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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 6 U 227/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 347
BGB § 347 Satz 2 a. F.
BGB § 459 Abs. 2 a. F.
BGB § 463 Satz 1
BGB § 463 Satz 2
BGB § 469 a. F.
BGB § 994
ZPO § 522 Abs. 2 a. F.
ZPO § 524 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 227/02

verkündet am: 17.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Richter am Oberlandesgericht Dr. Veen den Richter am Oberlandesgericht Dr. Meyer die Richterin am Landgericht Ewert

auf die mündliche Verhandlung vom 05.11.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 03.12.2003, Az.: 4 O 486/01, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.944,97 EUR nebst der Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf 10.225,84 EUR seit 07.06.2001 sowie auf weitere 719,13 EUR seit 06.12.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW VW Passat Variant TDI, amtliches Kennzeichen VEC-..., FIN: WVWZZZ3BZWE0638...

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeuges im Annahmeverzug befindet.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 11.444,97 EUR.

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler im Wege des Schadenersatzbegehrens wegen des Fehlens der aus ihrer Sicht zugesicherten Unfallfreiheit bzw. wegen arglistigen Verschweigens von Unfallschäden die Rückabwicklung eines im Juni 2001 geschlossenen Kaufvertrages über einen gebrauchten PKW VW Passat TDI Variant zum Preis von 20.000,00 DM sowie den Ersatz von auf das Fahrzeug verwendeten Reparaturkosten.

Der Beklagte betreibt einen Gebrauchtwagenhandel in B., in der Nähe von R. (Mecklenburg-Vorpommern); die Klägerin hat ihren Wohnsitz in V. (Niedersachsen). Sie suchte für sich einen VW Passat Automatik. Im Internet wurde sie auf ein entsprechendes Angebot des Beklagten aufmerksam. Das vom Beklagten angebotene Fahrzeug hatte eine Erstzulassung aus dem Jahre 1997; die Laufleistung betrug 152.700 km. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten mit dem Kauf von Gebrauchtfahrzeugen diesen Alters und dieser Laufleistung bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Von daher lag ihnen daran, einen unfallfreien Pkw zu erwerben.

Anfang Juni 2001 wandte sich der Ehemann der Klägerin, der Zeuge F. L., fernmündlich an den Beklagten. Bereits im Rahmen eines zweiten Telefongespräches erkundigte er sich danach, ob das inserierte Fahrzeug unfallfrei sei. Der genauere Gesprächsinhalt - insbesondere die Antwort des Beklagten auf die gestellte Frage - ist zwischen den Parteien streitig. Ebenso ist in Streit stehend, ob der Beklagte eine Zusage über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs bei der - im Anschluss an die geführten Telefonate - am 07.06.2001 stattgefundenen Besichtigung des Fahrzeugs auf dem Betriebsgelände des Beklagten gegenüber der Klägerin oder ihrem Ehemann abgegeben hat. Bei der Besichtigung des Fahrzeugs machte es auf die Klägerin und ihren Mann einen äußerlich guten Eindruck, wohingegen der verschmutzte Innenraum von ihnen beanstandet wurde und zu Verhandlungen über einen Preisnachlass führte.

In der dem Kaufvertragsschluss zugrundeliegenden Urkunde, einem von dem Beklagten verwendeten Formular "Verbindliche Bestellung eines gebrauchten Fahrzeuges", befinden sich u.a. folgende Rubriken, die wie folgt von ihm ausgefüllt wurden:

"Das Fahrzeug ist fahrbereit" "Ja"

"Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer" keine Angaben

"Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt" "Nein"

Nach dem Kaufvertragsschluss (am 07.06.2001) überführte die Klägerin das erworbene Fahrzeug noch am selben Tage an ihren Wohnsitz in Vechta. Mitte September 2001 musste sie an dem Fahrzeug umfangreiche Reperaturarbeiten durchführen lassen. Erneuert bzw. ausgetauscht wurden u.a. drei Kreuzgelenke, der Zahnriemen, der Keilriemen, ein Kraftstoff-, ein Luft- und ein Innenraumfilter. Die Reperaturkosten beliefen sich auf 2.364,56 DM sowie weitere 170,84 DM (Anlagen K 3 u. K 4, GA Bl. 39-40).

