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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 20.01.2006
Aktenzeichen: 3 U 154/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 387
BGB § 1125
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 110
InsO § 140 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 U 154/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und die Richterin am Oberlandesgericht Bartmann

am 20.01.2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.09.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund (Az.: 4 O 257/05) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert der Berufung: 8.947,48 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Berechtigung der beklagten Mieterin, gegen die nach Anordnung der Zwangsverwaltung (17.11.2004) fällig gewordenen Mieten für April und Mai 2005 mit dem von der Vermieterin am 27.12.2004 errechneten Anspruch auf Rückerstattung der im Jahr 2003 überzahlter Betriebskosten aufzurechnen. Das Landgericht hielt die Aufrechnung für zulässig und wies die Klage ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er fristgerecht am 29.11.2005 begründete. Mit Verfügung vom 07.12.2005 wies der Senatsvorsitzende darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und die Zurückweisung durch Beschluss in Betracht komme. Hierzu nahm der Kläger, der die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 2320) für falsch hält, mit Schriftsatz vom 10.01.2006 Stellung.

II.

Die Berufung des Klägers ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Der Anspruch des Klägers auf Miete für die Monate April und Mai 2005 ist gem. § 387 BGB infolge Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Auskehrung des für 2003 errechneten Nebenkostenguthabens erloschen. Gegenseitigkeit der Forderungen liegt vor, weil sich der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger richtet.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 26. 3. 2003 - VIII ZR 333/02, NJW 2003, 2320 = NZM 2003, 473 = ZfIR 2003, 528) rückt der Zwangsverwalter insofern in die Vermieterpflichten ein, als er auch für einen Abrechnungszeitraum, der vor seiner Bestellung liegt, über die Nebenkosten abzurechnen und ein etwaiges Guthaben auch dann an den Mieter auszukehren hat, wenn dieser die Vorauszahlungen noch an den Vermieter geleistet hat. Dass das angefochtene Urteil hiermit in Einklang steht, räumt der Kläger ein. Der Senat sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen. Auch die tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Sachverhalts nötigen nicht zu einer anderen Beurteilung. Insbesondere ist unerheblich, ob - wie in dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt - der Mieter den Zwangsverwalter auf Auszahlung des Guthabens gerichtlich in Anspruch nimmt oder ob er sich gegen die Mietzahlungsklage des Zwangsverwalters mit der Aufrechnung verteidigt. In beiden Konstellationen ist entscheidungserheblich, ob der Zwangsverwalter die Auszahlung des Nebenkostenguthabens aus der von ihm verwalteten Masse an den Mieter schuldet.

Die Anordnung der Zwangsverwaltung ist keine Rechtsnachfolge, steht auch nicht der Veräußerung des Grundstücks gleich, vielmehr bleibt das Mietverhältnis im Grundsatz davon unberührt, allerdings hat der Zwangsverwalter die Vermieterpflichten - ob an Stelle des Vermieters oder neben ihm, mag hier dahinstehen - zu erfüllen und die Vermieterrechte wahrzunehmen. Zudem bewirkt die Beschlagnahme keine der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergleichbare Zäsur (§§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 108 Abs. 2 InsO), die die Ansprüche des Mieters in vorher begründete, die er nicht gegen die Masse geltend machen kann, und danach entstandene Forderungen, die aus der Masse zu berichtigen sind, teilt. Demgemäß war der Kläger bei Übernahme der Zwangsverwaltung am 17.11.2004 gehalten, über die Betriebskosten für das Jahr 2003, sofern dies noch nicht geschehen war, abzurechnen. Ergab sich aus dieser Abrechnung ein Guthaben, so hatte er es an die Mieterin auszukehren. Dabei bleibt es, auch wenn vorliegend nicht der Kläger, sondern der Schuldner die Abrechnung für das Jahr 2003 erstellt hat. Da die Beklagte mit Erstellung der Abrechnung einen Anspruch gegen die von dem Kläger verwaltete Masse erworben hat, kann dieser die Aufrechnung der Beklagten gegen laufende Mietzahlungen nicht mit dem Hinweis auf § 1125 BGB abwehren. Diese Vorschrift dient, ebenso wie die für das Insolvenzverfahren geltende Regelung im § 110 InsO, der Erhaltung der Gegenseitigkeit der Leistung. Beide Bestimungen wollen verhindern, dass die Masse, die den Mietgebrauch zu gewähren hat, geschmälert wird, ohne dass ihr das Entgelt zufließt. Aus diesem Grunde ist der Mieter gehindert, gegen die laufenden Mietzahlungen mit Ansprüchen aufzurechnen, die vor Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters entstanden sind. Gerade dies liegt nicht vor, denn die Abrechnung, mit deren Erteilung der Rückforderungsanspruch der Mieterin fällig wird, (vgl. BGHZ 113, 188 = NJW 1991, 836) erfolgte erst nach Anordnung der Zwangsverwaltung.

