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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 5 U 121/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 717 Abs. 2
§ 717 Abs. 2 ZPO ist grundsätzlich nicht anwendbar, soweit ein vorläufig vollstreckbares Urteil durch einen Prozessvergleich geändert wird.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 121/01

Verkündet lt. Protokoll am: 26.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Rostock - 5. Zivilsenat - durch Richter am Oberlandesgericht NameTheede als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin vom 12.12.2001 gegen das am 30.10.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund - 7 O 336/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden und für dieses Berufungsverfahren fortgeltenden Fassung - a. F. - abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass der Klägerin ein Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO nicht zusteht.

Nach dieser Vorschrift kann der Beklagte den ihm durch die Vollstreckung des Klägers aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bzw. die zur Abwendung der Vollstreckung gemachten Leistung entstandenen Schaden ersetzt verlangen, wenn das Urteil aufgehoben oder abgeändert worden ist. Das setzt die Kassation der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung durch ein Urteil voraus, wie sich auch § 717 Abs. 1 ZPO ergibt. So liegen die Dinge hier nicht; vielmehr haben die Parteien in dem vorherigen Rechtsstreit einen Vergleich geschlossen. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO bei Vergleichen nicht entsprechend anwendbar ist. Denn der Grund, aus dem das Gesetz dem Beklagten in § 717 Abs. 2 ZPO für die dort geregelten Fälle einen Schadensersatzanspruch gibt, ist bei einer vergleichsweisen Beendigung nicht gegeben.

Der Grund für die Risikozuweisung, dass ein Kläger ohne weitere Voraussetzungen, insbesondere ohne Verschulden, allein deswegen zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil ein Urteil eines Rechtsmittelgerichts ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes vorinstanzliches Urteil aufhebt oder abändert, ist, dass der Beklagte aufgrund gerichtlicher Anordnung einen Eingriff in seinen Vermögensbereich hinnehmen und dulden muss, der sich nach weiterer Überprüfung als unbegründet herausstellt. Es entspricht dann gebotener Risikoverteilung, dass den Schaden aus der erlaubten, aber gefahrbeladenen Vollstreckung derjenige trägt, der seine Interessen auf Kosten des anderen verfolgt hat; er soll dann als Veranlasser des Schadens für ihn einstehen (BGHZ 54, 80 f.). Vergleichen sich die Parteien mit der Folge, dass das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil wirkungslos wird, trägt dieser Grund einen Schadensersatzanspruch nicht. Es steht dann gerade nicht fest, dass der Beklagte zu Unrecht hat Eingriffe in sein Vermögen dulden müssen, denn die Parteien haben bewusst und gewollt gerade dies nicht weiter überprüfen lassen, sondern ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen. Allenfalls in Ausnahmefällen, wie etwa dann, wenn beide Parteien ersichtlich davon ausgegangen sind, dass dem Gläubiger der Anspruch nicht (vollständig) zugestanden habe, käme daher eine analoge Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO in Betracht (so Stein/Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 717 Rdn. 64). Das wird aber kaum jemals anzunehmen sein, und auch hier ist nichts dafür zu erkennen, dass die Beklagte im vorherigen Rechtsstreit ihre Rechtsposition teilweise aufgegeben hätte. Im Gegenteil ist es typisch bei einem Vergleichsabschluss, dass die an ihm beteiligten Parteien ihre Rechtsposition nach wie vor für richtig halten.

Die vom Senat vertretene Rechtsauffassung wird mit dieser, ähnlicher, aber zum Teil auch ohne Begründung soweit ersichtlich ganz überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertreten (vgl. Wieczorek/Schütze-Heß, ZPO, 3. Aufl., § 717 Rdn. 48; Stein/Jonas-Münzberg a. a. O.; Müko ZPO-Krüger, 2. Aufl., § 717 Rdn. 12; für den Fall der übereinstimmenden Erledigung BGH MDR 88, 575; für der Fall einseitiger Erledigung BVerfG NJW 81, 699). Der Senat ist zudem der Ansicht, dass die von der Berufung für ihre Auffassung ins Feld geführte Entscheidung des OLG Hamm (MDR 88, 588 = AnwBl 89, 238) für die hier zu entscheidende Frage keinen gegensätzlichen Standpunkt einnimmt. Denn die Entscheidung verhält sich allein zu der hier nicht interessierenden Frage, ob in entsprechender Anwendung von § 717 Abs. 2 ZPO dann, wenn ein Vergleich im zweiten Rechtszug ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der ersten Instanz abändert, die Rückfestsetzung der Kosten verlangt werden kann, die aufgrund des nicht rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Urteils unstreitig an den Gegner gezahlt worden sind (allein dazu auch KG MDR 91, 258).

Im Übrigen sind weitere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Parteien etwa bei Vergleichsschluss stillschweigend zu einer Ersatzpflicht verständigt hätten, die über die Rückgewähr des zu viel Erhaltenen hinausgeht (zu dieser Möglichkeit vgl. Stein/Jonas-Münzberg a. a. O.), kann der Senat nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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