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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 6 W 64/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
Hat der Kläger nach teilweiser Erfüllung seiner Forderung die Klage (teilweise) zurückgenommen, - statt sie richtigerweise insoweit für erledigt zu erklären -, so hat er entsprechend der Quote für diesen Teil die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf § 91a ZPO keine Anwendung findet.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

6 W 64/07

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 23.10.2007 beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 24.09.2007 wird - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 30.08.2007 (Az.: 4 O 181/07) i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 10.09.2007 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klägerin trägt die Kosten der Anrufung des unzuständigen Landgerichts Flensburg. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 5/9 und der Beklagte 4/9.

2. Der Streitwert wird bis zum 29.05.2007 auf 9.626,13 € und danach auf 5.489,61 € festgesetzt.

II. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin 5/9 und der Beklagte 4/9 nach einem Beschwerdewert von bis zu 2.000,00 €.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die zulässige sofortige Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

a) Die Beschwerde ist begründet, soweit der Beklagte mit der Beschwerdebegründung die in Teilen fehlerhafte Kostenentscheidung des Landgerichts auf der Grundlage von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO rügt.

aa) Nach der durch das ZPO-Reformgesetz neu eingefügten und mit dem 1. JuMoG geänderten Regelung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO kann über die Kostentragung nach billigem Ermessen (§ 91a ZPO) entschieden werden, wenn die Klage zurückgenommen und ein entsprechender Antrag (§ 269 Abs. 4 ZPO) gestellt wird. Dies ist auch dann möglich, wenn die Erledigung schon mit der Einreichung der Klage eingetreten ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 269 Rn. 18d m.w.N.). Vorausgesetzt ist dafür, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Anhängigkeit oder Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 28. Aufl., § 269 Rn. 16). Entsprechend kann entschieden werden, wenn die Klage nicht zugestellt wurde (§ 269 Abs. 3 Satz 3, letzter Halbs., vgl. dazu auch Zöller/Greger, a.a.O., § 269 Rn. 18e m.w.N.). Keine entsprechende Anwendung findet die Vorschrift auf Fälle, in denen eine Erledigungserklärung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 2004, 223; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 269 Rn. 17).

Hingegen trägt im Regelfall, also wenn die so bezeichneten Sonderfälle nach § 269 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht gegeben sind, die klagende Partei grundsätzlich alle Kosten des Rechtsstreits, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO); die weitere dort bestimmte Ausnahme ("oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind") bezieht sich allein auf § 93d ZPO (vgl. BGH NJW 2004, 223; Zöller/Greger, a.a.O., § 269 Rn. 18). Diese den Kläger treffende Kostenlast gilt ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage (BGH, a.a.O.; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 269 Rn. 15). Die Regelanordnung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger die Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen (BGH NJW-RR 1995, 495). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (vgl. BGH NJW 2004, 223 m.w.N.; BGHZ 45, 251, 256f.; BGHZ 111, 168, 170f.). Bei teilweiser Klagerücknahme respektive bei teilweiser Anwendung und teilweiser Nichtanwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sind die Kosten entsprechend § 92 ZPO quotenmäßig zu verteilen (Zöller/Greger, a.a.O., § 269 Rn. 18a m.w.N.).

bb) Nach diesem Maßstab hat das Landgericht den Beklagten zu Recht zur Tragung der Kosten für verpflichtet angesehen, soweit mit der Anspruchsbegründung die Klage teilweise i.H. von 4.086,87 € zurückgenommen und ein entsprechender Kostenantrag von der Klägerin gestellt worden ist; das gilt umgekehrt nicht hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 15.08.2007 erklärten Klagrücknahme im Übrigen zum Restbetrag von 5.489,61 €.

aaa) Wie die Klägerin dargelegt hat, sind von den mit dem Mahnbescheid umfassten streitgegenständlichen Rechnungen - aus dem käuflichen Erwerb von Baustoffen durch den Beklagten und den Verkauf und die Belieferung durch die Klägerin - i.H.v. 9.626,13 € nach Erlass des Mahnbescheides am 30.01.2007 und dessen Zustellung an den Beklagten am 31.01.2007 vom Beklagten am 22.02.2007, 19.03.2007 und am 17.04.2007 Rechnungen zum Gesamtbetrag von 4.086,87 € beglichen worden, so dass (abzüglich zweier Gutschriften über 18,33 € und 49,65 €) ein Restbetrag von 5.489,61 € verbleibt.

