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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 3 W 56/03
Rechtsgebiete: EGGVG, HinterlO


Vorschriften:

EGGVG §§ 23 ff
HinterlO § 13
HinterlO § 16
1.

Herausgabeanordnungen der Hinterlegungsstelle unterliegen auch nach ihrer Durchführung der Überprüfung gem. §§ 23 EGGVG.

2.

Eine Fristsetzung zur Klageerhebung gem. §§ 13, 16 HinterlO ist bei grundloser Verweigerung der Zustimmung zur Auszahlung nur eines von 13 Beteiligten nicht erforderlich.

3.

Zum Kreis der Beteiligten des Hinterlegungsverfahrens.


Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 3 W 56/03

In dem Hinterlegungsverfahren

hat der Senat 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Richter am Oberlandesgericht NameDr. Jedamzik, Richterdie Richterin am Oberlandesgericht Bartmann und die Richterin am Landgericht Gombac

am 16.07.2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15.05.2003 wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Verfahrens beträgt 790.261,01 €.

Tatbestand:

Die R. H. GmbH i. A. i. L. wurde mit Schlussurteil des OLG Rostock vom 14.03.2001 verurteilt, an den Kläger, Herrn W., 2.054.132,60 DM nebst Zinsen zu zahlen. Diesen Betrag hinterlegte die R. H. GmbH i. A. i. L. am 26.04.2001 bei dem Amtsgericht Rostock. Herr W. hatte die Forderung mehrfach bzw. in Teilbeträgen abgetreten und die Forderung teilweise verkauft. Außerdem war der o. g. Betrag mehrfach von Gläubigern des Herrn W. gepfändet worden. In der Folgezeit stritten verschiedene Gläubiger um die Auszahlung des hinterlegten Betrages. U. a. beanspruchte Herr Rechtsanwalt Dr. J. als früherer Prozessvertreter des Herrn W. einen Teil der Forderung i. H. v. DM. 488.957,50 DM und erwirkte wegen dieser Forderung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen Herrn W.. Weitere Gläubiger pfändeten den hinterlegten Betrag. In einem Beschluss vom 23.04.2002 wies der Präsident des Landgerichts Rostock RA Dr. J darauf hin, dass ein nur hinsichtlich eines Teilbetrages am Hinterlegungsverfahren Beteiligter nicht die gesamte Freigabe verhindern könne. Ein weiterer Gläubiger des W., Herr R. F. ließ der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Rostock am 07.04.2003 ein vorläufiges Zahlungsverbot zustellen, dem folgte jedoch keine Pfändung gem. § 845 Abs. 3 ZPO. Im April 2003 lagen Freigabeerklärungen aller am Hinterlegungsverfahren Beteiligten vor mit Ausnahme der des Beteiligten Dr. J. und des R. F.. Dies teilte das Amtsgericht Rostock Herrn Dr. J. am 15.04.2003 mit und wies darauf hin, dass eine Auszahlung nach § 13 HinterlO nur möglich sei, wenn alle Beteiligten zustimmten. Es werde vorgeschlagen, dass der von Herrn W. beanspruchte Betrag i. H. v. 408.541,25 Euro zur Sicherheit des Dr. J. auf dem Konto verbleibe. Der restliche Betrag könne dann an die einzelnen Verfahrensbeteiligten ausgezahlt werden. Eine ausdrückliche Zustimmung des Dr. J. dazu sei erforderlich. Dr. J. stimmte der Auszahlung nicht zu. Mit Beschluss vom 30.04.2003 verfügte das Amtsgericht Rostock, dass den übereinstimmenden Freigabeerklärungen und Auszahlungsanträgen der Hinterlegungsbeteiligten zu 1.) bis 9.) und 11.) bis 13.) mit der Maßgabe entsprochen werde, dass zu Lasten des Hinterlegungsbeteiligten W. ein Betrag i. H. v. 260.000,00 Euro auf dem Hinterlegungskonto verbleibe. Gegen diesen Beschluss legte Dr. J. am 15.05.2003 im eigenen sowie im Namen des R. F. Beschwerde ein und stellte gleichzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG. Er rügte, dass die Voraussetzungen einer Verfügung nach §§ 12, 13 HinterlO nicht vorlägen, da weder der Beteiligte R. F. noch er selbst die Herausgabe bewilligt hätten.

Der Präsident des Landgerichts Rostock wies die Beschwerde vom 15.05.2003 am 19.05.2003 als unzulässig zurück, da die angefochtene Entscheidung bereits vollzogen sei und sie nicht zur Beseitigung der eingetretenen Wirkung führen könne und legte die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG vor.

