Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: I Ws 158/05
Rechtsgebiete: StPO, UVollzO


Vorschriften:

StPO § 119
StPO § 119 Abs. 3
StPO § 119 Abs. 6 Satz 1
StPO § 126 Abs. 2 Satz 3
StPO § 126 Abs. 2 Satz 4
StPO § 304
StPO § 309 Abs. 2
StPO § 119 Abs. 3
StPO § 119 Abs. 6
UVollzO Nr. 46
UVollzO Nr. 67
UVollzO Nr. 68 Ziff. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - Beschluss

Geschäftszeichen I Ws 158/05

In der Strafsache

wegen Einschleusens von Ausländern u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht Z. und die Richterin am Amtsgericht M.

auf die Beschwerde des Untersuchungsgefangenen gegen den Beschluss der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Rostock vom 11.03.2005 - 13 KLs 3/05 -, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

am 19.04.2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss wird aufgehoben.

2. Gegen den Beschwerdeführer wird wegen schuldhaften Verstoßes gegen die Ordnung der Anstalt und Gefährdung des Haftzwecks als Disziplinarmaßnahme der Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen für die Dauer von 2 Monaten verhängt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Rostock vom 18.11.2004 - 21 Gs 2276/04 - seit diesem Tage in Untersuchungshaft in der JVA Waldeck.

Am 17.02.2005 wurde bei einer Durchsuchung des Haftraumes des Beschwerdeführers u.a. ein Mobiltelefon mit zugehörigem Ladegerät und SIM-Karte gefunden. Auf Vorschlag der JVA Waldeck hat die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Rostock, vor der die Anklage gegen den Beschwerdeführer erhoben worden war, daraufhin mit Beschluss vom 11.03.2005 den Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen für die Dauer von 2 Monaten gemäß § 119 Abs. 3, 6 StPO, Nr. 67, 68 Ziff. 6, 46 UVollzO verhängt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Untersuchungsgefangenen, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 304 StPO statthafte und zulässige Beschwerde führt zwar zunächst zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da die Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Im Ergebnis hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

1. Die Strafkammer war nicht zuständig zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, so dass der Beschluss aufzuheben war.

Funktionell zuständig für die Verhängung der Disziplinarmaßnahme war allein der Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer. Die Verhängung der Disziplinarmaßnahme ist eine Beschränkung im Sinne des § 119 Abs. 3 StPO. Die danach erforderlichen Maßnahmen ordnet gemäß § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO "der Richter" an. Dies war nach Erhebung der Anklage zur 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Rostock gemäß § 126 Abs. 2 Satz 3 StPO "der Vorsitzende". Entscheidet an Stelle des funktional allein zuständigen Vorsitzenden das Kollegialgericht, so ist dies nicht "unschädlich" (so aber OLG Düsseldorf MDR 1985, 603 ; KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 126, RdNr. 13 m.w.N.). Eine allgemeine Auffangkompetenz des Kollegialgerichts (wie etwa in § 238 Abs. 2 StPO) ist nicht vorgesehen (vgl. OLG Frankfurt StV 1988, 538 m.w.N.; OLG München StV 1995, 141). Die Vorschrift kann aber nicht entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut ausgelegt werden. Wäre der alleinige Grund für die Vorsitzendenzuständigkeit die Verfahrensbeschleunigung, so wäre eine dem § 126 Abs. 2 Satz 4 StPO entsprechende Regelung getroffen worden. Auch das Argument, die Entscheidung durch den gesamten Spruchkörper biete eine höhere Richtigkeitsgewähr (so KK-Boujong a.a.O.) vermag daran nichts zu ändern, da die Kammer zwar jeweils eine materiell richtige Entscheidung treffen mag, im Einzelfall dabei aber die Möglichkeit besteht, dass der an sich allein zuständige Vorsitzende überstimmt und der Betroffene damit seinem gesetzlichen Richter entzogen wird (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

2. Eine Zurückverweisung an den Vorsitzenden der Strafkammer war hingegen nicht angezeigt. Zwar wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, die Entscheidung der gesamten Strafkammer an Stelle des allein zuständigen Vorsitzenden über eine Maßnahme nach § 119 StPO stelle einen so schwerwiegenden Mangel dar, dass die Sache an den funktionell alleine zuständigen Vorsitzenden zurückzuverweisen sei (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG München a.a.O.). Dem ist jedoch entgegen zu treten. Nach § 309 Abs. 2 StPO erlässt das Beschwerdegericht die in der Sache erforderliche Entscheidung, wenn es die Beschwerde für begründet erachtet. Eine Ausnahme vom Grundsatz der eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts - und damit eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz - kommt nur dann in Betracht, wenn der Entscheidung ersichtlich Willkür oder anderes grobes prozessuales Unrecht zugrunde liegen (OLG Rostock NStZ-RR 2000, 14). Nach dem Grundgedanken des § 309 Abs. 2 StPO trifft das zuständige Beschwerdegericht die in der Sache erforderliche Entscheidung, wenn der zur Aufhebung des Beschlusses führende Mangel im Beschwerdeverfahren ausgeglichen werden kann (vgl. OLG Rostock a.a.O. m.w.N.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 111).

So liegt der Fall hier. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung dem gesetzlichen Richter willkürlich gänzlich entzogen worden ist. Vielmehr hat nicht etwa ein unzuständiges Gericht entschieden, sondern der zuständige Vorsitzende hat an der Entscheidung der Kammer mitgewirkt. Zum anderen wäre der Senat auch als Beschwerdegericht gegen die Entscheidung des Vorsitzenden zuständig und hat daher die in der Sache notwendige Entscheidung selbst zu treffen.

3. Die Verhängung der Disziplinarmaßnahme von 2 Monaten Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen gegen den Beschwerdeführer ist jedoch im Ergebnis zu Recht und aus zutreffenden Gründen erfolgt. Der Beschwerdeführer hat durch den Besitz des Mobiltelefons mit Ladegerät und SIM-Karte schuldhaft und in schwer wiegender Weise gegen die Anstaltsordnung verstoßen und damit die Disziplinarmaßnahme gemäß Nr. 46, 67, 68 Ziff. 6 UVollzO verwirkt. Die Dauer des Entzugs der Teilnahme an den gemeinsamen Veranstaltungen der JVA erweist sich angesichts des Gewichts der Verfehlung des Beschwerdeführers auch nicht als unverhältnismäßig, so dass letztlich durch das Beschwerdegericht wiederum dieselbe Disziplinarmaßnahme gegen den Beschwerdeführer wegen seines vollzugswidrigen Verhaltens zu verhängen war.

Ende der Entscheidung

Zurück