Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 1 W 64/03
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, BGB, GG, VwGO


Vorschriften:

GVG § 17 Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO §§ 567 ff.
BGB § 839
GG Art. 34
VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 40 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 1 W 64/03

Beschluß

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hillmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Garbe und den Richter am Landgericht Wiebe

am 15.06.2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 19.11.2003 - Az.: 4 O 163/03 - geändert:

Der Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist zulässig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Klägern nach einem Gegenstandswert von 1.100,00 € auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 567 ff. ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1.

Der Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist zulässig.

Die Kläger leiten ihr klageweise verfolgtes Feststellungsbegehren auch aus einem Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG her, der dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist mit der Folge, dass insoweit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (§ 13 GVG).

Der Umstand, dass die Kläger ihr Rechtsverfolgungsbegehren auch auf einen vertraglichen Schadensersatz- und Freistellungsanspruch aus dem Erschließungsvertrag der Beklagten mit der Rechtsvorgängerin der a. Immobiliengesellschaft mbH stützen, vermag den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht nicht zu begründen. Dem steht die Bestimmung des § 17 Abs. 2 GVG entgegen.

2.

Allerdings ist dem Landgericht darin beizupflichten, dass der von den Klägern aus dem Erschließungsvertrag als einem vermeintlichen Vertrag zugunsten Dritter oder Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte hergeleitete Schadensersatzanspruch seine Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis hat und insoweit grundsätzlich gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten wäre. Für den vorliegenden Fall gilt dies allerdings nicht.

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts läuft die mit dem angefochtenen Beschluß angeordnete Verweisung an das Verwaltungsgericht Greifwald der Bestimmung des § 17 Abs. 2 GVG zuwider.

a) Nach dem Wortlaut und Sinn des § 17 Abs. 2 GVG ist eine Verweisung nur dann geboten und zulässig, wenn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten schlechthin, das heißt für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist (BGH, NVwZ 1990, 1103, 1104; BVerwG, NVwZ 1993, 358 = MDR 1993, 800). Bei mehrfacher - tatsächlicher oder rechtlicher - Begründung eines Klageanspruchs scheidet eine Verweisung an das für den einen Klagegrund zuständige Gericht aus, wenn der beschrittene ordentliche Rechtsweg hinsichtlich des konkurrierenden anderen Klagegrundes zulässig ist (BGH, a.a.O.).

So verhält es sich hier. Für den von den Klägern auch geltend gemachten Anspruch aus Amtshaftung ist der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet und damit zulässig.

b) Die für die angeordnete Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Greifswald vom Landgericht angeführten Gründe erweisen sich letztlich als nicht tragfähig.

(1) Zwar trifft zu, dass es für die Frage der Zuständigkeit und Verweisung bei einer vom Kläger hervorgebrachten Haupt- und Hilfsbegründung allein auf die Erstere ankommt und damit der insoweit gegebene Rechtsweg zu beschreiten ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 17 GVG Rn. 7; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 17 GVG Rn. 6; Wittschier in Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 17 GVG Rn. 7; Hüßtege in Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 17 GVG Rn. 8, jeweils m.w.N.).

Dem Vorbringen der Kläger, auf das maßgeblich abzustellen ist, kann indes nicht entnommen werden, dass sie ihr Klagebegehren in erster Linie auf einen vertraglichen Anspruch aus einer Pflichtverletzung der Beklagten aus dem Erschließungsvertrag und nur hilfsweise auf einen Anspruch aus Amtshaftung stützen. Vielmehr ist von einem gewollten gleichen Rang beider Anspruchsgrundlagen auszugehen.