aaaa) Soweit der Beklagte gegen die Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf den zurückgenommenen Betrag einwendet, es sei bereits mit der Zustellung des Mahnbescheides an den Beklagten Rechtshängigkeit eingetreten, weshalb sich die Vorschrift nicht auf die erst anschließend - zwischen der Zustellung des Mahnbescheides und der Abgabe der Streitsache am 01.06.2007 - geleisteten Ausgleichsbeträge beziehen könne, ist dem nicht zu folgen. Denn nach Abgabe der Streitsache (§§ 696 Abs. 1, 700 Abs. 3 ZPO), die vorliegend am 01.06.2007 erfolgt ist, nachdem der Beklagte Gesamtwiderspruch, eingegangen bei Gericht am 12.02.2007, gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte, ist der bisherige Antragsteller Kläger, so dass nach der Anspruchsbegründung (§ 697 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) § 269 Abs. 3 Satz 2 und/oder Satz 3 ZPO unmittelbar anwendbar sind. Die Zustellungsrückwirkungsfiktion nach § 696 Abs. 3 ZPO (also die Rechtshängigkeit der Streitsache ab der Zustellung des Mahnbescheids, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird) ist auf Zahlungen im Mahnverfahren (vor der Abgabe) nicht anzuwenden (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 690 Rn. 24 m.w.N.). Die Klägerin konnte mithin mit der Anspruchsbegründung die teilweise Klagerücknahme erklären und die Kostenfolge von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO für sich in Anspruch nehmen.

bbbb) Anders verhält es sich hingegen zur weiteren Klagerücknahme hinsichtlich des verbliebenen Restbetrages von 5.489,61 €. Zwar hat das Landgericht mit seinem Hinweisbeschluss vom 31.01.2007 (richtig wohl: 31.07.2007) zu einer entsprechenden Klagerücknahme angeraten, weil der Beklagte durch die von ihm vorgelegten Kontoauszüge vom 03.07.2007 und vom 24.05.2007 nachgewiesen habe, dass er am 27.06.2007 zugunsten der Klägerin offene Rechnungen i.H.v. 924,35 € und von 4.533,19 € beglichen habe und am 16.05.2007 den dritten noch streitigen Rechnungsbetrag von 100,05 €. Im Falle einer Rücknahme der gesamtlichen restlichen Klage hat das Landgericht einen Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO in Aussicht gestellt.

Diese Darstellung war jedoch fehlerhaft oder jedenfalls ungenau, soweit es eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO oder aber nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO betrifft. Zu den Überweisungen vom 27.06.2007 i.H. von 5.457,54 € abzgl. der Gutschriften von 18,33 und 49,65 € = 5.389,56 € fehlt es zur Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - anders als es das Vordergericht in dem angefochtenen Beschluss vertreten hat - bereits an den formalen Voraussetzungen. Denn diese Zahlungen sind nach Abgabe der Streitsache gem. § 696 Abs. 1 ZPO am 01.06.2007 (sowie auch nach Zustellung der Anspruchsbegründung am 12.06.2007, vgl. GA 31) geleistet worden. Mit der erklärten Klagerücknahme kann deshalb unabhängig davon, ob der Beklagte Anlass zur gerichtlichen Verfolgung dieser Rechnungsansprüche gegeben, keine Kostenentscheidung zu Gunsten der Klägerin ergehen, sondern entsprechend dem Regelfall des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat sie die diesbezüglichen - und insofern nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quotelnden - Kosten (im Verhältnis 5/9 zu 4/9 [Beklagter]) zu tragen. Anders hätte es sich nur verhalten, wenn die Klägerin auf diese geleisteten Zahlungen die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt und damit eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO eröffnet hätte. Diese Möglichkeit hat sie sich selbst versagt und entsprechend kann § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - wie ausgeführt (BGH, NJW 2004, 223) - nicht auf § 91a ZPO angewendet werden, wo die Partei Gelegenheit hatte, von einer solchen Erledigungserklärung Gebrauch zu machen. Die Klägerin hätte es bei einer Erledigungserklärung der Hauptsache belassen können. Dann wäre die Erledigung, falls der Beklagte sich der Erklärung nicht angeschlossen hätte, ggf. durch Urteil festgestellt worden. Die Unannehmlichkeiten, die mit der Wahrnehmung des Verhandlungstermins verbunden sind, rechtfertigen nicht die Durchbrechung der kostenrechtlichen Grundsätze im Wege der Gesetzesauslegung (vgl. BGH NJW 2004, 223, zumal das JuModG mit § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO die Möglichkeit geschaffen hat, dass ohne mündliche Verhandlung über die Kosten nach § 91a ZPO entschieden wird, wenn der Beklagte zu einer Erledigungserklärung des Klägers schweigt.

