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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 29.05.2006
Aktenzeichen: 6 U 230/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 98
ZPO § 321a
ZPO § 321a Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 321a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

6 U 230/00

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brinkmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. ter Veen, den Richter am Oberlandesgericht Hanenkamp

am 29.05.2006 beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge der Beklagten zu 2.) vom 19.05.2006 gegen den Beschluss des Senats vom 21.04.2006, Az.: 6 U 230/00, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 21.04.2006 hat der Senat, nachdem beide Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, gem. § 91a ZPO die Kosten des Verfahrens der Beklagten zu 2.) auferlegt, weil sie nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses aller Voraussicht nach im Rechtsstreit unterlegen wäre. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat der Senat nicht zugelassen.

Dagegen wendet sich die Beklagte zu 2.) mit ihrem Rechtsbehelf nach § 321a ZPO und bringt vor, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Trotz eines von ihr erteilten Hinweises auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die Kosten des Verfahrens infolge des außergerichtlich geschlossenen Vergleiches analog § 98 ZPO gegeneinander aufzuheben seien, sei der Senat contra legem gem. § 91a ZPO verfahren und damit zu einer offenkundig unrichtigen Rechtsanwendung gelangt, deren Ergebnis einer Korrektur durch die Anhörungsrüge bedürfe. Hilfsweise macht die Beklagte zu 2.) geltend, es bedürfe im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und der Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Beklagten zu 2.) der Zulassung der Rechtsbeschwerde.

II.

Die gem. § 321a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässige Gehörsrüge ist unbegründet, so dass sie durch unanfechtbaren und kurz zu begründenden Beschluss zurückzuweisen ist (§ 321a Abs. 4 Satz 4 und 5 ZPO).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Fachgerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 69, 141 [143]). Die Gerichte sind dabei aber nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Gerhörsverstoß festzustellen ist, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 [295f.]; 79, 51 [61]). Dabei bietet das Prozessrecht des Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 69, 141 [143f.]; 79, 51 [62]).

2.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lässt sich unter Berücksichtigung des Vorbringens zur Gehörsrüge (Ss. vom 19.05.2006, GA 1258ff.) ein Gehörsverstoß nicht erkennen.

a)

Der Senat hat bereits dadurch, dass er in dem angefochtenen Beschluss (vgl. BA Bl. 7 = GA 1248) ausdrücklich den Hinweis darauf erteilt hat, er sehe sich an seiner Entscheidung nicht durch das entgegenstehende Vorbringen der Beklagten zu 2.) (Ss. vom 21.03.2006, Bl. 2 = GA 1531) gehindert, zu verstehen gegeben, dass er deren Rechtsansicht über den zur Anwendung zu bringenden § 98 ZPO sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, ihr jedoch nicht zu folgen bereit war. Schon deshalb scheidet eine Verletzung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs aus.

b)

Eine Fortsetzung des Verfahrens über § 321a ZPO ist der Beklagten zu 2.) aber auch nicht deshalb eröffnet - worauf sie evidentermaßen abzustellen sucht - , um eine "Ergebniskorrektur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit" (dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 321a Rn. 11 m.w.N.) zu eröffnen. Die Möglichkeit dazu wird nur bei "unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbaren" Entscheidungen für gegeben angesehen und umfasst damit einen Bereich, in dem vom Bundesverfassungsgericht außer einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ein Verstoß gegen das objektive Willkürverbot angenommen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

aa)

Zwar kann es dem Parteiwillen entsprechen, § 98 ZPO sinngemäß auch auf außergerichtliche Vergleiche anzuwenden (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 98 Rn. 5; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 98 Rn. 2; BGH, WM 1988, 1462; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1996, 320; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1878). Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn sich die Parteien vergleichen, ohne in dem Vergleich eine Kostenregelung zu treffen, und sodann die Hauptsache für erledigt erklären (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 98 Rn. 3; BGH, BGH-Report 2003, 1046). Umgekehrt können die Parteien durch eine so genannte negative Kostenregelung den Vergleich ausdrücklich oder konkludent (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.) auf die Hauptsache beschränken. Da diese damit erledigt ist, muss das Gericht sodann über die Kosten nach § 91a ZPO entscheiden (vgl. BGH, MDR 1965, 25; OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 1466; OLG Frankfurt, a.a.O.; Zöller/Herget, a.a.O., § 98 Rn. 3 und Rn. 5; Musielak/Wolst, a.a.O., § 98 Rn. 3; MK-ZPO/Belz, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn. 4). Hierbei kann dann nicht das vergleichsweise Nachgeben den Maßstab der Verteilung bilden, sondern der bisherige Sach- und Streitstand, also insbesondere die danach zu beurteilenden Erfolgsaussichten (vgl. OLG München, MDR 1990, 344; OLG Celle, BauR 2003, 1762; Zöller/Herget, a.a.O.). Weil es den Parteien freisteht, den Vergleich kostenmäßig dem § 98 ZPO oder dem § 91a ZPO zu unterstellen, muss das Gewollte gegebenenfalls im Wege der Auslegung ermittelt werden (OLG München, NJW 1970, 1329). Ergibt sie, dass eine sachbezogene Klärung gewollt ist, spricht dies für die Anwendung des § 91a ZPO, da die Kostenverteilung nach § 98 diese Voraussetzungen nicht erfüllt (Zöller/Herget, a.a.O., § 98 Rn. 5).

