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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 1 U 48/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 6
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 128 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB §§ 293 ff.
BGB § 295 Satz 1
BGB § 300
GKG § 40
GKG § 45 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 48/08

Verkündet am: 16.07.2008

im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die bis zum 14.07.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsätze der Parteien, mit denen übereinstimmend das Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren unter Verzicht auf die Einreichung weiterer Schriftsätze erklärt worden ist,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 07.12.2007 - Az.: 5 O 84/06 - wie folgt geändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 225.000,00 € nebst 2 % Zinsen aus 250.000,00 € vom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf 225.000,00 € vom 15.01.2006 bis 31.01.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt 56 % und die Klägerin 44 % der Kosten der Berufung. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 53 % und der Beklagte 47 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 22.327,86 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Herausgabe von Goldbarren, die die Klägerin dem Beklagten im Jahre 2005 übergeben hat.

Wegen des Sachverhaltes und den in 1. Instanz gestellten Anträgen wird auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Durch das vom Beklagten angefochtene Urteil vom 07.12.2007 hat das Landgericht ihn verurteilt, an die Klägerin 225.000,00 € nebst 2 % Zinsen auf 250.000,00 € vom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf 225.000,00 € ab dem 15.01.2006 zu zahlen. Darüber hinaus wurde die Klage abgewiesen. Der Klägerin sind 1/3 und dem Beklagten 2/3 der Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung des Beklagten.

Der Beklagte macht mit seiner Berufung sowohl hinsichtlich des ausgeurteilten Zinslaufes als auch bezüglich der Kostenentscheidung die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts geltend. Hierzu trägt er vor, dass Zinsen auf die ausgeurteilten 225.000,00 € lediglich bis zum 31.01.2007 hätten zugesprochen werden dürfen, da zu diesem Zeitpunkt das Darlehen zur Rückzahlung fällig gewesen und die Klägerin sich seit diesem Zeitpunkt in Gläubigerverzug befunden habe. Der Annahmeverzug der Klägerin sei durch die Schreiben des Beklagten vom 18.01.2007 sowie 25.01.2007, in denen dieser der Klägerin den Gegenwert der Goldbarren in Höhe von 225.000,00 € nebst Zinsen - zwischen den Parteien unstreitig - angeboten hat, spätestens jedoch mit der schriftlichen Annahmeverweigerung der Klägerin vom 25.01.2007 begründet worden.

Auch sei die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils rechtsfehlerhaft. Während des Gläubigerverzugs sei der Schuldner nicht für Kosten haftbar, die mit dem Verfahren in Zusammenhang stünden, soweit ihm nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen seien. Darüber hinaus habe das Landgericht für den Fall der Abgabe eines Anerkenntnisses die Ausurteilung einer Kostenquote angekündigt, so dass ein sofortiges Anerkenntnis nicht angezeigt gewesen sei. Darüberhinaus sei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ein falscher Streitwert zugrundegelegt worden. Dieser habe sich nach dem Goldkurswert bei Klageerhebung zu richten. Auch sei rechtsfehlerhaft bei der Ermittlung der Kostenquote nicht berücksichtigt worden, dass der Klägerin lediglich ein Teilbetrag aus dem von ihr gestellten Hilfsantrag zugesprochen worden ist.

Der Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des Landgerichtes Schwerin vom 07.12.2007 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin 225.000,00 € zu zahlen nebst 2 % Zinsen auf 250.000,00 € vom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf 225.000,00 € seit dem 15.01.2006 bis zum 31.01.2007.

2. Der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

3. Hilfsweise zum Antrag zu 2.):

Der Klägerin 2/3 und dem Beklagten 1/3 der Kosten des Verfahrens 1. Instanz aufzuerlegen.

Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteienschriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

1.

Die Berufung ist erfolgreich, soweit sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei der Zins- und Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils rügt.

a) Der Klägerin steht kein über den 31.01.2007 hinausgehender Zinsanspruch auf die Summe von 225.000,00 € gegen den Beklagten zu, da der Zahlungsverzug des Beklagten durch die in einer den Gläubigerverzug begründenden Art und Weise angebotene Leistung der 225.000,00 € am 18.01.2007 sowie 25.01.2007 geheilt worden ist (Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl., § 286 Rn. 34; BGH NJW 2007, 2761; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1396).

