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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 2 W 31/08
Rechtsgebiete: ZSEG, JVEG, ZPO


Vorschriften:

ZSEG § 3 Abs. 1
ZSEG § 16 Abs. 2
ZSEG § 16 Abs. 5
JVEG § 24
ZPO § 406
ZPO § 407 a
ZPO § 413
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

2 W 31/08

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 16. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund, Az.: 7 O 705/98 -, vom 21.05.2008 aufgehoben.

Dem Sachverständigen Dr. Ing. bleibt die Vergütung für die von ihm erstatteten Gutachten nebst erfolgten Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in der Zeit von April 2001 bis Mai 2008 erhalten.

Gründe:

I.

Die Kläger machen gegen die Beklagte restlichen Werklohn aus einem Auftrag über Nassbaggerarbeiten geltend.

Durch Beweisbeschluss vom 18.04.2001 wurde der Sachverständige Dr. Ing. mit der Erstellung eines Gutachtens im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag und den in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien streitigen Fragen zu Preisgrundlagen, vorgesehenen Leistungen, verspäteten Baubeginn etc. beauftragt.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2007 führte der Sachverständige u.a. aus, dass er dort wiedergegebene Kenntnisse deswegen habe, weil er in den 80er Jahren für " " gearbeitet habe. Auf Nachfrage ergänzte er, dass er Geschäftsführer einer Firma in gewesen sei, deren Gesellschafter zu je 50 % die Fa. und die Fa. gewesen seien. Auf Antrag der Beklagten erklärte das Landgericht den Sachverständigen durch Beschluss vom 18.12.2007 für befangen.

Auf Anregung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Stralsund sowie auf Antrag der Beklagten hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund durch Beschluss vom 21. Mai 2008 dem Sachverständigen jegliche Vergütung für die von ihm erbrachten Leistungen versagt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der genannten Beschlüsse Bezug genommen.

Gegen den letztgenannten Beschluss hat der Sachverständige durch Schriftsatz vom 03.06.2008 Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, er habe für die Klägerseite keine "früheren Tätigkeiten" erbracht. In diesem Punkt sei der aberkennende Beschluss objektiv unzutreffend. Allein die Tatsache, dass er in den 80-er Jahren im Auftrage seines Arbeitgebers, der , als Geschäftsführer der und der Firma zusammengearbeitet habe, bedeute nicht, dass er für eine der klägerischen Firmen gearbeitet habe. Die Tätigkeit bei habe von 1977 bis Ende 1979 gedauert. Er habe in dieser Zeit lediglich für eine Beteiligungsgesellschaft der Muttergesellschaft der Klägerin zu 1. gearbeitet, die Klägerin zu 1. habe seinerzeit noch gar nicht bestanden. Bis zur Annahme des Sachverständigenauftrages in diesem Verfahren seien 21 Jahre vergangen gewesen. Eine Befangenheit ergebe sich daraus nicht.

Der Sachverständige beantragt,

den Antrag der Beklagten, ihm den Verlust eines Entschädigungsanspruches auszusprechen und die ihm gewährte Entschädigung zurückzufordern, zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Beschluss für inhaltlich zutreffend. Alleine die Tatsache, dass sich der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Gutachterbefragung auf Kenntnisse außerhalb des Prozesses bezogen habe, die er im Rahmen einer früheren Tätigkeit erlangt habe, rechtfertige bereits den Verlust seines Entschädigungsanspruches, da der Ablehnungsgrund bereits mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und Beteiligten in dem Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Sachverständigen ist gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Sie ist auch begründet. Das Landgericht Stralsund hat ihm zu Unrecht den Entschädigungsanspruch aberkannt.

1. Der Enschädigungsanspruch des Sachverständigen ergibt sich, da seine Beauftragung vor dem 01.07.2004 erfolgt war, gem. § 413 ZPO i.V.m. § 24 JVEG aus den Bestimmungen des ZSEG. Gemäß § 3 Abs. 1 ZSEG wird der Sachverständige für seine Leistung entschädigt. Das Gesetz enthält keine Regelung darüber, ob der Sachverständige auch dann zu entschädigen ist, wenn er, zum Beispiel durch seine Ablehnung wegen Befangenheit, die Unverwertbarkeit des von ihm erstatteten Gutachtens verursacht hat.

Die Anwendung bürgerlichrechtlicher Bestimmungen, etwa des Dienst- oder Werkvertrages, auf diesen Fall kommt nicht in Betracht, weil die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über Leistungstörungen oder Mängelhaftung nicht auf den Fall zugeschnitten sind, dass die Leistungen in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbracht werden, der sich bestimmte Personen bei der Pflicht zu Erstattung eines Gutachtens nicht entziehen können. Es finden vielmehr die allgemeinen Rechtsgrundsätze Anwendung, insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BGH WM 1976, 461).

Wird die Arbeit eines Sachverständigen infolge einer gerichtlichen Entscheidung unverwertbar, die ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch gemäß § 406 ZPO für begründet erklärt, hat das nicht ohne weiteres Einfluss auf den Vergütungsanspruch. Vielmehr ist der Verlust der Entschädigung nur dann zu rechtfertigen, wenn die Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf eine zumindest grob fahrlässige Pflichtwidrigkeit des Sachverständigen ergeht (vgl. OLG Koblenz OLGR 2006, 223). Dies gilt uneingeschränkt für nach Übernahme des Gutachtenauftrags entstandene Ablehnungsgründe (vgl. OLG München MDR 2002, 57; OLG Oldenburg BauR 2004, 1817). Dass der Sachverständige nach Beauftragung in schuldhafter Weise die Unverwertbarkeit seiner Leistungen herbeigeführt hätte, ist nicht erkennbar.

