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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: 3 W 133/03
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 240
InsO § 35
InsO § 85
InsO §§ 129 ff
InsO § 143
Eine vom Schuldner abgetretene Forderung, die er in Prozessstandschaft einklagt, ist jedenfalls dann massenbefangen, wenn Aussicht besteht, dass der Insolvenzverwalter nach Anfechtung Rückgewähr der Forderung zu Masse verlangen kann.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 3 W 133/03

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und die Richterin am Landgericht Feger

am 18.02.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2003 - Az.: 3 O 390/01 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Klägerin als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der S. Isoliertechnik GmbH mit Schriftsatz vom 26.02.2003 den unterbrochenen Rechtsstreit wirksam aufgenommen hat.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Beklagte.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 13.000 €.

Gründe:

I.

Die Insolvenzschuldnerin S. Isoliertechnik GmbH machte gegen die Beklagte nach teilweiser Klagerücknahme sowie teilweiser Erledigungserklärung Werklohn für Isolier- und Verblechungsmaßnahmen an dem Bauvorhaben JVA N. in Höhe von 22.005,07 € und 448,38 € geltend.

Am 17.06.2002 trat die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer Dipl.-Ing. Uwe W., die gerichtlich geltend gemachte Forderung an die Firma ISO W., W.-Isolierung, Inhaber Detlef W., ab.

Nachdem die Beklagte einer Parteiauswechselung gemäß § 265 ZPO nicht zugestimmt hatte, stellte die Schuldnerin ihren Antrag auf Zahlung an die Firma ISO W. um.

Das Amtsgericht Neubrandenburg eröffnete am 21.01.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Rechtsanwältin Sabine F. zur Insolvenzverwalterin (Az.: IN 663/02).

Mit Schriftsatz vom 26.02.2003 erklärte sie, das Verfahren aufzunehmen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Neubrandenburg vom 23.07.2003 trug der damalige Prozessbevollmächtigte der Insolvenzverwalterin Rechtsanwalt C. vor, seines Erachtens habe die Schuldnerin die streitgegenständlichen Forderung nicht sicherungshalber abgetreten, denn es habe damals schon festgestanden, dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, diese Forderung zu begleichen.

Mit Schriftsatz vom 29.08.2003 führte der Prozessbevollmächtigte der Insolvenzverwalterin weiter aus, dass die Vertragsparteien die Übertragung der Forderung von der Schuldnerin auf die Firma ISO W. beabsichtigt hätten und die Forderung mit der Abtretung nicht mehr zur Vermögensmasse der Schuldnerin, sondern zum Vermögen der Firma ISO W. gehöre. Daher sei der Rechtsstreit nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, so dass die Schuldnerin selbst, vertreten durch ihren Geschäftsführer, das Verfahren fortführen werde.

Mit Beschluss vom 12.09.2003 stellte das Landgericht Neubrandenburg fest, dass der Rechtsstreit wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin seit dem 21.01.2003 unterbrochen sei und die Insolvenzverwalterin ihn nicht wirksam aufgenommen habe.

Gegen den ihr am 23.09.2003 zugestellten Beschluss legte die Insolvenzverwalterin mit am 07.10.2003 beim Landgericht Neubrandenburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde ein. Sie trägt vor, für die Feststellung der Unterbrechung des Rechtsstreites sei es unerheblich, ob die streitgegenständliche Forderung wirksam abgetreten sei oder nicht. Sofern dies nicht der Fall sei, gehöre die Klageforderung ohnehin in die Insolvenzmasse. Eine Sicherungsabtretung sei insolvenzrechtlich als Belastung des Sicherungsgegenstandes zu verstehen. Auch im Falle der Abtretung betreffe der Rechtsstreit daher unmittelbar die Insolvenzmasse.

Mit Beschluss vom 28.11.2003 half das Landgericht Neubrandenburg der Beschwerde nicht ab. Zur Begründung führte es aus, dass zwar das Insolvenzverfahren betroffen und deshalb das Prozessverfahren unterbrochen sei. Eine wirksame Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter liege jedoch nicht vor, weil es nicht um Vermögen gehe, das zur Insolvenzmasse gehöre, nachdem die Schuldnerin die Forderung vorher abgetreten habe. Der frühere Klägervertreter habe erklärt, dass es sich nicht um eine Sicherungsabtretung handele. Die Insolvenzverwalterin habe eine Sicherungsabtretung nicht substantiiert dargelegt und nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt, die Beschwerde der Insolvenzverwalterin zurückzuweisen. Sie führt aus, es sei nicht dargetan, dass die Insolvenzverwalterin die Einziehung der abgetretenen Forderung beabsichtige. Nach ihrer, der Beklagten, Kenntnis sei bislang in dieser Hinsicht nichts geschehen.

II.

Die gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Insolvenzverwalterin ist begründet.

