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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 11 UF 19/06
Rechtsgebiete: BSZG


Vorschriften:

BSZG § 4a
Die Kürzung der Sonderzahlung gem. § 4a BSZG ist im Versorgungsausgleich nicht zu berücksichtigen.
Az.: 11 UF 19/06

BESCHLUSS

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock am 14.12.2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Anhörungsrüge der Antragstellerin wird der Beschluss des Senats vom 19.12.2005, Az.: 11 UF 109/05, aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung Süd wird der Beschluss des Amtsgerichts Ueckermünde - Familiengericht - vom 29.06.2005, Az.: 3 F 34/05, geändert:

Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Wehrbereichsverwaltung Süd in Stuttgart, Pers.-Nr. ..., werden auf dem Versicherungskonto-Nr. ... der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften i. H. v. monatlich 97,44 EUR, bezogen auf den 31.10.2001 (Eheende), begründet. Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Im Übrigen bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Mit Beschluss vom 19.12.2005 hat der Senat auf die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung Süd den Beschluss des Amtsgerichts Ueckermünde - Familiengericht - vom 29.06.2005, Az.: 3 F 34/05, geändert und zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Wehrbereichsverwaltung Süd auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften i. H. v. monatlich 143,06 EUR, bezogen auf das Eheende, den 31.10.2001, umzurechnen in Entgeltpunkte, begründet.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Anhörungsrüge, mit der sie geltend macht, dass ihr vor Erlass der beanstandeten Entscheidung eingereichter Schriftsatz vom 21.11.2005 und ihr dort gestellter Antrag, den Versorgungsausgleich, soweit er unwirtschaftlich ist, anderweitig zu regeln, nicht beachtet worden ist.

B.

Die gemäß § 29 a Abs. 1 FGG statthafte Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist gemäß § 29 a Abs. 2 FGG eingelegt worden.

Die Rüge ist auch begründet. Die Antragstellerin beanstandet zu Recht, dass der Senatsbeschluss vom 19.12.2005 ihren Schriftsatz vom 21.11.2005, eingegangen bei dem Oberlandesgericht am 23.11.2005, unbeachtet ließ. Bei Erlass des gerügten Beschlusses des Senats vom 19.12.2005 befand sich der Schriftsatz der Antragstellerin vom 21.11.2005 zwar nicht bei den Akten, war jedoch ausweislich des Eingangsstempels bereits am 23.11.2005 bei dem Oberlandesgericht eingegangen.

Auf die Anhörungsrüge war der Beschluss des Senats vom 19.12.2005 aufzuheben und das Verfahren über die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung Süd gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ueckermünde - Familiengericht - vom 29.06.2005, Az.: 3 F 34/05, fortzuführen.

C.

Die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung Süd ist zulässig und begründet.

Die Parteien haben in der Ehezeit i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB vom 01.08.1987 bis 31.10.2001 nach den von ihnen nicht beanstandeten Auskünften der Versorgungsträger angleichungsdynamische Versorgungsanwartschaften gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i. V. m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, denen Entgeltpunkte Ost zu Grunde liegen, in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar die Antragstellerin i. H. v. 752,62 DM monatlich und der Antragsgegner i. H. v. 94,82 DM monatlich. Daneben hat die Antragstellerin noch nichtangleichungsdynamische Anwartschaften i. S. d. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, der Entgeltpunkte West zu Grunde liegen, in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitbezogen erworben, und zwar i. H. v. 0,35 DM monatlich. Ferner hat der Antragsgegner beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften nach dem Soldatenversorgungsgesetz i. V. m. der Soldatenversorgungsübergangsverordnung i. H. v. monatlich 1.223,45 DM erworben, wobei dieser Betrag nichtangleichungsdynamisch ist. Die entsprechende Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 18.11.2005 berücksichtigt die Verkürzung der jährlichen Sonderzahlung aufgrund von § 4 a BSZG ab dem Jahr 2004 nicht.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Berücksichtigung des Kürzungsbetrages nach § 4 a BSZG im Versorgungsausgleich ist gegensätzlich (für die Kürzung: OLG Schleswig, OLGR 2005, 782; OLG Koblenz, FamRZ 2006, 708; OLG Köln, OLGR 2006, 44; OLG Oldenburg, OLGR 2006, 53; gegen die Berücksichtigung der Kürzung: OLG Nürnberg, FamRZ 2005, 1749; OLG Schleswig, Beschluss vom 14.03.2005, Az.: 15 UF 204/04; Beschluss vom 27.09.2005, Az.: 8 UF 217/05).

