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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 7 U 173/02
Rechtsgebiete: AusglLeistG, MeAnlG, FlErwV, LwAnpG, ZPO


Vorschriften:

AusglLeistG § 3 Abs. 7
AusglLeistG § 3 Abs. 7 S. 1
AusglLeistG § 3 Abs. 7 S. 2
AusglLeistG § 3 a
AusglLeistG § 3 a Abs. 1
AusglLeistG § 3 a Abs. 2
AusglLeistG § 3 a Abs. 3
AusglLeistG § 3 a Abs. 3 S. 1
AusglLeistG § 3 a Abs. 3 S. 2
AusglLeistG § 3 a Abs. 3 S. 3
AusglLeistG § 3 a Abs. 3 S. 4
MeAnlG § 10 Abs. 2
MeAnlG § 13
FlErwV § 5 Abs. 1
LwAnpG § 44
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 173/02

Verkündet am: 18.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

die Richterin am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht B. und den Richter am Landgericht B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 04.10.2002 wird zurückgewiesen.

2.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis zu 80.000,00 EUR

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Kaufpreisnachforderung i. H. v. 74.349,54 EUR nebst weiteren Zinsen nach § 3 a AusglLeistG in Anspruch.

Der Beklagte begehrt widerklagend hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten etwaige von ihm zu leistende Zahlungen nach §§ 10 Abs. 2, 13 MeAnlG einschließlich Verfahrenskosten zu erstatten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Rostock vom 04.10.2002 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit benanntem Urteil den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Hinsichtlich der Widerklage findet sich im Tenor des Urteils nichts. Am Ende der Entscheidungsgründe hat das Landgericht aber ausgeführt, dass die zulässige Widerklage unbegründet sei.

Das Landgericht hat § 3 a AusglLeistG für verfassungsgemäß gehalten. Der Klägerin sei es auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, die Kaufpreisnachforderung geltend zu machen.

Im Übrigen hat das Landgericht die Klage auch der Höhe nach für begründet erachtet. Die Klägerin habe die Nachforderung gem. §§ 3 a Abs. 3, 3 Abs. 7 AusglLeistG i. V. m. § 5 Abs. 1 FlErwV zutreffend berechnet und zur Ermittlung des Verkehrswertes die regionalen Wertansätze zugrunde gelegt. Ein abweichender Wertansatz sei nicht geboten gewesen.

Eine Absenkung der Kaufpreiserhöhung nach § 3 a Abs. 3 AusglLeistG komme nicht in Betracht. Zum einen habe der Beklagte keine Schäden im Sinne dieser Vorschrift geltend gemacht. Zum anderen habe er die von ihm genannten Schäden unstreitig nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten gem. § 3 a Abs. 3 S. 2 AusglLeistG nachgewiesen.

Die zulässige Widerklage sei unbegründet. Der Beklagte habe es mit dem Kaufvertrag übernommen, die Klägerin von Ansprüchen nach dem Meliorationsanlagengesetz freizustellen. Dieser Freistellungsanspruch der Klägerin sei infolge der Kaufpreisanpassung nicht entfallen. Eine Anpassung des Kaufvertrages komme nicht in Betracht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Rostock vom 04.10.2002 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner fristgemäß eingelegten und begründeten Berufung, mit der er weiterhin die Abweisung der Klage sowie seinen Hilfsantrag verfolgt.

Er ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert; sie sei nicht die Verkäuferin. So habe mit dem zugrunde liegenden Kaufvertrag einerseits die Klägerin eigene Flächen verkauft und andererseits habe die BvS weitere Flächen verkauft.

Im Übrigen beruft sich der Beklagte auf die Ausführungen der 4. Zivilkammer des Landgerichts Rostock in ihrem Urteil zu 4 O 468/01, die die Klage der Klägerin in einem Parallelfall abgewiesen hat. Jene Ausführungen seien überzeugend.

Darüber hinaus gebe es im konkreten Fall durchaus verfassungsrechtliche Bedenken. Jedenfalls für den Fall des Beklagten habe keine Notwendigkeit vorgelegen, ihm die gewährte Beihilfe zu entziehen. Bei der Abfassung des Ausgleichsleistungsgesetzes hätten persönliche Umstände, wie sie beim Beklagten vorlägen, aufgenommen werden können, weil er neben dem nackten Hof keine Abfindungen für seine Tätigkeit während der DDR-Zeit aus der LPG erhalten habe. Diese sei vermögenslos.