Sie hat mit Schriftsatz vom 26.02.2003 wirksam gemäß §§ 240 Satz 1, 250 ZPO i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO den unterbrochenen Rechtsstreit aufgenommen.

1.

Das Landgericht Neubrandenburg hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das Verfahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 21.01.2003 gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist. Allerdings ist nicht nachzuvollziehen, warum es eine Unterbrechung annimmt, obwohl es die zedierte Forderung nicht als massebefangen betrachtet, denn die Unterbrechung setzt voraus, dass Gegenstand des Rechtsstreits ein zur Insolvenzmasse gehörender Vermögensbestandteil ist.

Die Insolvenzverwalterin ist vorliegend in Prozessstandschaft für die Forderungsinhaberin Firma ISO W. Partei des Rechtsstreits, da die Beklagte einer Parteiauswechselung gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zugestimmt hat. Die Abtretung der Forderung hat gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den vorliegenden Prozess keinen Einfluss.

Das anhängige Verfahren betrifft die Insolvenzmasse der Schuldnerin gemäß §§ 35, 36 InsO, da Verfahrensgegenstand ein Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehören kann. Beruht die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzschuldners auf § 265 Abs. 2 ZPO, so wird der Prozess unterbrochen, wenn sein Ausgang nach den Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner und dem Rechtsinhaber den Bestand der Insolvenzmasse berühren kann (OLG Koblenz, Urteil vom 08.06.1995, ZIP 1995, 1033 ff.; MünchKomm-Schumacher, Kommentar zur Insolvenzordnung, vor § 85-87 Rn. 34). Damit einher geht regelmäßig das Recht des Insolvenzverwalters, gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO die Rechtsstreitigkeit über den zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswert aufzunehmen. Mit der Verfügungsbefugnis des Verwalters über die Insolvenzmasse verliert der Schuldner die Prozessführungsbefugnis für Verfahren, welche die Insolvenzmasse betreffen (MünchKomm-Schumacher, a.a.O., § 85 Rn. 1).

Trotz Abtretung der Klageforderung an die Firma ISO W. betrifft das vorliegende Verfahren die Insolvenzmasse der Schuldnerin.

Nach Auffassung des Reichsgerichts (Urteil vom 04.06.1907 (RGZ 66, 181 ff.) hat die Abtretung der Klageforderung nach Rechtshängigkeit keinen Einfluss auf die prozessuale Lage des Rechtsstreites. Es hat ausgeführt, über einen von der Schuldnerin erhobenen vermögensrechtlichen Anspruch, über den die Verfügung dem Konkursverwalter zugefallen sei, bleibe zu entscheiden. Erachte dieser die Weiterverfolgung des Anspruches, obwohl das materielle Gläubigerrecht auf andere übergegangen sei, im Interesse der Konkursmasse für dienlich, so sei die Beklagte nicht berechtigt, der Aufnahme des Verfahrens zu widersprechen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Prozessführungsrecht des Zedenten auf den Verwalter dann übergehe, wenn nach der materiellen Rechtslage durch den Streit um die abgetretene Forderung die Konkursmasse betroffen werde (BGH, Urteil vom 30.09.1968, BGHZ 50, 397 ff.). Die noch darüber hinausgehende Auffassung des Reichsgerichts, dass das Prozessführungsrecht des Zedenten nach § 265 Abs. 2 ZPO auf jeden Fall der Abtretung einer konkursbefangenen Forderung auf den Verwalter übergehe, hat er ausdrücklich offen gelassen (Urteil vom 30.09.1968, a.a.O.; Urteil vom 12.03.1986, NJW 1986, 3206 ff. = ZIP 1986, 583 ff.).

Höchstrichterlich anerkannt ist, dass die Abtretung einer Forderung erfüllungshalber die Insolvenzmasse betrifft, da der Zessionar im Falle der Klageabweisung seine Ursprungsforderung gegen die Insolvenzschuldnerin als Insolvenzforderung geltend machen kann (BGH, Urteil vom 30.09.1968, a.a.O.). Gleiches gilt für den Fall, dass dem Zessionar ein Absonderungsrecht zusteht (BGH, Urteil vom 12.03.1986, a.a.O.: Recht auf abgesonderte Befriedigung aus einer Mietforderung bei Zwangsverwaltung; OLG München, Beschluss vom 16.02.2000, MDR 2000, 602: Absonderungsrecht bei Sicherungsabtretung).

Im Gegensatz dazu trat vorliegend die Schuldnerin am 17.06.2002 die Forderung an die Zessionarin an Erfüllung statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB ab.