Weitergehend wird sogar die Auffassung vertreten, dass dann, wenn sich Parteien außergerichtlich - mit oder ohne Kostenregelung - verglichen und die Erledigung angezeigt haben, der Rechtsstreit für das Gericht bindend erledigt ist und es in jeden Fall eine Entscheidung nach § 91a ZPO zu treffen hat (so Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 58, Stichwort: "Vergleich", "außergerichtlicher Vergleich"; OLG Bremen, MDR 1979, 510; OLG Frankfurt, MDR 1984, 674; OLG Schleswig, JurBüro 1993, 746; a.A. OLG Hamm, MDR 1976, 147; AnwBl. 1982, 73; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1996, 320). Ob dieser strengen Ansicht, die das Gericht bei einem außergerichtlichen Vergleich stets auf die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO verpflichtet, zu folgen ist, kann hier dahinstehen.

bb)

Denn vorliegend spricht bereits das Ergebnis der Auslegung dafür, dass die Parteien sich nicht konsensual auf eine Aufhebung der Kosten des Verfahrens geeinigt haben, so dass der Senat - wie geschehen - gehalten war, über die Kostenverteilung nach Maßgabe des § 91a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes und die voraussichtlichen Erfolgsaussichten von Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung zu befinden.

Im hier zu entscheidenden Fall ist in Sonderheit zu berücksichtigen, dass die Parteien nicht übereinstimmend einen Vergleichstext - mit einer Kostenentscheidung - untereinander aufgesetzt haben, sondern es ist zum Abschluss des Vergleiches gekommen, indem sich die Beklagte zu 2.) auf das von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2006 unterbreitete Angebot, an sie 50.000,00 € Zug um Zug gegen Bewilligung der Grundbuchberichtigung zu zahlen, zustimmend diesen gegenüber mit außergerichtlichen Schreiben vom 08.03.2006 (GA 1533) erklärt hat. Weder bei Abgabe des Angebots durch die Kläger noch bei Annahme desselben durch die Beklagte hat sich eine der Parteien dazu verstanden, in welchem Verhältnis die Kosten des Verfahren zu tragen sein würden. Dies erlaubt indes keinesfalls den Schluss darauf, jede Seite sei mit einer Teilung der Kosten einverstanden gewesen.

Dagegen sprechen vor allem folgende gewichtige Umstände: Die Parteien haben noch in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2006 streitig zur Sache - mit den von ihnen gestellten Anträgen - verhandelt. Der Senat hat bereits bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage in dieser Verhandlung unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass er den von den Klägern verfolgten Grundbuchberichtigungsanspruch für begründet und das daran von der Beklagten zu 2.) ausgeübte Zurückbehaltungsrecht für rechtsmissbräuchlich erachtete. Es gab für die Kläger mithin überhaupt keinen sachlichen Grund, zusätzlich zu ihrem Entgegenkommen, der Beklagte zu 2.) 50.000,00 € für die Aufgabe der von ihr geübten Rechtsverteidigung zu zahlen, auch noch eine hälftige Teilung der Verfahrenskosten anzubieten. Solches haben sie auch nie zum Ausdruck gebracht. In der Sache haben sie der Beklagten zu 2.) mit dem Vergleichsangebot schlicht nicht mehr als das "Revisionsrisiko abgekauft", welches sie gelaufen wären, wenn der Senat streitig - wie von ihm angekündet - zur Sache entschieden und ihrem Klagebegehren stattgegeben hätte. Diesen ihren Vergleichsstandpunkt haben die Kläger auch nach Annahme ihres Angebots seitens der Beklagten hinlänglich dargestellt, indem sie im Hinblick auf eine - von ihnen zunächst in Abrede genommene - Erledigung der Hauptsache Kostenantrag zu Lasten der Beklagten gestellt haben (vgl. Ss. vom 20.03.2006, GA 1532). Eine sachgerechte Auslegung des zwischen den Parteien zustandegekommenen Vergleiches lässt bei Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen aus Sicht des Senates deshalb nur das Ergebnis zu, dass eine Verständigung auf eine Kostenteilung nach § 98 ZPO nicht erfolgt ist, weshalb über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO zu entscheiden war.

3.

Da der Rechtssache nach allem weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch der Vorwurf der Beklagten zu 2.) zur Verletzung von Verfahrensgrundrechten trägt, konnte auch ihrem Hilfsantrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde kein Erfolg beschieden sein.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. näher Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 321a Rn. 20).

Ende der Entscheidung

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