Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 3 W 106/06
Rechtsgebiete: EGGVG, BGB, PStG, PStV, KostO


Vorschriften:

EGGVG § 23
EGGVG § 24
EGGVG § 25
EGGVG § 26
EGGVG § 28
EGGVG § 28 Abs. 2
EGGVG § 30 Abs. 1
EGGVG § 30 Abs. 2
BGB § 1309 Abs. 1
BGB § 1309 Abs. 2
PStG § 5 a
PStV § 11
KostO § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 W 106/06

In der Ehefähigkeitszeugnissache des

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., Richterin am Oberlandesgericht B. und den Richter am Oberlandesgericht B.

am 19.09.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Rostock vom 18.07.2006 - Az.: 3462 E-058/06 - wird aufgehoben.

2. Der Präsident des Oberlandesgerichts Rostock wird verpflichtet, dem Antragsteller die Befreiung von der Verpflichtung zur Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zu erteilen.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, sind aus der Staatskasse zu erstatten.

4. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller hielt sich bereits im Jahre 2003 legal im Bundesgebiet auf. In dieser Zeit lernte er seine deutsche Verlobte kennen. In der Folgezeit reiste er, der serbisch-montenegrinischer Staatsbürger ist und aus der Provinz Kosovo stammt, in sein Heimatland aus, um dort erforderliche Unterlagen für eine Eheschließung mit seiner deutschen Verlobten zu beschaffen. Am 26.02.2006 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Am 07.03.2006 stellte er einen Asylantrag, der am 30.03.2006 abgelehnt wurde. Hiergegen ist ein Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Am 04.04.2006 stellte er zusammen mit seiner deutschen Verlobten vor dem Standesbeamten des Standesamtes St. einen Antrag auf Eheschließung. Gleichzeitig beantragte er, ihn von der Vepflichtung, ein Ehefähigkeitszeugnis beizubringen, zu befreien. Im Zusammenhang mit diesen Anträgen legte der Antragsteller ein im Prishtina ausgestelltes UNMIK-Reisedokument im Original vor. Gleichzeitig legte er eine in Prishtina am 25.01.2006 ausgestellte Geburtsurkunde vor, auf deren Rückseite sich eine Bestätigung der gegenwärtigen Regierung im Kosovo / Ministerium für öffentliche Angelegenheiten befindet, wonach diese Bescheinigung durch einen bevollmächtigten Beamten unterschrieben und abgestempelt worden sei in Übereinstimmung mit den Regeln der UNMIK und der Verfahren in Prishtina, öffentlicher Bereich Nr.: CSS/06/4354. Weiterhin reichte er eine am 07.02.2006 ausgestellte Familienstandsbescheinigung mit gleichem Vermerk ein. Eine weitere Bescheinigung, wonach im Kosovo Staatszugehörigkeitsbescheinigungen nicht ausgestellt werden, fügte er ebenfalls bei und gab zudem eine eidesstattliche Versicherung vor dem Standesbeamten ab.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes, an den der zuständige Standesbeamte den Antrag weitergeleitet hatte, beanstandete, dass dem UNMIK-Dokument ein Nachweis der Staatsbürgerschaft nicht entnommen werden könne. Hierauf legte der Antragsteller einen jugoslawischen Reisepass vor, bei dem es sich nach Angaben des Bundespolizeiamtes Rostock um eine Totalfälschung handelte. Hierauf Bezug nehmend lehnte der Antragsgegner die beantragte Befreiung ab, da der Antragsteller keinen Nachweis seiner Identität und Staatszugehörigkeit geführt habe. Ergänzend wird auf den Bescheid vom 18.07.2006 Bezug genommen.

Hierauf beantragte der Antragsteller die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und legte weiterhin eine eidesstattliche Versicherung seines Bruders über die Richtigkeit seiner Identität sowie weitere Dokumente zur Person seiner Eltern und seines Bruders vor.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes durch den Berichterstatter eine telefonische Auskunft des Auswärtigen Amtes in Berlin eingeholt. Auf den Vermerk vom 19.09.2006 wird Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag ist gem. §§ 23, 24, 25, 26 EGGVG zulässig. Der Antragsteller hat das gem. § 25 EGGVG zuständige Gericht innerhalb der in § 26 EGGVG bestimmten Frist angerufen.

In der Sache ist gem. § 28 EGGVG festzustellen, dass der angefochtene Bescheid den Antragsteller in seinen Rechten verletzt, und gem. § 28 Abs. 2 EGGVG der Antragsgegner zur entsprechenden Bescheidung zu verpflichten.