Liegt ein Verschulden, das die Unverwertbarkeit des Gutachtens herbeiführt, bereits bei der Entgegennahme des Auftrages vor (Übernahmeverschulden), soll ein geringerer Maßstab gelten. Gem. § 407 a ZPO hat der Sachverständige bei der Entgegennahme des Auftrages unverzüglich zu prüfen, ob dieser in sein Sachgebiet fällt. Ebenso hat er aber auch schon in diesem Verfahrensstadium auf einen möglicherweise in seiner Person liegenden Ablehnungsgrund hinzuweisen, damit die Parteien entscheiden können, ob sie gleichwohl die Begutachtung durch ihn wünschen. Versäumt er diesen Hinweis und wird er deshalb später mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, verwirkt er seinen Entschädigungsanspruch selbst dann, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (vgl. OLG Koblenz, MDR 2002, 1152: Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 413 Rdn. 4 m. w. N.).

Ob die zuletzt wiedergegebene Auffassung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vollumfänglich in Übereinstimmung zu bringen ist, kann im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse des Sachverständigen an der Entschädigung seines mitunter nicht unerheblichen Aufwandes (hier ca. 50.000,00 Euro) und des geringen Verschuldensmaßstabes nicht außer Zweifel gestellt bleiben.

Im vorliegenden Fall muss es jedoch auf die Entscheidung dieser Frage nicht ankommen, da dem Sachverständigen ein Verschulden nicht vorzuhalten ist. Dieser war bei Entgegennahme des Auftrages nicht gehalten, in der zwischen 1977 und 1979 erfolgten Geschäftsführertätigkeit für die Fa. einen möglicherweise in seiner Person liegenden Ablehnungsgrund zu erkennen und auf diesen hinzuweisen. Der Umstand allein, dass das Landgericht die Ablehnung des Sachverständigen ausgesprochen hat, begründet, die Frage außer acht gelassen, ob diese Ablehnung zu Recht erfolgt ist, die Versagung der Entschädigung noch nicht.

Für eine der Parteien ist der Sachverständige unstreitig nicht tätig gewesen. Mit der Klägerin zu 1. war die Fa. nicht identisch, unstreitig haben beide Firmen zu keinem Zeitpunkt nebeneinander bestanden.

Der Umstand, dass der Sachverständige für eine Firma tätig war, an der die Muttergesellschaft der Klägerin zu 1. eine 50% beteiligung hielt, begründet eine Befangenheit noch nicht. Die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland - für die Niederlanden dürfte anderes nicht gelten - sind gerichtsbekannt in vielfältiger Weise konzernmäßig miteinander verflochten, ohne dass diese Verflechtungen in der Öffentlichkeit bekannt sind oder dort nachvollzogen werden könnten. Eine Besorgnis, dass die Loyalität eines Arbeitnehmers oder Geschäftsführers nicht nur seiner Beschäftigungsfirma, sondern auch noch einer der dahinter stehenden Beteiligungsfirmen gilt, besteht allein im Hinblick auf die Abstraktheit des Beteiligungsverhältnisses nicht. Vorliegend war der Sachverständige 1977 von seinem damaligen Arbeitgeber, der Firma beauftragt worden, in einer Neugründung, die sich mit der Entwicklung eines Baggers befasste und an der die niederländische Firma zu jeweils 50 % beteiligt waren, als Geschäftsführer zu fungieren. Diese Firma wurde aus der Firma heraus geleitet, der Sachverständige blieb auch in dieser Tätigkeit ein " -Mann" Die Tätigkeit des Sachverständigen bei dieser Firma dauerte weniger als 2 Jahre, hiernach stellte die Firma durch erneute Änderungen der Konzernstrukturen ihren Geschäftsbetrieb ein. Inwiefern ein solches Beteiligungsverhältnis anders zu beurteilen sein könnte als eine informelle Zusammenarbeit zweier Unternehmen zur Förderung eines gemeinsamen Interesses ist nicht erkennbar.

Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Sachverständigen ein Verschulden vorzuhalten ist, kann auch nicht außer Betracht gelassen werden, dass seine Geschäftsführertätigkeit für die Fa. bei Übernahme des Sachverständigenauftrages mehr als 20 Jahre zurücklag und die Relevanz eines solchen Vorganges nicht mehr erkennbar sein musste. Die Besorgnis einer Bindung an einen früheren Arbeitgeber war nach einem solch langen Zeitraum ebenfalls nicht mehr zu begründen.

Dass der Sachverständige Kenntnisse aus dem Bereich der Firmengruppe einbringen konnte, begründet aus den bereits genannten Gründen eine Versagung der Entschädigung nicht. Wie zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, ist der Geschäftsbereich der Nassbaggereien ein enger. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine der Beteiligten mit einer anderen bereits in einem Geschäftskontakt stand, ist in einem solchen Bereich hoch, die aus solchen Geschäftskontakten herrührenden Kenntnisse stellen das Betriebskapital des Sachverständigen dar, der gerade wegen dieser mit der Beantwortung der Beweisfragen beauftragt wurde.

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 16 Abs. 5 ZSEG gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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