In der Folgezeit ermittelte die Klägerin, dass Erstbesitzer des streitbefangenen Fahrzeugs die Fa. G. Vermietungs GmbH in B. gewesen ist und Zweitbesitzer das VW Autohaus N., ebenfalls gelegen in Barth. Von diesem Autohaus hatte der Beklagte den Pkw erworben.

In der Berufungsinstanz ist in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien aufgrund der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen B. (vgl. Sitzungsprotokoll GA Bl. 65ff. d.A.), eines Mitarbeiters der Firma G., unstreitig geworden, dass der von der Klägerin beim Beklagten erworbene Pkw in der Zeit seiner Nutzung durch die Fa. G. Schäden am Kotflügel vorn rechts sowie später am Kotflügel hinten rechts erlitten hat. Beim ersten Mal hatte ein Sturm ein Werkstattstor gegen den rechten vorderen Kotflügel gedrückt, beim zweiten Mal war ein Mitarbeiter der Firma G. mit einer Anhängerhebebühne gegen den rechten hinteren Kotflügel gefahren. In beiden Fällen wurde der Kotflügel jeweils ausgetauscht und neu lackiert.

Der Ehemann der Klägerin forderte den Beklagten in der 47. KW des Jahres 2001 auf, das Fahrzeug zurückzunehmen und der Klägerin den Kaufpreis sowie den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies lehnte der Beklagte ab.

Die Klägerin hat im Wege des sogenannten großen Schadenersatzes die Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises von 10.225,84 EUR (20.000,00 DM) zzgl. der entstandenen Reparaturkosten in Höhe von 1.296,33 EUR (2.535,40 DM) und darüber hinaus die als Vertragskosten bezeichneten Aufwendungen, wie Fahrkosten, Überführungs-, Anmelde- und Nebenkosten in Höhe weiterer 249,25 EUR (487,50 DM) geltend gemacht.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, sowohl auf die telefonische Nachfrage ihres Ehemannes F. L. Anfang Juni 2001, ob der PKW unfallfrei und scheckheftgepflegt sei, als auch auf entsprechende Nachfrage im Rahmen des Verkaufsgespräches am 07.06.2001 habe der Beklagte zugesagt, der VW Passat sei unfallfrei. Tatsächlich sei jedoch der streitgegenständliche PKW bereits im Zeitpunkt der Übergabe mit erheblichen Unfallschäden behaftet gewesen. Dies habe sie - im Nachhinein - durch die Angaben des Zeugen B. sowie weiter dadurch erfahren, dass anlässlich einer im September 2001 von ihr selbst veranlassten Reparatur festgestellt worden sei, dass die Kotflügel und die Motorhaube vor längerer Zeit nicht fachgerecht ab- und wieder angebaut worden seien.

Die Klägerin hat vorgetragen, sämtliche von ihr zur Schadensbeseitigung aufgewendeten Reparaturkosten seien notwendig gewesen, um die Fahrbereitschaft und Gebrauchstauglichkeit des PKW aufrechtzuerhalten. Von ihrem (geltend gemachten) Schadensersatzanspruch abgesetzt hat die Klägerin schon erstinstanzlich eine - in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffene - Nutzungsentschädigung für die Eigennutzung des PKW's in Höhe von 826,45 EUR (1.616,40 DM), und zwar berechnet auf den Zeitpunkt der dem Urteil in erster Instanz vorhergehenden mündlichen Verhandlung.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.944,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 10.225,84 EUR seit dem 07.06.2001 sowie auf weitere 719,13 EUR seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW VW Passat Variant TDI, amtliches Kennzeichen VEC-..., FIN WVWZZZ3BZWE0638.. zu zahlen.

