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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: I Ws 549/04
Rechtsgebiete: StGB, StPO, JGG


Vorschriften:

StGB § 57
StGB § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StPO § 300
JGG § 85 Abs. 6
JGG § 88
JGG § 89 a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock -1. Strafsenat- BESCHLUSS

I Ws 549/04

gegen M. S.

geboren am in H. zzt. in der Jugendanstalt Neustrelitz

wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dally sowie die Richter am Oberlandesgericht Hansen und Röck auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der III. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Neubrandenburg vom 10.11.2004, durch den die Vollstreckung der Reste der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 05.12.2002 sowie der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 03.12.2003 zur Bewährung ausgesetzt worden sind,

auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft

am 17. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

1.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2.

Die weitere Vollstreckung der Reste der Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 05.12.2002 - 1 Ls 325/01 - und der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hagenow vom 03.12.2003 - 2 Ls 182/03 - wird angeordnet.

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer - entsprechend der zunächst erklärten Einwilligung des Verurteilten sowie der übereinstimmenden Stellungnahmen von Staatsanwaltschaft und Vollzugsanstalt - die Vollstreckung der Reste der gegen den Verurteilten verhängten Jugend- und Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte bzw. zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt. Nachdem ihm dieser Beschluss am 16.11.2004 zugestellt worden ist, hat der Verurteilte mit Schreiben vom 17.11.2004, beim Landgericht eingegangen am 22.11.2004, erklärt, dass er "bis auf weiteres auf eine vorzeitige Straf-aussetzung gem. § 57 StGB" verzichte und sein "gegebenes Einverständnis zurück" ziehe. Zur Begründung gab er an, erst jetzt erfahren zu haben, dass er seine in der JA begonnene Ausbildung nicht heimatnah fortsetzen könne und deshalb jetzt doch in der Vollzugsanstalt bleiben wolle, um dort die Ausbildung, die ihm sehr wichtig sei, beenden zu können.

II.

Die Erklärung des Verurteilten ist gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer auszulegen, die fristgerecht und auch im Übrigen zulässig erhoben ist.

Das Rechtsmittel ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, da der Verurteilte die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung zur bedingten Entlassung zurück genommen hat und auch die Aussetzung der Restjugendstrafe im Hinblick auf die Entwicklung des Verurteilten derzeit nicht verantwortet werden kann.

1.

Da ohne die Einwilligung des Verurteilten eine Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe nicht zulässig ist und die zunächst abgegebene Einwilligungserklärung bis zur Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses - wie hier geschehen - auch widerrufen werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 20.11.2003 - I Ws 509/03 -; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 57 Rdnr. 19 m.w.N.), konnte die Aussetzung insoweit keinen Bestand haben.

2.

Aber auch die Aussetzung des Restes der Jugendstrafe kam nicht in Betracht: Zwar hat die Strafvollstreckungskammer bei ihrer insoweit zu treffenden Entscheidung auch nach Abgabe der Vollstreckung nach §§ 85 Abs. 6, 89 a Abs. 3 JGG allein die Kriterien des § 88 JGG heranzuziehen, die materiell-rechtlichen Vorschriften des § 57 StGB sind gerade nicht anwendbar (OLG Hamm NStZ-RR 2000, 92; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 91; Brunner/ Dölling, JGG. 11. Aufl., § 85 Rdnr. 14 m.w.N.; Eisenberg, JGG, 10. Aufl., § 85 Rdnr. 17 a). Es kommt hier also nicht auf die Einwilligung des Verurteilten an, er hat kein Recht darauf, dass die Jugendstrafe vollständig vollstreckt wird (Eisenberg a.a.O. § 88 Rdnr. 9). Die Entscheidung steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen - hier - der Strafvollstreckungskammer, die dieses im Interesse des Verurteilten verantwortungsbewusst auszufüllen hat (Eisenberg a.a.O.; Brunner/Dölling a.a.O.).

Diese nunmehr vom Senat vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Aussetzung des Restes der Jugendstrafe im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Verurteilten jedenfalls derzeit nicht verantwortet werden kann. Er hat sich zwar mit seinen Alkohol- und Aggressionsproblemen - offenbar erfolgreich - auseinander gesetzt und auch sonst im Vollzug eine durchaus positive Entwicklung genommen. Seine in der Anstalt begonnene und bislang mit guten Ergebnissen absolvierte Ausbildung zum Hochbaufacharbeiter kann er jedoch außerhalb der Anstalt nicht, jedenfalls nicht in Heimatnähe, fortsetzen. Da aber auch der Senat der Auffassung ist, dass die Beendigung der Berufsausbildung eine unabdingbare Voraussetzung für ein künftig straffreies Verhalten des Verurteilten in Freiheit und daher für ihn sehr wichtig ist, kam eine Strafrestaussetzung - die zwangsläufig zu einem Abbruch der Ausbildung führen würde - derzeit nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als die Fortsetzung der Ausbildung - und damit auch die (vorläufige) Fortsetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe - dem erklärten Willen des Verurteilten entspricht.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Fortsetzung der Vollstreckung der Strafreste anzuordnen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 473 Abs. 3, 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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