Insoweit sei der Gesetzgeber bei der Neufassung des Ausgleichsleistungsgesetzes über die Vorgaben der Kommission hinausgegangen. Zwar habe auch der Gesetzgeber in § 3 a Abs. 3 S. 1 AusglLeistG noch allgemein bestimmt, dass Käufer, die zwischen dem 07.10.1949 und 03.10.1990 nicht bereits ausgeglichene Schäden erlitten haben, eine Ermäßigung beanspruchen könnten. Dadurch habe der Gesetzgeber auf persönliche Belange der Käufer abgestellt. Dies habe er aber in § 3 a Abs. 3 S. 3 AusglLeistG sogleich wieder auf den Bereich eingebrachten Inventars beschränkt, was nicht zwingend sei. Vielmehr hätten auch anderweitige persönliche Verhältnisse aufgeführt werden können, wie z. B. im Fall des Klägers, wenn ein Landwirt ausnahmsweise keine Abfindungen nach § 44 LwAnpG erhalten habe und damit schlechter als andere gestellt sei. Jene Einschränkung des Schadensbegriffes gehe über die Entscheidung der Kommission hinaus. Daher sei § 3 a AusglLeistG verfassungswidrig.

Der Hilfsantrag bleibe aufrecht erhalten. Zwar habe sich der Beklagte im Kaufvertrag verpflichtet, der Klägerin etwaige Ansprüche nach dem Meliorationsanlagengesetz von der Hand zu halten. Dies sei aber eine Gegenleistung zum Kaufpreis und habe bei der Bemessung der Kaufpreisnachzahlung Berücksichtigung zu finden.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Aktivlegitimiert für den Anspruch aus § 3 a AusglLeistG sei "der Verkäufer". Ausweislich des Grundstückskaufvertrages sei Verkäuferin die Klägerin.

Die Bezugnahme auf das benannte Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Rostock führe nicht weiter, weil dieses Urteil unzutreffend sei.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Kaufpreisabsenkung gem. § 3a Abs. 3 AusglLeistG seien nicht erfüllt.

Der Hilfsantrag sei unbegründet.

Der Beklagte habe sich zur Freistellung von Ansprüchen nach dem Meliorationsanlagengesetz vertraglich verpflichtet. Der Vertrag und damit diese Verpflichtung sei spätestens mit der Neubestimmung des Kaufpreises durch die Klägerin gem. § 3 a Abs. 1 AusglLeistG bestätigt worden.

II.

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil der Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten gem. §§ 3 a Abs. 2, 3 Abs. 7 S. 1 und 2 AusglLeistG i. V. m. § 5 Abs. 1 FlErwV in beantragter Höhe zuerkannt.

Die gegen diesen Anspruch vom Beklagten vorgebrachten Einwände greifen nicht durch und vermögen das Urteil nicht zu Fall zu bringen.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet, da sie nicht die Verkäuferin im zugrunde liegenden Kaufvertrag sei, ist dies nicht recht verständlich. Vielmehr ist die Klägerin nach dem Inhalt des Kaufvertrages und ihrer Bezeichnung im Kaufvertrag unzweifelhaft die Verkäuferin der Grundstücke und insoweit aktivlegitimiert. Im Kaufvertrag haben auch - entgegen den Ausführungen des Beklagten - nicht etwa sowohl die Klägerin eigene Flächen als auch die BvS weitere Flächen verkauft. Die Klägerin hat vielmehr ausweislich der Erläuterungen in der Vorbemerkung, Ziff. 1 des Kaufvertrages, auf die Bezug genommen wird, ausschließlich in ihrem Eigentum stehende Grundstücke veräußert. Die BvS ist als Verkäuferin nicht aufgetreten.

2.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hält der Senat § 3 a AusglLeistG für verfassungsgemäß. Die Kaufpreisnachforderung ist der Klägerin auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt.

Soweit sich der Beklagte auf das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Rostock zu 4 O 468/01 beruft, ist dies unerheblich, da jene Entscheidung mit gleichzeitig verkündetem Urteil des Senates (7 U 127/02) abgeändert und der Klage stattgegeben wurde.

Zwischenzeitlich hatte der Bundesgerichtshof Gelegenheit, sich mit der Frage der Verfassungsgemäßheit von § 3 a AusglLeistG zu befassen. Er hat diese mit Urteil vom 04.04.2003 (WM 2003, 1491) bejaht und ausgeführt, § 3 a AusglLeistG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Norm verstoße insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes. Zudem sei die durch § 3 a AusglLeistG letztlich bezweckte Rückforderung der gewährten staatlichen Beihilfe grundsätzlich auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Dies könne nur aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalles in Betracht kommen, wenn die Rückgewähr der Beihilfe mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, etwa weil Vermögensdispositionen getroffen worden seien, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten, oder weil die gewährten Leistungen verbraucht worden seien.

Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung in der Folge mit Urteil vom 24.10.2003 (VIZ 2004, 77) bestätigt und erneut bekräftigt, dass § 3 a AusglLeistG verfassungsrechtlich unbedenklich sei und der Nachforderungsanspruch nur aufgrund außergewöhnlicher Umstände im Einzelfall nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein könne.