2.

festzustellen, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften Gebrauchtfahrzeugs in Abrede gestellt. Er habe zu keiner Zeit zugesichert, das Fahrzeug sei scheckheftgepflegt und habe keine Unfallschäden. Ihm sei das Fahrzeug vom Vorbesitzer, dem VW-Autohaus N. in B., mit der ausdrücklichen Erklärung, das Fahrzeug sei unfallfrei, übergeben worden. Farbunterschiede beim Lack wären ihm nicht erkennbar gewesen, weswegen eine Untersuchungspflicht auf weitere Unfallschäden nicht bestanden habe.

Das Landgericht hat über die Unfallbeteiligung des Fahrzeuges und die Frage der Zusicherung der Unfallfreiheit Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F. B., F. L. und S. S. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Notwendigkeit des klägerseits beanspruchten Reparaturaufwandes (vgl. Beweisbeschlüsse vom 24.06.02, Bl. 77 d. A., 18.07.02, Bl. 87 d. A sowie Sitzungsniederschrift vom 04.06.2002, Bl. 64 ff. d. A.).

Das Landgericht hat der Klage auf Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises, d.h. 10.225,84 EUR (20.000,00 DM) zzgl. der "Vertragskosten" in Höhe von 249,25 EUR, abzgl. der anzurechnenden Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.425,20 EUR (2.787,45 DM), d.h. insgesamt in Höhe von 9.049,89 EUR (17.700,05 DM) aus §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB a. F. Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Gebrauchtfahrzeugs stattgegeben. Wegen der darüber hinaus beanspruchten Reparaturkosten in Höhe von 1.296,33 EUR und wegen des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten hinsichtlich seiner Rücknahmeverpflichtung hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung des zuerkannten Schadensersatzes auf Rückabwicklung und einen Teil der Vertragskosten führt das Landgericht aus, die Beweisaufnahme - insbesondere die Aussage des Zeugen F. L. - , des Ehemannes der Klägerin, habe eine mündliche Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften Fahrzeuges zur Überzeugung des Gerichts ergeben. In jedem Fall hafte der Beklagte - selbst im Fall der eigenen Unkenntnis der Vorschäden, da er keinesfalls die Unfallfreiheit auf Nachfrage hin durch eine Behauptung "ins Blaue hinein" habe behaupten dürfen. Er habe sich diesbezüglich nicht auf die Angaben des VW-Autohauses N. in B., von dem er seinerseits den Passat erworben hatte, verlassen dürfen, sondern als Fachhändler selbst das Fahrzeug untersuchen müssen. Für den Fall des Unterbleibens einer eigenen Untersuchung habe der Beklagte die Klägerin unmissverständlich hierauf hinweisen müssen.

Die Klageabweisung im Hinblick auf die weiter beanspruchten Reparaturkosten hat das Landgericht mit der Erwägung begründet, dass diese Reparaturarbeiten aufgrund der Feststellungen des Sachverständigengutachtens auch durch Abnutzung und Verschleiß während der Eigennutzung des Fahrzeuges durch die Klägerin verursacht worden sein könnten.

Den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeuges hat das Landgericht als unbegründet erachtet, weil die Klägerin dem Beklagten die Rückgabe an dessen Geschäftssitz in B. bei R.-D. habe anbieten müssen, was unstreitig nicht geschehen ist.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte unabhängig voneinander form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Der Beklagte hält die Feststellungen des Landgerichts zum Haftungsgrund gem. § 463 Satz 1 BGB a. F. für unzutreffend. Das Landgericht sei zu Unrecht und aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung von einer mündlichen Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften Fahrzeuges ausgegangen. Angesichts des unmissverständlichen Inhalts der Vertragsurkunde (Bl. 11 d.A.) sei es für die Klägerin bzw. dessen Ehemann erkennbar gewesen, dass der Beklagte über keine weitergehenden Informationen verfügt habe, als die des Autohauses N., des Vorbesitzers, von dem er das Fahrzeug erworben hatte. Danach habe er nichts von den Vorschäden während der Nutzung des Fahrzeuges durch die Firma G. gewußt. Die Klägerin bzw. ihr Ehemann sei vor dem Erwerb des Fahrzeuges darüber informiert gewesen, dass es sich bei dem Passat um ein Firmenfahrzeug gehandelt habe, weswegen hier - unstreitig - mit Rücksicht auf den stark verschmutzten Innenraum des Fahrzeuges bereits ein großzügiger Preisnachlass in Höhe von 2.900,00 DM auf den Barpreis vereinbart worden ist.