Befindet sich der Gläubiger im Annahmeverzug gemäß § 293 BGB, so ist der Schuldner während des Gläubigerverzugs von jeder Zinspflicht befreit (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 301 Rn. 1). Dies gilt für alle Arten von Zinsen gleichgültig ob diese kraft Gesetzes oder Rechtsgeschäft geschuldet werden (vgl. Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 1. Aufl., § 301 Rn. 2). Voraussetzung für die Begründung des Annahmeverzugs des Gläubigers ist ein Angebot der Leistung, so wie sie geschuldet wird am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Weise (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 294 Rn. 3). Sie muss sowohl nach Art, Güte und Menge dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen.

Vorliegend hat der Beklagte der Klägerin unstreitig sowohl am 18.01.2007 als auch am 25.01.2007 die Rückzahlung von 225.000,00 € als Gegenwert für die Goldbarren nebst Zinsen in Höhe von 9.361, 65 € angeboten, woraufhin die Klägerin die Annahme dieses Geldes ausdrücklich mit Schreiben vom 25.01.2007 verweigerte. Wie sich aus dem unangefochtenen Teil des erstinstanzlichen Urteils ergibt, entsprechen die angebotenen 225.000 € der Leistung, wie sie aus dem Darlehensvertrag geschuldet ist. Indem der Beklagte die Zahlung dieses Betrages in voller Höhe angeboten hat, genügte er den Vorschriften der §§ 293 ff. BGB. Das wörtliche Angebot des Beklagten war gemäß § 295 Satz 1 BGB auch geeignet, den Gläubigerverzug auszulösen, da die Klägerin schriftlich erklärt hat, die Leistung nicht anzunehmen. Der Annahmeverzug der Beklagten hat somit spätestens ab dem 25.01.2007 - mit der Verweigerung der Annahme der Leistung - vorgelegen. Das Urteil ist fehlerhaft, da es Zinsen über diesen Zeitpunkt hinausgehend ohne Rechtsgrund zuerkannt hat.

2.

Die Berufung ist nur teilweise erfolgreich soweit sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei der Kostenentscheidung rügt.

a) Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien verhältnismäßig zu teilen. Die Kostenentscheidung der 1. Instanz ist fehlerhaft, da sie nicht entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen der Parteien entspricht. Verteilungsmaßstab ist dabei der Gebührenstreitwert (Landgericht München I, WUM 1994, 337), welcher wiederum vom Streitgegenstand abhängt. Das Landgericht Schwerin hat den Gebührenstreitwert fehlerhaft auf 350.000,00 € festgesetzt. Der Betrag von 350.000,00 € entspricht dem durch die Parteien übereinstimmend angegebenen Wert der 28 Goldbarren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahre 2005. Tatsächlich wird bei einer Herausgabeklage der Streitwert nach § 6 ZPO nach dem Wert der Sache bestimmt (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2698), wobei sich der Wert einer auf die Herausgabe von Goldbarren gerichteten Klage durch den an der Börse geltenden Ankaufskurs für Goldbarren richtet (BGH, WM 1991, 1656; Schneider/Herget a.a.O., Rn. 2743; OLG Düsseldorf, JUR-Büro 1969, 175). Der Zeitpunkt für die Bemessung des Gebührenstreitwertes ist in § 40 GKG geregelt. Danach ist für die Wertberechnung ausschließlich der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung maßgebend. Der Grund liegt darin, dass Neuberechnungen bei Beendigung des Verfahrens weitgehend überflüssig sein sollen (Meyer, GKG-Kommentar, 8. Aufl., § 40 Rn. 2). Für die Berechnung des Gebührenstreitwertes zu Beginn der Instanz ist in der Regel der Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift maßgebend (OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 942; Meyer, a.a.O., § 40 Rn. 3). Somit ist vorliegend für die Bemessung des Herausgabeanspruches der Börsengoldankaufskurs vom 08.05.2006 - entspricht dem Eingang der Klage beim Landgericht Schwerin - maßgebend. Der Börsenankaufswert betrug an diesem Datum - was gerichtsbekannt ist - 17,155 € je Gramm Goldes. Bezüglich des Herausgabebegehrens der Klägerin, welches sich gemäß dem Antrag zu 1. auf 28 Goldbarren bezog, beträgt der Gebührenstreitwert somit 480.340,00 € (17,155 x 28.000 Gramm).

