen. Er habe bereits früher Baumaschinen, so einen Minibagger, bedient.

Der später Getötete sei in die konkreten Arbeiten zum Abriss des Betonsockels nicht eingebunden gewesen. Er, der Beklagte zu 3), habe nicht damit rechnen können, dass der Verunfallte plötzlich, während er mit der Maschine auf den Betonsockel zugefahren sei, seitlich in die Maschine laufen werde. Der Verunfallte habe an dieser Stelle nichts zu suchen gehabt. Ein derart unvorhergesehener Geschehensablauf habe auch nicht durch entsprechende sonstige Vorsichtsmaßnahmen verhindert werden können.

Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens sei der Beklagte zu 3) noch nicht mit Arbeiten beschäftigt gewesen, er habe noch eine Übungsfahrt vorgenommen.

Die Klägerin hat hiergegen ergänzend vorgetragen, die Beklagten hätten gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sei eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 640 RVO anzunehmen, wenn gegen solche verstoßen werde (BGH VersR 1989, 109 ff; OLG Düsseldorf VersR 1992, 723 ff).

Die Beklagten hätten gegen die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft für Bagger, Lader, Planiergeräte, Schürfgeräte und Spezialmaschinen des Erdbaus (Erdbaumaschinen) (VBG 40) vom 01.04.1976 i.d.F. vom 01.01.1993 und gegen die Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (VBG 37) vom 01.04.1977 i.d.F. vom 01.01.1997 verstoßen. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 der VBG 37 seien Bauarbeiten von fachlich geeigneten Vorgesetzten zu leiten und von weisungsbefugten Personen zu beaufsichtigen.

Gemäß § 21 der VBG 37 habe der Aufsichtführende dafür zu sorgen, dass durch Abbrucharbeiten entstehende Gefahrenbereiche nicht betreten würden.

Nach VBG 40, welche gemäß § 2 Abs. 1 auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sei, seien gemäß § 30 besondere Anforderungen an den Maschinenführer zu stellen. Danach dürften zum Führen von Erdbaumaschinen nur solche Personen beschäftigt werden, die insbesondere im Führen oder Warten der Erdbaumaschinen unterwiesen seien und ihre Befähigung hierzu gegenüber dem Unternehmer nachgewiesen hätten.

Der Beklagte zu 2) habe nicht danach gefragt, ob der Beklagte zu 3) die Eignung zur Führung einer derartigen Baumaschine habe. Auch habe der Beklagte zu 2) nicht dafür gesorgt, dass eine aufsichtführende Person die Arbeiten überwache und der Gefahrenbereich abgesperrt werde. Es werde bestritten, dass der Architekt M vor Ort zur Beaufsichtigung zugegen gewesen sei.

Der Beklagte zu 2) habe angesichts der offenkundigen Gefährlichkeit der Arbeiten konkrete Anweisungen im Hinblick auf die Durchführung und Überwachung der Arbeiten geben müssen. Der Beklagte zu 2) habe sich darauf verlassen, dass andere das Notwendige tun würden, um den Unfall zu verhindern. Er habe jedoch als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) selbst die notwendigen Anordnungen treffen und für deren Einhaltung sorgen müssen.

Der Beklagte zu 3) habe die Maschine in Bewegung gesetzt, obwohl er keinerlei Erfahrung im Umgang mit einem solchen Bohrmeißel gehabt habe. Die Gefährlichkeit seines Tuns habe dem Beklagten zu 3) offen vor Augen stehen müssen. Er sei, wie der weitere Geschehensablauf gezeigt habe, nicht in der Lage gewesen, die Maschine in einer Gefahrensituation umgehend zum Stillstand zu bringen. Der Beklagte zu 3) habe auch gewußt, dass die Baustelle nicht abgesichert gewesen sei, dass somit gegebenenfalls ein Dritter in den Gefahrenbereich habe gelangen können.

Die Beklagten haben hierzu ergänzend vorgetragen, die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) betätigten sich nicht auf dem Sektor der Durchführung von Bauarbeiten, sondern auf dem Sektor der Fleischverarbeitung. Die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) hätten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit die von der Klägerseite herangezogenen Unfallverhütungsvorschriften nicht kennen müssen. Es seien keine klassischen Bauarbeiten durchgeführt worden, sondern für durchzuführende Bauarbeiten seien vorbereitende Abbrucharbeiten durchgeführt worden.