Darüber hinaus gehe das Landgericht zu Unrecht von einer generellen Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenhändlers aus. Für den Beklagten habe weder aufgrund von Informationen des Autohauses N. noch aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten (Farbunterschiede und ähnliches) Anlass zu einer Untersuchung des Fahrzeuges bestanden.

Schließlich - so meint der Beklagte - gehe das Landgericht fehlerhafterweise von einer Unfalleigenschaft des verkauften PKW aus. Die Schäden an den Kotflügeln würden mit Rücksicht auf das Alter des Fahrzeuges (vier Jahre) und dessen -unstreitigen - Einsatz als Firmenfahrzeug lediglich Bagatellschäden darstellen. Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 03.12.2002 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Ausführungen des Landgerichts zum Haftungsgrund. Es habe insbesondere die Aussage des Zeugen F. L.im Sinne einer mündlichen Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften PKW richtig gewertet.

Außerdem hebt die Klägerin unter Hinweis auf die vom Sachverständigen B. festgestellten Unfallanzeichen - der Farbabweichungen zwischen den reparierten Kotflügeln zur übrigen Lackierung, sowie dem nicht passgenauen Spaltmaß zwischen Motorhaube und dem vorderen Kotflügel - hervor, dass dem Beklagten anlässlich der ihm zumindest obliegenden Sichtprüfung die Unfalleigenschaft des PKW habe auffallen müssen (Bl. 207, 114 d. A.). Zum Beweis hierfür und für die Tatsache, dass die unterschiedlichen Lackstärken einem erfahrenen Gebrauchtwagenhändler hätten auffallen müssen, bezieht sie sich auf ein ergänzendes Sachverständigengutachten (Bl. 207 d. A.).

Die nach Vernehmung des Zeugen B. unstreitigen Vorschäden des Fahrzeuges lägen eindeutig über der von der Rechtsprechung geforderten Erheblichkeitsgrenze, zumal beide Kotflügel erneuert worden sind.

Mit ihrer eigenen, selbständig eingelegten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Feststellungsbegehrens hinsichtlich des Annahmeverzuges des Beklagten mit der Verpflichtung zur Rücknahme des Fahrzeuges sowie gegen die Klagabweisung bezüglich der weiteren Reparaturkosten in Höhe von 2.364,56 DM und 170,84 DM (1.296,33 EUR). Diese seien als notwendige Verwendungen nach §§ 347 Satz 2 BGB a. F. i. V. m. § 994 BGB im Rahmen des begehrten großen Schadensersatzes ersatzfähig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stralsund von 03. Dezember 2002 abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.944,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf 10.225,84 EUR seit 07.06.2001 sowie auf weitere 719,13 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des genau bezeichneten PKW Passat.

2.

Festzustellen, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, der Klägerin stehe bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch zu. Im Übrigen träfen die diesbezüglichen klageabweisenden Erwägungen des Landgerichts zu.

Zu Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im übrigen Bezug genommen.

B.

I.

Die nach neuem Berufungsrecht zu beurteilenden Berufungen beider Parteien sind zulässig. Wenn beide Parteien innerhalb der Frist Berufung einlegen, ist gem. § 524 ZPO n.F. von beiderseits selbständigen Berufungen auszugehen. Das nach § 522 Abs. 2 ZPO a.F. als selbständige Anschlussberufung bezeichnete Rechtsmittel kennt die neue ZPO nicht mehr (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 524 Rn. 6).