Gründe:

I. Der Antrag des Antragstellers zu 1, ist gem. §§ 23, 24 EGGVG statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

1.) Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller begehrt eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung einer Justizbehörde zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier geht es um die Rechtmäßigkeit der Herausgabeanordnung des Amtsgerichts Rostock vom 30.04.2003. Entscheidungen nach den §§ 3, 16 HO sind nach § 23 EGGVG überprüfbar (Zöller/Gummer, EGGVG, 23. Aufl., Rn. 17 zu § 23 EGGVG).

a) Gem. § 24 Abs. 1 EGGVG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller zu 1 trägt vor, dass die Auszahlungsanordnung unter Verstoß gegen § 13 HO erfolgte. Er rügt, dass nicht alle Beteiligte die Herausgabe an die Empfänger bewilligt hätten. Damit liegt eine hinreichend konkretisierte Behauptung vor, wonach eine Rechtsverletzung, also eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Antragstellers zu 1 als Beteiligtem des Hinterlegungsverfahrens möglich erscheint.

b) Gem. § 24 Abs. 2 EGGVG kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden. Dieses Beschwerdeverfahren war hier bei Eingang des Antrages vom 15.05.2003 noch nicht durchgeführt. Dies war erst am 26.05.2003 der Fall. Trotzdem ist der Antrag zulässig. Grundsätzlich kann auch in Hinterlegungssachen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 24 Abs. 2 EGGVG erst gestellt werden, wenn eine Beschwerdeentscheidung des im Aufsichtswege zuständigen Land- oder Amtsgerichtspräsidenten ergangen ist (OLG Düsseldorf OLGZ 93, 444). Es genügt jedoch, dass die Beschwerdeentscheidung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegt (OLG Hamm NSTZ 1982, 134). Die Rechtslage ist hier ähnlich wie im Verwaltungsprozess. Dort ist anerkannt, dass das Vorverfahren auch während des Prozesses nachgeholt werden kann (Eyerman, VWGO, 11. Auflage Rn. 22 zu § 68; BVerwGE 4, 203/204; 23, 135/136).

c) Der Antragsteller kann die Herausgabeanordnung nach § 23 EGGVG überprüfen lassen, obgleich der Antrag nicht zur Beseitigung der eingetretenen Wirkungen führt. § 18 HO stellt klar, dass mit Herausgabe auf Grund eines nach den §§ 12 ff. HO durchgeführten förmlichen Verfahrens das Hinterlegungsverfahren erlischt. Anträge im Hinterlegungsverfahren und die Klage auf Herausgabe sind dann nicht mehr zulässig. Jedoch kann die Herausgabeanordnung durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. Wenn dadurch auch die Herausgabe nicht mehr rückgängig zu machen ist, so lässt sich auf diesem Wege doch klären, ob die Herausgabe zu Recht angeordnet worden ist (vgl. Bülow/Mecke HO, 3. Auflage § 3 Rn. 39, § 18 Rn. 1).

2.) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller zu 1. ist durch die erfolgte Herausgabe nicht in seinen Rechten verletzt (§ 28 Abs. 1 EGGVG). Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass gem. § 13 HO dabei die Zustimmung aller Hinterlegungsbeteiligten erforderlich ist. Hier fehlte allein die Zustimmung des am Hinterlegungsverfahren beteiligten Antragstellers zu 1. und die des Antragstellers zu 2. In solchen Fällen kann das Amtsgericht gem. § 16 Abs. 1 HO dem Beteiligten, der die Herausgabe nicht bewilligt, auch die Empfangsberechtigung nicht anerkannt hat, eine Frist zur Klageerhebung setzen. Die Hinterlegungsstelle soll jedoch von dieser Möglichkeit nur Gebrauch machen, wenn es unbillig wäre, von dem Antragsteller weitere Nachweise zu verlangen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Hinterlegungsstelle von der Möglichkeit zur Fristsetzung keinen Gebrauch gemacht hat. Es wäre unbillig gewesen, von den Antragstellern des Hinterlegungsverfahrens weitere Nachweise zu verlangen. Ob dies der Fall ist, unterliegt im Einzelfall der sorgfältigen Prüfung. Unbillig würde es z. Bsp. sein, von den Antragstellern weitere Nachweise zu verlangen, wenn von zehn Beteiligten neun die Herausgabe bewilligt oder die Empfangsberechtigung anerkannt haben, während der zehnte Beteiligte sich abweisend verhält und man eindeutig erkennen kann, dass er nur aus Schikane so verfährt (Bree, Reichshinterlegungsordnung, S. 60, III).