Die durch die Klägerin weiterhin geltend gemachten Hilfsanträge haben sich nicht gebührenstreitwerterhöhend ausgewirkt. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG werden hilfweise geltend gemachte Ansprüche soweit eine Entscheidung über sie ergeht, zwar grundsätzlich mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG jedoch dann nicht, wenn die Ansprüche den selben Gegenstand betreffen. So liegt der Fall hier. Der selbe Streitgegenstand ist immer dann gegeben, wenn sich die geltend gemachten Ansprüche gegenseitig ausschließen mit der Folge, dass die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendigerweise die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge hat (Meyer a.a.O., § 45 Rn. 12; BGH, NJW-RR 1992, 1404). Maßgebend ist dabei das Rechtsverhältnis soweit es - auch unter Einbeziehung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise - das selbe Interesse betrifft.

Vorliegend macht die Klägerin primär die Herausgabe der 28 Goldbarren und sekundär Wertersatz für die Goldbarren geltend. Die Anträge betreffen somit den identischen Streitgegenstand, so dass gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Der wertmäßig höchste Anspruch ist der Klageanspruch zu 1. mit dem die Klägerin die Herausgabe der 28 Goldbarren begehrt, da sich insoweit wie bereits ausgeführt der Gebührenstreitwert nach dem Börsenankaufswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bemißt. Der erste Hilfsantrag ist demgegenüber nicht höher zu bewerten, obwohl die Klägerin in diesem Antrag den Wertersatz nach den aktuellen Notierungen der Edelmetallkurse ersetzt verlangt, da die Edelmetallkurse im gesamten Jahr 2007 (Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Urteils) nicht über den am 08. Mai 2006 geltenden Ankaufswert gestiegen sind.

Gemessen an dem so ermittelten Gebührenstreitwert in Höhe von 480.340,00 € hat die Klägerin, die mit ihrer Klage lediglich in Höhe von 225.000,00 € durchdringt, gemäß § 92 Abs. 1 ZPO 53 % der Kosten der ersten Instanz zu tragen.

b) Entgegen der Ansicht des Beklagten in der Berufungsbegründung ist eine weitere Verschiebung der Kostenquotelung zu Lasten der Klägerin nicht allein wegen der Verurteilung aufgrund eines Hilfsantrages berechtigt. Das Teilunterliegen ergibt sich vorliegend bereits aus der Abweisung des Hauptanspruches. Soweit das Gericht nicht nach dem weitergehenden Hauptantrag, sondern nur nach dem aufgrund des Kostenstreitwerts geringerwertigen Hilfsantrag verurteilt, handelt es sich zwar um ein Teilunterliegen (siehe Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 92 Rn. 12). Das Teilunterliegen bemißt sich jedoch dann aus dem vom Hauptantrag abweichenden Streitwert.

c) Der Rechtsauffassung des Beklagten, während des Gläubigerverzuges habe er keine Prozesskosten zu tragen, kann nicht gefolgt werden. Dass der Schuldner während des Gläubigerverzuges gemäß § 300 BGB lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, befreit ihn nicht von der Kostentragungspflicht im Prozess. Grundsätzlich richtet sich die Pflicht zur Kostentragung gemäß § 92 Abs. 1 ZPO nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen, lediglich im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses kann die Kostenentscheidung gemäß § 93 ZPO unabhängig hiervon in voller Höhe zu Lasten des Klägers ausfallen. Voraussetzung ist jedoch nicht allein der Gläubigerverzug, der als Indiz für den fehlenden Anlass zur Klage geeignet ist, sondern auch ein sofortiges Anerkenntnis im Prozess. Ein solches hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt erklärt.

3. Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten der Berufung aus § 92 Abs. 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO, und hinsichtlich der Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Teilunterliegen des Beklagten in der Berufung bemisst sich nach den erstinstanzlich zu tragenden Kosten in Höhe von 47 % = 12.568,69 € gemessen an dem unter 5. ermittelten Streitwert der Berufung.

4. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

5. Der Streitwert der Berufung setzt sich zusammen aus 17.827,86 € für den Antrag auf Änderung der Kostenentscheidung und 4.500 € für die Änderung der Zinsentscheidung:

a) Die gesamten in 1. Instanz angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten hat der Senat mit 26.741,80 € ermittelt. Die sich aus der Kostenentscheidung der 1. Instanz ergebende Beschwer des Beklagten beträgt somit 17.827,86 €.

b) Bezüglich des Antrags auf Änderung der Zinsentscheidung hat der Senat das Interesse des Beklagten gemäß § 3 ZPO auf 4.500,00 € = Zinsanfall für ein Jahr geschätzt. Es ergibt sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 22.327,86 € für die Berufung.

Ende der Entscheidung

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