II.

Die Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr war auf die Berufung der Klägerin hin das landgerichtliche Urteil insoweit abzuändern, als dass der Klägerin auch noch die begehrten weiteren Reparaturkosten als Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung des Kaufvertrages (im Rahmen des sogen. "großen Schadensersatzes") zustehen, und dass die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten im Hinblick auf seine Verpflichtung zur Rücknahme des streitgegenständlichen Gebrauchtfahrzeuges hat.

1.

Das Landgericht bewertet die Frage einer verschuldensunabhängigen Haftung des Beklagten für eine Zusicherung der Unfallfreiheit des verkauften PKW Passat gem. §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB a.F. im Ergebnis zutreffend. Es gelangt unter nicht zu beanstandender Würdigung der Aussagen der diesbezüglich vernommenen Zeugen S. S. und F. L. zu dem Schluss, dass die Unfallfreiheit des Fahrzeuges mündlich zugesichert worden ist.

a)

Eine Eigenschaftszusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar ist, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft übernehmen und für die Folgen ihres Fehlens einstehen zu wollen (BGH NJW 1992, 2564). Bezogen auf den Begriff der "Unfallfreiheit" im Kraftfahrzeughandel bedeutet dies, dass ein Fahrzeug keinen Schaden erlitten haben darf, der als erheblich anzusehen ist.

Die Erheblichkeit eines Schadens bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, die nur geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und Schönheitsfehler aus dem Begriff der Unfallfreiheit ausklammert. (Reinking/Eggert, der Autokauf, 7. Aufl. 2000, Rn. 1789). Diese Erheblichkeitsgrenze ist vorliegend deutlich überschritten, da die Schäden an beiden Kotflügeln rechts zum Austausch gegen Neuteile geführt haben. Dadurch werden nach der Lebenserfahrung regelmäßig Kosten oberhalb der vorgeschilderten Bagatellgrenze verursacht.

b)

Ob der Verkäufer im Einzelfall eine verbindliche Gewährsübernahme für die "Unfallfreiheit" eines Gebrauchtfahrzeugs übernehmen wollte, muss anhand eines Katalogs von Auslegungskriterien und Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände entschieden werden (Reinking/Eggert a. a. O., Rn. 1657 ff):

aa)

Für die Annahme einer Zusicherung streitet vorliegend vor allem der auch vom Landgericht zutreffend hervorgehobene Umstand, dass der Zeuge F. L. vor und während der Vertragsverhandlungen ausdrücklich Wert auf die Frage der Unfallfreiheit gelegt und diesen Umstand - insofern unstreitig - wiederholt zur Sprache gebracht hat.

bb)

Dagegen könnte sprechen, dass der Beklagte als Verkäufer und Gebrauchtwagenhändler hier lediglich über ein Verkaufsgelände an der Bundesstraße 105 mit einem Bürocontainer verfügte und dadurch nicht den Eindruck einer besonderen Sachkompetenz beim Käufer erweckt haben dürfte, wie das regelmäßig bei einem Vertragshändler mit eigener Werkstatt der Fall sein wird. Gegen die Annahme einer Zusicherung der Unfallfreiheit anzuführen ist zudem eine dem Käufer bekannte oder erkennbare Erkenntnisschwierigkeit des Verkäufers in Bezug auf die fragliche Eigenschaft der Sache (Reinking/Eggert a. a. O., Rn. 1658).

Der Klägerin war klar, dass sie ein Fahrzeug mit vergleichsweiser hoher Laufleistung erwarb, welches bereits zwei Vorbesitzer hatte, und dass es die überwiegende Zeit als Firmenfahrzeug genutzt worden war. Damit musste der Klägerin bewusst sein, dass auch der Beklagte im Hinblick auf Kenntnisse über etwaige Unfallvorschäden informationsabhängig war.