bb) Entgegen der im Schriftsatz vom 10.01.2006 geäußerten Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem zur Mieterinsolvenz ergangenen Urteil des IX. Zivilsenats des BGH vom 11.11.2004 (NJW-RR 2005, 487) nicht anderes. Bei Prüfung der Aufrechnungsbefugnis folgt der IX. Zivilsenat des BGH der zitierten mietrechtliche Rechtsprechung (BGHZ 113, 188), dass der Anspruch des Mieters auf Rückerstattung überzahlter Betriebskosten erst mit Rechnungslegung fällig wird. Bei der gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gebotenen Prüfung, ob der Aufrechnende die Aufrechnungslage anfechtbar herbeigeführt hat, stützt sich der IX. Zivilsenat auf § 140 Abs. 1 InsO und verlegt die Aufrechnungslage zeitlich zurück. In dem fast wörtliche Zitat des maßgeblichen Satzes aus dieser Urteilsbegründung ("Auf diesen Zeitpunkt kommt es jedoch ... nicht an.") lässt der Kläger das entscheidende Wort "anfechtungsrechtlich" weg. Die zeitliche Rückverlagerung als Besonderheit der Insolvenzanfechtung ist nicht auf die Zwangsverwaltung zu übertragen

cc) Die von dem Kläger bemängelten, angeblich vom Zeitpunkt des Zugangs der Abrechnung abhängigen Zufälligkeiten treten nicht auf. Zutreffend weist er darauf hin, dass nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 2320 = NZM 2003, 473) der Mieter auch dann den Zwangsverwalter auf Betriebskostenrückzahlung in Anspruch nehmen kann, wenn Anordnung der Zwangsverwaltung und Zugang der Abrechnung beim Mieter zeitlich zusammenfallen. Richtig ist auch, dass der Zwangsverwalter jedenfalls dann selbst abrechnen und ggf. das Guthaben auszahlen muss, wenn der Vermieter noch nicht abgerechnet hat und die Abrechnung noch nicht fällig ist. Nicht zu folgen ist indessen der Ansicht des Klägers, dass der Zwangsverwalter nicht hafte, wenn der Mieter die Abrechnung vor der Beschlagnahme des Grundstücks erlangt; auch in diesem Fall hat der Zwangsverwalter den Grundsätzen des BGH-Urteils vom 26.03.2003 folgend die Vermieterpflichten jedenfalls dann zu erfüllen, wenn die Zwangsverwaltung vor Abrechnungsreife eingetreten ist.

dd) Über die Tragweite des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 26.03.2003 wird man streiten können, wenn die Abrechnungsperiode geraume Zeit vor Anordnung der Zwangsverwaltung endete und wenn auch Abrechnungsreife geraume Zeit vor diesem Termin eingetreten ist. Ob auch in diesem Fall der Zwangsverwalter in die Verpflichtung des Vermieters zur Rechnungslegung eintritt, mag zweifelhaft sein. Indessen ist vorliegend diese Konstellation nicht gegeben, denn die Zwangsverwaltung wurde vor Beendigung der Abrechnungsfrist angeordnet, so dass der Kläger als Zwangsverwalter unzweifelhaft in die Verpflichtung der Vermieterin zur Abrechnung eingerückt ist, hiervon jedoch durch deren Abrechnung vom 27.12.2004 befreit wurde, ohne indessen gehindert zu sein, erneut aufgrund bessere Erkenntnisse abzurechnen.

b) Die Einwendungen des Klägers gegen die Höhe der zur Aufrechnung gestellten Forderung greifen nicht durch.

Der Mieter, der einen Rückzahlungsanspruch geltend macht, genügt den Anforderungen eines schlüssigen Vortrags, wenn auf er auf das Zahlenwerk verweist, das er der Abrechnung des Vermieters entnimmt. Demgegenüber kann der Kläger als Zwangsverwalter die Abrechnung bestreiten, kann insbesondere eine Gegenrechnung aufmachen, indessen genügt er seiner Darlegungslast nicht, wenn er lediglich Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung äußert. Dass er, wie er im Schriftsatz vom 10.01.2006 vorträgt, außer der von der Vermieterin erstellten Betriebskostenabrechnung keine weiteren Unterlagen hat, rechtfertigt nicht die Umkehr der Darlegungslast, denn er kann - sofern nicht schon die Beschlagnahme als Vollstreckungstitel genügt - von der Vermieterin Auskunft und Herausgabe der Vermietungsunterlagen verlangen. Dass die Vermieterin im Einvernehmen mit der Beklagten eine zu deren Gunsten unrichtige Abrechnung erstellte, um das Zwangsverwaltungsverfahren zum Nachteil der Realgläubiger zu manipulieren, liegt keinesfalls auf der Hand. Der in der Grundstücksverwaltung erfahrene Kläger sollte das Zahlenwerk der ihm vorliegende Abrechnung auf Plausibilität überprüfen können; auch liegen ihm Vergleichszahlen für die Jahre 2004 und 2005 vor.

c) Die weiteren Einwände des Klägers gegen die in dem Schreiben des Senatsvorsitzenden geäußerte Rechtsauffassung hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet.

2. Der vorliegende Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Dass die Beklagte ihren Anspruch auf Auszahlung des Nebenguthabens nicht im Aktivprozess gegen den Zwangsverwalter verfolgt, ist, wie dargelegt, für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht relevant. Auch hat eine Rechtsfrage nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil die hierzu ergangene BGH-Entscheidung in der Literatur, hier namentlich von Zwangsverwaltern, kritisiert wird.

Zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erforderlich.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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