2. Will ein ausländischer Verlobter seine deutsche Verlobte vor einem deutschen Standesamt ehelichen, hat er gem. § 1309 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Ehefähigkeitszeugnis vorzulegen, welches es dem Standesbeamten erleichtert zu überprüfen, ob der ausländische Verlobte nach seinem Heimatrecht die Ehe schließen kann oder dem Eheschließungshindernisse des Heimatrechtes entgegenstehen. Benötigt der Antragsteller ein solches Zeugnis, stellt sein Heimatstaat dieses aber nicht aus, kann er gem. § 1309 Abs. 2 BGB beantragen, von der Verpflichtung, das Ehefähigkeitszeugnis beizubringen, durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes, zu dessen Zuständigkeitsbezirk der Standesbeamte gehört, befreit zu werden (vgl. hierzu auch Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1309 Rn. 12; Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, Stand 2005, Bd. I, § 5a Rn. 82). Die Entscheidung trifft der Präsident des Oberlandesgerichts als Organ der Justizverwaltung.

3. Der Präsident des Oberlandesgerichts hat die Befreiung zu erteilen, wenn die gesetzlichen Erfordernisse hierfür vorliegen, insbesondere der Antragsteller die wesentlichen Umstände glaubhaft gemacht und - soweit möglich - mit Urkunden belegt hat. Eine Ermessensentscheidung scheidet dabei aus (BGH, Beschl. vom 12.05.1971 - IV AR (Vz) 38/70 - BGHZ 56, 180 = NJW 1971, 1519 = FamRZ 1971, 366).

a) Ein Ehefähigkeitszeugnis wird derzeit durch die von der UN-Verwaltung als öffentliche Regierung geführte Verwaltung im Kosovo nicht erteilt. Auch im Übrigen wird es durch Behörden in Serbien und Montenegro nicht erteilt (vgl. KG, Beschl. vom 24.06.2003 - 1 VA 14/02 - OLG-NL 2004, 85 = StAZ 2004, 9).

b) Voraussetzung für die Befreiung von der Verpflichtung der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses ist es, dass nach dem Heimatrecht des Antragstellers der Eheschließung Hindernisse nicht entgegenstehen. Insoweit ist es ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass Klarheit über die Staatszugehörigkeit des Antragstellers bestehen muss (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1309 Rn. 12) und keine Zweifel an dessen Identität bestehen (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 28.01.1998 - 3 Va 12/97 - FamRZ 1998, 1107 = StAZ 1998, 257).

aa) Der Nachweis der Staatszugehörigkeit und der Identität ist dabei regelmäßig mindestens durch eine beglaubigte Kopie des Reisepasses (Kummer: Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweis zur Befreiung von der Beibringung ausländischer Ehefähigkeitszeugnisse, StAZ 1999, 281), durch die Vorlage eines Ausweises (KG, Beschl. vom 27.06.2000 - 1 VA 32/99 - FGPrax 2000, 198 = StAZ 2000, 303 =FamRZ 2000, 1363 [LS]; KG, Beschl. vom 24.06.2003, a.a.O. ) oder sonstiger geeigneter Papiere zu führen, soweit diese die Staatsangehörigkeit ausweisen (Kummer, a.a.O.).

bb) Bestehen an der Staatsangehörigkeit erhebliche Zweifel, gehen diese zu Lasten des Antragstellers (KG, Beschl. vom 22.05.1998 - 25 VA 10/97 - FamRZ 1999, 1129 = StAZ 1999, 112). Andererseits aber sind an den Beleg einer bestimmten Staatsangehörigkeit wiederum auch keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (OLG Frankfurt a.M., Beschl. vom 11.12.1989 - 20 VA 12/89 - StAZ 1990, 48; Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1309 Rn. 12). Insoweit kann ihm nur abverlangt werden, die Voraussetzungen für die Erteilung der Befreiung soweit wie möglich zu belegen und Nachweise zu erbringen (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1309 Rn. 14). § 5 a PStG gibt daher auch dem Standesbeamten die Möglichkeit, dem Antragsteller, soweit dieser Urkunden nicht beibringen kann, eine eidesstattliche Versicherung abzuverlangen (Hepting/Gaaz, a.a.O., § 5a PStG Rn. 95; DA für Standesbeamte § 171).