Schließlich haben die Parteien zur Fixierung des Vertragsinhalts ein schriftliches Vertragsformular benutzt, welches für sich genommen zunächst die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründet (Bl. 11 d. A., Reinking/Eggert a. a. O., Rn. 1790). Die darin enthaltene - und nicht ausgefüllte - Rubrik: "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer", ebenso wie die mit "nein" angekreuzte Klausel: "Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt", geben dem Käufer - nach in Lit. und Rspr. vertretener Ansicht - (vgl. OLG Celle, OLGR 1998, 170; Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1658) - grundsätzlich einen Hinweis darauf, dass der Verkäufer seine Haftung insoweit einschränken will.

cc)

Obwohl der von der Klägerin erworbene PKW Passat bereits "durch mehrere Hände gegangen" war und für sie sowie für ihren Ehemann, den Zeugen F. L., die beschränkten Informationsmöglichkeiten des beklagten Gebrauchtwagenhändlers erkennbar waren, muss indes im hier zur Entscheidung stehenden Fall von einer Zusicherung der Unfallfreiheit ausgegangen werden.

aaa)

Zuvörderst ist dafür die Aussage des Zeugen L. anzuführen. Der Zeuge L. hat im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Landgericht ausgesagt, als er gegenüber dem Beklagten bei Vertragsunterzeichnung erwähnt habe, 'das Fahrzeug sei ja unfallfrei' - wie bereits zuvor zwischem ihm und dem Beklagten telefonisch besprochen -, habe dieser mit den Worten "Ja, Ja" geantwortet und dabei "auf die entsprechende schriftliche Klausel im Vertrag gezeigt".

Diese Aussage des Zeugen L., in der eine Verknüpfung der verbalen Äußerung des Beklagten mit einer demonstrativ unterlegten nonverbalen Bekräftigung (durch Verweis auf das Klauselwerk im Verkaufsformular) zu erkennen ist, kann bei vernünftiger Betrachtung nur so gedeutet werden, der Zeuge L. habe aussagen wollen, gerade die negative Ausfüllung der Formularklauseln ("Zahl, Art, und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer" / "Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt") sei ihm vom Beklagten als Beleg für eine Unfallfreiheit des zum Erwerb beabsichtigten Pkw genannt worden und er - der Zeuge - habe dies als die Zusicherung einer Eigenschaft (eben der "Unfallfreiheit") verstanden (bzw. nach der allgemeinen Verkehrsanschauung müsse ein entsprechendes Verhalten in dieser Weise gedeutet werden - so wohl die Interpretation, die die Klägerin ihrem Parteivortrag beilegen will).

bbb)

Auch der Senat würdigt das Verhalten des Beklagten, wie es sich zur Überzeugung des Senats aus der glaubhaften Aussage des Zeugen L. ergibt, in dieser Art und Weise.

aaaa)

Dabei geht der Senat - in Übereinstimmung mit der Beweiswürdigung des Landgerichts - von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen L. und damit auch von deren Wahrheitsgehalt aus. Anlass an der personalen Glaubwürdigkeit des Zeugen L. zu zweifeln, etwa deshalb, weil er als Ehemann der Klägerin und sie begleitender Berater bei den Kaufvertragsverhandlungen (die maßgeblich sogar von ihm geführt worden sind) ein erkennbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, sieht der Senat nicht gegeben. Insofern hätte es dafür vernünftiger Anhaltspunkte bedurft, die vorliegend nicht vorhanden und auch nicht vorgetragen sind. Die Tatsache allein, dass der Zeuge L. neben der Eigenschaft als Aussageperson zugleich die eines Ehemannes hat, begründet nicht den zuverlässigen Rückschluss auf seine Unglaubwürdigkeit und die Unglaubhaftigkeit seiner Wissenserklärungen. Ein entsprechendes Denkgesetz existiert nämlich nicht.

bbbb)

Die Glaubhaftigkeit der Schilderung des Zeugen L. lässt sich im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats indes gerade noch aus weiteren - objektiven - Umständen begründen. Diese liegen in folgenden:

aaaaa)