Das Unfallereignis sei eine Verknüpfung unglücklicher Umstände gewesen und würde wahrscheinlich selbst bei Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften eingetreten sein. Der tödlich verunglückte Mitarbeiter sei in diesem Arbeitsbereich überhaupt nicht tätig gewesen und es sei bis heute ungeklärt, warum er sich unbemerkt dem Beklagten zu 3) in dem dortigen Tätigkeitsbereich genähert habe. Ein unkontrolliertes Hereinlaufen seitlich in den Arbeitsbereich einer arbeitenden Maschine sei auch unter Anwendung von Vorsichtsmaßnahmen nicht zu verhindern.

Die 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neubrandenburg hat durch Urteil vom 23.01.1998 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Beklagten hätten zwar gegen § 21 VEG 37 verstoßen, wonach der Aufsichtführende dafür zu sorgen habe, dass Gefahrenbereiche, in denen Abbrucharbeiten erfolgen, nicht betreten würden. Ein solcher Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften reiche jedoch zur Bejahung grober Fahrlässigkeit nicht aus. Die Klägerin habe nicht darlegen und beweisen können, wie sich der Unfall abgespielt habe.

Der Unfallhergang sei völlig ungeklärt. Aus dem Untersuchungsbogen für tödliche Unfälle (Bl. 86 ff der Ermittlungsakte) ergäben sich mehrere Varianten als Grund für den Aufenthalt des Getöteten im Gefahrenbereich des Laders. Welche dieser drei Varianten tatsächlich vorgelegen habe, sei nicht feststellbar. Es sei daher von der für die Beklagten günstigsten Variante auszugehen, wonach der Getötete aus unerklärlichen Gründen in dem Bereich des Arbeitsgerätes aufgetaucht sei.

Das erstmalige Ingangsetzen des Laders sei erfolgt, damit sich der Beklagte zu 3) an das Arbeitsgerät habe gewöhnen können. Diesem sei ein besonders krasser Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten nicht vorzuwerfen, denn er habe davon ausgehen müssen, dass er keine anderen Personen gefährden könne, da er nicht einmal gewußt habe, dass sich andere Personen in seiner Nähe aufhielten.

Auch dem Beklagten zu 2) sei keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Beklagten hätten nämlich behauptet, dass der Architekt, welcher das Baugeschehen geleitet hat, während der Tatzeit als aufsichtspflichtige Person am Unfallort anwesend gewesen sei. Die Klägerin habe keinen Beweis dafür angeboten, dass kein Verantwortlicher an der Unfallstelle gewesen sei. Der somit allein verbleibende Vorwurf, die Abbrucharbeitsstelle nicht ordnungsgemäß abgesichert zu haben, begründe einen groben verstoß gegen Sorgfaltspflichten nicht. Dies lasse sich schon damit begründen, dass auch eine Absperrung den später Getöteten vermutlich nicht davon abgehalten hätte, im Unfallbereich unvermutet aufzutauchen.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses werde bestätigt durch das Ergebnis des Strafverfahrens, wonach das Verfahren gegen den Beklagten zu 3) gemäß § 153 a StPO eingestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Urteils wird auf Bl. 96 - 104 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Zu deren Begründung trägt sie - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages - ergänzend vor, die Beklagte hätten den Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht. Es liege ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift vor, da die Durchführung der Bauarbeiten offensichtlich zu keinem Zeitpunkt von einem fachlich geeigneten Vorgesetzten geleitet worden sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes seien die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Bauarbeiten von fachlich geeigneten Vorgesetzten geleitet bzw. beaufsichtigt worden seien. Insofern seien die Beklagten beweisfällig geblieben.

Den Beklagten sei ein Verstoß gegen § 21 der VBG 37 vorzuwerfen. Die Beklagten hätten von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen im Sinne eines Absperrens des konkreten Gefahrenbereiches völlig abgesehen. Ein derart schwerwiegender objektiver Pflichtenverstoß lasse den Schluß auf ein subjektiv gesteigertes Verschulden zu. In diesen Fällen würde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, in erster Linie aus präventiven Gründen, um nicht einem Schlendrian bei der Einhaltung elementarster Sicherungspflichten auf den Baustellen Vorschub zu leisten, keine übertrieben hohe Anforderung an die grobe Fahrlässigkeit gestellt.

