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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 3 U 124/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 287
BGB § 323 Abs. 1
BGB § 323 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 323 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 323 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 323 Abs. 6
BGB § 440 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 124/05

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und die Richterin am Oberlandesgericht B.

auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 29.07.2005, Az.: 4 O 334/04, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Verfahrens gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages.

Mit Vertrag vom 26.09.2003 erwarb der Kläger von der Beklagten einen mit einem Leistungskitt versehenen Neuwagen der Marke M. Typ L 200 2,5 TD "American Sport II" zu einem Preis von 33.483,24 €. In der Folgezeit traten diverse Mängel auf; u. a. beanstandete der Kläger wiederholt einen Leistungsverlust des Fahrzeuges in Gestalt eines Leistungslochs im vierten Gang bei etwa 90 km/h. Obwohl die Beklagte - wie sie dem Kläger mitteilte - den genannten Mangel bei mehreren Probefahrten nicht feststellen konnte, nahm sie zur Beseitigung möglicher Ursachen eines Leistungsabfalls eine Überschreibung der Motorsteuereinheit sowie die Erneuerung des Turboladers vor. Trotz dieser Maßnahmen habe - so behauptet der Kläger - der Leistungsverlust des Fahrzeuges nicht behoben werden können. Die übrigen Mängel hat die Beklagte erfolgreich nachgebessert.

Anfang März 2004 stimmte der Kläger einem Angebot der Beklagten zu, das Fahrzeug auf einen Leistungsprüfstand zu verbringen; einen solchen gibt es für Allradfahrzeuge bei der Beklagten nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2004 trat er vom Kaufvertrag zurück.

Erstinstanzlich verlangte der Kläger von der Beklagten, für den bisherigen Gebrauch des Fahrzeuges einen Abzug vom Kaufpreis in Höhe von 20 % vornehmend, Zahlung in Höhe von 26.786,60 € Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges. Er ist der Ansicht, am 31.03.2004 zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen zu sein. Die Beklagte habe ihn mehrfach wegen der Realisierung des Angebots, eine Leistungsprüfung durchführen zu lassen, vertröstet. Dass ein Leistungsprüfstand frei sei habe sie zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Der Kläger meint, wegen der ständig fehlgeschlagenen Nachbesserungen habe es keiner vorherigen Fristsetzung bedurft.

Die Beklagte, die das Bestehen eines Leistungsdefizits bestreitet, behauptet, ein Termin zur Durchführung einer Leistungsprüfung in R. sei für den 09.03.2004 vereinbart gewesen. Zu diesem Zweck habe der Kläger sein Fahrzeug am 08.03.2004 zur Beklagten bringen sollen; er sei jedoch nicht erschienen. Der Kläger sei dann am 09.03.2004 ins Autohaus gekommen und habe ausdrücklich gegenüber dem Zeugen S. die Prüfung auf dem Leistungsprüfstand abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.

Das Landgericht Schwerin hat den Kläger angehört und den Zeugen S. zu der Frage vernommen, ob am 08.03.2004 eine Kontrolle des behaupteten Leistungsabfalls habe erfolgen sollen. Zu dem behaupteten Leistungsdefizit bei 80 bis 90 km/h holte es ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H., von der IHK Schwerin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeugschäden und - bewertung, ein.

Mit Urteil vom 29.07.2005 gab das Landgericht der Klage im Wesentlichen statt; es verurteilte die Beklagte, an den Kläger 25.500,00 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe Fahrzeuges zu zahlen und stellte fest, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein. Sie ist der Ansicht, der Kläger sei am 31.02.2004 zum Rücktritt vom Kaufvertrag nicht berechtigt gewesen. Zum einen sei die nach § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung nicht entbehrlich gewesen sei. Auch sei der Rücktritt gem. § 323 Abs. 6 BGB wegen Annahmeverzuges des Klägers ausgeschlossen gewesen sei. In diesem Zusammenhang rügt die Beklagte eine unzutreffende Ermittlung der Tatsachengrundlagen sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Landgerichts. Das Gericht hätte den in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.06.2005 benannten Zeugen T. deshalb noch hören müssen, weil es ihm offenbar darauf angekommen sei, ob und welche Gespräche der Kläger am 09.03.2004 mit Herrn T. geführt habe. Ein entsprechender Hinweis sei nicht erfolgt. Die Beklagte beanstandet weiter die Höhe des zuerkannten Betrages. Der Kläger habe zur Höhe seiner Forderung, insbesondere zur Anrechnung des Nutzungsvorteils, keinen substantiierten Sachvortrag geliefert. Das Landgericht habe ohne weitere Sachverhaltsermittlung den Nutzungsvorteil gem. § 287 ZPO geschätzt, wobei Ermittlungen zu der zu erwartenden Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges nicht stattgefunden hätten. Der Mittelwert von 0,67 % des Fahrzeugwertes je gefahrene 1.000 km sei ohne nähere Begründung angesetzt worden. Wie das Gericht den pauschalen Abzug in Höhe von 429,42 € ermittelt habe, sei nicht nachvollziehbar noch ergebe sich dies aus der Urteilsbegründung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Schwerin vom 29.07.2005 die Klage abzuweisen.