Die Tatsache, dass in dem zum Kaufvertragsschluss verwendeten Formular über die "Verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges" (Anlage K 1, GA Bl. 11) die Klausel

"Zahl, Art und Umfang von Vorschäden"

unausgefüllt geblieben ist, und die weitere Klausel

"Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt"

vom dem Beklagten mit "Nein" beantwortet wurde, ist in Bezug auf die hier streitgegenständliche Frage der Zusicherung von "Unfallfreiheit" über das zu erwerbende Kraftfahrzeug als neutral zu werten.

Weder ergibt sich aus dem nicht ausgefüllten bzw. dem ausgefüllten Teil des Formulars der Rückschluss auf eine abgegebene Zusicherungserklärung noch auf das Gegenteil. Wenn dem Beklagten "auf andere Weise Unfallschäden nicht (= Nein, Hervorhebung hier) bekannt" gewesen sind, so bedeutet dies lediglich, dass er aufgrund eigener Untersuchung, eigenen Wissens und eigener Erfahrung keine Angaben zur Unfallfreiheit machen konnte und oder wollte. Es ergibt sich kein Rückschluss darauf, der Beklagte habe mündlich nicht doch eine Zusicherung über die Unfallfreiheit erteilt.

Ebenso verhält es sich mit der anderen 'Auskunfts- oder Aufklärungsklausel' "Zahl, Art und Umfang der Unfallschäden lt. Vorbesitzer". Der Umstand, dass dieses Feld im Formular überhaupt nicht ausgefüllt worden ist, kann die Klägerin weder als Beweis dafür anführen, der Beklagte habe die Unfallfreiheit zugesichert, noch umgekehrt der Beklagte dafür, er habe eine entsprechende Erklärung nicht abgeben wollen und auch nicht abgegeben.

bbbbb)

Entscheidend bleibt von daher die Aussage des Zeugen L., was Gegenstand der mündlich geführten Kaufvertragsverhandlungen gewesen ist. Und zu diesen Verhandlungen hat der Zeuge - glaubhaft - bekundet, der Umstand der Unfallfreiheit sei für den Kauf von entscheidender Bedeutung gewesen, denn darüber sei in den ersten Anbahnungsgesprächen (am Telefon) und sodann auch abermals bei den Verhandlungen vor Ort, am Geschäftssitz des Beklagten, gesprochen worden. Diese Tatsache ist selbst vom Beklagten nicht in Abrede genommen worden und auch die Zeugin S. S., Mitarbeiterin des Beklagten, hat sie bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht so bekundet.

Dem Beklagten war also bekannt, dass die Klägerin als Käuferin und der sie begleitende Ehemann entscheidenden Wert darauf legten, ein unfallfreies Fahrzeug zu erwerben. Dafür spricht auch - wie ebenfalls vom Zeugen L. wiedergegeben - , dass sie sich aus V., ihrem Wohnsitz, zum Geschäftssitz des Beklagten in der Nähe von R. begaben, immerhin also eine Tagesreise von geschätzt 400km auf sich nahmen, um an eben diesem Ort ein Fahrzeug zu erwerben, welches bei einem Angebotspreis von 22.900,00 DM nicht erwarten lassen musste, dass es sich um ein Altfahrzeug mit Vorschäden handeln würde. Auch der von dem Ehemann der Klägerin, dem Zeugen L. herausgehandelte Preisnachlass - 2.990,00 DM (siehe Anlage K 1, GA Bl. 11) - erklärt sich nicht mit irgendwelchen Unfallschäden am Fahrzeug (über die bei den Verhandlungen gesprochen worden wäre), sondern aus dem "verdreckten" Zustand des Pkw im Zeitpunkt der Besichtigung. Dies hat der Beklagte selbst eingeräumt.

ccccc)