Auch liege ein Verstoß gegen die VBG 40 vor, wonach die Beschäftigung zum selbständigen Führen solcher Lader den Nachweis der Befähigung gegenüber dem Arbeitgeber voraussetzt.

Die Vermutung des Landgerichts, dass auch eine Absperrung den später Getöteten nicht davon abgehalten hätte, im Unfallbereich unvermutet aufzutauchen, stelle eine solche "ins Blaue hinein" dar, für die es nicht den geringsten Anhaltspunkt gebe.

Auch könne hinsichtlich des Beklagten zu 3) nicht mehr von einer Einweisungsphase gesprochen werden. Der Beklagte zu 3) habe sich unter krasser Mißachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach der Kurzeinweisung von ca. 5 Minuten davon leiten lassen, dass er in der Lage sei, den Lader zu führen und auch mit diesem zu arbeiten. Der Beklagte zu 3) habe weder die Fahrgeschwindigkeit noch die Richtung kontrollieren können. Gerade hierdurch sei es zu diesem Arbeitsunfall gekommen. Dem Beklagten zu 3) sei nach eigener Aussage "das Fahrzeug irgendwie gänzlich ausser Kontrolle geraten". Es müsse davon ausgegangen werden, dass dem Verunglückten dadurch die Möglichkeit eines Ausweichens genommen worden sei.

Sie, die Klägerin, mache als Trägerin der Unfallversicherung die ihr entstandenen Aufwendungen im Wege der Klageerweiterung gemäß § 264 Abs. 2 ZPO nunmehr bis einschließlich 30.04.1998 geltend. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie Aufwendungen in Höhe von 111.136,93 gehabt. Diese Aufwendungen seien zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 23.01.1998 verkündeten Urteils des Landgerichts Neubrandenburg, Az.: 6 O 357/97,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, DM 111.136,93 nebst 4 % Zinsen aus DM 85.546,63 seit dem 26.09.1997 und aus DM 25.590,30 seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr, der Klägerin, alle weiteren Leistungen zu erstatten, die sie gegenüber den Hinterbliebenen des L aus dem Schadensereignis vom 23.03.1994 nach dem 30.04.1998 zu erbringen habe.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und führen - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages - ergänzend aus, die Beklagte zu 1) habe den Architekten M mit der Aufsicht über das gesamt Bauvorhaben beauftragt. Der Zeuge M sei am Unfalltag auf der Baustelle anwesend gewesen. Von einem Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften könne daher nicht die Rede sein. Der Klägerin obliege auch der Beweis, dass der Unfall in Folge grober Fahrlässigkeit der Beklagten verursacht worden sei.

Sämtlichen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) sei bekannt gewesen, dass am Unfallort umfangreiche Abrissarbeiten durchgeführt wurden. Auch ohne dass der Unfallort besonders gekennzeichnet worden sei, sei sämtlichen Mitarbeitern bekannt gewesen, dass hier besondere Vorsicht geboten gewesen sei.

Der Verstorbene selbst sei nicht in die Abrissarbeiten eingebunden gewesen. Der tatsächliche Geschehensablauf, nämlich dass der später Getötete seitlich in die Maschinen gelaufen sei, sei für alle Beklagten völlig unvorhersehbar gewesen.

Die behaupteten Aufwendungen würden mit Nichtwissen bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer Aufwendungen gegenüber den Hinterbliebenen des getöteten Arbeitnehmers L aus dem Arbeitsunfall vom 23.03.1994. ergibt sich aus den §§ 640 Abs. 1, 641 i.V.m. 636 Abs. 1, 637 Abs. 1 RVO nicht. Auf sonstige Anspruchsgrundlagen kann die Klage nicht gestützt werden.

Der Rückgriffsanspruch gemäß §§ 640 Abs. 1, 641 RVO ist ein durch die RVO originär geschaffener Anspruch des Sozialversicherungsträgers (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 1996, § 109 s. 950), kein übergeleiteter Schadensersatzanspruch des Verletzten oder seiner Hinterbliebenen. Er ist zwar privatrechtlicher Natur, aber kein Schadensersatzanspruch des allgemeinen bürgerlichen Rechts. Dies hat u.a. zur Folge, dass dem Rückgriffsanpruch - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 640 RVO - ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten nicht entgegengehalten werden kann (vgl. BGH VersR 1973, 818, 820 m.w.N.).