hilfsweise

die Sache an das Landgericht Schwerin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kläger, der die teilweise Abweisung seiner Klage hinnimmt und Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zum Umfang der Nutzung trägt er vor, er habe das Fahrzeug am 21.09.2004 abgemeldet und es seitdem bis auf eine Ausnahme nicht mehr genutzt. Bei der Ausnahme handele es sich um die Fahrt am 12.04.2005 zum Prüfort nach Stralsund zur Begutachtung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen.

Die Beklagte bestreitet die vorstehende Behauptung.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger war am 31.03.2004 nicht zum Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug berechtigt.

1.

Die Feststellung des Landgerichtes, das vom Kläger gekaufte Neufahrzeug sei aufgrund eines Leistungsabfalles mit einem die vertragsgemäße Verwendung einschränkenden Sachmangel versehen, greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht an. Diese Feststellung steht im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen G. in seinem schriftlichen Gutachten vom 02.05.2005.

2.

Am 31.03.2004 lagen die Voraussetzungen für einen Rücktritt des Klägers von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag nicht vor.

a) Unstreitig hatten sich die Parteien Anfang März 2004 darauf verständigt, wegen des vom Kläger behaupteten Leistungsdefizits an dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Leistungsprüfung auf einem Motorprüfstand durchführen zu lassen. Wurde er, wie der Kläger vorträgt, mehrfach von der Beklagten wegen der Realisierung des Angebotes vertröstet und unterblieb ein Anruf der Beklagten, dass ein Leistungsprüfstand frei sei, so konnte der Kläger vom Kaufvertrag jedenfalls nicht zurücktreten, ohne der Beklagten zuvor eine Frist gem. § 323 Abs. 1 BGB zu setzen. Dass er eine solche Frist nicht gesetzt hat, ist unstreitig.

b) Die Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB war nicht entbehrlich.

Ihre Entbehrlichkeit ergibt sich zweifelsfrei nicht aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB. Sie folgt entgegen der Ansicht des Landgerichtes auch nicht aus § 440 S. 2 BGB. Zwar gilt danach die gesetzliche Vermutung, dass vom Fehlschlagen der Nachbesserung auszugehen ist, wenn zwei Nachbesserungsversuche gescheitert sind. Dies war hier der Fall, denn der Leistungsabfall war trotz der Überschreibung der Motorsteuereinheit sowie Erneuerung des Turboladers nicht beseitigt. Allerdings ist die gesetzliche Vermutung eingeschränkt; sie gilt nicht, soweit sich aus der Art der Sache oder des Mangels oder aus den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Ein "sonstiger Umstand" in diesem Sinne lag hier vor, denn der Kläger hatte dem Vorschlag der Beklagten, eine Überprüfung seines Fahrzeuges auf einem Leistungsprüfstand vornehmen zu lassen, zugestimmt. Seine Zustimmung erfolgte in dem Wissen, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt sowohl den von ihm festgestellten und bemängelten Leistungsabfall, als auch die Ursache hierfür nicht feststellen konnte und dass ihre zur Beseitigung möglicher Ursachen vorgenommenen zwei Nachbesserungsversuche erfolglos geblieben sind. Nachdem sich der Kläger in dieser Situation mit einer weiteren Ursachenforschung einverstanden erklärt hatte, konnte er jedenfalls nicht unter Berufung auf die zwei fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuche vom Kaufvertrag zurücktreten, ohne der Beklagten vorab eine Frist zur Überprüfung des Fahrzeuges auf einem Leistungsprüfstand, die kurz bemessen sein konnte, zu setzen.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei ihm nicht mehr zuzumuten gewesen, ihn im Hinblick auf die Vielzahl der Mängel und die Reparaturanfälligkeit des Fahrzeuges am Kaufvertrag festhalten zu lassen. Die von ihm gerügten Mängel am Fahrzeug hatte die Beklagte mit Ausnahme des Leistungsdefizites beseitigt. Trotz zweier fehlgeschlagener Nachbesserungsversuche hinsichtlich des Leistungsverlustes des Fahrzeuges und obwohl die Beklagte ihm mitgeteilt hat, dass sie einen Leistungsabfall nicht feststellen könne, hat er es sich selbst zugemutet, eine weitere Überprüfung seines Fahrzeuges auf einem Motorprüfstand vornehmen zu lassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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