Unter diesen Umständen kann der Beklagte die in dem verwendeten Vertragsformular angekreuzte Erklärung, dem Verkäufer seien auf andere Weise - also unabhängig von der Auskunft des Vorbesitzers - Unfallschäden nicht bekannt, ebenso wie die unausgefüllt gebliebene Rubrik "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer" nicht als Tatsache dafür anführen, dass eine Unfallfreiheit nicht zugesichert worden ist. Der Zeuge L. hat Gegenteiliges und durch das Formular nicht widerlegtes Wissen bekundet, welches für den Senat, dem die Problematik der Zuverlässigkeit des Zeugenbeweises bekannt ist, die Überzeugung begründet, das der Beklagte eine Zusage zur Unfallfreiheit (gerade durch den demonstrativen Hinweis auf das Bestellformular) abgegeben hat.

ddddd)

Hätte der Beklagte sein beschränktes Wissen über die Unfallfreiheit zum Ausdruck bringen und seine dementsprechend beschränkte Bereitschaft zur Gewährsübernahme erklären wollen, so wäre es an ihm gewesen - schon aus Gründen der Klarstellung - die Rubrik "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer" nicht unausgefüllt zu belassen. Dann wäre ihm ein Gegenbeweis zu der Aussage des Zeugen Lahmer möglich gewesen, der jedenfalls mit der Aussage der Zeugin S. S. - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht erbracht ist.

3.

Da der Senat (bereits) die Voraussetzungen einer Eigenschaftszusicherung als Haftungsgrund für erfüllt erkennt, kommt es auf die weiter zwischen den Parteien streitige Frage einer Haftung auf Schadensersatz nach §§ 463 Satz 2, 469 BGB a.F. wegen arglistiger Vortäuschung der Unfallfreiheit des verkauften PKW nicht mehr an.

4.

Die Berufung der Klägerin ist begründet:

a)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Feststellung hinsichtlich des Annahmeverzuges des Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeuges (sogenannter "Rücknahmeverzug"). Denn Erfüllungsort der Rücknahmeverpflichtung ist der Ort, an dem sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befindet (Palandt/Putzo, 61. Aufl., § 467 BGB a.F. Rn. 4; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 269 BGB a.F. Rn. 16, Reinking/Eggert a. a. O., Rn. 2002, 2018). Danach hat der Beklagte das Fahrzeug am Wohnort der Klägerin abzuholen.

b)

Ebenso schuldet der Beklagte - abweichend von den Ausführungen des Landgerichts - die weiteren Reparaturkosten als Verwendungsersatz für notwendige Verwendungen gemäß §§ 347, 994 BGB im Rahmen des großen Schadensersatzes (vgl. Reinking/Eggert a. a. O. Rn. 2003, 2028 ff.). Zu den notwendigen Verwendungen beim Gebrauchtfahrzeugkauf gehören auch solche Instandsetzungs- und Wartungskosten, die durch gewöhnlichen Verschleiß und Gebrauch verursacht werden. Die in den Rechnungen der Firmen Reifen - P. (Bl. 39 d. A.) und Audi K. GmbH (Bl. 40. d. A) beschriebenen Arbeiten und Austauschteile stellen derartige notwendige Verwendungen dar.

III.

1.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO (Kosten) und §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

2.

Die Streitwertbestimmung begründet sich aus der Addition des Betrags der Leistungsklage 10.944,97 € sowie dem mit 500,00 € angesetzten Wert des Feststellungsantrages. Für die Klage auf Feststellung des Annahmeverzuges (des Beklagten mit der Rücknahme des bezeichneten Fahrzeugs) ist der Betrag hinsichtlich des Aufwands zugrundezulegen, den der Gläubiger erspart, die eigene Leistung anbieten zu müssen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 16, Stichwort: "Annahmeverzug"). Diesen Aufwand - für die Rücküberführung des Fahrzeugs vom Wohnort der Klägerin zum Geschäftssitz des Beklagten - bringt der Senat hier im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) mit 500,00 € in Ansatz.

3.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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