1. Die Bestimmungen der §§ 636 ff. RVO sind auf das streitgegenständliche Unfallgeschehen anzuwenden.

§§ 636 ff. RVO finden gemäss Renten-Überleitungsgesetz vom 25.07.1991 (BGBl. I 1606) seit 1992 auch in dem Beitrittsgebiet für alle sich dort ereignenden Versicherungsfälle Anwendung (vgl. Schaub, a.a.O., S. 935).

Die Bestimmungen der §§ 537-1160 RVO sind durch das Unfall-Versicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.08.1996 (BGBl. I 1254, 1317) aufgehoben worden, bleiben jedoch auf diejenigen Arbeitsunfälle, die sich vor Inkrafttreten des Unfall-Versicherungs-Einordnungsgesetzes ereignet haben, weiterhin anwendbar (zukünftig: §§ 104 ff. SGB VII).

2. Sonstige Ansprüche der Berufsgenossenschaft, z.B. solche aus übergegangenem Recht, kommen nicht in Betracht. Die Haftung des Arbeitgebers, dessen handelnder Organe (bei juristischen Personen und der Arbeitskollegen eines geschädigten Arbeitnehmers für Personenschäden aus Arbeitsunfällen ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 636 ff. RVO beschränkt.

3. Die Voraussetzungen der §§ 636, 637 RVO liegen vor.

a. Den Beklagten ist Vorsatz nicht vorzuwerfen. Ein vorsätzliches Handeln einer der Beklagten ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

b. Es handelt sich unzweifelhaft um einen Arbeitsunfall. Arbeitsunfälle sind Unfälle, die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540, 543-545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 I 1 RVO).

c. Sowohl der Beklagte zu 3) als auch der Getötete waren Versicherte i.S. dieser Vorschrift, nämlich Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten zu 1). Sie waren beide Betriebsangehörige des Betriebes der Beklagten zu 1). Der Haftungsausschluss des § 636 RVO gilt für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen entsprechend, wenn ein in demselben Betrieb tätiger Betriebsangehöriger den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hat (§ 637 RVO).

d. Herr L ist bei einer betrieblichen Tätigkeit des Beklagten zu 3) getötet worden. Betriebliche Tätigkeit ist jede auf den Betrieb bezogene Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn der Schädiger bei der Verrichtung seiner Arbeit fehlerhaft und leichtsinnig verfährt (vgl. Schaub, a.a.O. S. 948).

e. Eine Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (haftungsbegründende Kausalität) besteht ebenso wie zwischen dem Unfall und dem Körperschaden (haftungsausfüllende Kausalität), hier der Tötung des L.

Die Haftung der Beklagten ist somit gemäß §§ 636, 637 RVO beschränkt.

4. Der Klägerin steht ein Rückgriffsanspruch gemäß §§ 641, 640 RVO nicht zu, da die Beklagten den Arbeitsunfall nicht grob fahrlässig verursacht haben.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus: diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH VersR 1988, 474).

Hiernach ist in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen. Es darf nicht schon aus einem objektiv groben Pflichtenverstoß allein deshalb auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden geschlossen werden, weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt (vgl. BGH, a.a.O., 475).

Dies gilt insbesondere in den Fällen des § 640 RVO; denn die Unternehmer sollen wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten Beiträge grundsätzlich von einer Haftung freigestellt sein und nur dann im Wege des Rückgriffs in Anspruch genommen werden können, wenn es auch bei voller Berücksichtigung dieses Zweckes angesichts ihres für den Arbeitsunfall ursächlichen Verhaltens nicht mehr gerechtfertigt erscheint; die Folgen des Unfalls auf die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossene Unternehmerschaft abzuwälzen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (vgl. BGH a.a.O. 475 m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 1980, 887, 888; BGH VersR 1972, 144; OLG Düsseldorf VersR 1992, 723, 724).

