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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: 3 U 162/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 133 Abs. 2
1. Maßgeblich für die Beurteilung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ist im Rahmen des § 133 Abs. 2 InsO nicht die Leistung des Schuldners für sich genommen, sondern der Inhalt des abgeschlossenen Vertrages. Somit kommt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nur in Betracht, wenn sich im Vertrag nicht ausgewogene Leistungen beider Parteien gegenüberstehen, der Schuldner also verpflichtet wird, mehr zu leisten, als er erhält.

2. In Abgrenzung zur Unentgeltlichkeit, die eine Vermögensaufgabe ohne Gegenleistung bedeutet, ist auch das zinslose Darlehen als entgeltliches Vertragsverhältnis zu qualifizieren.


Oberlandesgericht Rostock

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

3 U 162/06

Laut Protokoll verkündet am: 30.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.04.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 15.09.2006 (Az.: 1 O 69/06) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gegenstandswert der Berufung: 20.000,00 €

Gründe:

I.

Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gegen die Beklagten einen Rückforderungsanspruch gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO geltend. Er wurde nach Stellung eines Eigenantrages vom 30.10.2003 mit Beschluss vom 29.12.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des B. S. (nachfolgend Schuldner) bestellt. Der Beklagte zu 1) ist der Sohn des Schuldners. Er gründete am 15.07.2002 die E. E. GmbH, bei der es sich um die Beklagte zu 2) handelt, welche zwischenzeitlich mehrfach umfirmierte.

Der Schuldner als Inhaber der Fa. E. E. S., beantragte im September 2002 ein Konsolidierungsdarlehen des Landesförderinstituts M.-V. über 200.000,00 € mit der Zweckbestimmung "Bezahlung von Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung", welches im Februar 2003 valutiert wurde. Zur Sicherung des Kredits hatte die Beklagte zu 2) eine Forderung auf Investitionszulage abgetreten.

Am 14.02.2003 überwies der Schuldner auf das Konto der Beklagten zu 2) von seinem Geschäftskonto 20.000,00 €. Auf dem Überweisungsträger wurde angegeben:

"Überweisung an D. S. Privateinlage zurück".

Mit Schreiben vom 20.10.2005 (K6) forderte der Kläger von dem Beklagten zu 1) unter Hinweis auf die Anfechtbarkeit des Geschäftes diese Zahlung zurück.

Der Kläger will die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Er meint, die Zahlung an die Beklagte zu 2) sei ohne Rechtsgrund erfolgt und stelle eine unentgeltliche Leistung dar. Der Beklagte zu 1) sei zudem zur Rückzahlung verpflichtet, da er als eine dem Schuldner nahestehende Person hafte.

Die Beklagten wandten ein, der Beklagte zu 1) habe mit dem Schuldner am 15.01.2003 einen Darlehensvertrag geschlossen, da dieser kurzfristig Mittel benötigt habe, um ausstehende Zahlungen zu begleichen. Der Beklagte zu 1) habe, um dem Schuldner das Darlehen gewähren zu können, seinerseits ein Gesellschaftsdarlehen von der Beklagten zu 2) erhalten, welches bis Ende Februar 2003 an diese zurückgezahlt werden sollte. Mit der im Streit stehenden Zahlung habe der Schuldner den Darlehensvertrag erfüllt.

Mit Urteil vom 15.09.2006 (1 O 69/06) wies das Landgericht Schwerin die Klage ab. Nach Anhörung des Zeugen B. S. gelangte es zu der Überzeugung, dass dieser Rückzahlung des Darlehens habe verlangen können. Eine unentgeltliche Leistung des Schuldners im Sinne des § 134 InsO scheide daher aus. Für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO fehle es an einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners. In der Rückzahlung des Darlehens liege ein kongruentes Geschäft. Gegen die Beklagte zu 2) bestehe kein Anspruch, da sie nicht eine Leistung ohne Rechtsgrund erhalten habe. Vielmehr habe der Schuldner - wie vom Beklagten zu 1) bestimmt - für diesen in Erfüllung des Gesellschaftsdarlehensverhältnisses an die Beklagte zu 2) geleistet. Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhaltes und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.

Mit seiner Berufung greift der Kläger das Urteil in vollem Umfang an.