cc) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Antragsgegners, dass der Antragsteller seine Staatsangehörigkeit und Identität nicht hinreichend belegt habe. Er hat ein UNMIK-Reisedokument vorgelegt, welches sein Foto und seinen Fingerabdruck wiedergibt und auch seinen Namen ausweist. Als Geburtsort wird Prishtina dort ausgewiesen und für seinen gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls Prishtina angegeben. Weiterhin hat er eine Geburtsurkunde vorgelegt, aus der sich ergibt, dass eine Person seines Namens und seines Alters dort geboren ist. Ergänzend hat er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und eine weitere seines Bruders vorgelegt. Auch die Familienstandsbescheinigung, die auf der Überprüfung öffentlicher Register beruht, ist auf seinen Namen ausgestellt. Weitergehende Dokumente, die eine ausdrückliche Staatsbürgerschaft belegen, können derzeit von Bewohnern des Kosovos nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Berlin nicht erbracht werden. Die UN-Verwaltung ist zu deren Ausstellung nicht befugt, da die Staatsbürgerschaft serbisch-montenegrinisch wäre. Serbische Behörden sind zu ihrer Ausstellung regelmäßig nicht mehr bereit. Zwar soll gem. § 11 PStV grundsätzlich der Nachweis der Staatsangehörigkeit durch Vorlage eines Reisepasses oder einer ausdrücklichen Bescheinigung der Staatsbürgerschaft geführt werden. Ist die Beibringung dieser Dokumente dem Antragsteller aber nicht zumutbar, ergeben sich aber aus anderen Indizien hinreichende Anhaltspunkte für die Staatsbürgerschaft des Antragstellers, muss dies im Einzelfall genügen (ebenso KG, Beschl. vom 27.06.2000 a.a.O.). Da weitergehende Nachweise vom Antragsteller nicht mehr erbracht werden können und erheblicher Anlass zu Zweifeln an der Identität und der Staatszugehörigkeit des Betroffenen nicht bestehen, ist nach Ansicht des Senates ein weitergehender Nachweis nicht zu verlangen. Überhöhte Anforderungen an den Staatsangehörigkeitsnachweis, deren Erfüllung schlicht unmöglich ist, dürfen nicht zum Ausschluss des Grundrechtes auf Eheschließung führen (OLG Frankfurt a.M., a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller Dokumente der Verwaltung durch die Vereinten Nationen vorgelegt hat, denen ein Nachweischarakter nicht ohne weiteres abgesprochen werden kann. In Ansehung dessen, dass das UNMIK-Reisedokument einen Fingerabdruck enthält, dürfte dem eine höhere Nachweisfunktion zukommen, da bereits 1998 an der Echtheit jugoslawischer Dokumente in großem Umfang Bedenken zu hegen waren (vgl. Eckstein-Habermann: Glaubwürdigkeit und Beweiskraft jugoslawischer Personenstandsurkunden, StAZ 1998, 351).

4. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses ist durch den Antragsgegner zu erteilen, wenn formelle und materielle Hindernisse des Eheschließungsrechts des Heimatlandes des Antragstellers nicht bestehen. Dem Aktenvorgang des Antragsgegners kann entnommen werden, dass insoweit Bedenken nicht bestehen. Auch der Senat hegt solche nicht.

5. Der Senat geht daher von aus, dass in der Sache Entscheidungsreife besteht, da weitere vom Antragsgegner zu beachtende Ehehindernisse für den Antragsteller nicht ersichtlich sind. Der Antragsgegner war gem. § 28 Abs. 2 EGGVG zur Erteilung der beantragten Befreiung zu verpflichten.

III.

Die Entscheidung über die Gerichtsgebühren folgt aus § 30 Abs. 1 EGGVG, § 130 KostO.

Gem. § 30 Abs. 2 EGGVG kann das Oberlandesgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Einen solchen Fall nimmt der Senat hier an. Der Antragsgegner hat seinen ablehnenden Bescheid im Wesentlichen auf die Feststellung gestützt, dass der vom Antragsteller vorgelegte jugoslawische Reisepass eine Totalfälschung sei. Vor Erlass seines Bescheides hat der Antragsgegner den Antragsteller weder von der angeordneten Begutachtung des Passes noch von deren Ergebnis unterrichtet. Erst recht hat er ihm keine Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu erklären oder gar weitere Unterlagen einzureichen. Den Präsidenten des Oberlandesgerichts als Organ der Justizverwaltung trifft jedoch in Verfahren über die Erteilung der Befreiung der Verpflichtung zur Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zumindest die Verpflichtung, die Angaben des Antragstellers von Amts wegen zu überprüfen (vgl. auch KG, Beschl. vom 24.06.2003, a.a.O.). In diesem Rahmen war er gehalten auf wesentliche Bedenken, von denen der Antragsteller noch keine Kenntnis hat, hinzuweisen und diesem die Möglichkeit ihrer Ausräumung zu geben, wenn hierauf die Antragsablehnung gestützt werden soll.

Ende der Entscheidung

Zurück