Andererseits darf bei den Normzweckerwägungen zu § 640 RVO nicht unberücksichtigt bleiben, dass für diesen Regreß nicht der das Schadensersatzrecht beherrschende Ausgleichsgedanke im Vordergrund steht, sondern dem Sozialversicherungsträger Ersatz seiner Aufwendungen im wesentlichen aus präventiven, erzieherischen Gründen gewährt werden soll. Gerade diese Gründe gebieten es aber, bei manchen Fallgestaltungen an das Tatbestandsmerkmal der für einen Rückgriff erforderlichen groben Fahrlässigkeit keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen, um nicht auf solche Weise durch Freistellen von Sanktionen einem "Schlendrian" bei der Einhaltung elementarer Sicherungspflichten auf Baustellen Vorschub zu leisten (vgl. BGH VersR 1989, 109, 110).

Dies zugrundegelegt ergibt sich Folgendes:

a. Der Beklagten zu 1) als Unternehmerin ist ein Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften vorzuwerfen.

In Betracht kommen im vorliegenden Fall

- die Unfallverhütungsvorschriften der Bau- Berufsgenossenschaft Hamburg für Bagger, Lader, Planiergeräte, Schürfgeräte und Spezialmaschinen des Erdbaus (Erdbaumaschinen) (VBG 40) vom 1.04.1976 in der Fassung vom 1.01.1993 sowie

- die Unfallverhütungsvorschriften Bauarbeiten (VBG 37) vom 1.04.1977 in der Fassung vom 1.01.1997.

(1) Dass § 4 Abs. 1 VBG 37, wonach Bauarbeiten von fachlich geeigneten Vorgesetzten geleitet werden müssen, nicht eingehalten worden ist, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagten haben die Überwachung und Leitung der Baustelle durch den für das Bauvorhaben verantwortlichen Architekten M aus Kiel behauptet. Die Klägerin, die solches bestreitet, hat ihrerseits hierfür keinen Beweis angeboten.

(2) Gleiches gilt für die Beaufsichtigung der Baustelle durch weisungsbefugte Personen (§ 4 Abs. 2 VBG 37).

(3) Dass der Forderung des § 21 VBG 37 ("Der Aufsichtsführende hat dafür zu sorgen, dass Gefahrenbereiche, die durch Abbrucharbeiten entstehen, nicht betreten werden") nicht Genüge getan worden ist, ist unstreitig.

Die Forderung des § 21 VBG 37 ist erfüllt, wenn der Gefahrenbereich abgesperrt und erforderlichenfalls durch Warnzeichen (Warnschilder) gekennzeichnet ist oder Warnposten aufgestellt sind (vgl. VBG 37, Bl. 71 d.A.). Beides ist nicht geschehen.

Ob der Verletzung dieser UVV im Hinblick auf das konkrete Unfallgeschehen Bedeutung zukommen muß, könnte im Hinblick darauf, dass sich der Kompaktlader auf dem Weg - zum abzusperrenden - Einsatzort befand, zweifelhaft sein. Die in § 21 VBG 37 enthaltenen. Beispiele zeigen, dass diese Vorschrift den Schutz der Arbeitnehmer vor den unmittelbar aus den Abbrucharbeiten resultierenden Gefahren für die beteiligten Arbeitnehmer bezweckt. Die Frage, ob diese UVV auch den Anfahrtsweg von Baumaschinen zur Baustelle betreffen, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen. Aus den im Weiteren genannten Gründen muß es hierauf nicht entscheidend ankommen.

(4) Gemäss § 30 Nr. 3 VBG 40 (die gemäss § 2 Abs. 1 der VBG 40 auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sind) waren besondere Anforderungen an den Maschinenführer zu stellen. Hiernach durften mit dem selbständigen Führen und Warten von Erdbaumaschinen nur Personen beschäftigt werden, die "im Führen und Warten der Erdbaumaschine unterwiesen sind und ihre Befähigung hierzu gegenüber dem Unternehmer nachgewiesen haben. Sie müssen vom Unternehmer zum Führen und Warten der Erdbaumaschine bestimmt sein".

Ein Verstoß gegen diese Bestimmung kann festgestellt werden. Der Beklagte zu 3) ist von der Vermietfirma nicht in ausreichendem Maße eingewiesen worden. In welchem zeitlichen Umfang diese Einweisung vorgenommen worden ist, kann nicht zuverlässig festgestellt werden. Die Beklagten haben hierzu im Verlaufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht. Diese Einweisung hat jedoch unstreitig nicht dazu geführt, dass der Beklagte zu 3) vor Ingangsetzen des Laders ausreichende Sicherheit im Führen dieser Maschine erlangt hatte. Seine Befähigung zum Führen dieser Maschine hat er der Beklagten zu 1) gegenüber nicht nachgewiesen. Unstreitig hat die Beklagte zu 1) einen solchen Nachweis auch nicht organisatorisch sichergestellt.