Der Senat vertritt die Auffassung, dass eine Verkürzung der jährlichen Sonderzahlung aufgrund von § 4 a BSZG ab dem Jahr 2004 für die Errechnung des auszugleichenden Wertes nicht zu berücksichtigen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. FamRZ 1994, 560 ff.) ist sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch für den schuldrechtlichen Ausgleich stets die Bruttorente maßgebend. Gesetzgeberisches Ziel der Vorschrift des § 4 a BSZG ist die wirkungsgleiche Übertragung der Übernahme des vollen Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Rentner auf die Versorgungsempfänger (BT-Drs. 15/344, S. 5 f.). Die Regelung führt zu einer vereinfachten Abrechnung erhöhter Zahlungen an die Pflegeversicherung. Das gesetzgeberische Ziel der wirkungsgleichen Übertragung der erhöhten Belastungen der Rentner durch die Pflegeversicherung auf die Versorgungsempfänger gebietet es, auch im Versorgungsausgleich die Minderung der Sonderzahlungen unberücksichtigt zu lassen.

Da die Antragstellerin die werthöheren angleichungsdynamischen, der Antragsgegner die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erwoben hat, wäre ansich der Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG auszusetzen. Weil hier aber die Antragstellerin eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und sich somit der Versorgungsausgleich auf die Höhe ihrer Rente auswirkt (§§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 3 SGB VI), ist der Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG bereits vor der Einkommensangleichung durchzuführen.

Damit die angleichungsdynamischen Anrechte der Antragstellerin und des Antragsgegners im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs verrechnet werden können (§ 1587 b Abs. 3 Satz 3 BGB), müssen die angleichungsdynamischen Anrechte der Parteien mit dem Angleichungsfaktor i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 a VAÜG vervielfältigt werden. Durch den Angleichungsfaktor wird die Einkommensangleichung von dem Ende der Ehezeit bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts in den Versorgungsausgleich mit einbezogen. Anschließend ist der Ausgleichsbetrag festzustellen.

Der Angleichungsfaktor bei einem Ehezeitende am 31.10.2001 beträgt zur Zeit 1,0086343. Die mit dem Angleichungsfaktor vervielfältigten angleichungsdynamischen Anrechte, bezogen auf die Ehezeit, betragen daher für die Antragstellerin 759,12 DM (752,62 DM x 1,0086343) und für den Antragsgegner 95,64 DM (94,82 DM x 1,0086343). Bei der Gegenüberstellung der Anwartschaften sind auf Seiten der Antragstellerin noch die nichtangleichungsdynamische Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. 0,35 DM und bei dem Antragsgegner die nichtangleichungsdynamische Anwartschaft auf Beamtenversorgung i. H. v. 1.223,45 DM hinzuzurechnen. Danach ergeben sich folgende Ausgleichsbilanzen:

 Antragstellerin: 0,35 DM
+ 759,12 DM
 759,47 DM

 Antragsgegner:1.223,45 DM
+ 95,64 DM
 1.319,09 DM.

Der Wertunterschied der beiderseitigen Anwartschaften beträgt 559,62 DM. Die Ausgleichspflicht des Antragsgegners besteht i. H. d. Hälfte des Wertunterschiedes (§ 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB), also von 279,81 DM bzw. 143,06 EUR.

Weil die ausgleichsberechtigte Antragstellerin neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, wird sich der Versorgungsausgleich nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 06.10.2006 nur zum Teil, nämlich i. H. v. 97,44 EUR monatlich auswirken, weil die Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs, zusammen mit der Leistung aus der Unfallversicherung, den maßgebenden Grenzbetrag nach § 93 Abs. 3 SGB VI übersteigt. Auf Antrag der Antragstellerin auf anderweitigen Versorgungsausgleich gemäß § 1587 b Abs. 4 BGB war deshalb im Übrigen der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten. Der Antrag auf anderweitigen Versorgungsausgleich gemäß § 1587 b Abs. 4 BGB durfte zulässig auch noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BGH FamRZ 1983, 263).

Die Anordnung der Umrechnung der zu begründenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf § 1587 b Abs. 6 BGB.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 GKG, § 93 a ZPO.

Der Bundesgerichtshof hat - soweit ersichtlich - die Frage der Berücksichtigung der Minderung der Versorgungsbezüge nach § 4 a BSZG im Versorgungsausgleich noch nicht entschieden. Der Beschluss vom 20.7.2005, FamRZ 2005, 1529 hat die hier relevante Frage nicht behandelt. Es bestehen unterschiedliche Auffassungen von Oberlandesgerichten, sodass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 574 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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