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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 25.06.2001
Aktenzeichen: 17 W 8/01
Rechtsgebiete: GWB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 7
GWB § 110 Abs. 1
GWB § 114 Abs. 1 S. 2
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 17 W 8/01

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichtes den Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht

am 25. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Ziffer 2 (Kostentscheidung) des Beschlusses der 1. Vergabekammer vom 25.05.2001 - Az. 1 VK 7/01 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nahm an dem Vergabeverfahren "DVZ M-V GmbH IT 001/2001" der Antragsgegnerin teil. Dieses Vergabeverfahren war in 4 Lose aufgeteilt. Mit Schreiben vom 07.05.2001 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, nunmehr den Zuschlag für die Lose 1, 3 und 4 zu erteilen. Mit Schreiben vom 10.05.2001 hat die - seinerzeit anwaltlich nicht vertretene - Antragstellerin die Nachprüfung des Vergabeverfahrens beantragt.

Zur Begründung ihres Nachprüfungsantrages hat sie ausgeführt, das Verfahren habe gegen das Transparenzgebot verstoßen, da dem Bieter nicht alle Informationen zur Verfügung gestanden hätten und damit das Vergabeverfahren nicht nachvollziehbar sei. Die im Vergabeverfahren angewandten Bewertungskriterien seien vom Auftraggeber nicht mit der ihnen zukommenden Bedeutung bei der Bewertung bekanntgemacht worden. Es werde das Verbot der Zuschlagserteilung beantragt. Die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 07.05.2001 füge sie als Anlage bei.

Mit Schriftsatz vom 14.05.2001 hat sich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin bestellt und um Aufklärung über die Reichweite des erhobenen Nachprüfungsantrages gebeten. Das Vergabeverfahren umfasse die Auftragsvergabe für 4 Lose. Für ein Los habe die Antragstellerin kein Angebot abgegeben, für ein Los habe sie einen Teilzuschlag erhalten. Dennoch sei der Nachprüfungsantrag ohne ausdrückliche Einschränkung für das gesamte Vergabeverfahren erhoben worden. Andererseits beziehe sich die Antragstellerin ausdrücklich auf die Ablehnung ihres Angebotes vom 07.05.2001, so dass sich ihr Nachprüfungsbegehren auch darauf beschränken könne.

Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15.05.2001 mitgeteilt, sie verzichte, wenn dieses möglich sei, auf die Einbeziehung des Loses 2 und des Loses 4 in das Nachprüfungsverfahren.

Durch Beschluss vom 25.05.2001 hat die 1. Vergabekammer beschlossen, das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Lose 2 und 4 einzustellen. Die Antragstellerin trage die Kosten des Nachprüfungsverfahrens hinsichtlich der Lose 2 und 4. Sie trage die hinsichtlich der Lose 2 und 4 zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin. Die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin sei notwendig gewesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 12.06.2001. Zur Begründung trägt sie vor, die Vergabekammer habe missachtet, dass sie verpflichtet gewesen sei, die Antragstellerin auf rechtliche Probleme und ein zweckmäßiges Verfahren hinzuweisen und auf ein solches hinzuwirken. Die Vergabekammer sei gehalten gewesen, den Verzicht vom 15.05.2001 als Klarstellung des Umfangs des Nachprüfungsverfahrens auszulegen und die Antragsgegnerin entsprechend zu informieren. Des förmlichen Beschlusses vom 25.05.2001 habe es nicht bedurft. Die Kostentragungsregelung zu Ziffer 2 des angegriffenen Beschlusses sei rechtsfehlerhaft und somit aufzuheben. Die sofortige Beschwerde werde - soweit rechtlich zulässig - hierauf beschränkt.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, und erklärt, dass auch sie von dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung ausgehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

1. Die Kostenentscheidung der Vergabekammer ist als solche mit der sofortigen Beschwerde angreifbar (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, § 116 Rn. 13).

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bedarf es nicht.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Eine Kostenentscheidung wegen der - scheinbaren - Einstellung des Nachprüfungsverfahrens hinsichtlich der Lose 2 und 4 war nicht zu treffen. Die Lose 2 und 4 waren nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens. Eine solche Kostenentscheidung wäre darüber hinaus bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht gekommen.

a. Die Vergabekammer hat den Streitgegenstand des Nachprüfungsbegehrens verkannt.

Entgegen der Ansicht der Vergabekammer bezieht sich das vorliegende Nachprüfungsverfahren nicht auf das gesamte Vergabeverfahren. (Streit-)Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist vielmehr ein konkretes Verhalten des öffentlichen Auftraggebers im Vergabeverfahren, das das Gesetz als "behauptete Verletzung der Vergabevorschriften" bezeichnet (§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB). Die sachgerechte Erfassung des Begriffs des Streitgegenstandes im Nachprüfungsverfahren muss hierbei von der zentralen Vorschrift des § 97 Abs. 7 GWB ausgehen. Danach haben die Unternehmen einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Um diesen Anspruch geht es im Nachprüfungsverfahren. Demzufolge muss der Streitgegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens durch ein Verhalten des Auftraggebers im Vergabeverfahren gebildet werden, durch das - wirklich oder vermeintlich - bieterschützende Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt werden, in Verbindung mit der Geltendmachung des Antragstellers, dass gerade er durch das Verhalten des Auftraggebers in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wird (Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.05.2001, Az.: Verg 23/00).

Als Verhalten des Auftraggebers im Vergabeverfahren, durch das bieterschützende Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt worden seien, bezeichnete die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift "die Ablehnung des Angebotes vom 7.05.01", wobei sie im Einzelnen zu der Frage der Preisgestaltung bezüglich der Lose 1 und 3 weitere Ausführungen machte. Bereits hieraus folgt, dass sie zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens lediglich diejenigen Lose machen wollte, für die sie ein Angebot abgegeben hatte und soweit dieses nicht berücksichtigt worden war.

Soweit der begehrte Prüfungsumfang dem Antragsschreiben nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen war, hatte die Vergabekammer darauf hinzuwirken, dass geeignete und sachdienliche Anträge gestellt werden (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, § 114 Rn. 26). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Vergabekammer gemäß § 110 Abs. 1 GWB die Verpflichtung trifft, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und sie gemäß § 114 Abs. 1 S. 2 GWB bei ihrer Entscheidung an die Anträge nicht gebunden ist.

Ermittelte sie - wie geschehen - durch Nachfrage das tatsächliche Nachprüfungsbegehren der Antragstellerin, war sie anschließend gehindert, eine teilweise Antragsrücknahme anzunehmen.

b. Die Entscheidung der Vergabekammer konnte aus einem weiteren Grund keinen Bestand haben. Auch wenn - mit der Vergabekammer - davon auszugehen wäre, dass die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag nachträglich teilweise zurückgenommen hatte, so konnte eine eigenständige Kostenentscheidung hinsichtlich des zurückgenommenen Teils des Antrages dennoch nicht in Betracht kommen.

Wie bei einer teilweisen Klagerücknahme ist der Kostenausspruch der abschließenden Entscheidung der Vergabekammer vorzubehalten, weil eine auf die künftigen und noch Ungewissen Gesamtkosten bezogene Quotelung noch nicht möglich ist (vgl. zur teilweisen Klagerücknahme: Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 269 Rn. 19a; vgl. auch Boesen, a. a. O., § 128 Rd 27 zur Kostentragung bei teilweisem Obliegen).

Dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung folgend ist die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin betreffend die Lose 2 und 4 ebenfalls der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

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