Darauf, dass der Unfall sich infolge eines unerklärlichen Verhaltens des hiernach Getöteten auch dann ereignet hätte, wenn die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten worden wären, können sich die Beklagten nicht mit Erfolg berufen.

Für die Kausalitätsfrage gilt ein Anscheinsbeweis. Bei einem Verstoß gegen UVV wird prima-facie vermutet, dass es bei Beachtung der Schutzvorschrift nicht zu der Verletzung gekommen wäre, wenn sich in dem Unfall gerade die Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Vorschrift verhindern wollte (vgl. BGH VersR 1984, 775, 776). Den Beklagten ist nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern.

c. Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit der Beklagten ist durch diese Verstöße gegen UVV noch nicht festgestellt.

Ein Verstoß gegen berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften erfüllt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ohne weiteres den Tatbestand grober Fahrlässigkeit (vgl. BGH VersR 1988, 474, 475; BGH VersR 1984, 775, 776; BGH VersR 1981, 75; OLG Frankfurt, R + S 1995, 342).

Auch dann, wenn Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vorliegen, ist bei Anwendung des § 640 RVO eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind (vgl. BGH VersR 1984, 775, 776). Ein derartiger Vorwurf ist gegen den Schädiger auch bei solchen Verstößen nur dann zu erheben, wenn auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden vorliegt (vgl. BGH VersR 1988, 474, 475).

aa. Auch unter Berücksichtigung weiterer - im wesentlichen subjektiver - Umstände des Einzelfalles begründet der - objektiv gegebene - Verstoß gegen die genannten Unfallverhütungsvorschriften den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gegenüber der Beklagten zu 1) nicht.

Die in Rede stehenden UVV befassen sich - z.B. im Unterschied zu denen im Sachverhalt der Entscheidung des BGH in VersR 1989, 109, 110, wo sie der Abwendung von konkreten Lebensgefahren für in 8,5 m über einem betonierten Hallenboden arbeitende Arbeitnehmer dienen sollten - nicht speziell mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren. Zwar dient letztlich jede UVV dem Schutz der Arbeitnehmer und jeder Verstoß kann das Risiko eines Unfalles mit tödlichem Ausgang erhöhen, der Regelungsgehalt der streitgegenständlichen UVV ist jedoch allgemeinerer Natur. Sie beschreiben allgemeine Pflichten zur Sicherung von Abbruch-Baustellen sowie des Einsatzes von Erdbaumaschinen und dürften zunächst den Schutz der Arbeitnehmer vor Körperverletzungen bezwecken. Vorliegend handelt es sich nicht um einen besonders gewichtigen Pflichtenverstoß (vgl. BGH a.a.O.), der den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden nahelegen müßte.

Die Beklagte zu 1), die - unter (möglicherweise nicht lückenloser) Aufsicht des Architekten M - Abbrucharbeiten durch den Beklagten zu 3) und drei weitere Arbeitnehmer in der ehemaligen Betriebshalle hat durchführen lassen, hat die Organisation und Überwachung der Baustellenarbeiten nur unzureichend vorgenommen. Sie hat dem Beklagten zu 3), der telefonisch den Vorschlag der kurzfristigen Anmietung eines Kompaktladers anregte, "freie Hand" gelassen. Dieses nachlässige Verhalten, nämlich die "Fernüberwachung" der Abbrucharbeiten vom Wohnsitz des Beklagten zu 2) unter Zuhilfenahme des Architekten M, vermag den Vorwurf der Fahrlässigkeit, nicht jedoch den der groben Fahrlässigkeit zu begründen.

Der objektive Pflichtenverstoß der Beklagten zu 1) kann aus den genannten Gründen auch nicht als so krass angesehen werden, dass er ausnahmsweise schon ohne besondere Feststellungen zur personalen Seite den Schluss rechtfertigen könnte, der Beklagten zu, 1) sei auch subjektiv ein gesteigerter Schuldvorwurf zu machen (vgl. BGH VersR 1988, 474, 475).

bb. Gleiches muss für den Beklagten zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) gelten.

cc. Im Ergebnis ist auch ein grobes Verschulden des Beklagten zu 3) nicht festzustellen.