Der Senat teilt diese - bereits als gefestigt anzusehende - Rechtsprechung des BGH und schließt sich dieser an. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den zitierten Entscheidungen des BGH Bezug genommen.

Außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles im beschriebenen Sinne, die es hier ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen lassen, den Nachforderungsbetrag geltend zu machen, werden vom Beklagten nicht behauptet.

3.

Soweit der Beklagte meint, der Gesetzgeber hätte bei der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben der Kommission weitere persönliche Umstände der Käufer berücksichtigen können und müssen, insbesondere, wie in seinem Fall, dass keinerlei Abfindungszahlungen gem. § 44 LwAnpG gezahlt worden seien, kann dies der Berufung jedenfalls im vorliegenden Falle ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Zutreffend weist der Beklagte zwar insoweit darauf hin, dass der Gesetzgeber durchaus im Ausgangspunkt in Umsetzung der Vorgaben der Kommission bestimmt hat, dass eine Kaufpreisanhebung abzusenken ist, wenn der Käufer nachweist, dass Schäden, die nach dem 07.10.1949 und vor dem 03.10.1990 entstanden und nicht bereits ausgeglichen sind, eine Ermäßigung rechtfertigen, § 3 a Abs. 3 S. 1 AusglLeistG. Auch der Beklagte geht davon aus, dass mit dieser Vorschrift, wäre sie uneingeschränkt geblieben, ausreichend auf die persönlichen Belange der Käufer Rücksicht genommen worden wäre. Lediglich durch die sodann in § 3 a Abs. 3 S. 3 AusglLeistG vorgenommene Einschränkung des Schadensbegriffes sei es dazu gekommen, dass Benachteiligungen, wie z. B. im Fall des Beklagten aufgrund der Nichtauszahlung einer Abfindung gem. § 44 LwAnpG, nicht durch Begünstigungen beim Flächenerwerb kompensiert werden können, was durch die Kommission nicht gefordert worden sei.

Es kann für die Entscheidung im vorliegenden Fall offen bleiben, ob der Rechtsansicht des Beklagten insoweit zu folgen wäre, mit der - allenfalls - denkbaren Konsequenz, dass § 3 a Abs. 3 S. 1 bzw. S. 3 AusglLeistG europarechtskonform bzw. verfassungskonform dergestalt ausgelegt werden könnte, dass auch die vom Beklagten genannten Benachteiligungen im Einzelfall zwecks Absenkung der Kaufpreisanhebung gem. § 3 a Abs. 3 S. 4 AusglLeistG zu berücksichtigen wären. Unterstellt, dies wäre der Fall, könnte dies dem Beklagten dennoch nicht zum Vorteil gereichen, weil er den Nachweis der von ihm behaupteten Schäden nicht innerhalb der in § 3 a Abs. 3 S. 2 AusglLeistG normierten - unbedenklichen - Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang der Kaufpreisanhebungserklärung erbracht hat. Jene Erklärung ist dem Beklagten am 11.11.2000 zugegangen. Bis zum 11.05.2001 hat der Beklagte den notwendigen Schadensnachweis nicht erbracht, insbesondere auch nicht durch sein Schreiben vom 09.05.2001. Darin hat er die behaupteten Schäden zwar vorgetragen, aber nicht nachgewiesen. Auf den fehlenden Schadensnachweis ist von der Klägerin bereits vorprozessual als auch erstinstanzlich ausdrücklich hingewiesen worden, ohne dass der Beklagte dem entgegengetreten wäre. Entsprechend hat auch das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte unstreitig die Schäden nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nachgewiesen habe. Daran hat sich auch in der Berufungsinstanz nichts geändert, so dass auch der Senat bereits deshalb und überdies gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehalten ist, davon auszugehen.

4.

Einen Anspruch auf Feststellung gem. dem gestellten Hilfsantrag hat der Beklagte nicht. Auf die Ausführungen des Landgerichts und der Klägerin kann Bezug genommen werden.

Soweit der Beklagte damit Einwände gegen die Höhe der Kaufpreisnachforderung geltend machen wollte, weil er meint, die kaufvertragliche Verpflichtung sei bei der Bemessung der Kaufpreisnachzahlung zu berücksichtigen, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies geschehen soll. Der Beklagte macht keinerlei Angaben, welchen Wertansatz er dieser angeblichen kaufpreisähnlichen Verpflichtung zubilligen möchte. Zu einer Schätzung fehlen jegliche Anhaltspunkte.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der festgesetzte Gegenstandswert des Berufungsverfahrens entspricht dem von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch und berücksichtigt zudem den Hilfsantrag des Beklagten.

6.

Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, da deren Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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