Zur Begründung trägt er vor, der Anfechtungsgrund nach § 133 Abs. 2 InsO habe selbst dann vorgelegen, wenn man das vom Kläger weiter bestrittene Darlehen annehme. Schon die Bezeichnung im Überweisungsträger spreche gegen ein solches Darlehen. In der Buchhaltung des Schuldners sei ein Zahlungseingang von 20.000,00 € als Privateinlage verbucht worden. Ein Zahlungseingang mit dem Zahlungsgrund "Darlehen" sei bei dem Schuldner nicht feststellbar. Unabhängig davon sei der Beklagte zu 1) durch die Zahlung vom 14.02.2003 von seiner gegenüber der Beklagten zu 2) bestehenden Verbindlichkeit befreit worden und daher Anfechtungsschuldner. Er sei eine dem Schuldner nahestehende Person, der der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bekannt gewesen sei.

Dem Schuldner habe im Zeitpunkt seiner Leistung die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Ende Dezember 2002 hätten die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ca. 216.000,00 €, Ende Januar 2003 215.000,00 € betragen, das Konsolidierungsdarlehen sei aber nur für 200.000,00 € zugesagt worden. Der Schuldner habe im Januar 2003 bereits für drei Monate die Sozialversicherungsbeiträge für seine Mitarbeiter nicht abgeführt und im Januar auch nicht mehr die Löhne für Dezember zahlen können. Auch im Februar 2003 hätten die Verbindlichkeiten des Schuldners dessen Einnahmen überstiegen.

Gegen den Beklagten zu 1) lägen zudem die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO vor. Ihm sei insbesondere bekannt gewesen, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte, die trotz des Konsolidierungsdarlehens fortbestanden habe. Die Beklagte zu 2) sei ebenfalls eine dem Schuldner nahestehende Person. Der Beklagte zu 1) als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2) habe um die Vermögenslage des Schuldners gewusst. Dessen Wissen und Verwandtschaftsgrad müsse sich die Beklagte zu 2) zurechnen lassen. Die Leistung an sie sei inkongruent, weil schon keine Zahlungsvereinbarung zwischen ihr und dem Schuldner bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2003 zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landgericht, so legen sie dar, sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 InsO nicht gegeben seien, denn in der Rückführung des kurz zuvor gewährten Darlehens liege ein kongruentes Geschäft. Der Schuldner habe auch keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehabt. Ihm sei klar gewesen, dass die 20.000,00 € lediglich der Überbrückung eines kurzfristigen Notstandes dienen sollten. Er sei davon ausgegangen, dass er nach Eingang von Kundenzahlungen und des Konsolidierungsdarlehens in der Lage sein würde, das Darlehen zurückzuzahlen, ohne seine Liquidität zu schmälern. Wenn schon der Schuldner keinen Benachteiligungsvorsatz gehabt habe, habe auch der Beklagte zu 1) von einem solchen keine Kenntnis haben können.

II.

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Einen Rückforderungsanspruch nach § 143 InsO kann er nicht mit Erfolg geltend machen, denn keiner der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände (§§ 133 Abs. 1 und 2, 134 Abs. 1 InsO) greift durch.

1. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO liegen nicht vor. Gem. § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die ein Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag mit dem Vorsatz seine Gläubiger zu benachteiligen vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Rechtshandlung ist dabei jede Überweisung. Auch die 10-Jahresfrist ist vorliegend gewahrt.

Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz als anspruchsbegründende Tatsache sowie die Kenntnis des Dritten von diesem hat grundsätzlich der Insolvenzverwalter vorzutragen und ggf. zu beweisen. Ob der Sachvortrag des Klägers geeignet ist, eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners zu belegen, kann der Senat offen lassen, denn jedenfalls für die dahingehende Kenntnis der Beklagten fehlt es an einem ausreichenden Vortrag des Klägers. Zwar ist ihm zuzugeben, dass die Beklagten im Rahmen der Beantragung des Konsolidierungsdarlehens um die angespannte Finanzsituation des Schuldners wussten, denn die Beklagte zu 2) trat zur Besicherung eigene Investitionszulagenansprüche ab. Zudem gewährte der Beklagte zu 1) dem Schuldner im Januar 2003 gerade zur Überbrückung von Zahlungsengpässen das im Streit stehende zinslose Darlehen. Allerdings wussten die Beklagten auch, dass der Schuldner im Februar 2003 das Konsolidierungsdarlehen von 200.000,00 € erhalten hatte. Dass die Beklagten wussten, dass der Schuldner mit dem Konsolidierungsdarlehen und den laufenden Einnahmen aus seinem Betrieb seine Verbindlichkeiten nicht decken können würde, ist nicht ersichtlich und vorgetragen.