Hier lagen die Dinge so, dass von 13 Beteiligten 12 die Herausgabe bewilligt hatten, nur der Antragsteller zu 1. nicht. Der Antragsteller zu 2. war nicht Beteiligter des Hinterlegungsverfahrens (s. u. II). Der Antragsteller zu 1. brachte keine nachvollziehbaren Gründe vor, warum er die Zustimmung zur Auszahlung an die übrigen Hinterlegungsbeteiligten nicht erteilte. Er beschränkte sich darauf, die formelle Verfahrensweise der Hinterlegungsstelle zu beanstanden und wollte ersichtlich die Auszahlung verzögern. Er selbst ist durch den zurückbehaltenen Betrag von 260.000,00 € ausreichend bezüglich seiner Ansprüche an die Hinterlegungsmasse gesichert. Es wäre unbillig gewesen, die übrigen Beteiligten des Hinterlegungsverfahrens auf eine Fristsetzung nach § 16 HO und eine Klage zu verweisen. Nach § 226 BGB ist die Ausübung eines Rechtes unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderem Schaden zuzufügen. So liegen die Dinge hier. Durch eine Fristsetzung und mögliche nachfolgende Klage hätte sich die Auszahlung der den übrigen Beteiligten unstreitig zustehenden namhaften Beträge erheblich verzögert. Diese Verzögerung war ihnen angesichts der materiell eindeutigen Rechtslage nicht zuzumuten. Das Verhalten des Antragstellers zu 1. zielte ersichtlich darauf ab, diese Verzögerung herbeizuführen. Er war bereits durch den Beschluss des Präsidenten des Landgerichts Rostock vom 23.04.2002 darauf hingewiesen worden, dass es trotz seiner fehlenden Zustimmung möglich ist, Auszahlungen an die übrigen Hinterlegungsbeteiligten vorzunehmen.

Durch das Schreiben vom 15.04.2003 war die Hinterlegungsstelle nicht in dem Sinne gebunden, dass sie Auszahlungen nur mit Zustimmung des Antragstellers zu 1. vornehmen durfte. Eine Selbstbindung der Behörde liegt darin nicht (vgl. dazu Stelkens/u.a. VwVfG, 4. Aufl. ,Rdn 55 ff zu § 40). Die Selbstbindung kann sich aus dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip ergeben. Der Antragsteller konnte hier schon deshalb nicht darauf vertrauen, dass die Hinterlegungsstelle nur mit seiner Zustimmung auszahlen werde, da der Präsident des Landgerichts Rostock in dem o. a. Beschluss vom 23.04.2002 eine Auszahlung ohne seine Zustimmung für rechtmäßig erachtet hatte.

II. Der Antrag des Antragstellers zu 2. ist nicht zulässig, da er nicht geltend gemacht hat, dass er in seinen Rechten verletzt ist (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Er ist nicht Beteiligter des Hinterlegungsverfahrens. Darunter zählen diejenigen, die möglicherweise zum Empfang der Hinterlegungsmasse berechtigt sind (Bülow/Mecke/Schmidt, HO, 3. Aufl., Rdn 9 zu § 13), insbesondere Gläubiger eines Beteiligten, die dessen Anspruch auf Herausgabe gepfändet haben (Bülow u.a., a.a.O., Rdn 13 zu § 13). Der Antragsteller zu 2 ließ bislang der Hinterlegungsstelle am 07.04.2003 nur ein vorläufiges Zahlungsverbot zustellen, das mittlerweile mangels nachfolgender Pfändung gem. § 845 Abs. 3 ZPO unwirksam geworden ist. Auch die Anmeldung einer Forderung von 38.725,22 € am 23.04.2003 bei der Hinterlegungsstelle begründet kein Recht an der Hinterlegungsmasse. Dieses Schreiben läßt nicht erkennen, wie der Antragsteller zu 2. nachträglich in den Kreis der Beteiligten eingetreten sein soll.

Im übrigen ist er durch den zurückbehaltenen Betrag von 260.000 € ebenfalls ausreichend gesichert, so dass sein Antrag aus den o.a. (I. 2.) Gründen auch unbegründet ist. .

III. Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Für den Kostenansatz gelten gem. § 30 Abs. 1 EGGVG die Vorschriften der Kostenordnung entsprechend. Dafür ist die Kostenauferlegung durch das Gericht nicht notwendig, da sich die Kostentragungspflicht aus dem Gesetz, hier § 130 KostO ergibt (Zöller/Gummer, a.a.O., Rdn 1 zu § 30 EGGVG).

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 1 KostO. Dabei geht der Senat vom Gesamtbetrag der an die übrigen Beteiligten ausbezahlten Beträge aus, denn der Antrag zielt ersichtlich darauf ab, die Rechtmäßigkeit dieser Zahlungen zu überprüfen.

Ende der Entscheidung

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