(1) Dass ihm die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften oblag, ist nicht festzustellen. Er war von der Beklagten zu 1) hierzu weder besonders beauftragt worden noch ergab sich eine solche Verpflichtung aus seiner hierarchischen Funktion in dem Unternehmen. Er war weder Vorgesetzter der übrigen Arbeitnehmer noch beauftragter Leiter der Baustelle.

(2) Dass er die an dem Kompaktlader angebrachten Anweisungen nicht gelesen hatte, vermag den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit nicht zu begründen. Der Strafakte ist zu entnehmen, dass diese Anweisungen zur Verhütung des Unfalls ungeeignet waren. Warnhinweise waren - soweit überhaupt vorhanden - in großem Umfang in englischer Sprache ausgeführt (Bl. 55 d.A.). Die in der Kabine vorhandene kurze Arbeitsschutzanleitung (Bl. 55 d. Strafakte, Lichtbild Bl. 75 d. Strafakte) enthält keine einschlägigen Regelungen.

(3) Selbst wenn dem Beklagten zu 3) entsprechende schriftliche Sicherheitshinweise übergeben oder sonst zur Kenntnis gereicht worden wären, könnte eine grobe Fahrlässigkeit ohne Weiteres nicht festgestellt werden. Von einem Arbeitnehmer zu verlangen, umfangreiche schriftliche Anweisungen vor Inbetriebsetzung einer Leih-Baumaschine durchzulesen, würde die Anforderungen an seinen Pflichtenkreis überspannen. Hierauf muss es jedoch nicht ankommen, da dem Beklagten zu 3) unstreitig solche Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden waren.

(4) Von dem Arbeitnehmer zu verlangen, von der Inbetriebnahme der Leihmaschine zunächst abzusehen und zuvor die Überlassung entsprechender schriftlicher Sicherheitshinweise zu fordern, müßte die Anforderungen an seinen Pflichtenkreis ebenfalls überspannen.

(5) Dem Beklagten zu 3) ist jedoch der Vorwurf zu machen, die Maschine in der Halle in Gang gesetzt zu haben, ohne sie ausreichend sicher führen zu können. Auch ist ihm der Vorwurf zu machen, hierbei den verbleib seiner Arbeitskollegen nicht beachtet zu haben. Der Unfall erfolgte sodann, als sein Arbeitskollege zu einem Zeitpunkt, in dem sich eine ausreichende Bediensicherheit des Beklagten zu 3) noch nicht begründet hatte, auf dem nur wenige Meter langen Anfahrtsweg zu der abzutragenden Betonbank - unvorhergesehener Weise - unmittelbar vor der Maschine erschien.

Dieses fahrlässige Verhalten des Beklagten zu 3) begründet den Vorwurf grober Fahrlässigkeit - in subjektiver Hinsicht - noch nicht. Der Beklagte zu 3) meinte, die erforderliche Fahr- und Bedienpraxis durch Bedienung der Maschine erlangen zu können. Zu diesem Zwecke hat er die Maschine gestartet und wollte an die vorgesehene Arbeitsstätte heranfahren. Dass er überhaupt keine Kenntnis hatte, wie die Maschine zu bedienen war, ist nicht vorgetragen worden. Er hatte vielmehr die - nicht unberechtigte - Vorstellung, die nötige Sicherheit bei der Arbeit mit dieser erlangen zu können.

Ob von ihm das Alternativverhalten, z.B. auf einer Hoffläche die Bedienung der Maschine einzuüben, bis er sie sicher beherrschte, in seiner Situation und an einem solchen "Arbeitsplatz" hätte erwartet werden können, erscheint nicht unzweifelhaft. Der Vorwurf, einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt begangen zu haben, diese Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen zu haben, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH VersR 1988, 474), ist durch das Verhalten des Beklagten zu 3) nicht zu begründen.

5. Der - nicht nachgelassene - Schriftsatz der Klägerin vom 7.08.2000 lag dem Senat vor. Einen Anlaß, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, ergab sich aus diesem nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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