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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 21.03.2003
Aktenzeichen: 4 W 7/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 767
Im Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO ist der Einwand der Erfüllung nur zu berücksichtigen, wenn die Umstände der Erfüllung unstreitig oder liquide beweisbar sind. Ansonsten kann der Schuldner die Erfüllung nur mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen (Anschluss an OLG München, MDR 2002, 909; Abweichung von OLG Zweibrücken, OLGR 2001, 259).
Oberlandesgericht Rostock BESCHLUSS

4 W 7/03

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch den Richter am Landgericht ........... als Einzelrichter

am 21. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 09.01.2003 - 6 O 506/00 - wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 22.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin hat sich in einem Prozessvergleich verpflichtet, eine Abdichtung zu erstellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2002 (Bl. 235 ff. d. A.) verwiesen.

Die Gläubiger haben beantragt, sie zu ermächtigen, die Leistungen durchführen zu lassen und die Schuldnerin zu einem Kostenvorschuss i. H. v. 14.000 € zu verurteilen.

Die Schuldnerin begann mit den Arbeiten. Sie behauptet, der Gläubiger habe ihren Subunternehmer an der Fortsetzung der Arbeiten gehindert.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 09.01.2003 die Gläubiger antragsgemäß ermächtigt und die Schuldnerin zur Zahlung eines Vorschusses verurteilt. Der Einwand der Schuldnerin, ihr sei die Handlung, zu der sie sich im Vergleich verpflichtet hatte, unmöglich geworden, könne nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie vorträgt, die von ihr eingesetzten Mitarbeiter seien an der Durchführung der Arbeiten vom Gläubiger und weiteren Eigentümern der Reihenhäuser gehindert worden. Ihr Einwand könne auch im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden, da zu prüfen sei, ob die Zwangsvollstreckung (noch) notwendig sei. Aus Gründen der Prozessökonomie sei eine Berücksichtigung geboten. Wegen des weiteren Inhalts der sofortigen Beschwerde wird auf diese verwiesen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 07.02.2003 nicht abgeholfen und die Begründung vertieft, warum der Haupteinwand der Schuldnerin nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemacht werden könne. Auf die Begründung des Beschlusses vom 07.02.2003 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Denn das Landgericht hat die Gläubiger zutreffend zur Durchführung der Arbeiten ermächtigt und die Schuldnerin zur Zahlung eines Kostenvorschusses verurteilt.

Der wesentliche Einwand der Schuldnerin, ihr sei die Erfüllung nicht (mehr) möglich, ist streitig und kann somit nicht im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden.

a) In Rechtsprechung und Literatur herrscht Einigkeit, dass der Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden muss, wenn er unstreitig bzw. "liquide beweisbar" ist (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 220; OLG Köln, MDR 1993, 579; OLG Düsseldorf, MDR 1996, 309; OLG Bamberg, Rechtspfleger 1983, 79; OLG Frankfurt, MDR 1973, 323; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 887 Rdn. 5 m. w. N.; wohl auch: OLG München, MDR 1978, 1029 und OLG Schleswig, SchlHA 1968, 73).

b) Ob auch das streitige Vorbringen, die zu vollstreckende Handlung sei erfüllt bzw. die Erfüllung nicht mehr möglich, im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden kann, ist streitig.

Es wird vertreten, dass nach dem Wortlaut des § 887 ZPO und dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie eine Berücksichtigung im Vollstreckungsverfahren berechtigt sei. Denn Voraussetzung für die Anordnung der Ersatzvornahme sei es gerade, dass der Schuldner seine Verpflichtung zu einer Handlung nicht erfüllt habe. Zudem sei nicht zu erkennen, warum der Erfüllung einwendende Schuldner mit zusätzlichen Kosten im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage zu belasten sei. Außerdem könne die Berücksichtigung im Zwangsvollstreckungsverfahren in der Regel auch schneller zu einem Ergebnis führen (OLG Zweibrücken, OLGR 2001, 259 [260]; OLG Nürnberg, NJW-RR 1995, 63; OLG Köln (16. Zivilsenat), JMBlNW 1982, 153; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.; Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 887 Rdn. 22; Schilken in: Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 887 Rdn. 8).

Diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Zwar ist es richtig, dass auch im Vollstreckungsverfahren das weitere Schicksal des zu vollstreckenden Anspruchs zu beachten ist. § 775 ZPO lässt dies aber nur in ganz bestimmten Fällen zu, wenn regelmäßig für jeden ersichtlich und frei von Einwendungen ist, dass die Zwangsvollstreckung nicht oder nicht in dem bisherigen Umfang fortzusetzen ist. Dieser Gedanke lässt sich auf das Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO übertragen, wie es das Landgericht in dem Nichtabhilfebeschluss auch getan hat.

Das Prozessgericht des ersten Rechtszuges kann und muss Einwendungen wegen Erfüllung berücksichtigen, wenn sie liquide (z.B. durch Urkunden) beweisbar sind oder das Bestreiten der Erfüllung unerheblich ist. Soweit sich aber eine Erfüllung oder anderweitige Erledigung nur im Rahmen einer Beweisaufnahme (z.B. durch Zeugenvernehmung oder Einholung eines Sachverständigengutachtens) feststellen lässt, ist entsprechend der Wertung des § 775 ZPO die Vollstreckung fortzusetzen und der Schuldner mit seinem Einwand auf die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu verweisen. Anderenfalls nähme man dem Gläubiger den Vorteil des vollstreckbaren Titels und würde ihn statt den Schuldner zunächst wieder in das Erkenntnisverfahren zwingen (OLG München (7. Zivilsenat), MDR 2002, 909; im Ergebnis auch: OLG Düsseldorf, MDR 1996, 309; OLG Hamm, OLGZ 1984, 254; OLG Koblenz, MDR 1991, 547; OLG Köln (2. Zivilsenat), MDR 1988, 505; OLG Köln (19. Zivilsenat), MDR 1993, 579; OLG München (28. Zivilsenat), MDR 1987, 945; Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 887 Rdn. 4; Walker in: Schuschke/Walker, Kommentar zum 8. Buch der ZPO, 3. Aufl., § 887 Rdn. 15).

Dies entspricht der Systematik der Zivilprozessordnung, nach der der Schuldner im Interesse einer zügigen Durchführung des Vollsteckungsverfahrens nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens grundsätzlich mit materiellen Einwendungen ausgeschlossen ist. Er wird vielmehr darauf verwiesen, seine Einwände in einem besonders geregelten Erkenntnisverfahren geltend zu machen, das durch die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO einem Rechtsmissbrauch vorbeugt. Wenn der Erfüllungseinwand nicht unstreitig oder liquide beweisbar ist, kann die Prüfung, ob Erfüllung eingetreten ist, nicht dem grundsätzlich auf die Prüfung formeller Erfordernisse beschränkten Vollstreckungsorgan auferlegt werden.

Hiergegen sprechen auch keine Gründe der Prozessökonomie. Denn auch im Verfahren nach § 887 ZPO könnte nicht entschieden werden, ohne über die ordnungsmäßige Erfüllung des Schuldners Beweis zu erheben. Darüber hinaus würde eine Berücksichtigung des Erfüllungseinwands im Rahmen des Verfahrens nach § 887 ZPO dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, die Vollstreckung hinauszuzögern, indem er wiederholt Erfüllung behauptet und das Gericht dadurch verpflichtete, seinem Vorbringen jedesmal nachzugehen. Dies widerspräche dem schützenswerten Interesse des Gläubigers auf Durchsetzung seines titulierten Anspruches in der Zwangsvollstreckung (OLG Köln, OLGR 1993, 30).

c) Der Schuldnerin obliegt es somit, ihren Einwand im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend zu machen. Dieser Rechtsschutz ist letztlich gleichwertig und zumutbar, da er auch gemäß § 769 ZPO die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ermöglicht. Dass die Schuldnerin für das Verfahren gemäß § 767 ZPO einen Vorschuss leisten muss, entspricht ebenfalls den Grundsätzen der Zivilprozessordnung.

d) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf Euro 22.000, nämlich dem Wertansatz der Gläubiger, festzusetzen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rdn. 16 "Ersatzvornahme").

Ende der Entscheidung

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