Das ergibt sich bereits aus dem ersten Absatz auf Seite 2 der Klage unter der Überschrift "Begründung". Dort heißt es: "Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten aus einem bzw. aufgrund eines Erschließungsvertrages und aus Amtspflichtverletzungen." Der Umstand, dass an erster Stelle der vertragliche Anspruch erwähnt und später auch (Seite 7/8 der Klageschrift) begründet wird, gibt keinen Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Kläger dem Amtshaftungsanspruch nur die Bedeutung einer Hilfsbegründung zukommen soll. Dagegen spricht, dass die Kläger auf Seite 6 der Klageschrift bei der Begründung der "Zulässigkeit des Rechtsweges" unter anderem ausführen: "Der Sachverhalt ist danach vom Gericht sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Amtspflichten, als auch der Verletzung vertraglicher Pflichten zu prüfen.". Hier wird an erster Stelle ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung genannt. Zudem haben die Kläger, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, einem Anspruch aus Amtshaftung einen in etwa gleich großen Begründungsumfang gewidmet wie einem Anspruch aus Vertrag. Auch das spricht für einen gewollten gleichen Rang beider herangezogener Anspruchsgrundlagen.

(2) Die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Greifswald erweist sich auch nicht wegen möglicher Erfolglosigkeit des aus Amtshaftung hergeleiteten Klagegrundes als gerechtfertigt.

Grundsätzlich kommt es bei der Frage einer rechtswegüberschreitenden Sachkompetenz nicht darauf an, ob die zuständigkeitsbegründende Anspruchsgrundlage wirklich besteht oder hieraus die Verurteilung erfolgt (vgl. Wolf in MK, ZPO, 2. Aufl., § 17 GVG Rn. 12). Anerkannt ist indes, dass eine Verweisung dann möglich und zulässig ist, wenn der Kläger sich auf eine den beschrittenen Rechtsweg an sich eröffnende Anspruchsgrundlage beruft, die aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen (BGH, NVwZ 1990, 1103, 1104; BVerwG, NVwZ 1993, 358 = MDR 800, 801; Wittschier, a.a.O.).

Eine derart untaugliche Anspruchsgrundlage stellt der von den Klägern auch verfolgte Amtshaftungsanspruch nicht dar. Das gilt jedenfalls hinsichtlich des hilfsweise angekündigten Antrages auf Freistellung. Zwar trifft es zu, dass ein Scha-densersatzanspruch aus Amtshaftung grundsätzlich auf Geldersatz oder eine andere auch dem Beamten mögliche Eigenleistung gerichtet ist (vgl. BGHZ (GrZS) 34, 99, 106). Das mag es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Kläger mit ihrem Hauptantrag, der die Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Durchführung der Resterschließung ohne ihre - der Kläger - Kostenbeteiligung zum Gegenstand hat, aus Amtshaftung durchdringen können.

Für den auf Freistellung von der Kostenpflicht gerichteten Hilfsantrag kann jedoch ein anderes gelten, zumal auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus Amtshaftung nicht ausschließlich Ersatz in Geld zu leisten ist (vgl. BGHZ 5, 102 ff. m.w.N.).

Letztlich bedarf es keiner abschließenden Klärung der Frage, ob die Klage mit Erfolg auf einen Anspruch aus Amtshaftung gestützt werden kann oder nicht. Einer Verweisung an das Verwaltungsgericht steht bereits entgegen, dass die Kläger diesen Anspruch ernsthaft geltend machen und es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen hierzu bedarf (vgl. BGH, NVwZ 1990, 1103, 1104).

Die sofortige Beschwerde der Beklagten erweist sich danach als begründet.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1993, 2541, 2542), der der Senat folgt, ist im Rechtsmittelverfahren gemäß § 17 a Abs. 4 GVG bei einem Erfolg des Rechtsmittels nicht von der Erhebung der Kosten entsprechend § 25 Abs. 3 GKG a.F. (jetzt: § 21 GKG) abzusehen. Vielmehr bedarf es einer Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO, wobei allein auf die Tatsache des Obsiegens und Unterliegens, nicht aber auf dessen Grund abzustellen ist (BGH, a.a.O.).

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war mit einem Bruchteil (1/5) des von den Klägern auf 5.500,00 € bezifferten Hauptsachewertes zu bemessen (vgl. BGH, MDR 1997, 386).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Die zu klärenden Rechtsfragen haben weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung des Senates von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab (§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG).

Ende der Entscheidung

Zurück