bbb) Hinsichtlich des Betrages von 4.086,87 € - und damit in Bezug auf eine Quote von 4/9 der Hauptforderung - hat das Landgericht im Übrigen allerdings zutreffend sein nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO eröffnetes Ermessen (§ 91a ZPO) ausgeübt und den diesbezüglichen Anteil an den Kosten des Rechtsstreits - zu 4/9 - dem Beklagten auferlegt. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen ist - aus den vom Landgericht angeführten Gründen - unbegründet. Im Einzelnen:

aaaa) Zu Recht ist das Landgericht in Bezug auf den vom Beklagten vorgebrachten Einwand, die Fälligkeit der mit den einzelnen Rechnungen geltend gemachten Rechnungsbeträge stelle sich immer erst mit deren Zugang, (wobei er formelhaft erklärte, "Wann der Zugang der Rechnung beim Beklagten verzeichnet werden konnte, lässt sich nicht mehr feststellen. Es wird aber angenommen, dass unmittelbar vor der vorgenommenen Zahlung die Rechnung zugegangen sein dürfte"), davon ausgegangen, die Rechnungen seien bereits ohne Rechnung fällig gewesen, da die Klägerin unwidersprochen vorgetragen habe, dass der Beklagte die in den Rechnungen aufgeführten Waren zu den vereinbarten Kaufpreisen bestellt und erhalten habe. Insoweit ergab sich die Fälligkeit der Kaufpreiszahlungsverpflichtung bereits aus dem Gesetz (§ 433 Abs. 2 BGB), da diese grundsätzlich mit der Entstehung der Forderung (§ 271 BGB), also dem Vertragsschluss, eintritt (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 66. Aufl., § 433 Rn. 41).

bbbb) Selbst wenn mit dem Beklagten davon ausgegangen wird, dass die Fälligkeit durch die Gewährung eines Skonto (von 2%) - bei Einhaltung eines auf den ausgestellten Rechnungen jeweils bestimmten Zahlungsziels - durch die Klägerin selbst modifiziert worden ist, was im Geschäftsverkehr durchaus der Üblichkeit entspricht (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O.), und wenn weiter angenommen wird, dass die in den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin vorhandene Allgemeine Geschäftsbedingung, wonach der Kaufpreis bei Lieferung fällig ist und die Gewährung eines Zahlungszieles der Vereinbarung bedarf, nicht wirksam in das Vertragsverhältnis zum Beklagten einbezogen worden sind , kann doch der Beklagte mit seinem Vortrag kein Gehör finden, er nehme an, die Rechnungen seien ihm jeweils erst kurz vor erfolgter Zahlung zugegangen. Denn die Klägerin hatte mit der Anspruchsbegründung dargestellt, dass die Rechnungen grundsätzlich am Tag ihrer Erstellung versandt werden, so dass sie dem Beklagten am Tag danach zugegangen seien. Das hat dieser mit seiner Erwiderung nicht in Abrede genommen, da in seiner Pauschalerklärung kein substantiiertes Bestreiten, sondern eine bloße Mutmaßung (oder Schutzbehauptung) liegt.

cccc) Die weiteren Einwände des Beklagten zur Unbestimmtheit des Mahnbescheides hat das Landgericht zu Recht zurückgewiesen .

Nach allem hat die sofortige Beschwerde in dem bestimmten Umfang Erfolg; im Übrigen nicht. Die Klägerin, der die Beschwerde und Beschwerdebegründung zur Kenntnis gebracht worden ist, hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat davon bis zur Entscheidung des Senats jedoch keinen Gebrauch gemacht.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO entsprechend dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen; die Festsetzung des Beschwerdewertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO, wobei der Senat das Interesse des Beklagten, nicht mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden, hat entscheidend sein lassen.

3. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist nicht gegeben. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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