Auf Nachfrage des Landgerichts hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Insolvenzverwalterin in der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2003 erklärt, dass es sich seines Erachtens nicht um eine Sicherungsabtretung handele. Soweit die Insolvenzverwalterin in ihrer sofortigen Beschwerde darauf hinweist, dass eine Sicherungsabtretung insolvenzrechtlich als Belastung des Sicherungsgegenstandes zu verstehen sei, dem Sicherungsnehmer lediglich ein Absonderungsrecht zustehe und der Insolvenzverwalter zur Verwertung der sicherheitshalber abgetretenen Forderung befugt sei, hat sie lediglich allgemein die Wirkungen einer Sicherungsabtretung geschildert, ohne substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass es sich - entgegen der Erklärung des damaligen Prozessbevollmächtigten - bei der hiesigen Abtretung vom 17.06.2002 um eine Sicherungsabtretung handelt.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat bei einer nicht erfüllungshalber erfolgten Forderungsabtretung entschieden, dass die Forderung konkursfrei sei und damit das Verfahren nicht die Konkursmasse im Sinne des § 240 ZPO betreffe (OLG Koblenz, Urteil vom 08.06.1995, ZIP 1995, 1033 ff.).

Der Senat ist demgegenüber aufgrund der Umstände des Einzelfalles der Auffassung, dass trotz der Abtretung der Forderung an Erfüllung statt die Insolvenzmasse betroffen ist.

Angesichts der zeitlichen Abfolge - Forderungsabtretung am 17.06.2002 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 21.01.2003 - ist nicht auszuschließen, dass es sich bei der Forderungsabtretung um ein anfechtbares Rechtsgeschäft im Sinne der §§ 129 ff. InsO handelt. Eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO liegt nämlich regelmäßig dann vor, wenn die Gewährung einer anderen als der geschuldeten Leistung an Erfüllung statt erfolgt ist. Daneben kommt eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO in Betracht, denn der damalige Prozessbevollmächtigte der Insolvenzverwalterin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Neubrandenburg am 23.07.2003 erklärt, es habe im Zeitpunkt der Forderungsabtretung schon festgestanden, dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, die Forderung der Zessionarin zu begleichen.

Liegt eine anfechtbare Abtretung vor, hat die durch die Insolvenzverwalterin vertretene Insolvenzmasse gemäß § 143 Abs. 1 InsO einen Anspruch gegen die Zessionarin auf Rückgewähr der Forderung zur Insolvenzmasse, bzw. auf Wertersatz. Dieser Anspruch besteht unbeschadet bereits erklärten Anfechtung wegen eines Willensmangels. Im Gegensatz zur Anfechtung nach §§ 142, 143 BGB kommt der insolvenzrechtlichen Anfechtungserklärung keine Gestaltungswirkung zu, sondern sie bedeutet lediglich die Geltendmachung der Rechtsfolgen (MünchKomm-Kirchhoff, a.a.O., § 129 Rn. 194).

Der mögliche, wenn nicht gar naheliegende insolvenzrechtliche Anspruch der Schuldnerin gegen die Zessionarin auf Rückabtretung der Forderung zur Insolvenzmasse nach § 143 InsO berührt auch das anhängige Verfahren gegen die Beklagte. Im Falle einer Klagabweisung ist rechtskräftig entschieden, dass der Schuldnerin bzw. der Zessionarin keine Zahlungsforderung gegen die Beklagte zusteht. Sollte die Zessionarin auf entsprechende Aufforderung der Insolvenzverwalterin die Forderung rückabtreten, entfaltet ein solches Urteil gemäß § 325 Abs. 1 ZPO Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse. Die Rechtsnachfolge erst nach Rechtskraft eines Urteils im Vorprozess hindert die Anwendung des § 325 Abs. 1 ZPO nicht (BGH, Urteil vom 17.02.1983, NJW 1983, 2032 f.).

Damit kann eine Entscheidung im hiesigen Verfahren Auswirkungen auf die Insolvenzmasse im Hinblick auf einen Rückgewähranspruch gegen die Zessionarin gemäß § 143 InsO haben, so dass ein Interesse der Insolvenzverwalterin am Prozessausgang in der Masse begründet ist.

Eine Auswirkung auf die Insolvenzmasse wäre nur dann auszuschließen, wenn die Insolvenzverwalterin ausdrücklich auf die Ausübung ihres Anfechtungsrechtes verzichtet hätte, was nicht der Fall ist.

2.

Da die streitgegenständliche Forderung massebefangen ist, hat die Klägerin als hierzu befugte Insolvenzverwalterin mit Schriftsatz vom 26.02.2003 das unterbrochene Verfahren wirksam gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgenommen.

III.

1. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte, die die angefochtene Entscheidung verteidigt, hat die Kosten zu tragen, weil diese zu ihrem Nachteil abgeändert wird. Es besteht kein Anlass, die Entscheidung über die Kosten der Beschwerde als Teil der Prozesskosten bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen (so Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 252 Rn. 3), denn der prozessuale Streit um die Unterbrechung oder Fortführung des Rechtsstreits ist mit der späteren Hauptsacheentscheidung nicht verknüpft.

2. Den Gegenstandswert der Hauptsache bemisst der Senat nach dem halben Wert der Hauptsache.

3. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Ende der Entscheidung

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