Die Kenntnis des Dritten von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht wird gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO dann vermutet, wenn derjenige, der die Leistung erhält, von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Kenntnis hat. Auch hierzu fehlt hinreichender Vortrag des Klägers.

2. Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO scheidet aus. Diese setzt voraus, dass der Schuldner mit einer ihm nahestehenden Person einen entgeltlichen Vertrag schließt und die Gläubiger hierdurch unmittelbar benachteiligt werden.

a) Gegenüber der Beklagten zu 2) verfängt dieser Anfechtungsgrund schon deshalb nicht, weil der Schuldner mit ihr keinen Vertrag geschlossen hat.

b) Mit dem Beklagten zu 1) hingegen hat der Schuldner einen Darlehensvertrag geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte zu 1) dem Schuldner ein zinsloses Darlehen zu gewähren, der Schuldner übernahm die Rückgewährverpflichtung. An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Schuldner und der Beklagte zu 1) bei der jeweiligen Überweisung "Privateinlage D. S." als Verwendungszweck angaben, da dies nicht den Vertragstyp bestimmt, sondern allenfalls der Abgrenzung der Leistung dient. Dieses Vertragsverhältnis ist als entgeltliches im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO anzusehen. Entgeltlich im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO sind Verträge, wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Zuwendung der ihm nahestehenden Person gegenübersteht und beide rechtlich voneinander abhängen (Kreft in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 133 Rn. 26 m.w.N.). Für die Beurteilung, ob es sich um einen entgeltlichen Vertrag handelt, kommt es also darauf an, ob der Leistung des Schuldners eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht. Im Rahmen eines zinslosen Darlehens stehen sich die Verpflichtung des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer das Geld zur Verfügung zu stellen, und die Verpflichtung des Darlehensnehmers, dieses zum vereinbarten Zeitpunkt oder nach Kündigung zurückzugewähren, in einem zweiseitigen Vertragsverhältnis gegenüber (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., Vorbem. 4 vor § 488). In Abgrenzung zur Unentgeltlichkeit, die eine Vermögensaufgabe ohne Gegenleistung bedeutet (Kreft in Heidelberger Kommentar, § 134 Rn. 7), ist daher auch das zinslose Darlehen als entgeltliches Vertagsverhältnis zu qualifzieren.

Die Anfechtbarkeit gem. § 133 Abs. 2 InsO setzt voraus, dass die Gläubiger durch den Abschluss des entgeltlichen Vertrages unmittelbar benachteiligt werden. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat, wenn sich mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (Kreft in Heidelberger Kommentar, § 129 Rn. 36 m.w.N.). Maßgeblich für diese Beurteilung ist im Rahmen des § 133 Abs. 2 InsO jedoch nicht die Leistung des Schuldners für sich genommen, sondern der Inhalt des abgeschlossenen Vertrages. Somit kommt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nur in Betracht, wenn sich im Vertrag nicht ausgewogene Leistungen beider Parteien gegenüberstehen, der Schuldner also verpflichtet wird, mehr zu leisten, als er erhält (ähnlich Kreft in Heidelberger Kommentar, § 129 Rn. 38). Das aber ist hier nicht der Fall, denn der Schuldner wurde durch den Darlehensvertrag lediglich verpflichtet, dem Beklagten zu 1) den Betrag zurückzugewähren, den dieser ihm aus dem Vertragsverhältnis zuvor zur Verfügung stellte. Die Vermögensmasse wurde in Abwägung der gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen nicht unmittelbar, etwa durch Zinsen, geschmälert.

3. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO stützen. Anfechtbar ist hiernach eine unentgeltliche Leistung, die nicht länger als vier Jahre zurückliegt.

Eine unentgeltliche Leistung liegt hier aber nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen II. 2. b) verwiesen werden. An dem Entgeltlichkeitscharakter ändert sich auch nichts dadurch, dass der Schuldner nicht an den Beklagten zu 1), sondern an die Beklagte zu 2) leistete. Diese Leistung erfolgte in Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2), das ihm gewährte Darlehen zurückzuführen. Damit lag in der Leistung des Schuldners keine Vermögensaufgabe, sondern die Erfüllung seiner vertraglichen Rückgewährpflicht durch bestimmungsgemäße Leistung an einen Dritten.

III.

Die Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Grund, denn Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nicht angesprochen.



Ende der Entscheidung

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